Vati hatte Angst um seine Kinder ...


Es muss 1951 gewesen sein. Am 13. Juli war unsere Mutti verstorben und unser Vater brauchte Ablenkung von seinem großen Kummer. Er hat sein Drei-Mädel-Haus nicht vergessen und war mit uns ins Sauerland gefahren, zu seinem Bruder.

Für uns Mädchen - grad viereinhalb, knapp 7 und fast 11 Jahre alt - war das etwas Besonderes, denn vom flachen Münsterland waren wir bislang "nur" durch die norddeutsche Ebene mit dem Zug nach Borkum und einmal nach Juist an die Nordsee gereist.

Klar gab es im Sauerland viele Spaziergänge, von denen wir dann zuhause der nicht immer mitgereisten Oma, der Mutter unseres Vaters, ganz aufgeregt erzählten. Ein Abenteuer hatten wir dort auch erlebt.

Auf unseren Spaziergängen, die oftmals durch heideähnliche Gebiete führte, suchten wir Kinder uns regelmäßig neben Blau- und Himbeeren auch "Spazierstöcke" und lernten so nebenbei auch, dass es noch andere Beeren gab, die man besser wegen ihrer Giftigkeit nicht pflückte oder gar aß. Dabei geschah es, dass mitten auf unserem Weg gerade eine Kreuzotter sich von einer Wegesseite zur anderen schlängelte.

Wir Kinder hatten gerade unsere Mutter, unser Vater seine Frau verloren. Er reagierte panisch: die arme Schlange musste dran glauben! Die Panik ließ ihn einfach nur zuschlagen! Er schlug sie mitten durch!
Natürlich war das die Geschichte, die wir zuhause brühwarm erzählten, erstmals eine richtige Schlange draußen zu erleben und dazu die Panikreaktion unseres Vaters - meine jüngste Schwester, gerade viereinhalb Jahre alt, krähte: "... und die Schlange, die hat gezüngelt!"

Viele Jahre später durfte ich erleben, dass Schlangen durchaus auch an der Nord- oder Ostsee in der Dünenlandschaft zuhause sind, wo ich sie nie und nimmer vermutet hätte. Ich war mit meiner Tochter und meinem Enkel sowie einer befreundeten Familie nach Dänemark gereist, wo wir ein paar Urlaubstage verbrachten und die dänische Version Legoland besuchten. Als wir von diesem Ausflug in unser Ferienquartier zurückkehrten, entdeckten wir im Gras des Quartiergartens eine Kreuzotter. Unsere Kinder waren noch klein, die Vierjährigen waren eher neugierig als öngstlich, wollten gleich im Garten spielen.

Der Vater der befreundeten Vierjährigen hatte nichts Besseres zu tun, als das arme Schlangentier am Schwanzende hoch in die Luft zu halten! Er war mit seiner Prahl-Geschichte noch nicht zu Ende, die ihn als Schlangenkenner auch Nordafrikanischer Schlangen auszeichnen sollte, da biss diese Schlange ihn in die Hand! In der nächsten halben Stunde schwoll erst die Hand und dann der Arm an, Beides wurde blau-violett und er spürte, wie sein Blutdruck begann, verrückt zu spielen. Und das am Sonntag im Ausland!

Seine Frau übergab mir die Tochter, verfrachtete ihren Mann ins Auto und fuhr in den nächsten Ort, um einen Arzt zu finden. Aber sie mussten nochmal 50 km ins nächste Krankenhaus fahren! In jenem Urlaub konnte der Schlangenkenner nichts mehr selbst unternehmen, er durfte nur noch unsere Unternehmungen begleiten.

Mein Enkel hat danach nur einmal eine lebendige Schlange zu sehen bekommen: eine "fahrende Ausstellung" von Tieren besuchte die Schulen der Umgebung und hatte auch in ihren Terrarien Echsen zur Ansicht.


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