Urlaub vor 65 Jahren
Unser Vater fand es richtig, dass wir auch mal den Süden Deutschlands kennenlernten, nicht nur das Meer oder die relativ sanften Berge des Sauerlandes, sondern auch die Alpen. Wir fuhren - damals für uns Kinder noch ein Extra-Erlebnis - mit dem Zug fast acht Stunden nach Bayern, südlich vom Chiemsee nach Pertisau am Achensee. Ich werde den Sonnenaufgang, den ich in aller Frühe vom Zugfenster aus beobachten konnte, nie vergessen ...!!
Heute fällt mir eine kleine Begebenheit dazu ein: Die Zugfahrt von Münster/Westf. nach Bayern traten wir abends an. Vati hatte ein Schlafwagenabteil gebucht, aber das Abteil war für 6 Personen gedacht, wir aber nur zu viert. Meine jüngste Schwester, damals erst vier Jahre alt, legte sich auf eine Sitzbank und schlief dort.
Irgendwo auf der langen Zugfahrt stiegen im Schwabenland zwei weitere Fahrgäste ein, deren Sitzplätze in unserem Abteil ihnen zustanden. Unsere Jüngste lag aber ausgerechnet dort, wo die Damen sich niederlassen durften. Seither schwirrt ihre Bemerkung in unseren norddeutschen Köpfen herum: "Die Plätzsch sin besätzsch!" Auf diese Weise lernten wir Kinder, dass man in Deutschland doch so einige Dialekte hat ..."
Kommentare (2)
@Rosi65
Meine ersten Urlaubserinnerungen waren die als knapp Vierjährige bei der Familie meines Onkels, dem Bruder meines Vaters im Sauerland. Allerdings war das wohl eher ein "Versorgungs-Urlaub" 1947 während der wenigen Wochen, als meine jüngste Schwester auf die Welt kam.
Ich weiß inzwischen, liebe Rosi65, dass es zu der Zeit wohl noch etwas Besonderes war, Urlaub an der See oder in den Bergen zu machen. Doch die Tatsache, dass mein Vater beruflich so gefragt war, dass er sich mit seiner Familie Urlaub an der See, im Sauerland oder in Bayern erlauben konnte, kam mir damals nicht "komisch" vor. Sein Stiefvater hatte ihn als Fünfjährigen zu Verwandten an die Ostsee geschickt, was ihm wohl gefalle hatte.
Für uns Kinder war es seinerzeit eine von ihm genutzte Möglichkeit, ohne ständig an den Verlust seiner Frau, unserer Mutter, zu denken, seinem Drei-Mädelhaus Ablenkung zu bieten. Auch er selber brauchte ja etwas Erholung vom täglichen Berufsstress ... Täglich 12 Stunden hinter Kundinnen stehen, ihnen die Haare zu waschen, zu schneiden, zu frisieren, ist schon eine körperliche Herausforderung!
Als Kind das mitzubekommen bewirkte, dass ich es vorzog, auf`s Büro zu gehen! Aber auch acht Stunden mehr oder weniger sitzende Tätigkeiten zu erledigen, damals noch auf die sehr viel stärker nieder zu drückenden Schreibmaschinentasten als heute zu hauen, brachte mir recht schnell im rechten Arm eine Gürtelrose ein. Ich war es ja gewohnt, täglich zuhause auch noch wenigstens eine Stunde Klavier zu üben. Doch beides war dann doch zuviel ...
Heute können die Friseure das ständige Stehen hinter den zu bedienenden Kunden ja mit hohen, rollenden Hockern bewältigen, obwohl auch das nicht "das Goldene vom Ei" sein wird... Seinerzeit gabs die noch nicht. Und obendrein wollte er auch seine Freizeit mit seinen Lieben verbringen, uns wenigstens ein paar Wochen im Jahr Zusammengehörigkeit schenken, uns etwas Mutterverlust vergessen machen ...
Liebe Uschi,
nur die wenigsten Familien konnten sich damals einen Urlaub leisten.
Mein erster Urlaub fand eigentlich erst als 12jährige bei Onkel und Tante in Schleswig-Holstein statt. Zusammen mit meinem Vater besuchten wir sie. Allein die Zugfahrt war schon ein Erlebnis für mich. Der Onkel hielt Hühner und Kaninchen, und es gab dort eine große Wiese mit Pferden und Kühen. Natürlich unternahmen wir auch einen Abstecher zum Hamburger Hafen und nach „Planten und Blomen“. Außerdem habe ich damals gebettelt, um wenigstens einmal mit der dortigen U-Bahn zu fahren. "Aber da ist doch alles ganz dunkel. Es gibt nichts zu sehen", bekam ich erst zur Antwort. Aber dann löste der Onkel plötzlich Tickets für zwei Stationen, um mir diesen Wunsch zu erfüllen.
Für mich war es damals also auch ein richtig schöner Urlaub.
Viele Grüße
Rosi65