...und schreibe an die Hauswand

Als keines Mädchen hatte ich sämtliche Schallplatten von der ungefähr gleichaltrigen Cornelia Frohboess (bekanntestes Lied: Pack die Badehose ein). Ich konnte alle Lieder auswendig singen und dabei Cornelias Stimme perfekt imitieren und erinnere mich dunkel an eine Klassenfahrt, bei der ich auf der Heimfahrt vorn im Bus per Mikrofon einige zum besten gab. Hab mich schon immer gern produziert. In den letzten Jahren hab ich mir das weitgehend abgewöhnt, denn alte Schachteln machen sich dabei bloß lächerlich.

Unter den Cornelia-Liedern befand sich eines m. d. Titel: "am liebsten spiele ick uff unsern Hof", und worin es irgendwo heißt: "...und schreibe an die Hauswand: du bist doof!"

Einmal, als ich einen Streit mit unserem Freund und Anführer Heinz Hoffmann hatte, schrieb ich neben die Wohnungstür "Hoffmann ist doof!"

Hätte ich geahnt, was für einen Wirbel die Erwachsenen machen würden, hätte ich es gelassen! Es gab einen Aufruhr im ganzen Haus; sämtliche Kinder wurden strengstens verhört; so aufgebracht hatte ich unsere jeweiligen Altvorderen noch nie zuvor erlebt!

Diese Reaktion auf einen harmlosen Kinderstreich erscheint mir auch heute noch überzogen! Jedenfalls war ich so verstört und erschrocken, daß ich die Autorenschaft hartnäckig leugnete. (Graphologen zu bemühen, war den Erwachsenen die Sache wohl doch nicht wert).

Es hätte also heißen können "Schwamm drüber" – wörtlich und im übertragenen Sinne!

Aber dann nahm Heinz die Sache selbst in die Hand!

Er bat mich, ihm sämtliche Cornelia-Platten zu leihen, und ich Ahnungslose tat es.

Wenig später hörte man im Hausflur Cornelias Stimme:

"...und schreibe an die Hauswand: du bist doof!"

und wieder

und wieder

immer dieselbe Stelle

bis zum Abwinken!

nicht auszuhalten!

Psychoterror pur!

Ich weiß nicht mehr, wie lange ich das durchgestanden hab; irgendwann jedoch tat ich das,womit Heinz auch gerechnet hatte: ich ging hin und beichtete meine Missetat! Strafe gab es nicht, glaub ich, aber peinlich war die Geschichte doch für mich! Vergeß ich jedenfalls nie!

Ich denke auch, daß mich das ziemlich geprägt hat; denn bei Heimlichkeiten und "Untaten" in späteren Jahren hab ich immer die "Flucht nach vorn" – das offene Geständnis – vorgezogen. Das Infame ist nur - und da wird mir jeder Delinquent zustimmen - daß einem, der sich mal schuldig gemacht hat, in der Folge jegliche unaufgeklärte Untat in die Schuhe geschoben wird! Ich nenne das den "Müllhaldeneffekt".