„Der macht dann am Montag blau!“



„Der macht dann am Montag blau!“

Im Jahre 1901: Religion auf dem Prüfstand

Einen in damaliger Zeit interessanten Vortrag hielt Radebergs Lehrer Kirschen, der sich nach den Osterprüfungen im Fach Religion mit der Auffassungsgabe der Schüler und deren Wiedergabe im Alltag auseinandersetzte.
Zu einem der Prüfungskomplexe im Schulfach Religion gehörte zum Beispiel das Feld der „Sonntagsentheiligung“, jener Institution, die die Zeit des allgemeinen Sonntags auf die Zeit nach dem Gottesdienst legte. Es war jene Zeit, in der man eigentlich keine Gaststätte besuchen sollte oder in der während des Gottesdienstes noch die Schaufenster der Geschäfte zu verhängen waren. In Schönborn wurde 1912 noch ein Knecht verurteilt, der während des örtlichen Gottesdienstes Milch verkauft hatte.
Und so fasste Kirschen in seinem Vortrag jene Antworten mit dem Satz zusammen: „Der macht dann am Montag blau!“ Der Komplex in der mündlichen Prüfung hatte unter anderem die Frage aufgeworfen: „Was macht derjenige, der am Sonntag arbeitet?“ Und hier kam nun jene Lebenserfahrung der Schulkinder zum Tragen, der noch immer von der Nutzung des „blauen Montags“ ausging. Dieses aus der alten Handwerkstradition abgeleitete Verhalten wurde erst 1919 per Gesetz in Sachsen beseitigt. Doch Kirschen hatte noch mehr Antworten aus den Prüfungen notiert. Es gab schon damals Schüler, die lieber ausschlafen wollten als früh in die Kirche zu gehen. Man muss dazu wissen, dass an vielen Sonntagen die Lehrer eine Stunde vor dem Gottesdienst die größeren Schulkinder vor dem Gottesdienst sammelten, um dann mit ihnen in die Kirche zu gehen. Was schon den Neid förderte, dass die kleineren Geschwisterkinder zu Hause bleiben durften. Die daraus entstehende Institution des Kindergottesdienstes, meist nach 10.30 Uhr beginnend, löste das Gesamtproblem nur indirekt.
Hier noch einige Antworten von Schülern aus Kirschens Vortrag. So hatte die Tochter des Kolonialwarenhändlers Benad schon eine moderne Antwort auf die Prüfungsfrage „Was geschah nach der Geburt von Jesus?“ Antwort: „Es wurde sofort telephoniert!“ Ein schwieriges Feld schienen die Gaben zu sein, die die Weisen aus dem Morgenland mitbrachten. Während Gold und Weihrauch bekannt waren, hatte das Wort Myrrhe so seine Interpretationen. Etwa 40 % sollen nach Kirschen die bekannte „Möhre“ genannt haben. Hier dachten die Kinder durchaus praktisch. Auf die Frage warum „Möhren“ antworteten die meisten: „Dass man ja auch Hunger habe und zur Feier etwas essen müsse“. Übrigens spielte das Essen auch beim Thema Abendmahl und der Verrat des Judas eine Rolle. Einige brachten die ganze Geschichte auf den Punkt, dass „Judas beim Abendmahl nicht mitessen wollte (konnte).“ Hier soll ein Schüler der höheren Klasse erläuternd gesagt haben: „Judas war sein Verrat auf den Magen geschlagen!“
Zumindest hatte dieser Schüler den ihn umgebenden Alltag gut beobachtet, wie Kirschen feststellte.

haweger

Anzeige

Kommentare (1)

omasigi der blaue Montag ist noch heute im Sprachgebrauch.

Deine Geschichte hat mich sehr erheitert.

gruss
Sigrid

Anzeige