„Das kommt nicht aufs Kerbholz!“



„Das kommt nicht aufs Kerbholz!“

Ein heimatkundlicher Exkurs

Vermutlich wird der Leser staunen, wenn er die Überschrift liest. Heißt es denn nicht „Das kommt aufs Kerbholz!“ oder die bekanntere Redensart „Etwas auf dem Kerbholz haben“? Bei den Überlegungen haben alle recht und selbst die Überschrift hat ihre Berechtigung. Literaturkenner wissen, das ist ein Wort aus Schillers „Wallensteins Lager“. Die Sentenz ist etwas länger: „Das kommt nicht aufs Kerbholz! Ich gebe es gern!“ Frappierend ist, das Wort vom Kerbholz kennt eigentlich jeder, obwohl deren Alltagsgebrauch schon mindestens zweihundert Jahre eingestellt ist. Aber selbst die aktuellen Nachrichten verwenden oft noch das Wort „etwas auf dem Kerbholz haben“. Meist geht es um juristische Angelegenheiten oder Polizeiberichte.

In unserer Gegend ist als Kuriosum das Kerbholz in Fischbach erwähnt. Der 1847 dort agierende Lehrer machte aus dem Kerbholz einen Strafzettel. Für jeden Schüler gab es ein solches Stück Holz. Wenn nun einer den Unterricht störte oder anderweitig ungezogen war, bekam er sein Kerbholz mit einer frischen Kerbe mit nach Hause. Wo es dann „ungebrannte Asche“ gab, wie der Chronist vermerkt. Ungebrannte Asche ist eine seit dem 16. Jahrhundert bekannte Redensart für „Prügel mit einem Stock“. Eine Erziehungsmethode, die ihrerseits seit den Zeiten der antiautoritären Erziehung in Wegfall kam.

Kerbhölzer hatten in der über 800 jährigen Geschichte unserer Dörfer und der Stadt Radeberg eine über 600 Jahre dauernde Tradition. Sie ersetzten die schriftlichen Aufzeichnungen und verhalfen selbst dem Analphabeten zum Begreifen der Dinge. Als Abrechnungszeichen hatten die Kerbhölzer verschiedene Formen, jedoch war ihnen immer eins gleich. Es waren zwei aneinander passende Stöcke, in denen gleiche Kerben geschnitten waren. Da jeder, Schuldner wie Gläubiger, ein solches Beweismittel hatten, war der einfache Betrug vom Prinzip her ausgeschlossen. Auf dem Lande dienten sie vor allem im Mühlengewerbe zur Abrechnung. Aber selbst als eine Art „Schuldschein“ wurden sie auch in der einfachen Warenbeziehung zwischen Dorf und Stadt benötigt.

Die letzten Relikte des Kerbholzes gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Abrechnungszeichen zwischen den Brauereien und Gastwirten. Es waren dies zwei aneinander passende Holzteile. Den einen Teil mit dem Stempel der Brauerei behielt der Gastwirt, den anderen Teil mit dem Namen des Kunden behielt die Brauerei oder der Bierkutscher. Soviel Kunden, soviel Kerbhölzer hatte dann der Bierkutscher mit sich herumzutragen. Bei Ablieferung der halben Tonne Bier wurde eine neue Kerbe in die zusammengesetzten Hölzer geschnitten. Kam es zur Bezahlung, wurde die Kerbe meist mit Tinte geschwärzt. Bei einundzwanzig Kerben war das Holz voll und je nach Vertrag mussten dann mindestens achtzehn bezahlt werden. Der Rest waren die sogenannten Schenktonnen. Das Kerbholz wurde dann glatt geschnitten oder es kam zum Austausch eines neuen.

Im Sächsischen gab es noch einen weiteren Zusammenhang. Das Wort von der „Rapusche“ ist noch bekannt, dazu auch die Wendung „Es kommt in die Rapusche“. Vor dem Skat oder dem Karnöffelspiel war in der Mark Meißen auch das Kartenspiel „Rapusche“ aus dem Böhmischen bekannt. Und da beim Kartenspiel Geld auf dem Tisch des Wirtshauses eine Straftat war, nahm man „Kerbhölzer“. Im Rechtsgebrauch waren dann das die Schulden beim Mitspieler oder dem Wirt. Nahm der Wirt die Kerbhölzer dann an sich, um Beweise für die Schulden zu haben, kam es „in die Rapusche“. Es wurde zur Beute des Wirtes.

haweger

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