Thairisches Strandleben


Vorbemerkung: Auch diese Geschichte ist authentisch – leider!
Bis auf den letzten Satz, sowas habe ich dann doch nicht gebracht!

Spitzbäuchig reckt sie sich, versucht T-Shirts und Freizeitshorts über den unter meinem(!) Sonnenschirm gespannten Bindfaden zu drapieren, wischt hier und da ein Stäubchen fort, behandelt ein Fleckchen mit Spucke, alles auf Zehenspitzen, die kleinen Finger beider Hände hochgestellt – endlich: geschafft!
Sie stellt sich erschöpft wieder auf ihre Füße, der Schweiß rinnt ihr in die Augen, sie zwinkert mir zu. Ich sitze verwirrt vor der Unmasse weißen Fleisches, während sie ihre freigestrampelten Pfunde wieder in den großblumigen Bikini zurückquetscht. Dann dreht sie sich zu ihrem Liegestuhl um und lässt sich erst mal erleichtert fallen.

Jetzt ist Erholung dran! Sie ruft immer:
„Lady, Lady, Lady…“ und wedelt mit einem Arm.
Um das englischsprachige Dilemma abzukürzen, rufe ich „Saw“, eine schlanke Thai erscheint, ich zeige auf meine Nachbarin und die bestellt erstmal ein Bier. Offensichtlich hat sie was gemerkt, sie fragt mich:
„Wie heißt die?“
„Saw, sie heißt Saw.“
„Was? Sau? Sie heißt SAU?“
Sie rüttelt an ihrem Gatten, der, wie sie im fortgeschrittenen Rentneralter, aber etwas kleiner geraten, in seinem Liegestuhl kaum zu sehen ist. Der ist eigentlich nur dazu da, um den Rucksack zu tragen. Dafür wird er dann auch eingekremt, ob er will oder nicht.
„Hör mal, die das Bier bringt, heißt SAU, stell dir mal vor: SAU! Kaum zu glauben, was die Thai für Namen haben, wieder mal typisch!“
Als sie sich von Ihrem Humoranfall erholt hat, kommt dann auch das Bier.
Erleichtert wende ich mich meinem Buch zu.

Nun fällt ihr Blick auf ihre Schuhe, die da so herumliegen. Sie wälzt sich aus ihrem Liegestuhl, schnappt sie sich und baut sich hinter Ihrem Liegstuhl auf – oder genauer: direkt vor mir. Während sie sich bückt, um die Schuhe ordentlich nebeneinander aufzustellen, bekomme ich die geballte Breite eines Hinterteils im Meterabstand vor mir inszeniert. Einerseits sehr freigiebige Einblicke, aber andererseits lassen die Fettwülste an den geblümten Rändern der orangenhautgepflegten Oberschenkel eine Welle kleiner Pickel meinen Rücken herunter laufen.
Ich bin drauf und dran, meine Sachen zusammenzupacken.
Da kommt mir der Wind zur Hilfe: Ihre über mir aufgehängte Wäsche verabschiedet sich von der Leine und ich habe wieder freie Sicht auf Palmen, Strand und Meer. Herrlich! Diskret schiebe ich die Sachen unter den nächsten Liegestuhl. Ha! Jetzt fühl ich mich schon besser! Ich wende mich wieder meinem Buch zu!

Plötzlich baut sich ein riesiger Schatten vor mir auf. Da steht sie, in ihrer ganzen Größe.
Blumig: Der etwas knappe Bikini.
Cremeweiß und ab und zu marmoriert: Der Rest.
Unübersehbar: Der Bauch: Er hängt ein wenig, wie im neuneinhalbten Monat. Ich kann mir nicht helfen: Am liebsten würde ich mit dem Handrücken draufklopfen und fragen: „Wann ist es denn nun so weit?“
Bevor ich den Kopf einziehen kann wegen der Sachen, die ich unter den Nachbarstuhl geschoben hatte, brüllt sie schon:
„Sau! – Sau!“
Mir bleibt vor Schreck die Luft stehen.
„Sau! Sau! - Bier!“
Und hält einen Finger in die Luft. Dann guckt sie nach ihrem Männchen und erhöht zögernd auf zwei. Ich atme auf.

Aber dann fixiert sich mich. Ich rüste mich zwecks eines vorschnellen Abgangs und packe schon meinen Rucksack.
„Da bin ich aber froh, dass wir übermorgen wieder heimfliegen. Wird Zeit, dass denen hier mal jemand Kultur beibringt. Diese Brühe von Thaibier kann man ja wirklich kaum durch den Hals kriegen. Und erst das Essen!“
Und dazu dann noch angedeutete Kotz- und Würgegeräusche - unüberhörbar! Meine Sympathiewerte für meine Landsleute fallen schlagartig auf den Nullpunkt. Ich ziehe meine Schuhe an. Bei der Gelegenheit schiebe ich ihre Klamotten noch weiter unter den Liegestuhl, bis sie völlig mit Sand bedeckt und nicht mehr zu sehen sind. Soll sie doch als geblümtes Walross quer durch die Stadt ihr Hotel ansteuern!
„Es geht ja nichts über eine bayerische Maß oder ein Radler, finden Sie nicht auch?“
„Nö, ich trinke kein Bier, das macht einen so dicken Bauch. Und falls überhaupt, dann finde ich, es geht nichts über ein frisch gezapftes friesisch-herbes Jeverpils!“
Ich werfe mir meinen Rucksack über die Schulter.
Und dann tue ich das, was ich die ganze Zeit schon wollte:
Ich klopfe ihr mit dem Handrücken auf den Bauch und sage:
„Wann ist es denn nun soweit?
Die Entbindungsstation der Bangkok-Clinic hat einen ausgezeichneten Ruf!“

castellanos

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Kommentare (1)

Traute Da stelle ich mir eine Szene vom Zille gezeichnet vor.
Ja manche müssen weit reisen um einen Bereich zu finden, an dem sie annehmen sie könnten nun auf die Leute herabsehen.
Das hat nichts mit rustikalem Urlaub zu tun. Sie sind ganz einfach so von sich überzeugt, das der Gedanke ordinär zu wirken ihnen nicht in den verkümmerten Sinn kommt.
Sie nehmen die Höflichkeit ihrer Nachbarn und Gastgebern als devote Hingebung, die ihnen zusteht, mindestens.
Eine wunderschön, leicht und voll verschmitztem realen Humor,
geschriebene, geradezu gemalte Szene.
Ich konnte die beiden sehen.
Mit freundlichen Grüßen,
Traute


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