Teestunde


 
Da waren wir doch gestern bei unseren Nachbarn zu Gast. Teestunde, eine schöne und gemütliche Einrichtung hier bei uns in Ostfriesland. Wie wunderbar dieses goldene Getränk in den Tassen schimmert, ein Mini-Gebirge aus »Kluntjes« schaut aus dem Untergrund des Koppjes hervor, dann ein Hauch Sahne darüber, mein Herz macht schon bei diesem Anblick einen Hüpfer nach oben!

Aber das wollte ich ja gar nicht berichten. Wir waren also bei Schoemakers eingeladen zum Adventstee. Na gut, wir waren nicht die Einzigen, als wir mit einem gutgelaunten »Mooin!« die große Wohnküche betraten, saßen da schon ein Dutzend Leute. Die meisten kannten wir gar nicht, dazu wohnen wir hier noch nicht lange genug. Aber immerhin, wir waren aufgenommen in den Kreis der indigenen Familien!

Nach dem allgemeinen Hallo und einigen Vorstellungsrunden war dann schließlich die Teezeremonie in vollem Gange. Natürlich, es gab auch viel zu erzählen, jeder wusste etwas Neues zu berichten und so hatte der Nachmittag auch einen gewissen Informationswert - wenn man es dann so nennen mag!

Nach allgemeinem und heiß diskutierten kommunalpolitischen Themen, rief Gretchen Harbers plötzlich:
»Wisst Ihr, wen ich heute getroffen hab?
Annika Brooks und ihre Freundin, die Magda, die kennt ihr doch noch, nich?«

»Die Annika, ’türlich, die war doch mal mit dem Hein zusammen, nich?«
»Nee, nich mit dem Hein. die hatte ein Verhältnis mit dem Sohn vom Pastor!«
»Och nee, nu tüddelst du aber, Gretchen, die war mit dem Milchmann zusammen.«
»Dass ich nich lach - mit dem Milchmann? Der war doch verheirat’ mit der Elke vom Börger aus Veerhusen!«
»Na und? Annika hat nie nich was anbrenn’ lassen, das weiß doch jeder.«

»Ja und was war nu mit der Annika?«
Zwischenruf von Annalena: »Du sag doch mal, was is denn die Magda für eine geborene?«
»Die war doch eine deBoer, mein ich, vom alten Fischer deBoer die Tochter.«
»Das kann nich sein! Der Fischer de Boer, wohnte doch hinterm Deich, und seine Tochter ist nach der Konfirmation weggezogen nach Bad Zwischenahn!«
»Nee, ich meine die Ältere, die hat sich doch den Willem geschnappt, das musst du doch noch wissen.« »Den Willem? Dat wusste ich nicht. Ich dachte der wär mit der Maria zusammen gewesen?«
»`türlich, aber Maria hatte plötzlich einen 'Hering im Netz', Willem hat das wohl rausgekriegt.«

Und so, liebe Freunde, ging es noch stundenlang weiter. Am Ende wusste ich wenigstens, dass Annika und Magda miteinander befreundet waren!
Aber gewiss war, dass ich auf den Tee als Labsal nicht gern verzichtet hätte! Klönschnack und Tratsch ist nicht jedermanns Sache, unser Ostfriesentee aber - auf den verzichtet keiner!


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Kommentare (6)

Distel1fink7

..... und es fing alles so schön an .............
Gruß Distel1fink7

Syrdal


Unübertrefflich köstlich ist solch ein echter Tee im Ostfriesland… aber noch köstlicher ist Deine urig-bodenständige Erzählung, vor allem das von der „Maria mit dem Hering im Netz“. - Wie gerne wäre ich doch ein solcher Hering…

...überlegt mit neidischem Bedauern
Syrdal

Pan

Leev Syrdal - so geiht dat bi uns faken to.
man wi hebbn ok annere Tieden ...Ostfr3057.jpgLaat di dat goed gahn ...

seggt Horst

Muscari


Lieber Horst,

Deine "Teestunde" ist einfach köstlich. Vor allem auch, weil sie bei mir ähnliche Erinnerungen weckt ...
Und zwar an die Familie meines Mannes, der aus dem Osnabrücker Land stammte, wo der Dialekt ähnlich klingt.
Auch wenn er diesen Dialekt seit langem hinter sich gelassen hatte, sagte er noch oft im Spaß: "Wat mutt, datt mutt."

Auch erinnere ich mich an Besuche in seiner Familie bei Osnabrück, wo Gespräche ähnlich abliefen, wie bei Deiner Erzählung.
"Dat Pottstück fun dem Fruminske is nu all Schmöttke" (Das Gemüsebeet der Frau ist nur noch Matsch). 😄
Und genauso wurde die Nachbarschaft durch den sprichwörtlichen Kakao gezogen.

Mich hat das oft genervt, musste aber höflich sein und insgeheim lachen. Auch wenn es statt Tee mit Kluntjes nur eine Tasse Kaffee mit Milch gab ...
Was das Foto des gemütlichen Zimmers betrifft, stand in der Küche meiner Schwiegermutter der gleiche Herd, über dem an einer Kordel die Küchentücher trockneten.

Danke für diesen Schmunzler und herzliche Grüße von
Andrea

 

LisaK

Guten Tag Pan,
das weckt bei mir Kindheitserinnerungen.
Meine Großmutter wurde mit 56 Jahren Witwe und ähnliche Gespräche ergaben sich bei den regelmäßig abgehaltenen Damenkränzchen, zu denen ich sie begleiten durfte.
Für mich gab es Butterkekse und Kakao.
Noch heute amüsieren sich meine Freundinnen, wenn ich eine dieser damals aufgeschnappten Geschichten erzähle.
Herzliche Grüße
Lisa
 

Pan

Erinnerungen schmecken aber auch ohne Kakao und Butterkekse -
oder?

Mit einem Lächeln
Horst


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