Seltsamer Verlauf ...
Wir hatten ein Grundstück gesucht, auf dem wir unser eigenes Haus bauen wollten. Ein damals noch guter Freund wusste, dass seine Gartennachbarn ein sehr großes Gartengrundstück zum Haus gehörend nutzen durften. Es gehörte aber ihrem Verpächter.
Wir sahen uns das Grundstück an, bekamen die Adresse des Großgrundbesitzers und stellten schnell fest, dass er besagtes Grundstück gern verkaufen wollte, sogar bis Mitte des Baches, für den er auch das Fischrecht besaß!
Zuerst aber mussten wir ihm praktisch unseren Lebenslauf, die persönliche Situation, in der wir lebten, darlegen. In seinen Kreisen schien es üblich zu sein, nur an Leute zu verkaufen, die in ihren Augen vor allen Dingen finanziell „sauber“ waren. Wir hatten das Glück, dass er uns diesbezüglich so sehen mochte.
So kamen wir dann auch zu einem entsprechenden Vertragskauf, konnten das Grundstück günstig erwerben und uns nun mit der Hausplanung beschäftigen. Es wurde ein Verkaufstermin beim Notar vereinbart. Wir fühlten uns gebauchpinselt, weil dieser Notar gleichzeitig auch der Bürgermeister unserer Stadt war, doch der „Guts- und Schlossherr“ kannte ihn ja aus gemeinsamen Studienzeiten.
Dass wir mit diesen Herren nun die Hautevolaute unserer Stadt kannten, mit ihnen zu tun hatten, ahnten wir nicht.
Was hinter dem Verkauf des Grundstücks an uns auf Seiten des Verkäufers stand, erfuhren wir damals natürlich nicht. Er brauchte das Geld, um sich in Luxemburg ein Schloss zu kaufen! Vielleicht hatte er es zu dem Zeitpunkt auch schon erworben und nun musste es – staatliche Auflage – saniert werden! Dieser Kauf eines Schlosses im Nachbarstaat diente allerdings wohl eher dazu, um der Familie seiner Frau, Tochter eines bekannten großen deutsch-niederländischen Unternehmers, zu imponieren, aber auch um Steuern zu sparen. Dass dieser Schlosskauf in Wirklichkeit doch eine Nummer zu groß war, wollte er noch Jahre lang nicht einsehen. Er war von Beruf ein (verkrachter) Rechtsanwalt, hatte am Teutoburger Wald das große Gut seiner Eltern geerbt und wollte wohl mit der Familie, der Firma seiner Schwiegereltern mitziehen.
Jahre später erfuhren wir, dass all seine Anstrengungen nicht ausgereicht hatten, um sein Image so aufzupolieren, dass er im Immobiliengeschaft seiner Schwiegereltern ein Wort hätte mitreden dürfen. Immer wieder wurden Ländereien des elterlichen Gutes verkauft, schließlich sogar die Rinderherde nach Luxemburg geholt, um dem angestellten Bauernehepaar auf dem Restgut weniger Gehalt zahlen zu müssen.
Der angestellte Bauer wurde für meinen Mann zum Alkohol-Freund. Die bis zum Vertrieb der Rinderherde nach Luxemburg auf dem Hof arbeitende Melkerin war mit ihrer Familie unsere direkte Nachbarin. Nach anfänglicher Verunsicherung – wir hatten ihr ja schließlich mit unserem auf des Teilgrundstückes den größten Teil des Gartens, den sie mit ihren Angehörigen zum Eigenbedarf nutzte, weggenommen – entwickelte sich dann aber doch eine Freundschaft.
Unser Haus wurde gebaut, unsere und die Nachbarskinder wuchsen heran, es wurde die eine oder andere Hochzeit sowie alle anfallenden Geburtstage ausgiebig gefeiert, Auch die Bauersleute gehörten mit zum Freundeskreis, der stets beim Feiern dabei war.
2005 wurde der älteste Bauernsohn 40 Jahre alt. Der Guts- und Schlossbesitzer hatte den Bauersleuten gekündigt, gab den Hof auf, um nur noch als Grundbesitzer gelegentlich aufzukreuzen. Es wurde beschlossen, dass die Bauernfamilie für den Abschied vom Hof und in ihre Rentnerzeit mit dem runden Geburtstag ihres Sohnes ein letztes Mal auf dem Hof gefeiert werden sollte. Es wurde eine große Feier Ende November.
An diesem Abend war es winterlich kalt. Doch davon merkte die Gästerunde nichts. Es hatte – unbemerkt von allen – den ganzen Abend schon geschneit. Als die Enkel unserer Nachbarin weit nach Mitternacht vor Müdigkeit quengelten, sie möchten nach Hause, lagen draußen auf den Straßen ca. 30 cm frischer Neuschnee!! Die Einzige, die nüchtern war, war ich, weil ich wusste, dass ich nach der Feier meinen Mann nach Hause zu fahren hatte. All die Männer, aber auch die Frauen hatten dem Alkohol gut zugesprochen.
Wir hatten gerade unseren zu dem Zeitpunkt neuen Geländewagen, der glücklicherweise etwas höher ausgelegt war, so dass alle meinten, damit könne ich doch leicht über den noch hohen Neuschnee weg fahren. Es wurde also beschlossen, dass ich die Taxifahrerin zu spielen hatte. Ein richtiges Taxi ließ sich aufgrund der Wetterlage mitten in der Nacht allenfalls mit einer Stunde Wartezeit bestellen. Ich ließ die 76-jährige Oma mit ihren Enkeln einsteigen und brachte sie nach Hause.
Es war ja mitten in der Nacht, etwa halb drei, und noch war kein Schneeräumdienst auf den Straßen, die ich nun nehmen musste, unterwegs. Aber es ging gut. Oma und Enkel brachte ich unversehrt nach Hause, fuhr zurück und nun wollten auch andere heim. Ich lud meinen Mann ein, wir ließen ein weiteres Ehepaar in unserem Alter dazu einsteigen und nun brachten wir dieses Pärchen nach Hause. Auch das ging gut. Doch als ich dort wieder losfuhr, erwischte ich wohl eine Stelle, wo der Wind bereits den Schnee etwas mehr angehäuft hatte. Der Pkw-Bauch lag auf, die Räder konnten nicht mehr festen Grund nutzen – und nun standen wir da. Ich konnte den Wagen über die Schneewehe wohl eher nicht hinweg schieben, das brauchte Männerkraft. Also blieb ich am Steuer sitzen und mein Mann versuchte, mit seiner Kraft den festgefahrenen Wagen vorzuschieben – vergebens.
Glücklicherweise entdeckten wir in einer Einfahrt der Straße einen Taxifahrer, der wohl auch eine Heimfahrt hinter sich hatte und wieder los wollte. Er sah unseren Wagen stehen, meinen Mann dahinter versuchen zu schieben – aber nichts geschah … Er kam sofort und half nun ebenfalls zu schieben und gemeinsam schafften sie es, den – heute würde man sagen SUV – von der vermaledeiten Stelle vorwärts zu schieben. Ich hatte jetzt die Nase voll davon, durch den frischen Schnee unseren Pkw auch noch nach Hause zu kutschieren, rutschte auf den Beifahrersitz und überließ das Fahren meinem gar nicht mehr nüchternen Mann. Aber wir kamen heil zu Hause an, es gab keine Polizeikontrolle und so endete für mich dieses seltsame Schneeabenteuer.
Kommentare (5)
Hallo,
habe gerade Deine Erinnerung gelesen. Ich lese und höre gerne solche Geschichten von anderen.
Ich denke auch viel über früher nach. Jetzt wo man im Rentenalter Zeit dazu hat, zieht vieles an einem vorüber und man denkt an Menschen von damals und fragt sich, was aus ihnen wohl geworden ist ...
Liebe Grüsse
ClaraMaria
@ClaraMaria
Hallo ClaraMaria,
ja, man hat jetzt schon ein wenig mehr Zeit, darüber nachzudenken, was so in seinem Leben war. Aber obige Geschichte wollte vergangene Nacht einfach nicht weichen, statt dass ich einschlafen konnte. Dann hab ich mich den Morgen drauf einfach an meinen Laptop gesetzt und die Geschichte festgehalten, damit ich nicht noch einmal von ihr wachgehalten werde.
Ja, dieser Gutshof / Bauernhof war dem Verfall preisgegeben. Davon habe ich viele Fotos gemacht, denn zuvor war das eine grüne Lunge im Ort, die nicht nur wir sehr genießen konnten. Gepflegte Weiden mit einer Mühle
sowie einem Mühlenteich, auf dem unser Schiffsmodellbauklub seine Schiffsmodelle fahren lassen konnte mit der Gegenleistung, dieses Gelände um den Teich herum in Ordnung zu halten. Die Pferde und Kühe auf den nahen Weiden, und das keine 5 Minuten fußläufig zum eigenen Zuhause oder in der anderen Richtung zur Ortsmitte mit allen Einkaufsmöglichkeiten …
Das ist noch nicht allzu lange her - und dann kletterten Jugendliche in dem Mühlengebäude herum, zerdepperten Fenster, brachen die Rahmen aus und warfen sie hinaus. Draußen fanden wir zerdepperte Schnapsflaschen, unsere Klubtoilette wurde demoliert, die Einzäunung diverser Weiden wurde zertreten, Fenster des Gutshauses demoliert … schlimm
So etwas vergisst man nicht. Erst war es dem Besitzer wichtig, dass die Stadt dieses Gut nicht kaufen sollte, dann hatte er keine Lust oder kein Geld mehr, sich aus Luxemburg oder der Schweiz mal herzubemühen und für Ordnung zu sorgen … ebenfalls schlimm. Und danach waren den Erben die Hände gebunden, sie konnten nicht frei über Notwendigkeiten entscheiden.
Glücklicherweise waren wir nicht vom ehemaligen Grundstücksbesitzer unseres eigenen Hauses abhängig und konnten uns da heraushalten. Aber wenn man das täglich sah, tat es doch in der Seele weh …
So kann es gehen…
Schneewehen-Abenteuer habe ich zur genüge erlebt (freilich ohne Alkohol!), vor allem Anfang der 60er Jahre auf schlechten Straßen im hohen Mittelgebirge ohne Winterdienst. Davon könnte ich Bücher schreiben…
...ähnlich wie hier ja auch berichtet.
Schneewehen-erfahrene Grüße
Syrdal
@Syrdal Ich hoffe, lieber Syrdal, Du hattest immer wieder freundliche, tatkräftige Helfer zur Seite!!
GL Uschi
Hallo,
ja, das kann ich gut verstehen, dass das einen sehr beschäftigt - noch dazu, wenn man es täglich vor Augen hat und die jahrzehntelange Entwicklung mit erlebt hat. Was manche über Generationen aufgebaut haben, können manche Erben nicht wertschätzen, verprassen es und hinterlassen einen "Scherbenhaufen" - das zieht dann Vandalen an. Da treffen sich dann die gleichen Geister, könnte man fast sagen. So schade ... Das würde mir auch weh tun.
Schreib das doch mal in einem Leserbrief in Deiner regionalen Zeitung. Vielleicht bringt das dann doch mehr Leute in Deinem Umfeld zum Nachdenken und auch Handeln - wie auch immer das aussehen könnte. Ist so eine Idee. Ich gehöre zu denen, die gerne etwas zum Positiven verändern wollen, deshalb stellen sich dann immer gleich solche Gedanken ein.
Liebe Grüsse
ClaraMaria