My Wife Knows Everything
In Bangkok habe ich mir dieses T-Shirt gekauft. Es ist schwarz und verziert mit dem Spruch:
I don’t need GOOGLE.
My wife knows everything.
Damals fand ich es witzig. Eigentlich ein wenig hintergründiger Humor. Na eben etwas englisch.
Witzig find ich es immer noch.
Interessanter sind allerdings die Reaktionen der Leute darauf. Ich trage es, um die Leute zu beobachten, die es zur Kenntnis nehmen.
Zuerst aber stelle ich fest, dass mehr Frauen als Männer auf den Spruch reagieren. Und zwar positiv! Obwohl ich der Ansicht bin, dass es ein nicht gerade frauenfreundlicher Spruch ist.
Einige lächeln nur oder grinsen, andere heben den Daumen, was mich persönlich irgendwie aufwertet, obwohl die eigentlich weniger mich als das Hemd gut finden. Einmal hat mich eine Frau im Supermarkt angehalten, um mich zu fragen, wo man das T-Shirt kaufen könne. Verwundert fragte ich sie, ob sie damit herumlaufen wolle. Da meinte sie, sie wolle es ihrem Mann schenken. Mutig!
Die Männer die den Spruch zur Kenntnis nehmen, nicken nur anerkennend.
Bisher habe ich immer befürchtet, dass ich eines Tages einer Kohorte Emanzen begegne, möglicherweise auf dem Weg zu einer Protestveranstaltung, beispielsweise dagegen, dass die Managerposten vorzugsweise durch kompetente Männer besetzt werden. Ich befürchte, dass die dann nicht nur kreischend über mein Hemd herfallen, sondern mich gleich mit in der Luft zerreißen.
Seitdem trage ich es nur noch bei Gelegenheiten, wo das Risiko überschaubar ist und ich auch keine Ausfälle dieser Art befürchten muss, weil die Leute mich als überwiegend harmlos einstufen.
So zum Beispiel beim Boulespielen oder im Sushi-Kurs oder im Motettenchor. Da bin ich relativ sicher!
Vor einiger Zeit sind wir umgezogen – in eine Kleinstadt, eine ziemlich kleine (trotz des altehrwürdigen Stadtrechts). Wie soll ich sagen: Städtisch wäre ziemlich übertrieben, so von den Einwohnern her (vorwiegend Handwerker, Pendler, Winzer, Rentner und sogar einige Asylanten). Sozusagen eine seit Jahren in sich geschlossene Gesellschaft!
Um trotzdem irgendjemanden zu kennen, bin ich in den Männerchor eingetreten. Jeden Montag ist „Singstunde“. Da trifft man sich zur Pflege des deutschen Liedguts, insbesondere zum Erhalt der regionalen Rhein- und Weinkultur. Das ist seit 160 Jahren so, denn so alt ist der Chor. Die Mitglieder sind nicht ganz so alt. Aber immerhin gehöre ich mit achtzig schon zu den älteren. Alle erscheinen sauber und adrett herausgeputzt, mit gewienerten Schuhen, Anzughose mit Bügelfalten und Hosenträgern, an sonnigen Tagen Oberhemd mit kurzen Ärmeln. So sitzen sie da.
Ich, kleidungsmäßig mehr der Gegenwart verpflichtet, mit Cargohosen, Laufschuhen und diesmal mit besagtem T-Shirt. Wie immer zu spät, um dem Gebabbel zu entgehen, und dieses Mal auf Reaktionen wartend, schaue ich mich um, aber keiner sagt etwas zu meinem Shirt – oder lächelt wenigstens – so erkennungsmäßig! Nur mein Nebenmann, übrigens mit Abstand der jüngste im Chor, gerade neunundfünfzig geworden, er trägt Jeans und neonfarbige Sneakers und fummelt ewig an seinem I-Pad herum, beugt sich diskret zu mir, grinst und flüstert hinter vorgehaltener Hand:
“Geiles Shirt!“
Na, wenigstens einer! denke ich, glücklich aber doch irgendwie enttäuscht.
Dann geht alles seinen gewohnten Gang.
Unser Chorleiter, runde zwei Generationen jünger als der Durchschnitt, kommt auch immer ein bisschen zu spät. Er packt seine Noten aufs Klavier, guckt in die Runde, entdeckt mein Hemd und grinst breit. Na klar, er ist schließlich seit einem halben Jahr verheiratet. Man macht so seine Erfahrungen. Außerdem ist er Lehrer, in einem Kollegium, das heutzutage nur noch zu zehn Prozent aus Männern besteht. Davon kann ich ein Lied singen: Schließlich war ich auch mal Lehrer und – was noch viel schlimmer ist – Schulleiter in einem Kollegium, wo nur noch zwei schon pensionsverdächtige (männliche!) Lehrer waren, das aber überwiegend aus einer Schar herumwuselnder ewig schwatzender Frauen bestand, die laufend grünen Tee tranken, strickten und Haferkekse knabberten. Bei Konferenzen wurde selbstverständlich demokratisch abgestimmt. Und da blieb dann oft Fachkompetenz zu Gunsten pädagogischen Bauchgefühls auf der Strecke. - Was soll’s: Die Welt verändert sich!
Auch die Chorwelt!
Dieser Chorleiter hat es doch tatsächlich fertig gebracht, den Chor ein englisches Lied singen zu lassen. Obwohl unser zweiter Vorsitzender noch vor kurzem erklärt hat, bei dem ersten englischen Lied, das wir singen sollen, tritt er aus! Er ist aber noch da und singt eifrig mit. Da ich längere Zeit nicht da war, und wohl ziemlich überrascht aussehe, gibt mir mein Nachbar ein Notenblatt. Da stehen natürlich die Noten und darunter der dazugehörige Text:
„Samm sei law, it is e rive, dat draun de tende ried, …..“
Ich gucke auf den Text, schüttle den Kopf und sage:
„Das kann ich nicht lesen. Was soll das sein?“
„Na Englisch natürlich“,
rufen meine Chorbrüder und strahlen mich an. Der Chorleiter begreift, kramt in seinen Noten und gibt mir den Originaltext von „The Rose“ und sagt:
„Jetzt kann‘s losgehen!“
Nach der „Singstunde“ sitzen wir dann noch bei einem vorzüglichen „Kellerbier“ beisammen. Die Chorbrüder, die alle außer mir in diesem Ort aufgewachsen sind, amüsieren sich wie immer über die gemeinsamen Jugendstreiche. Da ich die schon alle kenne, starre ich in mein vorzügliches Kellerbier. Allerdings ist dessen Unterhaltungswert auch ziemlich eingeschränkt. Plötzlich schrecke ich auf. Mein Nachbar sticht mit dem Finger in mein T-Shirt und liest laut vor:
„GOOGLE!“
Ich gucke wohl etwas irritiert und er sagt laut:
„Da steht GOOGLE!“
Ja, denke ich, ist ja kein Wunder, dass er das Wort kennt, er hat ja einem Computer und skypt mich während der vier Monate, die ich im Winter in Thailand verbringe, manchmal an und fragt, wie es geht und ob es warm ist.
Alle schauen uns an. Ich ergreife die Gelegenheit und frage, ob er außer dem Wurt GOOGLE noch was lesen kann.
Keine Antwort.
„Oder irgendwer sonst?“
Keine Antwort!
„HimmelHerrGottNochmal! Und warum fragt Ihr dann nicht, wenn Ihr es nicht wisst?
Also, es heißt:
Ich brauche kein GOOGLE.
Denn meine Frau weiß alles.“
Pause!
Keiner lacht.
Schließlich nimmt sich doch einer den Mut und fragt:
“Und was heißt GOOGLE?“
castellanos
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I don’t need GOOGLE.
My wife knows everything.
Damals fand ich es witzig. Eigentlich ein wenig hintergründiger Humor. Na eben etwas englisch.
Witzig find ich es immer noch.
Interessanter sind allerdings die Reaktionen der Leute darauf. Ich trage es, um die Leute zu beobachten, die es zur Kenntnis nehmen.
Zuerst aber stelle ich fest, dass mehr Frauen als Männer auf den Spruch reagieren. Und zwar positiv! Obwohl ich der Ansicht bin, dass es ein nicht gerade frauenfreundlicher Spruch ist.
Einige lächeln nur oder grinsen, andere heben den Daumen, was mich persönlich irgendwie aufwertet, obwohl die eigentlich weniger mich als das Hemd gut finden. Einmal hat mich eine Frau im Supermarkt angehalten, um mich zu fragen, wo man das T-Shirt kaufen könne. Verwundert fragte ich sie, ob sie damit herumlaufen wolle. Da meinte sie, sie wolle es ihrem Mann schenken. Mutig!
Die Männer die den Spruch zur Kenntnis nehmen, nicken nur anerkennend.
Bisher habe ich immer befürchtet, dass ich eines Tages einer Kohorte Emanzen begegne, möglicherweise auf dem Weg zu einer Protestveranstaltung, beispielsweise dagegen, dass die Managerposten vorzugsweise durch kompetente Männer besetzt werden. Ich befürchte, dass die dann nicht nur kreischend über mein Hemd herfallen, sondern mich gleich mit in der Luft zerreißen.
Seitdem trage ich es nur noch bei Gelegenheiten, wo das Risiko überschaubar ist und ich auch keine Ausfälle dieser Art befürchten muss, weil die Leute mich als überwiegend harmlos einstufen.
So zum Beispiel beim Boulespielen oder im Sushi-Kurs oder im Motettenchor. Da bin ich relativ sicher!
Vor einiger Zeit sind wir umgezogen – in eine Kleinstadt, eine ziemlich kleine (trotz des altehrwürdigen Stadtrechts). Wie soll ich sagen: Städtisch wäre ziemlich übertrieben, so von den Einwohnern her (vorwiegend Handwerker, Pendler, Winzer, Rentner und sogar einige Asylanten). Sozusagen eine seit Jahren in sich geschlossene Gesellschaft!
Um trotzdem irgendjemanden zu kennen, bin ich in den Männerchor eingetreten. Jeden Montag ist „Singstunde“. Da trifft man sich zur Pflege des deutschen Liedguts, insbesondere zum Erhalt der regionalen Rhein- und Weinkultur. Das ist seit 160 Jahren so, denn so alt ist der Chor. Die Mitglieder sind nicht ganz so alt. Aber immerhin gehöre ich mit achtzig schon zu den älteren. Alle erscheinen sauber und adrett herausgeputzt, mit gewienerten Schuhen, Anzughose mit Bügelfalten und Hosenträgern, an sonnigen Tagen Oberhemd mit kurzen Ärmeln. So sitzen sie da.
Ich, kleidungsmäßig mehr der Gegenwart verpflichtet, mit Cargohosen, Laufschuhen und diesmal mit besagtem T-Shirt. Wie immer zu spät, um dem Gebabbel zu entgehen, und dieses Mal auf Reaktionen wartend, schaue ich mich um, aber keiner sagt etwas zu meinem Shirt – oder lächelt wenigstens – so erkennungsmäßig! Nur mein Nebenmann, übrigens mit Abstand der jüngste im Chor, gerade neunundfünfzig geworden, er trägt Jeans und neonfarbige Sneakers und fummelt ewig an seinem I-Pad herum, beugt sich diskret zu mir, grinst und flüstert hinter vorgehaltener Hand:
“Geiles Shirt!“
Na, wenigstens einer! denke ich, glücklich aber doch irgendwie enttäuscht.
Dann geht alles seinen gewohnten Gang.
Unser Chorleiter, runde zwei Generationen jünger als der Durchschnitt, kommt auch immer ein bisschen zu spät. Er packt seine Noten aufs Klavier, guckt in die Runde, entdeckt mein Hemd und grinst breit. Na klar, er ist schließlich seit einem halben Jahr verheiratet. Man macht so seine Erfahrungen. Außerdem ist er Lehrer, in einem Kollegium, das heutzutage nur noch zu zehn Prozent aus Männern besteht. Davon kann ich ein Lied singen: Schließlich war ich auch mal Lehrer und – was noch viel schlimmer ist – Schulleiter in einem Kollegium, wo nur noch zwei schon pensionsverdächtige (männliche!) Lehrer waren, das aber überwiegend aus einer Schar herumwuselnder ewig schwatzender Frauen bestand, die laufend grünen Tee tranken, strickten und Haferkekse knabberten. Bei Konferenzen wurde selbstverständlich demokratisch abgestimmt. Und da blieb dann oft Fachkompetenz zu Gunsten pädagogischen Bauchgefühls auf der Strecke. - Was soll’s: Die Welt verändert sich!
Auch die Chorwelt!
Dieser Chorleiter hat es doch tatsächlich fertig gebracht, den Chor ein englisches Lied singen zu lassen. Obwohl unser zweiter Vorsitzender noch vor kurzem erklärt hat, bei dem ersten englischen Lied, das wir singen sollen, tritt er aus! Er ist aber noch da und singt eifrig mit. Da ich längere Zeit nicht da war, und wohl ziemlich überrascht aussehe, gibt mir mein Nachbar ein Notenblatt. Da stehen natürlich die Noten und darunter der dazugehörige Text:
„Samm sei law, it is e rive, dat draun de tende ried, …..“
Ich gucke auf den Text, schüttle den Kopf und sage:
„Das kann ich nicht lesen. Was soll das sein?“
„Na Englisch natürlich“,
rufen meine Chorbrüder und strahlen mich an. Der Chorleiter begreift, kramt in seinen Noten und gibt mir den Originaltext von „The Rose“ und sagt:
„Jetzt kann‘s losgehen!“
Nach der „Singstunde“ sitzen wir dann noch bei einem vorzüglichen „Kellerbier“ beisammen. Die Chorbrüder, die alle außer mir in diesem Ort aufgewachsen sind, amüsieren sich wie immer über die gemeinsamen Jugendstreiche. Da ich die schon alle kenne, starre ich in mein vorzügliches Kellerbier. Allerdings ist dessen Unterhaltungswert auch ziemlich eingeschränkt. Plötzlich schrecke ich auf. Mein Nachbar sticht mit dem Finger in mein T-Shirt und liest laut vor:
„GOOGLE!“
Ich gucke wohl etwas irritiert und er sagt laut:
„Da steht GOOGLE!“
Ja, denke ich, ist ja kein Wunder, dass er das Wort kennt, er hat ja einem Computer und skypt mich während der vier Monate, die ich im Winter in Thailand verbringe, manchmal an und fragt, wie es geht und ob es warm ist.
Alle schauen uns an. Ich ergreife die Gelegenheit und frage, ob er außer dem Wurt GOOGLE noch was lesen kann.
Keine Antwort.
„Oder irgendwer sonst?“
Keine Antwort!
„HimmelHerrGottNochmal! Und warum fragt Ihr dann nicht, wenn Ihr es nicht wisst?
Also, es heißt:
Ich brauche kein GOOGLE.
Denn meine Frau weiß alles.“
Pause!
Keiner lacht.
Schließlich nimmt sich doch einer den Mut und fragt:
“Und was heißt GOOGLE?“
castellanos
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Kommentare (4)
castellanos
Hallo omasigi
äußerlich ist es schon eine kleine Stadt.
Aber innerlich ist es geprägt von konservativem Geschichtsbewußtsein und innerem Stolz, der Zukunft trotzen zu können.
äußerlich ist es schon eine kleine Stadt.
Aber innerlich ist es geprägt von konservativem Geschichtsbewußtsein und innerem Stolz, der Zukunft trotzen zu können.
KarinIlona
Lieber Castellanos, herrlich, köstlich, witzig ist deine Glosse zu lesen, jeden deiner Gedanken kann ich nachvollziehen und mit erleben!
Der Wortwitz, die Wortwahl... und der Sinn dahinter - das war mir ein Vergnügen zu lesen!!!
Freundliche Grüße,
KarinIlona
Der Wortwitz, die Wortwahl... und der Sinn dahinter - das war mir ein Vergnügen zu lesen!!!
Freundliche Grüße,
KarinIlona
omasigi
Deine Geschichte gefaellt mir.
Da biste aber in einem sehr kleinem Nest gelandet.
Trotzdem ein schoenes Wochenende
omasigi
Da biste aber in einem sehr kleinem Nest gelandet.
Trotzdem ein schoenes Wochenende
omasigi
Wortwitz+Wortwahl: Ich verwende viel Zeit zum Schreiben meiner Texte
Castellanos