Man kennt sich.....

Samstag 13.1.

Man kennt sich…..

Die Fahrt bis zur Grenze, abenteuerlich durch die Berge. Eine Abzweigung habe ich übersehen, also blieb nichts anderes übrig, als weiter zu fahren. Wir halten an einer breiteren Stelle an, an der einige kleine Busse stehen und fragen einen Fahrgast, wo wir sind. Der erste kann kein Englisch, der zweite zieht ein Smartphone aus der Tasche und ruft seine Schwester an. Die spricht zwar Englisch aber kann uns auch nicht helfen.
Nächster Halt ein kleines Kaffee. Die Besitzerin ist sehr bemüht, aber eine Grenze zu Griechenland? Hier in der Gegend keine Chance. Und ich bin zu dämlich für Google Maps, TomTom und co. Als Uwe der Besitzerin beim Bezahlen von unserem Kaffee ein Trinkgeld gibt, fragt sie ob sie unser Auto auch kärchern lassen soll. Hier werden Autos sehr oft gewaschen. Karl May und sein Buch “durchs wilde Kurdistan" kommt einem in den Sinn. Genauso ist die Landschaft - wild, schroffe Berghänge, wenig Vegetation.
Mittendrin ein Polizeiwagen. Zwei Polizisten die uns anhalten. Führerscheinkontrolle. Mit dem Caravan sind wir die absoluten Exoten in den Bergen. Den letzten Caravan sahen wir vor einigen Tagen. Uwe kramt den Führerschein heraus. Der Polizist sagt:”no driverlicenz”. Uwe antwortet:”yes driverlicenz”. So geht das dreimal hin und her. Ich steige aus und höre vom Polizisten die Frage:”which Classe do you have”? Uwe antwortet auf deutsch”drei”. Damit ist der Kollege zufrieden. Ich frage wie weit es bis Ohrid ist und erhalte die Kilometer Angabe in seiner Sprache. Verstanden habe ich das, male aber zur Sicherheit die Zahlen noch auf die verstaubte Autoscheibe. Die Polizisten nicken, lachen und wir können weiter.
Und dann die Grenze Albanien zu Mazedonien. So war es ursprünglich nicht eingeplant sondern sollte eigentlich von Albanien direkt nach Griechenland gehen. Wie auch immer.
An der Grenze wieder Schwierigkeiten wegen der fehlenden Greencard für den Caravan. Ich laufe das Zollamt ab um ein Permit für den Caravan zu erstehen. Die junge Frau welche mich dann zu ihrem etwas abseits gelegenen Büro führt, war sehr zuvorkommend. Dann kamen die Zollformalitäten. Da wir mittlerweile gewöhnt sind auf Englisch zu fragen und zu antworten, waren wir sehr überrascht, als uns der Zöllner in klarer Aussprache und auf deutsch fragte:” warum sprechen sie kein Deutsch"? Alles hätten wir vermutet, nur das nicht. Die Fragen nach Drogen, Alkohol und Zigaretten konnten wir klar verneinen. Ein Blick in den Caravan, dann kam vom Zöllner kein OK, sondern das kleine Wörtchen “tschüß”.
Wir reisten in Mazedonien ein, unser neuntes Land auf dieser Reise. Die Route führte um einen grossen See (Ohrid Lake, ca. 40 qkm). Richtung Ohrid. An der Nordspitze kamen wir nach Struga, einer Kleinstadt. Von wegen Kleinstadt - der Verkehr mörderisch es wird gedrängelt und man quetscht sich und das Auto in jede noch so kleine Lücke. So musste Uwe dieses Mal Millimeterarbeit leisten, schlimmer wie in Slano oder den vorhergehenden Städten. Einmal ging es wirklich nicht vor und zurück. Aber statt eine schimpfende Menge sich aufregte, kamen von allen Seiten Helfer, welche die junge Frau im anderen Auto auch aufforderten, den Rückwärtsgang einzulegen. Und sie versuchten Uwe dahingehend zu dirigieren, dass diese Situation ohne Schrammen, Kratzer oder Beulen gelöst wurde. Man scheint sich in dieser Stadt zu kennen. Wir kamen aus dem Zentrum der Stadt an das Seeufer und fanden ein Hotel mit einem bewachten Parkplatz. Vier Sterne mit Spa, Sauna und Restaurant. Spa war geschlossen. Das Restaurant sehr elegant und sauber. Der Fussboden glänzend wie ein Spiegel, die Toiletten mustergültig ausgestattet mit Bidet. Die Speisekarte umfangreich und die Gerichte sehr schmackhaft. Der Ober sprach klares deutsch und erzählte uns seine Geschichte. Er spricht sieben Sprachen, hat bereits in Deutschland, der Schweiz gearbeitet und auch seine Familie ist weltweit in Lohn und Brot.
Nach dem Essen bestellten wir eine Taxe, wir wollten etwas von der Stadt sehen. Das Taxi kam, ein junger Mann den wir fragten, ob er Zeit hat und uns einiges zeigen kann. Er brachte uns nach Struga zu einem Parkplatz am Beginn einer Fussgängerzone. Dann erklärte er, dass er bis 14 Uhr arbeiten muss, anschliessend hätte er frei und würde uns fahren. Er gab mir seine Telefonnummer, wir bräuchten ihn nur anrufen, sein Name wäre Igor. Wir liefen diese Fussgängerzone bis zum Ende. Nichts aufregendes. Geschäfte mit Kleidung und Schmuck wie überall. Einziger Unterschied: hier gibt es den Beruf des Schuhputzers, der öffentlich ausgeübt wird. Wir rufen Igor, den Taxifahrer an. Fünf Minuten später erschien er zu Fuss. Er hatte sein Auto am Parkplatz abgestellt, es wäre nicht weit. Wir stiegen ein.
Da ich ihm die vorherige Fahrt schon bezahlt hatte, fuhren wir erst zum tanken, anschliessend einige Dörfer weiter. Ca. 15 km. Dort war ein traditionelles Karnevalsfest gleichzeitig mit der Feier des orthodoxen Neujahrsfestes. Er hätte dort Freunde, die er auch kurz sehen/besuchen kann. Dort angekommen suchten wir uns einen erhöhten Platz in dieser Menschenmenge. Igor sah nach seinen Freunden während wir uns das Spektakel ansahen..interessante alte Masken, lautes Flötenspiel mit Pauken. Teufel, Ritter, Scheichkostüme und andere undefinierbare Masken zu hauf. Ein Teufelspaar zog eine grosse Schaufel mit richtigen Innereien hinter sich her, andere Masken hatten sich Büsche rundum angebunden.
Nach einiger Zeit und viele Bilder später rief Uwe auf einmal “Igor". Ich hatte ihn nicht gesehen, aber man kennt sich eben. Doch zuerst brachte uns Igor zu einem kleinen Kaffee wo wir uns setzen konnten. Das Kaffee eines seiner Freunde. Der Kaffee hier ist wirklich gut, stark und süss in kleinen Puppentassen. Wir tauschten die Adressen und Namen im Messenger aus da Facebook bei mir nicht funktionierte. Anschliessend führte uns Igor noch zu einer kleinen Kirche in einem Naturschutzgebiet. Hier sprudelt frisches Quellwasser. In der Kirche  haben wir Kerzen angezündet. Auf dem Rückweg zum Hotel bekamen wir viele Informationen, Antworten auf unsere Fragen. Und wieder kam die Frage, warum wir nicht länger bleiben wollen, das Land hätte noch so viel zu bieten. Am Hotel angekommen habe ich seinen geforderten Preis verdoppelt, was ihm sichtlich zuerst etwas peinlich war. Aber das war mir der Ausflug Wert. Eine herzliche Einladung zu ihm und seiner Familie - kostenlose Unterkunft inbegriffen wurde von ihm ausgesprochen. Hier hat man etwas begründet was über das “man kennt sich eben” hinausgeht.
 

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