Kindererholung nach Krankheit in der DDR.....


Ich weiß, man soll nicht meckern, denn alles war nicht schlecht!!
Der Staat betreute mich nach einer doppelseitigen Lungenentzündung und verfrachtete mich nach Bad Salzelmen, bei Schönebeck an der Elbe, zur Erholung. Das war auch ganz in Ordnung, es gab Essen, das man essen konnte, die Sauberkeit der Waschräume etc. war auch in Ordnung.
Und ganz viel frische Luft wurde versprochen. Es war Sommer 1947, im großen rasenbedeckten Innenhof befand sich ein kleines Schwimmbecken, aber nur zum Anschauen. Damit die Laune nicht kippte, ging man wieder wandern. Ein großer Glücksfall war, durch die Salinen zu gehen und tief zu atmen. Große Wände aus Reisig, über die Salzwasser lief, schienen nach Meer zu riechen. Ich wußte, wie Meer zu riechen hatte und hing ständig mit der Nase im Reisig drin.
Die Begleiterin in einer Tracht, die ich damals noch nicht kannte, holte mich ständig aus dem "Gestrüpp" wieder raus. Ach, das hat mir doch gefallen............
Ich glaube, wir waren 3 Wochen da und dann brach Scharlach aus.
Damals war das noch so, daß man in Quarantäne mußte. Das Kinderheim wurde abgeriegelt und jeder, der sich nur einmal kratzte, kam sofort ins Krankenhaus. Ich war dabei -6 Wochen wurden vorhergesagt.
Dann lag mit vier oder fünf anderen im Krankenhaus, Mädchen und Jungen, alles gemischt. Das schlimmste war der "Pullertopf", raus durften wir ja nicht. Einer bekam dann wirklich Scharlach und hat alle anderen angesteckt. Jetzt wurde es wirklich eng - der Pullertopf stand zwischen den Betten und jeder schaute zu, wie wir Mädchen das denn so machten.
Unheimlich peinlich sich so ausgeliefert zu fühlen.
Nach 3 Wochen kam meine Mutti an und half in der Küche aus und somit war das Heimweh etwas eingedämmt.
Endlich stand dann fest, daß ich mich auch angesteckt hatte und nun noch 6 Wochen vor mir lagen.
Wir wurden in eine Barracke verlegt, von der Außenwelt völlig isoliert.
Es war Sommer, die Fenster standen offen und ich hörte meinen Namen rufen. Es war Omama, die mich besuchte und sich irgendwie durchgemogelt hatte. Sie brachte Kirschen oder Pflaumen mit, ich weiß es nicht mehr,
doch sie war da mit leckeren Obst aus dem Garten.
Von Tante Elschen aus dem Westen, kam ein Päckchen mit "Sandkuchen" drin.
Die 3 Mädels in dem Zimmer rissen mir diese teure Fracht fast aus den Händen und ich mußte teilen - es half nichts.
Doch auch diese Zeit ging vorbei und ich war frei. Mutti holte mich ab und im Zug wurde ich sofort wurde ich gefragt, was ich denn habe, weil ich so blaß aussah. Und dann fiel der Groschen: der Sitzplatz war gesichert, denn das Wort "Scharlach" löste die Probleme, nicht stehen zu müssen. Mutti kniff mit dauernd, damit ich die Klappe halte.
Jedenfalls sind wir unbeschadet in Dessau gelandet und Opa stand mit dem kleinen Bollerwagen schon auf dem Bahnsteig und holte uns ab.
Endlich wieder daheim - das war eine lange Zeit.
Insgesamt ein Vierteljahr voller Heimweh......und nie zu Hause.
An die Schule dachte ich dabei nicht, das war mir wurscht.
Noch 14 Tage und ich mußte wieder hin. Kannte ich die eigentlich noch?
Jedenfalls wurde ich dort auch mit "hallo" empfangen und alles war wieder im Alltagstrott. Von der Straße wurde ich noch ferngehalten, Mutti wollte mich noch schonen - sie kannte ihre Tochter.
Die Bäume standen hautnah im Wiesengrund.....das birgt Gefahr!
Und trotzdem alles überstanden und ich lebte noch.
Und irgendwann kam der Tag, da durfte ich wieder "ich" sein und der Wiesengrund gehörte mir und ich ging Frösche fangen.
In diesem Sinne
mit quakenden Grüßen
euer Moni-Finchen


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