Josef, keine Kuh, Pferde

Autor: ehemaliges Mitglied


Josef, keine Kuh, Pferde

Als der 5. Geburtstag unserer Tochter bevorstand, gab es im TV gerade einen der ersten Zeichentrickfilme über Johanna Spyri's Heidi. Natürlich verfolgten Mutter und Kinder diese Serie mit viel Begeisterung. Bei beiden Kindern wuchs der Wunsch nach einem eigenen Hund.

Als Kind hatte ich selber einige unschöne Hundeerlebnisse und so weigerte ich mich schlicht, ihnen einen lebendigen Hund zuzugestehen. Da entdeckte ich im Kaufhaus eine richtig schön große Nachbildung des Hütehundes Josef aus der Heide-Serie. Das Stofftier war so groß und so schön knuddelig, dass sich unsere Lütte darauf richtig würde einkuscheln können. Und teuer war das „Ungetüm“ auch nicht. Also kaufte ich es als Geburtstagsgeschenk.

Am Geburtstag der Kleinen gab es ein großes Hallo – und einen recht traurigen großen Bruder!! Er wusste nicht, dass es für Katja den Josef als Geschenk von den Eltern gab und ich wusste nicht, dass der fast Zehnjährige für eben so einen Hütehund Josef fünf DM von seinem Taschengeld angespart und ausgegeben hatte!

Wie sollte sich seine kleine Schwester denn über sein Geschenk, den Josef von Heidi, freuen, wenn sie doch gerade von ihren Eltern einen fast lebensgroßen Bernhardiner-Josef geschenkt bekommen hatte und sich obendrein riesig erfreut zeigte, gleich mit dem Großen ganz verliebt schmuste?? Da mochte er nicht glauben, dass sie seinen kleinen Josef noch hätte haben wollen.

Verschämt gab er ihr sein Geschenk und weinte fast! Doch wir konnten ihn ein wenig damit trösten, dass Katja seinen Josef doch zum Schlafen mit ins Bett nehmen konnte, was mit dem großen Josef eher nicht möglich sei. Und genauso tat sie das auch von Stund an.

Doch innerlich hatte der Junge dieses Erlebnis noch überhaupt nicht verarbeitet. Plötzlich war Katjas Teddy verschwunden. Sie vermisste ihn allerdings kaum, da sie zum Schmusen beim Spielen ja den großen Josef hatte. Und eines Tages entdeckte ich den Teddy, demonstrativ bekleidet mit seiner alten Badehose ganz hinten in seinem Schrank, wo er ihn versteckt hatte. Das war nun SEIN großer Schmusebär!!

Katja hatte im Frühsommer Geburtstag, unser Sohn Ende November, er wurde nun 10 Jahre alt.

Während er mich im Herbst auf einem Einkaufsgang begleitete, kamen wir am örtlichen Spielwarenladen vorbei, in dem sich schon ein wenig die Vorweihnachtszeit ankündigte. Der Junge hatte wohl schon öfter in den letzten Tagen dort vor den Auslagen gestanden und nach „seinem Wunschgeschenk“ Ausschau gehalten.

Als wir nun gemeinsam dort vorbei gingen, hielt er mich vor einem der Schaufenster fest: „Mama, schau mal, die Kuh dort, die möchte ich haben!“ Eine lebensgroße Stoffkuh stand dort im Fenster. Ich war hin- und hergerissen – so ein großes Stofftier für unseren 10-Jährigen?! Dann entdeckte ich das schwer lesbare Preisetikett zu ihren Füßen. Entziffern konnte ich nur 50 DM. Naja, wenn's denn sein müsste … Wir gingen in das Geschäft und ich bekannte meine Zweifel, dass die große Kuh im Fenster 50 DM kosten würde. Meine Zweifel waren berechtigt: das große Tier kostete 450 DM!! Puh!!

Nein, das ging absolut nicht! Da musste ich meinem Jungen erst einmal klar machen, dass wir so viel Geld für ein übergroßes Stofftier, mit dem er nicht wirklich etwas würde anfangen können, ausgeben würden. So langsam kam nach und nach heraus, dass er sich diese große Stoffkuh wünschte, um den großen Josef, den seine Schwester zum Geburtstag bekommen hatte, der es ihm unmöglich gemacht hatte, sie mit seinem Geschenk, dem kleineren Josef gebührend zu beglücken, nun als Belohnung für sein misslungenes Geschenk zu übertreffen …

Natürlich fiel es mir sehr schwer, ihm verständlich zu machen, dass dieser Wunsch unerfüllt bleiben würde. Dafür entdeckte ich dann irgendwann, dass er meine alte Käthe-Kruse-Puppe, die natürlich als Puppe, ein Mädchenspielzeug, seiner Schwester zustand, nun auch "seinem Teddy" im Kleiderschrank Gesellschaft leistete. Er hatte doch schon aus meinem großen Familienkreis von einem Cousin eine große Platte mit einer vollständig aufgebauten Modelleisenbahn geschenkt bekommen. So etwas würde seine Schwester nie besitzen (eine solche Bahn reicht ja auch völlig aus!!).

Ich hatte diese Puppe nie wirklich zum Spielen genommen, war überhaupt kein Puppenspiel-Mädchen, unsere Tochter auch nicht. Aber diese Puppe hatte einen Makel. Irgendwann hatte ich sie als Kind waschen wollen. Sie schaute immer so weinerlich in die Weltgeschichte. Ganz farbecht konnte die Gesichtsbemalung nicht gewesen sein, denn seither prangte auf einer Puppenwange eine dicke dunkle Träne … War das der Grund, warum er sie an sich genommen hatte?

Weggegeben hatte ich sie nie, in der Hoffnung, irgendwann doch vielleicht eine Tochter zu haben. Und nun beanspruchte mein Sohn dieses verweinte Puppenkind! Katja und ich haben sie ihm zugestanden. Sie liebte so wenig wie ihre Mama das Puppenspiel, freute sich sehr, wenn sie mit ihrem großen Bruder mit der Eisenbahn oder der Carrerabahn spielen durfte.

Zum Trost gestanden wir ihm zu, Reitunterricht nehmen zu dürfen. Seither liebt er Pferde über alles. Als Erwachsener hat sich unser Sohn dann irgendwann eine richtige Stute mit ihrem Fohlen gekauft. Mit diesen Tieren lebt er heute noch. Sie sind sein Ein und Alles!
 


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Kommentare (2)

Muscari


Jaja, das sind typische, und im Nachhinein nette Erinnerungen an die Zeit unserer Kinder.
Man könnte so unendlich viel erzählen....
Danke für diese Stofftier-Geschichte, bei der dann die Puppe mit Träne eine entscheidende Rolle spielte.
Auch bei unseren Kindern gehörten eine ganze Reihe von Stofftieren unbedingt dazu. Noch heute bewahre ein paar Exemplare der Fa. Steiff auf.
Mit herzlichem Gruß,
Andrea

ehemaliges Mitglied

@Muscari  
Ich denke, das wird wohl in vielen Familien so gewesen sein, liebe Andrea!

Für meine Beiden waren Legobausteine und Technikspielzeug immer wichtiger. Auch meine Tochter hat sich einen technischen Beruf gewählt, allerdings dann gepaart mit ihrem künstlerischen Talent eine Selbstständigkeit daraus entwickelt, die nun seit 18 Jahren erfolgreich besteht.

Nun sind wir gespannt, wie sich alles weiter entwickelt, auch die Talente, die in ihrem fast Achtjährige schlummern.

Danke für Deinen Kommentar und Dein 💗

Uschi 


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