Jesus und die Frau aus Syrophönizien
Der Heiland müde der Menschen, die ihn stetig bedrängten, hatte in den Gegenden von Tyrus und Sidon ein paar Tage ausgeruht. Seine Jünger hielten ihm Besucher vom Leib und er genoss die Ruhe; hatte Muse über sich und seine Bestimmung nachzudenken.
Er war es manchmal leid Wunder zu tun; Tote wieder ins Leben zurückholen oder Besessene zu heilen. Die Menschen staunten ihn an, aber kaum hatte er den Rücken gekehrt, vergaßen sie alles, was er ihnen gepredigt hatte, und fielen in ihr dumpfes Sklavendasein zurück. Mancherorts hörte man ihm erst gar nicht zu, verhöhnte ihn und bewarf seine treuen Begleiter mit Steinen. Diese Prüfungen waren für ihn nicht allzu schlimm, der er sehr wohl wusste, dass ihn in Bälde eine viel größere Prüfung erwartete, der er weder ausweichen konnte - noch wollte. Was ihn, außer seiner Müdigkeit bedrückte, waren einige Dinge, die anders, ganz anders verlaufen waren, als von ihm angedacht.
So - als er ins Land der Geraser gekommen war. Da brachten die Leute vor ihm einen mit Eisenketten gefesselten Irren, der für gemeingefährlich galt. Jesus legte ihm die Hand auf die Stirn und der Irre sank schreiend in die Knie. Die um seinem Körper geschlungene Kette zersprang, während die ihn vorher beherrschenden bösen Dämonen die Flucht ergriffen und in eine unweit futtersuchende Schweineherde fuhren.Die Tiere vom Wahnsinn gepackt rannten in Richtung Meer und stürzten sich über die Klippen alle zu Tode. Wie Jesus später erfuhr, war die Heilung des Irren aber zu teuer bezahlt. Denn; als der Besitzer der Schweineherde von dem Verlust erfuhr, erhängte er sich am Stützbalken seines Hauses. Daran dachte der
Heiland, als ihm einer seiner Jünger meldete, dass das Frauenzimmer aus Syrophönizien noch immer auf Knien im Vorhof läge und für ihre vom Wahnsinn besessene Tochter um Hilfe bitte. »Wir haben versucht sie zum Gehen zu bewegen, aber sie weigert sich und jetzt, hat sich noch eine Gruppe Neugieriger um die Heidin geschart. Sollen wir sie mit Gewalt entfernen, Herr?«
»Sich an einem Weib zu vergreifen, auch wenn es eine Ungläubige ist, würde uns schlecht anstehen«, erwiderte der Heiland und erhob sich von seinem Lager, um hinaus in den Vorhof zu gehen. Wie die im Staub kniende Frau des Heilands gewahr wurde, ging ein Leuchten über ihr tränen-überströmtes Antlitz. Jesus aber schenkte ihr keinen Blick, sondern richtete seinen Augen auf die herumstehenden Gaffer und sprach: »Was habt ihr euch hier versammelt. Meint ihr es regnet Wunder wie Manna vom Himmel?!
Ihr kommt mir vor, wie die Leute, die auf den Märkten sitzen und gegeneinander rufen " Wir haben euch getrommelt und ihr wollt nicht tanzen! Wir haben euch gepfiffen und ihr wollt nicht singen!« Einer aus der Menge sagte: »Herr, schelte uns nicht. Das Weib hier dauert uns und wir alle hoffen, dass du ihrer Tochter helfen kannst.«
Jesus antwortete ihm: »Man kann nicht den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Ich bin nicht gesandt, als nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.«
Dies sagend wandte sich der Heiland von der Menge ab, um ins Haus zurückzukehren. Die Frau aber richtete sich etwas auf und rief ihm zu: »Oh Herr, du Sohn Davids, erbarme dich und hilf mir ...!«
»Hartnäckig und wohl auch taub bist du Frau aus Syrophönizien! Hast du meine Worte eben nicht vernommen. Nur ein Narr nimmt seinen Kindern das Brot fort und wirft es vor die Hunde!«
Dass sie als Heidin keinen Anspruch auf Hilfe erheben konnte, war der Frau ganz sicher klar. Trotzdem wagte sie in ihrer Verzweiflung noch einen letzten Versuch und entgegnete; »Dem ist gewiss so, Herr, aber essen die Hündchen nicht von den Brosamen, die vom Tisch der Herren fallen?«
Da verhielt Jesus seine Schritte, sah sie an und sprach freundlich zu ihr: »Oh Weib, dein Glaube ist groß; dir geschehe, wie du willst.«
Und ihre Tochter war geheilt von jener Stunde an.
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