Jeder ist wichtig

Autor: ehemaliges Mitglied

Jedes Jahr werden Nobelpreise für herausragende Leistungen ver­geben. Aber wer macht sich schon Gedanken, welche Bedin­gun­gen vorliegen müssen, damit jemand zu solchen Leistungen fähig ist?

Wie viel Zeit und Kraft zum Forschen, Nachdenken und Ausprobieren hätte ein Wissenschaftler, wenn er seine Nahrung selbst anbauen, ernten und zubereiten, seinen Haushalt selbst sauber halten und seinen Müll selbst auf eine Deponie bringen, all seine technischen Geräte selbst bauen, seine Möbel selbst bauen, seine Wege zu Fuß oder zu Pferd zurücklegen müsste (und vieles mehr)?

Bauern, die für andere Nahrung anbauen, LKW-Fahrer, die sie zu den Verbrauchern transpor­tie­ren, Küchen­personal, das Mahlzeiten anderer zubereitet, Reinigungspersonal, das Arbeits­plät­ze und Wohnungen sauber hält, Müllwerker, die Abfall wegschaffen, … sie sorgen dafür, dass andere Menschen Zeit für hoch qualifizierte Arbeiten haben und tragen auf ihre Weise zu herausragenden Leistungen unserer Gesellschaft bei.(*) Erst die Arbeitsteilung macht solche Leistungen möglich.

Darum ist auch "geringe" Arbeit wichtig. Jede Arbeit, die ordentlich gemacht wird, verdient unseren Respekt.

Es ist natürlich legitim, ja sogar sinnvoll, dass jeder sich einen Arbeitsplatz sucht, wo seine Fähigkeiten optimal genutzt werden. Wenn er aber keinen solchen findet, weil für seine besonderen Fähig­keiten kein Bedarf besteht, oder er seine Fähigkeiten überschätzt, dann soll er wenigstens das, was er macht, auch gut machen.

Ich hatte in meinen letzten Berufsjahren mehr Respekt vor unseren Putzfrauen, als vor meinen Vorgesetzten, denn die Putzfrauen machten ihre Arbeit gut.


(*) Einige dieser Tätigkeiten können auch von Ehepart­ner*innen erbracht werden.

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Kommentare (5)

Allegra habe ich Einblick in das Leben von Naturwissenschaftlern, die in einem Forschungsteam arbeiten,
im weltweiten Wettlauf unter starkem Konkurrenzdruck.
Es geht immer um Ruhm und sehr viel Geld,d.h. "Einwerbung von Drittmitteln“.
Glücklicherweise aber ist nicht jeder Wissenschaftler einseitig. Er engagiert sich in der Fahrradwerkstatt der Universität und in einer Holzwerkstatt für Behinderte etc. was uns sehr freut.
Allegra
Maritt stimme dir voll und ganz zu. Aber mit den Jahren erst entsteht eine solche Sicht der Dinge.Je reifer und erfahrener der Mensch, um so mehr schaetzt er die elementaren Arbeiten, eben das, was die Voraussetzungen schafft für Wissenschaft, Kultur und vieles andere.
Auch ich habe eine junge Frau, die mir im Haushalt zur Hand geht und sehe zu, dass sie entsprechend belohnt wird, denn meinen "Finanzberater" kann ich schnell ersetzen, sie nicht.

Maritt
Federstrich Aber wer macht sich schon Gedanken, welche Bedin­gun­gen vorliegen müssen, damit jemand zu solchen Leistungen fähig ist?

Das machen vor allem auch die (Sozial-)Wissenschaftler selbst und ihre Ergebnisse, z.B. auch zur Sozialstruktur einer Gesellschaft, und sind dann für alle nachlesbar. Als Bedingungen dafür brauchen Wissenschaftler gut ausgestattete Labore und sehr gute Mitarbeiter, denn Wissenschaft ist ein kollektives Geschäft. Vor allem aber braucht es für diese Leistungen eine Besessenheit, die bis zur Selbstausbeutung bei 12-16-Stunden-Tagen über viele Jahre geht und unter Aufgabe des üblichen Privatlebens und bei Inkaufnahme oft riskanter Lebensbedingungen, bis sich im hohen Alter evtl. ein solcher Erfolg einstellt oder eben auch nicht.

Wissenschaftler sind in den meisten Fällen abhängig Beschäftigte und werden entweder vom Staat und von Stiftungen oder von der Privatwirtschaft bezahlt. Sie gehören also nicht unbedingt zu "denen da oben". Ja, wer baute das siebentorige Theben? Es sind auch nicht zwangsläufig die Wissenschaftler, die dazu neigen, die Gesellschaft zu stratifizieren, sie in "oben" und "unten" einzuteilen, (Erwerbs-)Arbeit zu bewerten, sondern es sind die Individuen einer Gesellschaft. Solche Werturteile werden oft am Küchentisch an die nächste Generation weitergegeben. Dort liegt auch ein Großteil der Verantwortung.

Vorgesetzte, von denen du abschließend sprichst, sind ja nicht unbedingt Wissenschaftler. Von denen kann ich allerdings auch (m)ein Lied singen.
Gruß, Federstrich
Syrdal
In sehr früher Zeit der Menschheitsentwicklung, in der Altsteinzeit, entwickelte sich mit zunehmender Sesshaftwerdung der Menschen und dem gleichlaufenden Ackerbau das System der Arbeitsteilung, in dem sich jeder nach seinen Fähigkeiten gleichberechtigt einbrachte. Der Fokus liegt hier auf "gleichberechtigt", denn niemand hat sich ob seiner eingeübten Fähigkeit über einen anderen erhoben. Jeder hat für jeden das eingebracht, was ihm an Fertigkeiten und Wissen möglich war.
Erst in der Bronze- und Eisenzeit bildete sich das Handwerk heraus und zunehmend der Handel über die eigene Lebensgemeinschaft hinaus. Damit entstanden aber auch sichtbare Unterschiede der Individuen, die in der weiteren Entwicklung über die Spezialisierung, Mechanisierung und Automatisierung zur gleichlaufenden und ungebremsten Überhöhung der Wissenschaft führte und letztlich sogar pervertierte, indem sich einige Menschen über andere stellten und deren Leistung als minderwertig bezeichneten und diese damit in Abhängigkeit brachten. In dieser fatalen Realität leben wir noch heute - leider, denn es wird generell verkannt, dass alle, die sich selbst überhöht haben, ohne die "minderwertigen Arbeitsleistungen" der Mitmenschen nicht lebensfähig wären, bei aller hehren Wissenschaft nicht. - Fazit: Jede Arbeit, jede Leistung hat für die Menschengemeinschat einen gleichberechtigt essentiellen Wert.
Es grüßt
Syrdal

rose42 es gibt so viele, die sich für intelligent, geistreich und ganz besonders halten! Natürlich braucht es Wissenschaftler, Vordenker und Gestalter. Aber:
Jedesmal, wenn ich Handwerker brauche, die mit Verstand, Fachwissen und Freude am eigenen Können ans Werk gehen, denke ich mir, das ist wohl eine aussterbende Spezies. Sie jammern alle, daß sie keine Nachwuchskräfte haben oder gar Leute, die ihren florierenden, aber eben auch arbeitsreichen Betrieb übernehmen wollen.
Ich finde, das Handwerk hat hierzulande ein Image-Problem. Erst die richtige Wertschätzung von Handwerk und Dienst-leistung und natürlich auch Bezahlung könnte uns davor bewahren, mehr und mehr auf notdürftig Angelernte angewiesen zu sein. Nicht umsonst sind Entwicklungsländer neugierig auf unser Ausbildungs-System. Wir sollten stolz darauf sein und auf die, die Handwerker etc. werden wollen!

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