Im Spessart
Es gab da noch ein Paar aus dem Ruhrpott, das mir sofort sympathisch war, denn die beiden sprachen wie Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier, den ich im Radio und Fernsehen immer sehr gern gehört hatte. Wie wir erfuhren, kamen die beiden aus Herne, wo er sein eigenes Taxi fuhr.
Es war für mich einfach ein Genuss, den beiden zuzuhören. Ich stellte fest, dass Jürgen von Manger tatsächlich ein guter Beobachter gewesen war und dem Volk genau aufs Maul geschaut hatte.
Das zweite Paar, das in den Speiseraum kam, machte einen ausgesprochen vornehmen Eindruck. Der männliche Part erzählte ständig über sein Krankenhaus und seiner Ausdrucksweise nach zu urteilen, war er dort mindestens Chefarzt. Er nannte Krankheiten bei deren lateinischen Namen und konnte alle unsere Wehwehchen per Augenschein diagnostizieren und ich wunderte mich, dass er keine Rezepte ausstellte. Als einmal seine Frau auf der Straße umknickte, wusste er genau, dass sie sich eine Distorsion zugezogen hatte, kaufte zwei Eisakkus, die er abwechselnd ins Tiefkühlfach und an das Gelenk seiner Frau legte und verband diese fachkundig und perfekt mittels einer elastischen Binde.
„PECH“, dozierte er dann am nächsten Tag beim Frühstück. Dass das Pech war, wussten wir auch, aber er erklärte: „PECH steht für Pause, Eis, Compression und Hochlagern.“
Deshalb hielt sich dieses Paar für den Rest des Urlaubs in der Pension auf, denn das Pausieren und Hochlagern war ja nicht anders möglich.
Als sie abgereist waren, fragte der Taxifahrer aus Herne, in welchem Krankenhaus der Herr Doktor denn wohl arbeite. Heidi (unsere Wirtin) antwortete daraufhin: „Der Herr ist gar kaon Arzt net.“
„Aber der wusste doch so gut Bescheid mit all diese medizinische Wörter und hat doch auch immer von sein Krankenhaus erzählt“, war die berechtigte Nachfrage.
Wie Heidi wusste, war der vermeintliche Arzt lediglich Schneider in einem Krankenhaus und reparierte dort die Kittel und Laken.
„Und ich dachte, dat is endlich ma einen Aazt, dem man vertrauen kann, woll!“, rief die Dame aus Herne erschrocken aus.
Die beiden sorgten fast jeden Tag für gute Stimmung im Frühstücksraum. Einmal hatte der Mann sich ein Hemd gekauft, das er gleich am nächsten Morgen anzog. Was er nicht bemerkte, war, dass noch ein Schild mit Größe, Preis usw. heraus hing. Ein polnischer Erntehelfer, der ebenfalls in der Pension wohnte, zeigte auf das Schild und lachte. Alle Gäste wurden dadurch darauf aufmerksam und lachten mit. Die Frau des Taxifahrers kommentierte trocken: „Getzt wissen alle, wat da Vatta kostet!“
Ich jubelte innerlich: „Tegtmeier lässt grüßen!“
Aus dem Buch "Reisehusten" von Wilfried Hildebrandt
Kommentare (2)
@Rosi65 Vielen Dank für den Hinweis, liebe Rosi. Mag sein, dass ich da etwas vermischt habe, was nicht zusammengehört. Allerdings ist das Buch schon geschrieben und veröffentlicht. Da kann ich jetzt nichts mehr dran ändern. Sollte es jemals eine Neuauflage geben, dann werde ich selbstverständlich den Text entsprechend abändern.
Viele Grüße
Wilfried
Hömma Wilfried, datt hasse ja toffte hingekricht, muss ich gez mal ganz ährlich so sagen.😉
Nur datt komische„woll“ datt hat da aba gar nix zu suchen.😣
Is Kokolores. Musse wieda streichen!
Sowatt sacht man doch erst ganz hinten am schwatten Ende, da wo datt Sauerland anfangen tut.
Im echten Ruhrpott-Hochdeutsch heisst datt nämlich „ne“.👍
So, gez weisse Bescheid, ne? 😃
Herzliche Grüße
Rosi65