Heiter bis bewölkt
…. Der Mensch als Mensch und Homo faber
beherrscht die Welt fast völlig, aber,
so sehr er um die Herrschaft ficht,
total beherrscht er sich noch nicht.
Im Gegenteil, eh er´s gedacht,
steht er am Ende seiner Macht,
ja schlimmer noch, er steht im Regen
und weiß noch nicht einmal, weswegen.
…. Als Beispiel dieses Tatbestands
nenn ich das Wetter dieses Lands.
Da kommt ein Keil vom Islandstief,
das vorher still und reglos schlief,
gerade dann, wenn´s keiner denkt,
vom Ozean herangeschwenkt
und schwängert die ansonsten leere,
blicktransparente Atmosphäre
mit dichten, dunklen Nebelfladen,
die sich dann irgendwo entladen.
…. Sogar der Wettersattelit,
sah nicht, was sich zusammenzieht,
so dass die Meteorologen
die Kundschaft und sich selbt betrogen.
Sie haben Gutes prophezeit
mit ihrer Wissenschaftlichkeit,
doch scheint, was die Propheten sungen,
nicht bis zum Himmel durchgedrungen.
….Auch fällt der Regen grade dann,
wenn man ihm nicht entgehen kann,
zum Beispiel, wenn man abends froh
nach Hause eilt aus dem Büro,
und wenn man still spazieren geht,
wo nichts, was einem Dach gleicht, steht.
…. Ein Mensch mit einem Regenschirm
fühlt sich in solchen Fällen firm,
sofern´s auch glückt, dem Sturmeswüten
mit seinem Schirm die Stirn zu bieten
und auch die mittleren Partien
den Regenschauern zu entziehn,
ganz abgesehen von den Schuhen,
worin des Menschen Füße ruhen.
Erst recht nicht hilft ihm dieses Ding,
wenn, als er aus dem Hause ging,
es schön war wie im Paradies,
weshalb er es im Ständer ließ.
…. Der Mensch wird durch den Umstand leicht
bis auf die Knochen durchgeweicht.
Soeben ziemlich wohlgemut
erzittert er vor Frost und Wut,
was einerseits und gar nicht selten
Gefahr erzeugt, sich zu erkälten,
wogegen andrerseits erschlafft
der Glauben an die Wissenschaft.
…. Zwar lernte er seit Kindesbeinen,
die Sonne kann nicht immer scheinen,
sonst wäre es, wie jeder weiß,
ringsum zu trocken und zu heiß,
doch fragt er bebend vor Verdruss,
warum es immer regnen muss,
wenn er sein warmes, trautes Nest
für einen Augenblick verlässt;
weshalb es, scheinbar aus Prinzip,
gießt, wenn der Schirm zu Hause blieb,
doch wenn er diesen bei sich trägt,
kein Tropfen Nass zu fallen pflegt.
…. Auch dann, wenn er im Zimmer sitzt,
vor Himmelsfeuchtigkeit geschützt,
fühlt er sich im Gemütszustand
von Wechselschauern übermannt.
Wenn Tag und Nacht die Wolkenfetzen
am Horizont vorüberhetzen
und überall die Tropfen spritzen,
kriecht Trübsal durch die Fensterritzen,
durch Schafwollunterzeug und Poren.
Er hüllt sich ein bis zu den Ohren,
zieht sich zurück in seine Tonne
und träumt verzweifelt von der Sonne,
die, wenn sie je auf Erden schien,
woanders scheint, doch nciht für ihn.
…. Die Wetterfrösche stört es nicht.
Mit sonnig-heiterem Gesicht
erscheinen sie und prophezein
durch nichts getrübten Sonnenschein.
…. Der Mensch, geplagt von Grau und Grauen,
wagt überhaupt nicht hinzuschauen,
weil er im Regen fast ertrinkt.
Sein Fortschrittsoptimismus sinkt.
Und fiel er nicht dem Wahn zur Beute,
dann friert und zittert er noch heute.
Kommentare (10)
Lieber silesio,
es macht ungeheuren Spaß, deine Werke zu lesen.
Ich freue mich sehr darüber und sage DANKE.
Wieder einmal stimmt jede Zeile, und so ist das Lesen ein Genuss.
Gruß Pippa
Mit Dank für "heiter bis bewölkt"...großartig zu lesen und sich zu freuen...
herzlichst ladybird
@ladybird
Nett zu lesen, aber schaurig zu erleben.
Einen Regenbogen habe ich hier schon lange nicht mehr gesehen!
@silesio
Wer würde es wagen einem fulminanten Dichter, wie dir zu widersprechen. Man wird doch schon beim Lesen ganz still.
Aber mit meinem Schmunzeln scheint es, wie mit dem Wetter zu sein - es hält sich nicht an die Prognose der Tragik
😂😂😂
wünsche dir einen sonnigen Tag
WurzelFluegel
@WurzelFluegel
Übrigens Wetterbeobachtung von 11,45 Uhr in Leominster:
Sonne versucht sich durchzukämpfen. Aber ziemlich ekliger Wind
😂
Einfach herrlich, diese gekonnt nuancierte Beschreibung des sonnenhungrigen Homo faber,
dessen Hoffnung im tagelangen Dauerregen zum Rinnsal mutiert...
humorvoll - treffend -
zu lesen ein Genuss!
Danke fürs Teilen!
liebe Grüße
WurzelFluegel
@WurzelFluegel
Eines ist jedenfalls eindeutig klar: Das Wetter gehört zur dichterischen Spezies: Tragödien.
Und da wirklich niemand zu lachen, denn sonst wäre es ja eine Komödie
Ganz ohne nachzufragen,
ereignen sich die Wetterlagen.
Beschrieben wird's in dem Gedicht,
ich weiß, wovon der Dichter spricht.
Man kann so viel darüber sagen
und über's Wetter lauthals klagen.
Dem, allerdings ist es egal,
ob Mensch mit T-shirt oder Schal
auf Erden seine Runden zieht
und alles üppig grünt und blüht
oder wie in der Wüste trocken liegt,
einfach auch nie die Kurve kriegt,
sich Wetterwünschen anzupassen,
der Mensch, er kann's nicht fassen.
Der Weisheit allerletzter Schluß,
was ich zum End' hier noch erwähnen muss:
Kräht der Hahn auf dem Mist,
ändert sich's Wetter oder bleibt wie es ist.
@Roxanna
Der Hahn ist wunderschön geraten
und eignet sich für einen Braten,
denn, frag ich, wo gibt´s heut noch Mist,
nachdem er ganz verschwunden ist
und nur noch auf dem Lande landet
und das Geruchsorgan umbrandet.
Wie auch immer, weder Wetterhähne noch Wetterfrösche scheinen Bescheid zu wissen-
Lieber Christoph
Bevor ich aus dem Hause gehe
nehm ich mein Handy- stets in der Nähe
nun drücke ich die Wetter-App
die ist für Hinz und Kunz und auch den Sepp
sie zeigt mit großer Sicherheit
den Regen der oft nicht mehr weit
hier entscheidet sich mein weitres Tun
der Regenschirm der kann oft ruhn
wenn Sonne wird vorausgesagt
dann wird luftig, leicht hinausgewagt.
die Vorhersage stimmt eine Stunde
und länger ist auch nicht die Runde
die ich jeden Tag - wenns geht- so drehe..
das Handy und die Wetter-App stets in der Nähe.....
ich könnte noch lange so weiter machen....Aber ich bin nicht Silesio (lach)...
Deine Gedichte sind einfach genial- egal worüber Du schreibst. Ich lese sie mit Begeisterung
Dankeschön dafür
mit lieben Grüßen zum Vatertag
Angelika