Großmutter und die "Boy"


Großmutter und die
Es muss etwas über sechzig Jahre her sein, als Großmutter mir zu Weihnachten eine „Boy“ schenkte. Was für ein großartiges Geschenk ! Eine Fotobox, mit der man zwar nur schwarz/weiß fotografieren konnte, aber ich konnte endlich viele Fotos machen. Eine Gelegenheit dazu sollte sich gleich in den Winterschulferien ergeben, die ich wieder einmal mit Großmutter auf dem Bauernhof meines Großonkels im Hessischen verbringen durfte. O, wie ich diese Ferien dort im Schnee liebte !
Kaum angekommen, machten Großmutter und ich uns auf, die herrlich weiße Winterlandschaft zu fotografieren. Ein wahres Winterwunderland tat sich vor uns auf. Nun wollte Großmutter auch ein Foto von mir in dieser winterlichen Kulisse machen. Ich gab ihr die Boy, die sie, mich im Visier, sogleich dicht vor die Augen hielt:
„Du musst noch einen Schritt zurückgehen“, bat sie mich, „ich kriege dich nicht ganz drauf“.
Ich tat, wie mir befohlen und ging ein paar Schritte zurück.
„Weiter, weiter“, rief sie mir zu, „ich habe dich immer noch nicht im Bild“.
Mir kam das etwas merkwürdig vor, aber ich ging weiter und weiter zurück, bis ich sie rufen hörte:
„Jetzt hab ich dich ganz im Bild“.
Also winkte ich ihr fröhlich zu und freute mich sogleich auf den Moment, wenn ich die Abzüge in der Hand halten würde.
Dann endlich kam der große Tag, an dem wir die Fotos abholen konnten. Doch ich war auf keinem der Fotos zu sehen. Enttäuscht reichte ich Großmutter die Fotos: "Ich bin ja nirgendwo drauf."
"Doch, “ behauptete sie, „hier bist du doch zu sehen". Sie deutete auf den schwarzen Punkt in der Mitte eines Fotos, der sich aus dem Weiß des Schnees zwischen den Bäumen hervorhob. Als ich dann ganz genau hinschaute, konnte ich mich tatsächlich entdecken – ich war ein dunkler Fleck in einer weißen Winterlandschaft !

fotosnow01.jpg
 
Diese kleine Anekdote meiner Fotosafari mit Großmutter und der Boy im Schnee, zaubert auch noch heute ein Lächeln in mein Gesicht. Was würde Großmutter, die vor 125 Jahren geboren wurde, wohl  zur heutigen Möglichkeit der digitalen Fotografie sagen ?

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Kommentare (7)

Manfred36

Bist du sicher, dass du das bist, auf dem Bild, und nicht etwa eines deiner Bärchen? Aber nein, Bärchen halten ja Winterschlaf.

Winterrose

@Manfred36  

In dem Fall, ja, lieber Manfred, aber da mein zweiter Vorname von „ursus“ abgeleitet ist, bin ich quasi eine kleine Schwester meiner Bärchen.
 

Manfred36

@Winterrose  
Wenn du's sagst, akzeptiere ich das, liebe Laura Ursula.

JuergenS

meine Fotos aus damaliger Zeit haben auch zu viel Panorama, zu wenig Nahes.

dafür haben sie den Charakter der Exklusivität , nicht  der inflationären Vielzahl heute, die kaum jemand anschaut, sozusagen.😃

Winterrose

@JuergenS  

Vielleicht lag das auch daran, lieber Jürgen, dass man zur damaligen Zeit das Panorama, also die Schönheit der Natur noch zu schätzen wusste. Tatsächlich ist es heute so, dass durch die vielen Selfies das eigentlich Sehenswerte nur noch zu erahnen ist bzw. verdeckt wird.
 

Syrdal


Diese hübsche Foto-Erlebnisgeschichte erinnert mich an meine erste Kamera, eine POUVA START, die ich 1954 zu Weihnachten bekam. Ach wie stolz war ich, denn immerhin konnte man damit wunderbare Aufnahmen machen und zwar auf leicht handhabbaren Filmen, weit besser als mit den alten schweren und unhandlichen Kameras auf Glasplatten. Was für ein Fortschritt!

Gerne denkt daran zurück
Syrdal



pouva-start.jpg

 

Winterrose

@Syrdal  

Früher konnte man sich wirklich noch über ein solches Geschenk freuen,
während heute zu Weihnachten oft jedes Jahr ein neues Smartphone, inklusive Kamera, unter dem Weihnachtsbaum liegt.
Da diese federleicht sind, kann man sie überall mit hinnehmen und damit nicht nur telefonieren, sondern eben auch fotografieren, im Internet surfen, Nachrichten und Talkshow anschauen, sich über das Wetter und Bahnverbindungen informieren, mit Freunden chatten usw.

In der Tat, lieber Syrdal, was für ein Fortschritt ! Da frage ich mich oft, was wohl noch alles ausgetüftelt, entwickelt und produziert wird und ob der Mensch das alles wirklich braucht.
Liebe Grüße für dich
Laura


 


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