Gerangel um ein Kind......
.... an der Bushaltestelle.
Meine Omama wußte, daß ich mit meiner Tante in den Westen ziehen sollte......eine Katastrophe für sie.
Ich weiß noch, daß ich schrie...in den höchsten Tönen, doch Omama wurde aus dem Bus entfernt und ich fuhr zum Bahnhof hin. Mit Tante und kleiner Cousine. Ich wußte überhaupt nichts mehr. Leipzig war die nächste Station, die mich zum Bewußtssein erweckten, denn dort war ich oft im Krankenhaus bei meiner Mutter.
Wir stiegen um .... in einen anderen Zug.....der nach Bebra fuhr.
Das war wieder ein Lichtblick für mich, da wir öfters schwarz über die Grenze geschlichen sind..........nach Hildesheim. In das Harzgebiet, es war 1948.
Dort feierte ich auch meinen 8-ten Geburtstag und bekam braune Gummistiefel geschenkt und vorher noch eine kleine Cousine, die ich ständig mit mir rumschleppte, weil es ein Schreibaby war.
Das Baby schrie und schrie, ich schaukelte sie und trug sie rum und der Hausherr des Forsthauses sagte irgendwann: na haste Deine Püppi wieder mal bei Dir!?
Mein Aufenthalt dauerte sehr lange.....fast ein 3/4 Jahr, ich ging dort auch zur Schule im tiefsten Winter mit sehr viel Schnee. Auto oder Bus gab es nicht...per pedes mußten wir ins Dorf, 2 Kilometer vom Forsthaus entfernt.
Doch irgendwann, dem Winter zu, stand Mutti wieder in der Tür.
Ich erkannte sie kaum...fiel ihr um den Hals und zog sie zum Küchenofen.
Langsam schälte sie sich aus ihren Klamotten und legte ihre Füße in die warme Wanne rein. Ich schluchzte laut und leise vor mich hin.
Und ich dachte schon, daß sie mich vergessen hat......schrecklich kam ich mir vor.
Nein, sie holte mich wieder nach Hause....ein Wort, daß in meinem Leben noch mehrmals tiefste Bedeutung bekam.
Nach Hause unter strengsten Bedingungen: kein Husten, kein Nießen, kein Wort.
Bis irgendwo wurden wir per Auto gefahren und dann waren wir in der Landschaft abgesetzt.
Ich trabte meiner Mutter lautlos hinterher...ein kurzer Blick zu mir zurück...doch kein Ton und auch kein psst.
Gespenstig leise auf schleichender Weise betraten wir das nächste Dorf.
Sind wir jetzt West oder Ost?
Eine Scheune bot uns Versteck.
Das Tor war ganz leicht zu öffnen, wir schlüpften rein und peilten erstmal die Außenlage.
Und dann sahen wir sie.....es waren Russen....ja ... wir waren wieder zu Hause, doch saßen in der Falle drin.
"Komm, wir gehen erstmal im Heu schlafen, dort steht doch eine Leiter, dort kann uns keiner finden", sagte sie. Völlig kaputt und ausgelaugt schlichen wir die Leiter herauf, die letzten Sprossen wurde ich hochgezogen und erschrak....es war ein unbekannter Mann.
Das Rätsel löste sich ganz leise im Flüsterton....hier waren etliche Grenzgänger einquartiert. In Zeichensprache liefen die Unterhaltungen ab.
Eine gespenstige Nacht über die man nicht nachdenken konnte, denn vor Erschöpfung schlief man einfach ein.
Der nächste Morgenappell der Russen ließ uns ins Diesseits rücken.
Puhh, wie geht es jetzt weiter?
Einzeln während des Rundgangs der Russen......
Einer hatte genaue Daten aufgezeichnet...und bei "Jetzt,du", dann raus und gleich links um die Scheune rum.
Links um die Scheune rum ? Und wohin dann?
Mutti sagte mir, lauf einfach, ich hole dich ein.
Das Scheunentor öffnete sich einen Spalt, einen Klapps auf den Po und ich startete links um die Scheune rum.
Zu meiner Überraschung waren dort Strohballen gestapelt und Hände griffen nach mir und schwupps war ich verschwunden und Mutti kam auch gleich nach mir an.
Wir hatten die Russen ausgetrickst. Ein herrliches Gefühl!
Noch einen Tag zum Ausruhen, etwas zu essen und zu trinken und Ruhepause.
Die Erwachsenen besprachen die weiteren Routen und ich saß an den Sehschlitzen und berichtete über die russischen Kontrollgänge.
Aber immer mit "PSST" in der Stimme.
Doch aufeinmal fing ich mit den Armen an zu rudern...der Oberfluchtkandidat kam sofort an und ich flüsterte ihm ins Ohr, daß zwei Posten gleichzeitig nach rechts und links gegangen sind.
Er schaute auf seine Uhr...das müssen wir morgen nochmal beobachten...heute bleiben wir hier noch ganz still.
"Hermann", wie ich ihn nannte, hielt Wort und am nächsten Tag bestätigte sich, daß dieses Ritual zur gleichen Zeit wieder ablief.
Inzwischen hatte man Landkarten aufgezeichnet und die nächsten Ortschaften gedächtnismäßig erstellt. Ein zischender Streit entstand.
Bis Hermann sagte...lauft einfach weg und dahin, wo ihr keinen Russen seht, einfach geradeaus......
Mit einem Fuß war ich fast zum Tor schon raus, doch Mutter erwischte mich noch am Ärmel und schrie mich an: bist du verrückt, du kannst doch nicht alleine....
und die geballte Kraft in mir, ließ mich sagen: doch!
Natürlich zogen wir gemeinsam weiter und sie war stolz auf mich.
Ein echtes Kind der...ja, was weiß und was sich daraus entwickelte.
Kind sei still, was zu Hause gesprochen wird, das bleibt im Haus!
Daran habe ich mich immer gehalten - bis auf den Tag, als man mir zu meinem 10-ten Geburtstag ein Pioniertuch schenkte. Diesen blauen Scheuerlappen, den hänge ich mir nicht um den Hals!- waren meine Worte.
Der Klassenkampf war voll eröffnet....ich mußte in der Aula vor versammelter Mannschaft mein Vergehen gestehen!!!!!!! und Abbitte leisten und an einer Kartoffelkäfer-Sammelaktion den größten Einsatz zeigen. Hat man Freunde, finden sich auch Kartoffelkäfer.
Das Thema war erledigt, ich war wieder rehabilitiert.Eins habe ich daraus gelernt: biste Kind = biste dumm
biste Erwachsen = mußte aufpassen.....oder so.
Trotzdem, ich habe viel erlebt und viel gelernt...
ja, ein echtes Kind der ehemaligen DDR.
Freunde, ich grüße Euch
Euer Moni-Finchen
Meine Omama wußte, daß ich mit meiner Tante in den Westen ziehen sollte......eine Katastrophe für sie.
Ich weiß noch, daß ich schrie...in den höchsten Tönen, doch Omama wurde aus dem Bus entfernt und ich fuhr zum Bahnhof hin. Mit Tante und kleiner Cousine. Ich wußte überhaupt nichts mehr. Leipzig war die nächste Station, die mich zum Bewußtssein erweckten, denn dort war ich oft im Krankenhaus bei meiner Mutter.
Wir stiegen um .... in einen anderen Zug.....der nach Bebra fuhr.
Das war wieder ein Lichtblick für mich, da wir öfters schwarz über die Grenze geschlichen sind..........nach Hildesheim. In das Harzgebiet, es war 1948.
Dort feierte ich auch meinen 8-ten Geburtstag und bekam braune Gummistiefel geschenkt und vorher noch eine kleine Cousine, die ich ständig mit mir rumschleppte, weil es ein Schreibaby war.
Das Baby schrie und schrie, ich schaukelte sie und trug sie rum und der Hausherr des Forsthauses sagte irgendwann: na haste Deine Püppi wieder mal bei Dir!?
Mein Aufenthalt dauerte sehr lange.....fast ein 3/4 Jahr, ich ging dort auch zur Schule im tiefsten Winter mit sehr viel Schnee. Auto oder Bus gab es nicht...per pedes mußten wir ins Dorf, 2 Kilometer vom Forsthaus entfernt.
Doch irgendwann, dem Winter zu, stand Mutti wieder in der Tür.
Ich erkannte sie kaum...fiel ihr um den Hals und zog sie zum Küchenofen.
Langsam schälte sie sich aus ihren Klamotten und legte ihre Füße in die warme Wanne rein. Ich schluchzte laut und leise vor mich hin.
Und ich dachte schon, daß sie mich vergessen hat......schrecklich kam ich mir vor.
Nein, sie holte mich wieder nach Hause....ein Wort, daß in meinem Leben noch mehrmals tiefste Bedeutung bekam.
Nach Hause unter strengsten Bedingungen: kein Husten, kein Nießen, kein Wort.
Bis irgendwo wurden wir per Auto gefahren und dann waren wir in der Landschaft abgesetzt.
Ich trabte meiner Mutter lautlos hinterher...ein kurzer Blick zu mir zurück...doch kein Ton und auch kein psst.
Gespenstig leise auf schleichender Weise betraten wir das nächste Dorf.
Sind wir jetzt West oder Ost?
Eine Scheune bot uns Versteck.
Das Tor war ganz leicht zu öffnen, wir schlüpften rein und peilten erstmal die Außenlage.
Und dann sahen wir sie.....es waren Russen....ja ... wir waren wieder zu Hause, doch saßen in der Falle drin.
"Komm, wir gehen erstmal im Heu schlafen, dort steht doch eine Leiter, dort kann uns keiner finden", sagte sie. Völlig kaputt und ausgelaugt schlichen wir die Leiter herauf, die letzten Sprossen wurde ich hochgezogen und erschrak....es war ein unbekannter Mann.
Das Rätsel löste sich ganz leise im Flüsterton....hier waren etliche Grenzgänger einquartiert. In Zeichensprache liefen die Unterhaltungen ab.
Eine gespenstige Nacht über die man nicht nachdenken konnte, denn vor Erschöpfung schlief man einfach ein.
Der nächste Morgenappell der Russen ließ uns ins Diesseits rücken.
Puhh, wie geht es jetzt weiter?
Einzeln während des Rundgangs der Russen......
Einer hatte genaue Daten aufgezeichnet...und bei "Jetzt,du", dann raus und gleich links um die Scheune rum.
Links um die Scheune rum ? Und wohin dann?
Mutti sagte mir, lauf einfach, ich hole dich ein.
Das Scheunentor öffnete sich einen Spalt, einen Klapps auf den Po und ich startete links um die Scheune rum.
Zu meiner Überraschung waren dort Strohballen gestapelt und Hände griffen nach mir und schwupps war ich verschwunden und Mutti kam auch gleich nach mir an.
Wir hatten die Russen ausgetrickst. Ein herrliches Gefühl!
Noch einen Tag zum Ausruhen, etwas zu essen und zu trinken und Ruhepause.
Die Erwachsenen besprachen die weiteren Routen und ich saß an den Sehschlitzen und berichtete über die russischen Kontrollgänge.
Aber immer mit "PSST" in der Stimme.
Doch aufeinmal fing ich mit den Armen an zu rudern...der Oberfluchtkandidat kam sofort an und ich flüsterte ihm ins Ohr, daß zwei Posten gleichzeitig nach rechts und links gegangen sind.
Er schaute auf seine Uhr...das müssen wir morgen nochmal beobachten...heute bleiben wir hier noch ganz still.
"Hermann", wie ich ihn nannte, hielt Wort und am nächsten Tag bestätigte sich, daß dieses Ritual zur gleichen Zeit wieder ablief.
Inzwischen hatte man Landkarten aufgezeichnet und die nächsten Ortschaften gedächtnismäßig erstellt. Ein zischender Streit entstand.
Bis Hermann sagte...lauft einfach weg und dahin, wo ihr keinen Russen seht, einfach geradeaus......
Mit einem Fuß war ich fast zum Tor schon raus, doch Mutter erwischte mich noch am Ärmel und schrie mich an: bist du verrückt, du kannst doch nicht alleine....
und die geballte Kraft in mir, ließ mich sagen: doch!
Natürlich zogen wir gemeinsam weiter und sie war stolz auf mich.
Ein echtes Kind der...ja, was weiß und was sich daraus entwickelte.
Kind sei still, was zu Hause gesprochen wird, das bleibt im Haus!
Daran habe ich mich immer gehalten - bis auf den Tag, als man mir zu meinem 10-ten Geburtstag ein Pioniertuch schenkte. Diesen blauen Scheuerlappen, den hänge ich mir nicht um den Hals!- waren meine Worte.
Der Klassenkampf war voll eröffnet....ich mußte in der Aula vor versammelter Mannschaft mein Vergehen gestehen!!!!!!! und Abbitte leisten und an einer Kartoffelkäfer-Sammelaktion den größten Einsatz zeigen. Hat man Freunde, finden sich auch Kartoffelkäfer.
Das Thema war erledigt, ich war wieder rehabilitiert.Eins habe ich daraus gelernt: biste Kind = biste dumm
biste Erwachsen = mußte aufpassen.....oder so.
Trotzdem, ich habe viel erlebt und viel gelernt...
ja, ein echtes Kind der ehemaligen DDR.
Freunde, ich grüße Euch
Euer Moni-Finchen
Kommentare (4)
Bruno32
sind deine kleine Geschichten aus dem Leben sehr interessant
zu lesen. So viele sind es schon, jetzt von deiner Kindheit.
Viele Grüße Tilli
zu lesen. So viele sind es schon, jetzt von deiner Kindheit.
Viele Grüße Tilli
omasigi
moin moin finchen.
endlich,schreibt mal jemand aus seiner "DDR" vergangenheit.
habe nach der wende, viele "ST"ler aus ostdeutschland angeschrieben,um zu erfahren wie so ihr alltag war.
kaum antworten.
danke fuer deinen blog.
weiter so.
lieben gruss helmut
endlich,schreibt mal jemand aus seiner "DDR" vergangenheit.
habe nach der wende, viele "ST"ler aus ostdeutschland angeschrieben,um zu erfahren wie so ihr alltag war.
kaum antworten.
danke fuer deinen blog.
weiter so.
lieben gruss helmut
omasigi
schon jung an Jahren hast Du viel erlebt ... abenteuerlich.
Du müsstes einfach ein Buch schreiben.
Spannend hast Du diesen Alltag beschrieben.
Bin sicher, Du mit Deinem Temperament hast noch einiges auf Lager.
sei lieb gegrüsst
Sigrid
Du müsstes einfach ein Buch schreiben.
Spannend hast Du diesen Alltag beschrieben.
Bin sicher, Du mit Deinem Temperament hast noch einiges auf Lager.
sei lieb gegrüsst
Sigrid
Man muß nur ein Gespür dafür haben - egal in welcher "Lage" man sich befindet.
Ich nenne sowas "Seelenpfürze", die lange in einem lagern.
Doch auch die müssen doch mal raus, oder?
Danke für Eure Kommentare und ich, ich bin auf mein Gedächtnis stolz, denn es sind alles wahre Geschichten , nur in Worte gefaßt.
Seid lieb gegrüßt, hmm. hmmm.....meinem Fuß und Bein geht es wieder ein bißchen besser.
Bin auch ganz leise, psst, nur nicht schreien....der Schongang ist noch eingelegt.
Liebe Grüße an Euch
Euer Moni-Finchen