Fernweh

So manches Mal denk ich zurück
in stiller Stunde an die Zeit
der Kindertage, voller Glück;
sie liegt nun schon unendlich weit.

Es war doch eine schöne Zeit!
Zwar hatten wir oft große Sorgen,
doch macht ich mir, trotz manchem Leid,
keine Gedanken um das Morgen.

Es gab ja Bücher voller Abenteuer,
die ich verschlang wie gutes Essen;
das Fernweh brannte heiß wie Feuer
und alles andere schien vergessen.

Da wollte ich in meinen jungen Jahren
- ich war noch lange keine Zehn -
allein zum Amazonas fahren,
und viele fremde Länder sehn.

Ich wollte den Gran Chaco dort erkunden,
auf Humboldts Spuren durch den Urwald gehn
und wenn ich alles dann herausgefunden,
würde auch meine Mutter mich verstehn!

Als meine Lieben noch im Schlafe lagen,
da packt ich meine Siebensachen.
(- Ich konnte es doch keinem sagen,
wollt nicht, dass sie sich Sorgen machen -)

und zog dann in die weite Ferne,
mit den Klamotten auf dem Rücken
Über mir da blinzelten die Sterne -
(der Rucksack fing schon an zu drücken).

Beim letzten Haus in unsrer Strasse
machte ich mit dem Rucksack Inventur:
Zwei Hemden von der Leine, ziemlich nasse,
von meinem Vater eine alte Taschenuhr.

Ein Buch: »Im Urwald lebt ich lange Jahre«.
Drei Strümpfe und ein Kanten Brot,
ein Kamm mit siebzehn Zinken - für die Haare,
ein Maikäfer, leider war er schon tot.

Hier noch ein Buch: »Ich überlebe!”
von Ferdinand von Emmerich,
wenn in den Urwald ich mich dann begebe,
da brauche ich es, sicherlich!

Jetzt aus der Wundertüte einen Kompass,
den hatte ich noch irgendwo entdeckt,
und zu diesem wunderbaren Anlass
in den Rucksack noch gesteckt.

Nachdem ich alles reiflich inspizierte,
kam ich am Ende doch zu dem Entschluss:
Bevor mein Leben ich beim Abenteuer so riskierte,
ich noch ein paar Jährchen warten muss!

So schlich ich heim zu Mutters Speisekammer
und allen war es sonnenklar:
Am Ende kam zum Katzenjammer die Erkenntnis,
dass ein großer Forscher für die Welt verloren war.

So kam dann oft nach manchem Wagnis
am Ende die Vernunft zum Tragen!
Und manches spätere Ereignis
würde ich heut wohl nicht mehr wagen!


©by H.C.G.Lux
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Kommentare (4)

henryk

Bevor mein Leben ich beim Abenteuer so riskierte,
ich noch ein paar Jährchen warten muss!

Dein Gedicht hat mir sehr gut gefallen,,,VG Henryk

Manfred36

Du erinnerst mich an meinen Bruder Arno. Er hat die Obhut, die er vor dem Krieg über mich Kleineren hatte, mehrmals vernachlässigt und ist ausgerissen, ins völlig Unbekannte, wobei ich kopflos zu meiner Mutter auf dem Feld laufen musste und weinte: "Er ist weg". Einmal fand die Feuerwehr seine Zwischenstation unter einer tiefen Brücke, deren Bachrand er sich gepolstert hatte, einmal auf einem Baum, wo er sich bereits ein "Haus" zusammengebastelt hatte. Was in Kinderköpfen vor sich geht, bleibt auch für später: Er war der "Reisende" von uns zweien.
Gruß von Manfred

Syrdal


Lieber Pan,
für einen Jungen, der wie ich einige wichtige Jahre seiner Kindheit in ländlicher Umgebung in der Hohen Rhön erlebt hat, ist deine fantasievolle Sehnsuchtsschilderung nur zu gut zu verstehen. Damals hatte ich mir vorgestellt, nach Lambarene zu reisen und dort mit dem verehrten und bewunderten Urwaldarzt zusammen Gutes zu tun und den Leprakranken zu helfen… Aber die nächste bis 1989 unüberwindbare Grenze war nur 5 km entfernt und so wurde aus dem hehren Vorhaben schon aus diesem buchstäblich naheliegenden Grunde nichts.

Die Gedanken in deinem Gedicht haben mich nicht nur höchlichst erfreut, sondern auch direkt zurückgeführt in die eigenen Kindheitsbilder und -vorstellungen. – Das Leben hat es dann zwar ganz anderes gewollt, doch wenn ich jetzt im Alter auf all die mühseligen Wege zurückschaue, will ich sehr zufrieden sein…

...mit Dank für das sinnvolle Gedicht und ein wenig Wehmut ob der erzwungenen Aufgabe meines einstigen Lambarene-Traumes grüßt
Syrdal
 

ehemaliges Mitglied

danke Pan,
ich erkenne mich darin wieder - ich habe als Kind und später viele, viele Bücher gelesen, verschlungen eigentlich und habe dabei unzählige Abenteuer erlebt...brauchte dann auch immer eine Weile, daheim auch wieder anzukommen, obwohl ich auf meinem Bett lag. Manches haben wir auch verwirklicht, wie die Wigmas im Wald, um den Marterpfahl sprangen wir mit Brennnesseln und Kletten....
danke, dass du mich mit deinem erfrischenden Gedicht daran erinnert hast
liebe Grüße
WurzelFlügel


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