Es ist so still - - - - - - - (wider das Vergessen)


Es ist so still dort,
wo du - noch immer - sitzt und wartest,
nein, du bist mir nicht fremd,
sanfte, zarte Frau, auf dem Dach deines Hauses.
Ich sehe dich dort, mit dem Kind auf deinem Arm,
mit dem kleinen, schlafenden Kind.



Es ist so still.
Der Wind hat sich gelegt,
das Wasser um sie her wurde zu einem ruhigen Spiegel,
aus dem die Krone der Kiefer ragt.
Etwas braunes, großes
hat sich in ihren Verästelungen verhakt.
Sie denkt weiter nicht darüber nach,
wartet, dass er wieder auftaucht,
sie hörte ihn, vor einiger Zeit, als er nach Atem rang.
und nun wartet sie, wartet ...

Das Kind ist ruhig geworden, jetzt -
warum denn erst jetzt?
Er konnte das Geschrei nicht mehr ertragen,
wollte aus dem Haus irgendetwas
für das Kind heraufholen -
und jetzt -- ist es still! wie alles um sie her;
auch das Braune im Baum schaukelt nicht mehr herum.
In der Wasserfläche verschwimmt die fahle, kühle Sonne.

Das Kind schläft nicht - schaut sie an, so ernst,
mit allem Wissen der Welt in den dunklen Augen.
Seine Decke wärmt noch ein wenig den kleinen Körper.
Er riss das Kind aus dem Bettchen, als das Wassern kam -
schrie nur :"Schnell - schnell"!
und sie griff nach der Decke. Warum?
Warum nicht nach Milch?
Und jetzt ist er da unten - und das Kind ist so ruhig.
Sie kann nicht fort, nach ihm sehen, ihm helfen,
dann rollt das Kind vom Dach.

Sie wartet - wartet - in der allgegenwärtigen Stille,
sieht den Mond sich im Wasser spiegeln,
hofft auf Hilfe - ein Boot, oder Helikopter.
Noch immer wartet sie -
im Morgenlicht schaut sie in das ruhige Gesicht des Kindes -
und mit den aufsteigenden Wolken des neuen Tages
gehen ihre Träume in die Vergangenheit.

"Für unseren Sohn" - sagte er - "gehen wir weg, aufs Land."
Erinnerungen tauchen, wie Fetzen, vor ihren Augen auf.
Sie friert - ist müde - durchnässt -
Für unseren Sohn, sagte er.
Der Schlaf erreicht sie,
greift nach dieser kleinen Frau,
die mit dem Bündel in ihren Armen verwachsen scheint.
Und - endlich - kommt einer, der sie leise zieht -
vom Dach - ins Wasser -
sie spürt nichts, schon lange nicht mehr -
geht unter - taucht wieder auf -
das Kind fest in den Armen -
bewegt sich auf das Braune zu
und bleibt dort, unter der Kiefer, bis das Wasser sinkt,
auch in diesem kleinen Tal.
Es ist so still - sie schweigen, die einmal waren.



Du bist mir nicht fremd,
kleine, zarte Frau mit deinem Kind.
Du bist mir, wie eine Schwester - Tochter -
meine ferne Freundin.
In meinen Gedanken seh ich Dich - noch immer.

selena


Ein leiser Ausklang

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Kommentare (15)

selena mit wenigen Worten
viel - oder alles - sagen,
ist Dir gelungen, Diro.

Ein Gruß an Dich von mir.
ehemaliges Mitglied gestern ist heute und morgen kann es wie gestern werden....

Herzlichen Gruss

Diro
selena
Was mich im Grunde genommen bewegte,
diesen Blog zu schreiben,
war der Wunsch, nicht zu vergessen -
die Hoffnung, uns selbst, unsere Anspruchshaltung an das Leben,
an dieses : Immer Mehr !
nicht zu überbewerten,
im Angesicht derer, die vor dem vollkommenen Nichts! stehen.
Und, wenn ich die Antworten, wie die Deine, lese,
die Betroffenheit spüre, weiss ich, meine kleine Arbeit war nicht sinnlos -
geschrieben am 100. Tag, nach der Katastrophe von Fukushima.
Ich kämpfe, liebe Ingrid, mit den mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten,
liebe das mich umgebende Leben -
und bin dankbar, hier und jetzt sein zu dürfen,
mit allen Sorgen - und Problemen, die mein kleines Leben in sich birgt -
und die so lächerlich erscheinen, im Angesicht dessen,
was Menschen in anderen Kontinenten ertragen müssen.

selena,
mit einem Dank an Dich.
indeed ich lese deinen Blog und mir läuft es kalt den Rücken runter. Sehe vor meinem inneren Auge Bilder der Flutkatastrophe von Hamburg, die man niemals vergessen kann, wenn man es real miterlebt hat.

Ich denke an die vielen zunehmenden Katastrophen auf unserem Globus und fühle den Schmerz des Verlustes von geliebten Menschen. Diese Verluste sind weitaus schlimmer als alles Hab und Gut zu verlieren.

Du schilderst es sehr prägnant. In einem Zuge hier davon zu sprechen, das Leben Bewegung ist, hört sich schon fast zynisch an - obwohl - so ist es und die Welt dreht sich weiter...

Es ist gut, wenn wir nicht leichtsinnig und oberflächlich werden. Es ist aber auch gut, wenn wir darüber hinaus auch das Schöne und Gute nicht übersehen, was uns das Leben bietet und unsere Mutter Erde uns schenkt.
Es ist gut, wenn wir helfen können, Katastrophen zu vermeiden - es wird uns nicht immer möglich sein.
Wir sollten uns aber im Meer des Leidens nicht verlieren, sondern kämpfen um Lebensqualität zu erhalten für uns und unsere Nachfahren.
Ingrid
selena Danke, für Deine Zeilen -
denen ich eigentlich nichts entgegnen, oder hinzufügen kann - ausser:
Liebe entsteht - diesem Leiden gegenüber,
die mit dem Bewusstsein wächst,
in keinster Weise helfen zu können.

Doch noch eines :
Dein Zitat : Tand - Tand -
verführt mich zu dem Gedankengang :
Wie gerne hätte ich die Verfügungsgewalt
über sämtliches, brachliegende Kapital der Welt -
(weitere Erläuterungen erübrigen sich)

Deine selena
brixana alles sah ich, ergriffen durch Deine Schilderung, bildlich vor mir mit Achtung vor dem ganzen Geschehen, der Tragik dieses Einzelschicksals.

Nur global und nüchtern wird über Katastrophen berichtet und zu wenig ein Einzelschicksal beleuchtet.

Wie klein und hilflos ist doch der Mensch, der Homo sapiens, der sich immer so großartig und erhaben fühlt, gegen die Naturgewalten.
"Tand, Tand
ist das Gebild von Menschenhand."

Demut kehrt ein und Bewunderung für diese Wesen, die bis zur Erschöpfung kämpfen, um zu überleben. Auch entsteht die Trauer um die vielen Toten. Mögen sie ruhen in Frieden

Ein stiller Gruß von
Deinem Biggele
selena Es tut mir leid -
das war nicht meine Absicht, Dich zu erschrecken.
Wichtig war mir eigentlich nur, zu verdeutlichen,
dass hinter all diesen Zahlen Menschen stehen,
kleine - unbedeutende - von niemandem vermisste und betrauerte Menschen.
Alle Achtung, Finchen,
Du wirst in Dessau auch viel Verzweiflung
unter Deinen Mitmenschen erlebt haben.
Ich bewundere Deine Tatkraft.
Und - bitte - verzeih -
eine andere Darstellungsweise war mir nicht möglich.
Selena
finchen so stark und emotional ausgedrückt, habe ich es noch nie gelesen.
Das war eine Meisterleistung, auch wenn der Anlaß furchtbar war.
Ich war in Dessau bei den Dammschauflern dabei, pff, was war das für eine Gagatelle gegen dem, was Du geschildert hast. Mir läuft es eiskalt über den Rücken.
Ein Danke und einen lieben Gruß
das Finchen

selena Aus Deinen Zeilen
lese ich heraus, dass Du es auch kennst, Traute,
diese verständnislosen Blicke der Anderen,
wenn Du Dich über soziale Ungerechtigkeiten ereiferst.
Du siehst ihre Gedanken : Sei schon ruhig, hast ja keine Ahnung,
überlass das den Experten, die könnens allemal besser!!!
Sinnvoll wäre ein Umdenken derer, die (weltweit) die Staatsmacht haben,
aber, oft denk ich an den Ausspruch, den einer von ihnen von sich gab :
"Was stört mich mein Geschwätz von gestern"! wenn nach der Wahl alles anders verläuft,
als vor der Wahl zugesagt wurde - nicht nur in unserem Lande.
Wir stehen - noch nicht so ganz - ausserhalb des Weltgeschehens,
dürfen unseren Verstand noch einsetzen - und - vielleicht -
bewegen wir das Wasser der Gleichgültigkeit, wie mit einem hineingeworfenen Stein,
der erst nur sehr kleine, dann aber immer weitere Kreise zieht.
Sammeln wir Steine, Traute.
Hab einen guten Abend.
Das wünscht Dir
selena
selena Es ist so,
ja, leider ist es so : greift man aus der Masse der Opfer
einen einzelnen, kleinen, unbedeutenden Menschen heraus,
wird die ganze Tragik des Geschehens ?jedem? offenbar.

Du, liebe Flo,
gehörst sicher nicht zu denen, die : vergessen !

Ein Abendgruß für Dich.
selena
floravonbistram nicht die Tränen in die Augen steigen...
Welche Hilflosigkeit, welcher Jammer.

Danke für die Worte des Fühlens, des Dabeiseins

Tiefnachdenklicher Gruß Flo
Traute weist Du was ich denke. An solchen Tagen kann man den Menschen
ins Herz sehen!
Da ist die Fassade weg und der Lack ist ab und die eingespielten
Rituale laufen ins Leere und die Menschen erkennen Freund und Feind
und können heiß von kalt trennen.
Die einen leben in den Tag hinein und wenn die Welt auch unter geht,
was ist denn schon dabei, meine Ruhe will ich haben...
Was geht mich fremdes Elend an.
Wenn jeder an sich denkt, wird auch an alle gedacht.
Da lacht man auch noch drüber, bis es einem graust.
Was tun?
Wer weiß?
40 Millionen Menschen haben nicht genug zu Essen. Die Zocker zocken
an den Investmentbanken die Lebensmittel hoch. Bei uns 30 % bei den
Armen der Hungertod.
Ja was kann man denn als alter Mensch tun als mahnen und mit dem
Finger drauf zeigen, damit sie merken, wir merken es und die
Zeit wird knapp, bis jemand auf die Zockerfinger klopft, ganz
erträglich erst und als Mahnung?
Wir werden sehn, oder erleben?
Mit nachdeklichen Sonntagsgrüßen,
Traute

selena Eigentlich habe ich nicht damit gerechnet,
eine schriftliche Resonanz zu dieser Schilderung zu erhalten,
umsomehr freu ich mich, liebe Traute, von Dir zu lesen.
Manchmal frage ich mich : Wann ! beginnt denn unsere Betroffenheit?
Wir wissen, jeden Tag verhungern tausende Kinder - seit Jahren - berührt es uns?
Wir lesen es - hören es - und vergessen, sie sind ja so weit weg, diese Kleinen.
Ich erinnere mich, an die Berichte über das Hochwasser in Sachsen und Thüringen,
an die Gaffer - an die Behördenwillkür - an die vollkommene Hilflosigkeit der Opfer.
Und - mit Opfer meine ich nicht nur die Menschen, Opfer sind alle lebenden Wesen.
Da war es auch wieder ein Einzelschicksal, eigentlich eine Bagatelle,
wenn man vergleichen sollte, welches Leid anderen dort geschah.
Eine Frau wollte durch die Absperrung zu ihrem Haus,
(es stand noch im Trockenen)um ihre alte Katze zu holen,
es wurde ihr nicht erlaubt - "abgesperrt"!!! -
nur einige Schritte waren es für sie.
Ob sie gedurft hätte, um einen "Renoir" zu retten?
Einige Tage später wurde auch dieses Haus überflutet,
sie verlor ihren ganzen Besitz,
aber, um die Katze, die sie am Fuße der Treppe fand,
weinte sie - und ich mit ihr.
Behördenwillkür - hier wie dort,
auch in Fukushima durften die Menschen nicht ihre Haustiere holen,
die Bauern nicht ihr Vieh versorgen, nach der Evakuierung.
Was empfanden sie, als sie zurück-kehrten und alles war ver...?
Traute, solch ein Thema kann sich zu einem Fass ohne Boden auswachsen.
Ich bewundere diese leidgeprüften Menschen,
um ihre Stärke - wo auch immer sie wurzeln mag,
neu zu beginnen, dem Chaos wieder eine Ordnung zu geben,
Halt zu finden, im Leben, in einer Gesellschaft, welche so schnell vergisst ...

selena
mit einem Gruß an Dich

Traute es ist so tief traurig, wie Du es geschildert hast.Ich glaube, wenn man ein Einzelschicksal in so einer Notsituation schildert, dann wird das tiefer
empfunden, als wenn man die Meldung bring:Bei dem Hochwasser in Sachsen und Thüringen 2002
Menschen ums Leben gekommen.
Ich wollte damals im August nach Ostpreußen fahren. Rief einen Tag vorher bei der Bahn
an. Die Auskunft sagte wenn sie nicht in 20 Minuten, auf dem Bahnhof sein können, müssen sie von Chemnitz nach Nürnberg, von da nach Hamburg um nach Schönefeld zu kommen.
Ich habe es geschafft.
Alles drehte sich um mein Problem. Ich rief vom Zug noch ein paar Mitfahrer an,
sie kamen auf unterschiedlichen Wegen nach Schönefeld.
Dann rief ich am nächsten Tag früh die Reiseleiterin an.Ich dachte, das sie sich Sorgen machte um die Sachsen und Thüringer und ihr durchkommen. Aber sie war generft,
warum ich sie mit Handy während der Fahrt anrufe.
Sie ist in Hamburg zugestiegen.
Mit dieser Schilderung wollte ich zeigen, wie verschieden die Nachrichten über ein solches Ereignis aufgenommen werden.
Ich hatte in erster Linie meine Reise in die Heimat im Kopf und das Wiedersehen mit den anderen Waisenkindern und andere haben in der Zeit anders als Wichtig angesehen.
Die Bilder vom Dresdner Hauptbahnhof durch den das Wasser bis zu der hohen Decke ging, die Gemäldegalerie in Not. Das alles nahmen viele Menschen nicht mal zur Kenntnis.
Selbst unsere Reiseleiterin, die so erstaunt war als ich meldete, die Sachsen und Thüringer stehen in Schönefeld pünktlich bereit.
Bei uns werden als Lehre aus dem Ereignis Auffangbecken gebaut Talsperren vor her abgelassen. Kanalisation aufnahmefähiger gemacht und die Deiche an der Elbe und den anderen Flüssen erhöht.
Mit nachdenklichen Grüßen und der Hoffnung, dass die Menschen sich besser wappnen gegen die Klimaänderungen,

Traute
selena Vielleicht wandelt sich diese, Deine Traurigkeit
auch in "Nachdenklichkeit"?
Denn, wir drehen uns, wie mir scheint,
mit und auf unserer Erde von einer Katastrophe zur Anderen -
und vergessen so schnell,
was sind schon hundert Tage - für uns,
die wir uns auf der Sonnenseite des Lebens befinden?

selena
mit einem Gruß an Dich
und der Bitte, um eine kleine Weile des Nachdenkens.

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