Wir lernten Pietro kennen als wir unseren ersten Urlaub in Dubrovnik verbrachten.
Er war Ober in dem Hotel, in welchem wir mit unseren Mädchen drei Wochen waren. Er verwöhnte unsere Kinder mit verschiedenem Nachtisch, Eis und Pudding, Obstsalat usw. Obwohl damals alles nur abgezählt zur Verfügung stand.

Es war die kommunistische Zeit und nicht einfach, Kontakte zu knüpfen. Ich fragte ihn Löcher in den Bauch über Ausbildung, Schulsysteme, Krankenkassen. Wo man die besten Badeplätze findet und der gleichen mehr.
Er war sehr freundlich und ich wollte seine Frau oder Familie kennen lernen. Gesagt getan, wir luden ihn und seine Frau auf eine Flasche Wein in ein Restaurant ein. Aus einer Flasche wurden mehrere, er brachte seine beiden Mädchen mit und unsere Kinder verstanden sich auf Anhieb bestens. Sie waren etwas jünger wie unsere beiden, aber das machte nichts.

Wir wurden auf ein Barbecue eingeladen, kamen zu ihm nach Hause und auch wenn seine Kinder Freunde mitbrachten fiel eine Pizza für diese mit ab, wenn wir zusammen unterwegs waren.

Ich lernte auch Karmelas Eltern kennen und weil ihre Mutter gerne Bohnenkaffee trank, kaufte ich welchen für sie.  Ihr Vater sprach Esperanto, wir haben manche Stunde zusammen gesessen. Diese Bekanntschaft entwickelte sich mit jedem Urlaub weiter und vertiefte sich.
Pietro nahm uns mit in sein Elternhaus nach Konavle, wir fuhren viel mit ihm herum. Wir hatten schöne gemeinsame Stunden und wenn wir einmal grillen wollten dann gingen Pietro und ich einkaufen - er wählte aus ich zahlte. Das war normal!

Dann kam der Krieg. Pietro wurde Soldat. Über Feldtelefon erfuhren wir, dass Karmela, Katharina und Jelena von Dubrovnik nach Rijeka flüchten mussten, denn Dubrovnik wurde bombardiert. Die Kämpfe waren nicht weit von seinem Haus. Es gab kein Wasser und keine Elektrizität, nichts mehr.

Wir telefonierten mit Karmela in Rijeka und baten sie dringend mit den Kindern zu uns nach Deutschland zu kommen. Wir würden die Reise bezahlen. Aber sie wollte in Kroatien in der Nähe ihres Mannes bleiben. Wir baten, bestätigten auch bei den deutschen Behörden, dass wir für alle Kosten aufkommen werden. Karmela sagte nein! Also sandten wir Geld. Sie wollte nur 50.- DM haben, wir sandten mehr, denn was kann man schon mit so wenig anfangen. Wir fragten was sie braucht, kauften Lebensmittel, Kerzen, das nötigste was gebraucht wurde und schickten Pakete. Das setzten wir auch fort als sie wieder in Dubrovnik zurück waren. Ich glaube dass das Geld das wichtigste neben den Kerzen war.

Kroatien hatte sich erfolgreich gegen die Bosnier, Serben und Montenegriner gewehrt, Pietro wurde als Soldat entlassen und dann bat ich darum mir die Mädchen wenigstens für einen Urlaub zu schicken, damit sie ein wenig Abstand vom Krieg bekommen.

Ich sandte 400,-- DM für Reisekosten per Post, aber ich bekam das Geld zurückgeschickt, weil es in ganz Dubrovnik nicht so viel Landeswährung gab diese Summe einzutauschen. Pietro lieh sich das Geld von ehemaligen Kameraden  und die Mädchen kamen zu uns nach Köln.

Wir versuchten ihnen ein schönes, normales Leben zu bieten. Die Mädchen gingen in die Disco, wir gingen shoppen und dergleichen mehr. Den Mädchen gab ich in dieser Zeit Taschengeld, damit sie sich selbst etwas kaufen können, obwohl sie das gar nicht wollten. Aber das gehört schliesslich dazu.

Als sie nach Hause fuhren gab ich ihnen das von ihrem Vater ausgelegte Reisegeld mit und sorgte dafür, dass sie von Köln mit dem Bus direkt bis Dubrovnik durchfahren konnten. Wir blieben in Verbindung.

Katharina heiratete, bekam ein Mädchen und Pietro sandte uns Bilder. Dann wurde Pietro noch einmal nach so langer Zeit Vater eines Sohnes.

Mein Mann wurde todkrank und es war kein Gedanke mehr an einen Urlaub in Dubrovnik - er wollte lieber noch einmal nach Sri Lanka fliegen und ich habe ihm diesen Wunsch ein paar Monate vor seinem Tod voll erfüllt. Ein halbes Jahr nach seinem Tod flog ich nach Dubrovnik und besuchte die Familie. Es ging ihnen wieder einigermaßen gut, jeder hatte Arbeit und ein normales Leben.

Ein paar Jahre hatten wir dann keinen Kontakt mehr, weil ich meinen Wohnort wechselte, zu meinem Partner nach Eschwege zog und auch Pietro eine andere Adresse hatte.

Über Facebook fand ich nach dem Tod meines Partners Jelena wieder und seitdem haben wir herzlichen Kontakt.
Es gibt einen Spruch: Freunde in der Not gehen tausend auf ein Lot.

Ich stehe auch auf dem Standpunkt dass man Freunde nicht nur in den guten Tagen hat, sondern dass sich gute Freunde erst in der Not zeigen. Ich hoffe dass ich ein guter Freund war und ich glaube dass so eine Freundschaft Bestand hat, auch wenn man sich nicht jeden Tag sieht.
 


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