Englisch lernen ...
Mein legasthener Sohn war ins fünfte Schuljahr versetzt worden. Das war 1977. Ich wusste, jetzt kam im Unterricht auch die englische Sprache hinzu. Die Legasthenie hatte es ihm schon im Deutschunterricht schwer gemacht und ich fühlte mich als Mutter gefordert, ihn da zu unterstützen, wo ihm seine legasthene Begabung ein Verstehen eventuell schwer machen würde.
Also sah ich in den Angeboten der VHS nach, ob ein Kurs angeboten würde, in dem ich meine Englischkenntnisse aus meiner Schulzeit auffrischen könnte. Bei der Anmeldung gab es schon ein erstes Unverständnis. „Sie haben doch die Mittlere Reife, da brauchen sie doch keinen Anfängerkursus!“ Also dirigierte man mich in einen Kursus, in dem die mündliche Unterhaltung verfestigt werden sollte.
Eigentlich war es ein Witz: Ich hatte als 12-Jährige im Österreich-Urlaub ein Londoner Ehepaar kennengelernt, wir tauschten unsere Adressen aus und ab der Zeit schrieben wir uns regelmäßig Briefe, er schrieb mir in Deutsch, was er noch verfestigen wollte, und ich beantwortete seine Briefe in Englisch, schrieb von unserem Schulunterricht, beschrieb meine Heimatstadt und vom nahen Teutoburger Wald. Das lief ein paar Jahre so.
Etwa gleichzeitig erfuhr ich die Adresse eines Cousins in Sheffield. Die älteste Tochter einer Schwester meines Vaters hatte nach dem Krieg einen Engländer geheiratet und ihr Sohn war etwa mit mir gleichaltrig. Auch mit ihm korrespondierte ich regelmäßig in gleicher Art, wie ich es mit dem Londoner Urlaubsbekannten tat.
Schnell stellte ich dann in dem Englischkursus fest, dass die Einschätzung meiner Englischkenntnisse doch richtig gesehen worden waren. Obendrein war der Kursleiter ein Italiener, der 10 Jahre im englischsprachigen Teil Kanadas gelebt, zwischendurch auch die USA bereist hatte und nun bei uns Englischkurse gab, mit einem seltsamen italienischen Namen: Lavamicocca. Ich rätsele heute noch, ob dieser Mann wirklich so hieß oder er diesen Namen nur als Pseudonym benutzte …
Langer Rede – kurzer Sinn: mein Sohn schwappte aufgrund seiner legasthenen Begabung natürlich stets um eine Vier herum, aber englische Unterhaltung war ihm später eine geliebte nebenberufliche Freude!
Als meine Schwägerin zur etwa gleichen Zeit einen texanischen Armee-Koch heiraten wollte, war ihr Englisch noch keineswegs unterhaltungsfähig. Das lernte sie erst, als sie geheiratet hatte und mit ihm für ein Jahr nach Texas ging. Da musste sie noch in New York Kurse belegen, die nicht nur die korrekte Schreibweise im Schnellverfahren beinhaltete, sondern es gab auch Prüfungen, ob sie Radiosendungen sprachlich verfolgen und sinngemäß verstehen oder eben Gespräche führen konnte. Schließlich war sie nun ja durch die Heirat fast eine Amerikanerin geworden, wollte die amerikanische Staatsbürgerschaft annehmen ...
Mein Mann konnte auch kein Englisch und es blieb daher nicht aus, dass der zukünftige Schwager wenigstens gelegentlich mit mir in seiner Muttersprache über manche Dinge reden konnte, zumal ich im VHS-Kursus auch erfuhr, dass die Amerikaner doch einige Worte anders aussprechen, als wir in der Schule im London-Englisch erlernt hatten.
Und dann heißt es immer: Deutsche Sprache – schwere Sprache!
Kommentare (2)
@Juttchen
Ach Jutta! Mir ging es damals schon so, dabei war ich mit 22 Jahren "eine junge Mutter" geworden. Als mein Sohn die 5. Klasse besuchte, war ich erst 15 Jahre aus der Schule raus. Wenn heute mein neunjähriger Enkel in der Schule schon ersten Englischunterricht im dritten Schuljahr hatte, da konnte ich nur noch so dies oder das gelegentlich "einwerfen".
Würde ich meinem Ex-Schwager heute begegnen, ich könnte mich wohl auch nur noch sehr schwer mit ihm unterhalten. Aber durch ein außerehelich gezeugtes Kind hielt es ihn dann doch in Old Germany, er wollte seinen Sohn unbedingt aufwachsen sehen. Irgendwann erzählte er, dass das erste Wort des Kleinen "Sseisse" war - und er lachte sich kaputt!
Ich glaube, ohne ein Ponds-Lexikon Englisch - Deutsch brauchte ich heutzutage kein englisches Buch mehr zu lesen ...
Vielleicht versuche ich es ja noch einmal, wenn ich aus der Legasthenie-Nummer heraus bin. Kommenden Montag begleitet ein SAT1-Regional-TV-Programm einen Vormittag mit einem Workshop für Eltern, Lehrer und betroffene Kids meiner Tochter, der über die Ev. Kirche hier momentan den Kindern angeboten und über 2 Wochen durchgezogen wird. Teilnehmende Lehrer haben so gelegentlich bereits schon mal "Maulsperre" bekommen, wie es meinen Leuten so schnell gelingt, das Vertrauen der legasthenen Kinder zu erlangen und wie eifrig die mitmachen (alles GS-Kinder), beim Abschied fragen, kommst Du morgen auch wieder?? Wann das gesendet wird, ist noch nicht heraus.
Und was das dann im neuen Schuljahr evtl in den Klassen der Kinder möglicherweise auslöst??
Herzlichen Dank für Deinen Kommentar, liebe Jutta bedankt sich
Uschi
Liebe Uschi,
ich habe mir erst vor ein paar Tagen ein Englischbuch für die 9. Klasse Hauptschule aus der Bücherei ausgeliehen. Ich war in dem Glauben, dass ich das Niveau noch können müßte. Aber Pustekuchen, ich kann gar nichts mehr.😆😆🙈 Mein Englisch war ziemlich gut, ist aber schon länger her, jetzt 45 Jahre. Und wenn man in der Zwischenzeit keine Möglichkeit mehr hat, es anzuwenden, geht alles verloren. Ich werde also doch einen Anfängerkurs besuchen müssen, falls so etwas noch angeboten wird.😉
Ich danke für Deine schöne Geschichte und schicke liebe Grüße
Jutta