Drei Töchter und die Wunschkinder ...
Ich finde es grausam, wenn eine Frau eine Schwangerschaft durchmacht und dann das Kind gleich wieder verliert. So erging es auch meiner Tochter, nachdem man ihr 20 Jahre lang aufgrund gesundheitlicher Störungen davon abriet, einem Kind das Leben zu schenken. Sie litt sehr darunter, aber bereits ein halbes Jahr später meldete sich dann mein Enkel an, der gesund diese Welt begrüßte.
Meine Schwestern und ich waren Kriegs- bzw. Nachkriegskinder. Zwei von uns kamen im Krieg zur Welt, die Älteste 1940, ich 1944 und die Jüngste 1947. Unsere Elten wünschten sich so sehr einen Sohn, doch den gab es nicht, denn unsere Mutter verstarb 1951.
1956 heiratete unser Vater ein zweites Mal, doch diese Frau konnte nur ihren Erstgeborenen mit in die Ehe bringen, einem weiteren Kind das Leben zu schenken, war ihr nicht mehr möglich, da man ihr die Fehldiagnose Krebs gab und durch die Operation keine weitere Schwangerschaft mehr möglich war.
Wir wuchsen heran, der Stiefbruder wurde adoptiert und so gab es dann auch einen Sohn für unseren Vater. Aber – Ironie der Geschichte – der Adoptivsohn zeugte „nur“ zwei Mädchen.
Meine ältere Schwester vergötterte ihren Vater ihr Leben lang. Als sie mit 20 Jahren heiratete, war ihr größter Wunsch ein Sohn, als Enkel-Geschenk für ihren Vater! Sie wurde schwanger, stand die lange Zeit der ersten Schwangerschaft auch durch. Doch dann kam ihr Sohn zur Welt – tot – unter der Geburt erdrosselt von seiner Nabelschnur. Ihr Schmerz war riesengroß, nur ein Sternenkind zur Welt gebracht zu haben.
Wir Geschwister erfuhren davon nichts, denn Anfang der 1960er Jahre hielten die Erwachsenen nichts davon, den Geschwistern von dieser tragischen Geschichte zu berichten, obwohl wir ja auch schon fast erwachsen waren. Meine große Schwester versuchte noch weitere drei Mal, einem Kind – möglichst einem Sohn – das Leben zu schenken, doch jedes Mal erlitt sie eine Fehlgeburt.
Dann hatte auch ich geheiratet und nach 18 Monaten kam mein Sohn zur Welt. Meine Schwester reagierte sehr hysterisch. Sie besuchte uns nur ein einziges Mal in den ersten Monaten, benahm sich recht rücksichtslos dem Neugeborenen gegenüber, so dass ich froh war, sie nicht öfter bei mir zuhause zu sehen. Ich verstehe ja, dass meine Muttersituation sie frustrieren musste, ihr ihre eigene Geschichte sie wohl heftig schmerzte, aber weder mein Sohn noch ich konnten etwas dafür, dass er nun der erste Enkelsohn unseres Vaters war.
Ich selbst war nur froh, doch einem Kind das Leben geschenkt zu haben, denn mir wurde mit 17 Jahren von Facharztseite erklärt, ich könne keine Kinder bekommen!
Nur wenige Monate nach der Geburt meines Sohnes war auch meine Schwester wieder schwanger. Vorsichtshalber wurden Maßnahmen getroffen, dass sie ihr Kind nicht wieder vorzeitig verlieren sollte. Eine Maßnahme war, dass sie ab dem dritten Schwangerschaftsmonat liegen musste.
Täglich packte ich auf ihren Wunsch hin meinen Sohn in den Kinderwagen und spazierte zwei Stunden durch die Stadt den Weg zu meiner schwangeren Schwester, machte ihr dort den Haushalt, damit sie liegen blieb und so ihr wachsendes Kind schützte. Abends brachte mein Schwager mich und meinen Sohn wieder nach Hause.
Meine Schwester konnte ihre erste Tochter austragen, die Kleine kam gesund zur Welt, aber – es war kein Sohn! Bekam ich während meiner Hilfezeit bei ihr zu hören, ich sei doch für ihr Kind wie eine zweite Mutter, sie schmeichelte mir, ihr Kind würde mein Patenkind, doch als sie ihre Tochter in den Armen hielt, durfte ich keine Patin werden. Vier Jahre später bekamen wir beide jede noch eine Tochter, die sie ohne meine Hilfe austrug. Bei ihr durfte ich dann doch die Patenschaft übernehmen, denn inzwischen hatte auch unsere jüngste Schwester geheiratet und als Ältesten einen Sohn bekommen. Und Jahre später hatte er zu einer Schwester noch zwei weitere Brüder bekommen.
Akzeptiert hat die Älteste nie, selbst keinen Sohn zu haben, meinen Sohn als erstes männliches Enkelkind unseres Vaters zu sehen. Dabei ist das doch so nebensächlich! Sie hat ihn auch als Erwachsenen noch bekämpft ...
Kommentare (2)
@Manfred36
Mir ist es zum Glück erspart geblieben, ein Sternenkind zu betrauern. Stattdessen freute ich mich irrsinnig, mein erstes Kind - kein Mädchen, sondern einen Sohn in den Armen halten zu dürfen.
Dass mir dann fast fünf Jahre später noch ein Mädchen geschenkt wurde - damit hätte ich nie rechnen können und doch geschah es.
Heute ist mir ausgerechnet diese Tochter mit ihrem achtjährigen Sohn das Liebste auf der Welt (was aber nicht heißt, dass ich mich mit meinen Sohn nicht verstünde)!!
Wir hatten auch ein "Wunschkind", das das Licht der Welt leider nicht erblickte und nach dem nichts mehr lief: Ein Mädchen, das sich von seinen drei Brüdern hätte verwöhnen lassen können. Einer meiner Söhne hat ein "Wunschkind", ein Retortenkind nach vielen Versuchen,
ein Mädchen. Es ist mir noch heute eine Wonne, wenn ich an unser Beisammensein denke.