Der erfolglose Schriftsteller


Schon mit seinem ersten belletristischen Werk hatte er einen ausgesprochenen Schicksalsroman geschaffen, da war er sich sicher. In diesem geht es um die Liebe einer schönen Millionärstochter zu einem gut aussehenden Müllmann, der aber nach vielen Irrungen und Wirrungen am Ende lieber einen Rummelboxer heiratet. Die Millionärstochter geht daraufhin vor Gram ins Kloster, wo sie sich in den Abt verliebt, der ihretwegen aus dem Kloster austritt und mangels einer brauchbaren Berufsausbildung ein erfolgreicher Auftragsmörder wird.
Das war doch ein Stoff, der des Literaturnobelpreises würdig war, mindestens jedoch des nationalen Buchpreises, wie Reinhardt fand. Trotzdem lehnten diese unfähigen Entscheider der Verlage solch einen Jahrhundertroman ab.
Ebenso schlecht erging es seinem zweiten literarischen Werk, einem Thriller, der im Rotlichtmilieu spielt.
Eine Prostituierte liebt darin den einarmigen Türsteher des Etablissements, der vorgibt, ein ehemaliger Stehgeiger zu sein. Seinen linken Arm habe er verloren, als er sich einmal dermaßen vergeigt hätte, dass es zu einem Tumult unter den beteiligten Musikern gekommen sei. Bei den folgenden Handgreiflichkeiten sei er zu Boden gegangen und dann wäre die Harfe umgefallen und hätte ihm den Arm zerschmettert.
Am Busen seiner Geliebten legte der Türsteher jedoch nicht nur seine Armprothese, sondern auch sein inkognito ab, indem er sich als undercover arbeitender Ermittler outete, der seinen Arm bei seinem gefährlichen Polizeidienst verloren hätte, indem er im Archiv zwischen zwei Aktenschränke eingeklemmt worden sei.
Das Ende des Thrillers ist absolut herzzerreißend, denn der verdeckte Ermittler wird vor den Augen seiner Freundin von einem Polizisten erschossen, weil er den Befehl Hände hoch! aus durchaus nachvollziehbaren Gründen nur zur Hälfte befolgen kann.
Ein Werk also voller knisternder Spannung, gepaart mit prickelnder Erotik, das jeden bisherigen Thriller zu einem Kinderbuch machte, war Reinhardt überzeugt. Trotzdem eine Absage!
Wenn die Verlage in ihrer Arroganz nichts lasen, was von unbe­kannten, aber guten jungen Autoren eingereicht wurde, dann stand man als Debütant natürlich auf verlorenem Posten. Er wusste jetzt schon, dass genau diese Herrschaften eines Tages sehr wütend auf sich sein würden, wenn Reinhardt Düstermann ein großer Name in der Literaturwelt wäre und ein anderer Verlag das große Geld mit dessen Bestsellern machen würde. Er würde dann öffentlich machen, wem er seine Manuskripte eingereicht und welche Antworten er bekommen hatte. Bei den fraglichen Verlagen würden Köpfe rollen, das war jetzt schon klar.

Aus dem Buch "Die Besserwisser von Isoland" von Wilfried Hildebrandt.


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Kommentare (1)

Rosi65

😊😃😂
Köstlich!


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