Das Mädchen und seinen eigenen Pass
Was wir noch nicht wissen, dass das Mädchen in einer schweizerischen Grenzstadt zu Deutschland lebte. Seine Mutter und deren Partner spielten jede Woche Lotto in Deutschland. Also mussten die Lottoscheine über die Grenze zur Lottoannahmestelle gebracht werden.
Zu jener Zeit war es eher ein Zufall oder auch Glücksfall, wenn man ohne Kontrolle an der CH/DE Grenze vorbeikam. Damit das Mädchen die Lottoscheine alleine mit dem Velo nach Deutschland bringen konnte, während seine Mutter arbeiten musste, benötigte es einen eigenen Pass.
Eine tolle Sache, einen eigenen Pass zu besitzen. Bevor sich jedoch die Mutter mit dem Mädchen zum Passbüro begab, mussten Passfotos gemacht werden. So führte der nächste Weg zu einem Fotografen. Das war natürlich mit nichts zu übertreffen für das Mädchen, dass es fotografiert werden soll und das von einem Fotografen – wow. Der Fotograf war sehr freundlich und erklärte dem Mädchen sehr genau, wie es sich bewegen, schauen und lächeln musste, um gute Fotos zu bekommen. Es war mit der Situation sehr zufrieden und gab sich alle Mühe, nicht dass noch etwas schieflaufen könnte.
Zu jener Zeit dauerte es ein paar Tage bis die Fotos beim Fotografen abgeholt werden konnten. Aufgeregt und fürchterlich gespannt auf das Resultat, öffnete das Mädchen den Umschlag mit den Fotos und es jubelte im Stillen über diese so sehr gut geratenen Fotos – es war richtig stolz.
Der Tag, an dem es mit seinem eigenen Pass über die Grenze nach Deutschland radelte, war da und es klappte alles sehr gut – es zeigte stolz seinen Pass dem Deutschen Beamten, gab ohne Probleme die Lottoscheine ab und begab sich gleich in den Laden nebenan, wo es 125 gr Butter kaufen musste. Die Butter war in Deutschland viel billiger als in der Schweiz.
So machte sich, mit der Butter in der Satteltasche, wieder auf den Heimweg. Es erinnert sich, wie es radelte und radelte und seinen Gedanken freien Lauf liess und in seiner Welt schwelgte. Plötzlich guckte es um sich und dachte, ach ich bin ja schon wieder in der Schweiz! Aber wo war denn die Grenze?? Wo war der Grenzbeamte?? Noch auf dem Fahrrad sitzend schaute das Mädchen verwundert zurück und stellte mit grossem Staunen fest, dass die Grenze irgendwo dort hinten lag und niemand bemerkte, dass es einfach so über die Grenze fuhr. Vielleicht wollte es niemand bemerken. Es machte sich für kurz ein schlechtes Gewissen, aber nur kurz – es musste dann doch darüber lächeln…- und dafür brauchte es einen eigenen Pass……?
Jutta
PS: Das Foto hätte ich gerne klein gehalten, weiss aber nicht, wie ich vorgehen muss!!??
Kommentare (13)
@Muscari
Liebe Andrea,
Danke für Deine "Grenz-Erinnerung". Wenn man so nahe an einer Landesgrenze wohnt wie Du und ich eben auch, dann gibt es natürlich viele Geschichten, die man erzählen könnte.
Damals als Du mit der ganzen Familie nach Holland einkaufen gingst, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Ihr nicht die Einzigen wart!!
Ich habe hier in Basel ja nicht nur die Grenze zu Deutschland, sondern auch noch die zu Frankreich, wo es auch nette Geschichtchen gab.
Noch einen schönen Sonntag und
liebe Grüsse von
Jutta
Ich muss ein fürchterlicher Angsthase gewesen sein!: mein Vater hatte ein 2. Mal geheiratet, der Sohn der 2. Frau trug noch den Nachnamen seines leiblichen Vaters: Wi....ski. Noch bevor er adoptiert wurde und den gleichen Nachnamen trug wie ich, gab es für mich eine Klassenfahrt nach Berlin, damals noch die geteilte Stadt.
Ein Tagesausflug führte damals auch noch nur über die "Zonengrenze" in "den Osten Berlins". Ich wagte aufgrund meiner familiären Situation mit einem für mich "ostdeutsch" klingenden Namen in meiner Familie nicht mitzufahren, kursierte doch das Gerücht, bei der Überprüfung der Ausweise/Pässe, dass Jemand mit einem "gesuchten Namen" aus der Gruppe herausgepickt werden könnte, um ihn stundenlang nach allem Möglichen auszufragen! Geheimnisse hatte ich keine, aber viel zu viel dumme Angst! In dem Alter (damals 17, ich bzw mein "Herzchen" neigte zu anormalem Rhythmus). Ich blieb - relativ einsam - in der westberliner Jugendherberge! Und habe infolgedessen nie ganz Berlin selbst kennengelernt ... Es waren eben noch andere Zeiten Mitte, Ende der 1960er Jahre. Heute bereue ich meine ängstliche Inaktivität, aber vorbei ist vorbei ... Und heute lebt eine Nichte meiner Familie mit den Ihrigen in Berlin-Rosengarten im Staatsdienst!
@nnamttor44
Liebe nnamttor44,
Danke für Deinen Bericht. Na, bereuen würde ich nicht, was ich früher tat oder nicht, denn für Dich persönlich lag irgendein Grund vor, sonst hättest Du Dich ja anders entschieden.
In meinen jungen Jahren war ich mit einer befreundeten Arbeitskollegin auch mal für 10 Tage in Berlin. Wir nahmen damals an einem Lehrerseminar im Europahaus teil, obwohl dies gar nicht unser Beruf war. Ein Kursteilnehmer bat uns zwei, ob wir ihm nicht ein paar Strumpfhosen nach Ostberlin schmuggeln würden. So zogen wir uns jede 5 Paar Strumpfhosen unter den Hosenanzug an und gingen problemlos rüber. Auf der nächst möglichen Toilette entledigten wir uns dieser Strumpfhosen und mussten dazu fürchterlich lachen - auf Schweizerdeutsch, das die Toilettenfrau offenbar nicht verstand.
Vielleicht war das damals etwas leichtfertig gehandelt, aber es klappte und alle freuten sich.
Liebe Grüsse von
Jutta
Früher hatten wir weniger Geld, weniger Essen, weniger Kleidung, liebe Jutta. Aber wenn ich mir das Foto ansehe, habe ich das Gefühl, als seien wir damals trotzdem zufriedener, gücklicher und unbeschwerter gewesen, als die heutige Jungend es ist.
Wir hatten wenig, aber ist weniger manchmal nicht viel mehr?
Herzliche Grüße
Claudine
@Claudine
Liebe Claudine,
Dass weniger manchmal mehr ist, stimme ich Dir gerne zu. Ich denke, dass jede Jugend "ihre Zeit" hat und sich ihren Weg sucht. Und wie wir wissen, ist diese Suche nicht immer einfach und hing damals wie auch heute stark von seinem Umfeld ab. Ob unsere Jugendzeit zufriedener, glücklicher und unbeschwerter war, vermag ich nicht einzuschätzen, mindestens kann ich das von mir nicht behaupten, wobei ich stets kleine/kurze gefreute Momente entdeckte, die mir gut taten. So fanden wir alle unseren Weg, lebten und leben ihn.......hoffentlich mit viel Freude.....
Herzliche Grüsse von
Jutta
Ein richtig schönes Foto aus frühen Jahren mit erwartungsvoll frohem Blick auf das künftige Leben, doch:
Auch wenn seither alles anders ist,
so auch die Art der Passfotos,
blieb erhalten, was man nie vergisst:
Lächeln steht immer im Fokus,
selbst wenn‘s heut nicht direkt im Bild steht,
man es sehr schön in den Augen sieht!
...denn es sind die Augen, die das heitere Lächeln aus dem Herz in die Welt hinaus strahlen. Und dieses Strahlen bleibt bei allem Geschehen erhalten und unvergesslich.
Auf deinem schönen Foto oben sieht es ganz deutlich auch
Syrdal
Liebe Jutta
wie sich die Zeit verändert mit den Passfotos!
Früher durfte man noch so ein strahlendes Gesicht darauf zeigen. Ein Gesicht mit Ausstrahlung 🤩
Und heute mus man ausschauen wie ein Verbrecherfoto. Keine Mine verziehen kein Lachen, rein gar nichts!
So haben unsere Gesichter auf den Passfotos an Wert verloren. Man darf nicht mehr zeigen wie man ist, nur traurig.
liebs Grüessli Sonja 🙋♀️
@Sofia 54
Liebe Sonja,
Danke für Deinen Kommentar. Du hast recht mit den heutigen Passfotos. Erst diese Woche war ich auf dem Passbüro, um neue Ausweise zu beantragen. Als ich mein Bild sah, das verwendet werden soll, erschrak ich und fragte mich, "bist du das wirklich???". Naja, sollten sie mich mal suchen müssen, dann finden resp. erkennen sie mich nicht so schnell
Ich wünsche Dir, trotz des garstigen Wetters, ein schönes und friedliches Wochenende und
grüsse Dich herzlich
Jutta
Liebe Jutta,
schöne Geschichte, schönes Bild...Und immer noch das gleiche Lächeln!!! 👵
Lieben Gruß
Ursula
@U. Petri
Liebe Ursula,
Hab vielen Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich, dass mir das "Lächeln" geblieben ist!
Herzliche Grüsse
Jutta
Liebe Jutta
Das Problem des Grenzüberganges in die Schweiz kenne ich nur zu gut. Bei meinen Fahrten in das Tessin oder in die französischen Skigebiete hatte ich immer Sorge, dass die mitgeführten Fressalien in fester und flüssiger Form ohne Dezimierung den Grenzgang überstehen 😁
In den frühen 70er Jahren war das wichtig, da hohe Preise in der Schweiz auf Reisende (ich) mit eingeschränkten Geldmittel traf.
Boeuf
@Boeuf
Lieber Boeuf-Peter,
Ich verstehe dich sehr gut, auch für mich war sehr lange die Grenzüberschreitung immer mit einer grossen Spannung verbunden. Heute ist es etwas entspannter!
Herzliche Grüsse
Jutta
Liebe Jutta,
als erstes muss ich sagen, dass ich das Foto einfach entzückend finde, wobei ich denke, dass es auch die Grenzbeamten faszinieren konnte ...
Und wie das immer so ist, fällt auch mir eine von vielen "Grenzgänger-Geschichten" ein:
Da wir direkt an der niederländischen Grenze wohnen, war es nach dem Krieg üblich, dass ganze Familien über diese Grenze zogen, um in Vaals pro Person (einschließlich der Babys im Kinderwagen) das viel billigere halbe Pfund Butter zu ergattern. Natürlich wurden in dem Zusammenhang auch andere Lebensmittel gekauft, deren Kassenzettel beim Zoll vorgezeigt werden mussten. Die Lebensmittelhändler waren aber derart raffiniert, dass sie nur die Hälfte der eingekauften Artikel in die Kasse eingaben, sodass die Käufer weniger Zoll bezahlen mussten. Ein Service erster Klasse.
😃
Es freut mich sehr, im Zusammenhang mit den hier geschriebenen Geschichten immer mal wieder auf eigene Erinnerungen zu stoßen.
Also ganz herzlichen Dank und liebe Grüße von
Andrea