Coming home

(Eine große Wohnstube - im Hintergrund Joseph und später kommen noch Maria und Rahel hinzu ...)
 
Jeshua
Hallo! Ist hier Keiner zu Hause?
 
Joseph
Ich komme ja schon! Friede mit dir Fremder! Tritt
näher! Du musst verzeihen, dass ich dich nicht dem
Brauch unserer Väter gemäß empfangen kann, aber
heute zum Markttag bin ich ganz allein in den vier
Wänden.
 
Jeshua
Friede sei mit dir und auf deinem Hause!
 
Joseph
Setz dich, Fremder! Einen kühlen Trunk kann ich dir
Anbieten ... Bist du zum ersten Mal in unserer Stadt?
Reist du in Geschäften oder zu deinem Vergnügen, wie
es jetzt Sitte unter den jungen Leuten geworden ist?
 
Jeshua
Ich bin gereist durch viele Länder und es war
keineswegs immer ein Vergnügen.
 
Joseph (schenkt Wein aus dem Krug in zwei Becher
ein)

Früher in meiner Jugend bin ich auch gereist. Wie
vormalen Jakobs Sohn versuchte ich im Lande der
Pharaonen Fuß zu fassen. Es war vergebens und ich
kehrte zurück und lebte von meiner Hände Arbeit als
Zimmermann. Dann vor Jahren, als es mit meinen
Augen immer schlechter wurde, habe ich mich aufs
Altenteil gesetzt. Auf dein Wohl, Fremder! Nun, sagt er
zu?
 
Jeshua
Ich bin kein allzu großer Kenner, aber in diesen hat
der Herrgott viel Sonne einkeltern lassen.
 
Joseph
Er ist vom Nachbarn. Mein Jüngster hilft zuweilen bei
der Lese aus.
 
Jeshua
Dein Jüngster - also hast du noch mehr Kinder?
 
Joseph
Gott gefiel es; uns Söhne und Töchter zu schenken.
Brave Kinder, die meines
Alters Stab und Stütze sind.
 
Jeshua
Und sie leben alle noch hier bei dir?
 
Joseph
Alle - außer meinem Erstgeborenen, der anstatt sein
gelerntes Handwerk auszuüben, gegen meinen Willen
die Stadt verließ und seither wie ein abgefallenes Blatt
im Wind durch die Lande treibt …
 
Jeshua
Du hast ihn wohl nie wieder gesehen?
 
Joseph
Fast möchte ich meinem Gott hierfür danken, was soll
er bei uns!? Jacob, mein Zweitältester, hat von ihm
gehört und es waren durchweg üble Sachen. Mit einem
Dutzend Müßiggänger und Beutelschneider treibt er
sich im Lande herum - tut nichts, als fortwährend
Händel mit rechtschaffenen Leuten suchen. Es ist
schon soweit gekommen, dass sie ihn an manchen
Orten mit Steinen bewarfen.
 
Jeshua
Zumindest ist er kein Unbekannter, dein Erstgeborener?
 
Joseph
Er ist bekannt als vogelfreier Wordverdreher – auf dem
schon längst das Auge des Gesetzes ruht.
Wie ich schon sagte, selbst bis hierher nach Nazareth
kam von ihm Kunde. Nicht mehr lange, dann wird man
meinen Namen in den Gassen spotten. Das alles nur
Dank ihm!
 
(Maria und Rahel kommen ...)
 
Rahel
Sieh Mutter; wir haben einen Gast!
 
Maria
Friede sei mit dir Fremder!
 
Jeshua
Sei Frieden auf euerem Hause und in euren Herzen!
 
Joseph
Was wart ihr so lange zu Markte? Habt ihr zuviel mit
euren Gevatterinnen geschwätzelt?
 
Rahel
Es sind Pilger in unsere Stadt gekommen -
wunderliche Leute ...
 
Jeshua

Das sind meine Gefährten – wir reisten zusammen.
 
Maria
Himmel! Lass mich dein Gesicht sehen …Jeshua!
Vater unser Erstgeborener und du hast ihn nicht
einmal erkannt.
 
Rahel
Bruder!
 
Jeshua
Wie hübsch du geworden bist, kleine Rahel.
 
Maria
Und du mein Junge, siehst blass und müde aus.
Vater sag doch auch etwas!
 
Joseph (mehr verbittert als aggressiv)
Der Herr ist also zurück?! Wo sind die mit Geschenken
beladenen Kamele oder sollte es mein Sohn zu nichts
gebracht haben. Wagt er es seinem Vater mit leeren
Händen unter die Augen zu treten. Kommt er ärmer
wieder, als er gegangen ist! Bringt er uns als Gabe
einen Bettlerhaufen in die Stube?!
 
Maria
Sei doch stille, Mann!
 
Jeshua
Er hat nicht Unrecht, Mutter. So wie er die Welt zu
sehen gewohnt ist; habe ich es wahrhaft zu nichts
gebracht.
 
Joseph
Dich sollte der Herr für deinen Hochmut strafen! Jetzt
kann ich meinen Gevattern sagen: „Ja, mein
Erstgeborener ist heimgekehrt, aber er ist der gleiche
Nichtsnutz geblieben, der er schon vorher war!“
 
Jeshua
Ich bin nicht heimgekehrt, Vater! Nur der Wunsch euch
alle noch einmal zu sehen, hat mich nach Nazareth
geführt.
 
Rahel
Du verlässt uns wieder…?
 
Jeshua
So ist es, meine Kleine - ich habe noch einen langen
Weg vor mir.
 
Maria
Mit diesen Männern?
 
Jeshua
Ja, mit meinen Freunden und es sind ehrbare Leute,
wie ich keine besseren Gefährten hätte finden können.
 
Joseph
Immerzu renne in dein Verderben. Mache am besten
diese Menschen zu deiner Familie und uns vergesse,
so wie wir dich schon vergessen hatten.
 
Jeshua (umarmt Mutter und Schwester)
Mir ziemt es nicht dir zu widersprechen, aber der Wind
bläst wie er will, du hörst sein Brausen wohl, aber du
weist nicht woher er kommt und wohin er geht. Lebe
wohl, Mutter, lebe wohl Schwester! Vater…?
 
Maria
Joseph- er ist und bleibt unser Sohn!
 
Rahel
Und mein Bruder, Vater!
 
Joseph (versöhnlicher)
Habe ich das Gegenteil behauptet!? Was hat er im Lande umherzuziehen. Kann er nicht warten bis der Herr mich zu sich befiehlt, mir auf dem Totenbett die Augen zudrücken, wie es die Sitte fordert?!
 
Jeshua (lächelnd)
Das ist eine zu große Spanne Zeit, Vater. Du wirst sehr alt werden und dich noch an deinen Urenkelkindern erfreuen dürfen.
 
Joseph (mit besserer Laune als vorher)
Werde ich das? Kannst du neuerdings in die Zukunft
sehen, oder willst du mir bloß deinen Ungehorsam
verzuckern!?
 
Jeshua
Weder das Eine noch das Andere; Vater; aber glaube
mir einfach und siehe was kommt.
 
Joseph
Siehe was kommt, ich bin jetzt schon halbblind, mein
Junge …
 
Jeshua (umarmt dann seinen Vater, der es sich
gefallen lässt)

 
Schaue mehr mit deinem Herzen, Vater und du wirst
erkennen, klar und deutlich, was da war, was da ist
und was sein wird! Leb wohl, Vater!
 
Joseph
Leb wohl und ziehe in Frieden, mein Junge, wohin
auch immer dich deine Füße
tragen.
 
Maria
Gottes Segen über dich ....
 
Jeshua (Mutter und Schwester gehen an Jeshua
geschmiegt mit ihm zur Tür hinaus...)

Gottes Segen über euch alle!
 
Joseph
Vorhin war es dunkel und nun ist es hell geworden, als
hätte jemand ein Licht angezündet.

 
 
 


Copyright; Texte, Dover und Design bei Willy Rencin (d. i. Sweder van Rencin)
 
 


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Kommentare (11)

Anabell23

Diese bewegende Geschichte hat mich stark berührt lieber Willy. 

Und es gibt einige Sätze, die unter die Haut gehen, z.B. das mit dem Herzen sehen...........
So ist es, eigentlich sieht man mit dem Herzen besser, ebenso mit dem geistigen
Auge



meint mit lieben Grüßen
Uscha

Willy

Danke- "mit dem Herzen sehen" taucht vielfach in der Literatur auf. So auch im bekannten Kunstmärchen vom kleinen Prinzen.
LG
Willy

Syrdal


Eine hübsch „umgesetzte“ und flüssig erzählte biblisch determinierte Geschichte, so recht passend zum baldigen „Joseftag“ am 19. März...
 
...gern gelesen, gern aufgenommen von
Syrdal 

Willy

Noch zu Syrdal;
Man lernt nie aus - ich wusste nicht, dass es einen "Joseftag"  (19.März)gibt.
LG
Willy

Willy

Danke, lieber Syrdal und habe ein angenehmes Wochenende.
LG
Willy

wolke07

Mir gefällt der Satz
 

Jeshua (umarmt dann seinen Vater, der es sich
gefallen lässt)

 
Schaue mehr mit deinem Herzen, Vater und du wirst
erkennen, klar und deutlich, was da war, was da ist
und was sein wird! Leb wohl, Vater!


Wolke

 

Willy

Danke- mit dem Herzen sehen taucht vielfach in der Literatur auf. So auch im bekannten Kunstmärchen vom kleinen Prinzen.
LG
Willy

lillii

Danke, dass Du dieses auch noch eingesetzt hast,

dieser Satz gefällt mir besonders:
es steht bei Johannes... (ergooglet... gehört und gelesen schon)
"aber der Wind bläst wie er will, du hörst sein Brausen wohl, aber du
weist nicht woher er kommt und wohin er geht."

Grüße Luzie

Willy

Ja- ein wunderschöner Satz und es freut mich besonders, wenn ihn auch andere mögen.
In der Ausgabe für Bookrix habe ich noch genau beschrieben welche Stellen aus den Evangelien für die Mini von mir frei bearbeitet worden. Hier habe ich es weggelassen.
Schönes Wochendend und 
LG
Willy

Manfred36

Eine auf Begebenheit beruhende Geschicht wunderbar verklausuliert erzählt !

Willy

Danke, Manfred- verklausuliert- man kann ruhig sagen - ein bisschen verkitscht, aber es war für eine Aufführung in der Osterwoche geschrieben und ich denke, da passt es dann schon.
LG
Willy


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