aus meiner Kindheit

Autor: ehemaliges Mitglied

Als ich klein war, hielten meine Eltern ein Schweinchen, Kaninchen, später nur noch Hühner und einen Hahn.

Niedlich waren vor allem die Küken. Ich konnte mich nicht satt sehen an den kleinen Flauschbällchen! Ab und zu verschwanden schon mal Tiere, wohin, das wurde mir rücksichtsvollerweise verschwiegen!

Ich mochte unsere Viecher, und sie mich auch, glaube ich.

Nur der Hahn haßte mich!
Er hatte auch allen Grund dazu. Ich sah nämlich öfter, wie er AUF die armen Hennen flog, d.h.wenn er sie erwischte, denn meistens suchten die Hennen gackernd das Weite!
Da keiner meinen Irrtum aufklärte, rettete ich die armen Hennen vor den vermeintlichen Attacken, bis der genervte Gockel sich mal rächte und mir ins Gesicht flog.
Es hätte ins Auge gehen können, ging aber glücklicherweise knapp daneben! Mußte jedenfalls genäht werden.
Danach hatte ich Respekt vor dem Hahn, obwohl ich immer noch nicht wußte, warum der immer die bedauernswerten Hennen bedrängte, und die anderen Kinder wußten es vermutlich auch nicht.

Die Kinder in unserem Haus waren eine eingeschworene Gemeinschaft; dazu gehörten noch 3 Nachbarkinder. Wir waren, wenn alle vollzählig versammelt waren, 9 an der Zahl, die in Hausflur, Keller, auf dem Speicher, im großen Garten oder in den Rheinwiesen spielten. Anführer war ein älterer Junge, dem die Eltern gern ihre Ableger anvertrauten, weil er gescheit und ihrer Meinung nach der Vernünftigste war. Tatsächlich hatte er ganz entschieden Führungsqualitäten; man tat, was er sagte, zumal es meistens das war, was wir auch wollten (und das war nicht immer sooo vernünftig, wie die Eltern glaubten).

Heinz, so hieß er, war katholisch und Meßdiener. Im September diente er bei den „Rosenkranzandachten“. Wie beliebt er bei uns war, mag man daran ermessen, daß alle anderen 8 gern diese Andacht besuchten, obwohl die meisten von uns evangelisch waren!
Das war für uns alle ein Riesengaudi! Auf dem Hinweg wurde bereits rumgealbert, und Heinz, der unterwegs kräftig mitalberte, legte uns nahe, ihn in der Kirche möglichst nicht zu blamieren. Wir hielten uns auch einigermaßen zurück, obwohl wir uns über die lateinischen Texte vor Lachen ausschütteten, wenn das unvermeidliche „Tantum (Tante!) ergo“ mit dem „Laus (!) et jubilatio“ gesungen wurde. Dennoch waren wir während der Andacht immer noch relativ brav. Auf dem Heimweg ließen wir die angestaute Energie an sämtlichen Türklingeln ab. „Schellekes“ hieß der Sport, bei dem man klingelte und das Weite suchte, bevor die verärgerten Hausbewohner uns am Schlafittchen kriegten!

Der eigentliche Höhepunkt dieser herbstlichen Nachmittage waren die Kartoffelfeuer im Hof. Der lag neben unserem Garten, und war ganz früher mal bebaut mit einem Lagerhaus, das aber den Bomben zum Opfer gefallen war.
Als ich klein war, lagen die Trümmer noch dort.

Mit Heinz durften wir draußen bleiben, auch wenn es schon dunkel war. Ich erinnere mich, daß ich einmal nicht raus durfte. Aber Heinz und die anderen halfen mir, aus dem Badezimmerfenster ins Hausflurfenster zu klettern und so war ich dennoch dabei, bis die Eltern meine Abwesenheit bemerkten und danach lieber ein Auge zudrückten, als mich nochmal solch nicht ganz ungefährlichen Klettereien auszusetzen.

Man hatte jedoch keine Einwände, daß wir auf die Birnbäume im Garten kletterten. Die hatten es uns angetan. Es ging auch immer ohne schwere Verletzungen ab; höchstens die Kleidung litt beträchtlich.

Der Zaun des riesigen Gartens hatte meistens Löcher, von fremden Kindern draußen gemacht, die im Sommer Obst klauten. Auch als wir noch so klein waren, daß wir nicht raus durften, sind wir durch diese Löcher öfter mal ausgebüxt, später waren es uns willkommene Abkürzungen.

Heinz führte uns in die Rheinwiesen, auch an Orte, die streng verboten waren, z. B. wo die Schlacke vom Hüttenwerk deponiert wurde. Das war immer ein faszinierender Anblick, wenn die glühende Lava den Hügel hinabfloß.

Im Sommer badeten wir im Rhein. Ich erinnere mich, daß es damals noch Schnecken und Muscheln gab, wir haben viele gesammelt.

Manchmal spielten wir auch in den Trümmern zerbombter Häuser, aber davon durften die Eltern natürlich nichts wissen.

Die Straßen in der Nähe waren sog. „Spielstraßen“; hier herrschte Fahrverbot für Autos – aber die meisten Leute besaßen auch noch keine. Dort veranstalteten wir im Sommer Rollschuh-Rennen.

Dann gab es die Kinderschützenfeste! Oft von den Kindern allein organisiert, manchmal auch von den Eltern. Man schmückte eine Sackkarre und auch sich selbst mit Blumen und Girlanden und Krepp-Papier. Schützenkönig und Königin wurden mit Gesang durch die Straßen gezogen.
Ein paarmal war ich Schützenkönigin. Mit goldener Papp-Krone und einem Schleier aus den (gewaschenen!) Windeln meines Brüderchens. Dann war natürlich Heinz der König.

Anschließend wurde im Garten gefuttert und Limonade oder Kakau getrunken.

Der Garten selbst war so zauberhaft und bot uns soviel Abwechslung, daß wir uns die meiste Zeit dort aufhielten. Eigentlich war er nur ein großes etwas unregelmäßiges Rechteck, aber durch Bäume, Wiesen, Lauben, Pergolen so gestaltet, daß wir zahlreiche Schlupfwinkel zum Versteckenspielen hatten.

Unsere Spiele dehnten sich allerdings auch auf Hausflur, Keller und Speicher aus. Die Erwachsenen waren damals toleranter als heute, was Kinderlärm angeht. Im Grunde waren sie froh, daß wir Kinder immer zusammen und meist in der Nähe waren.

Sie hatten auch nichts dagegen, daß wir bei Regenwetter im Hausflur spielten!
Und wir waren nicht immer leise! Aber es gab auch ruhige Spiele! Heinz hatte einen unerschöpflichen Vorrat an Ideen. Ich kann mich nicht erinnern, daß wir uns mit ihm jemals gelangweilt hätten! Ohne ihn lief es nie so gut; wenn Heinz krank war, kam Streit auf oder die Ideen gingen uns aus!

Er studierte mit uns auch kindliche Theaterspiele ein, die er selbst erfand, und die wir gelegentlich den Erwachsenen vorführten. Dabei konnten wir sogar ausnahmsweise mal die beiden Kleinen mitspielen lassen, mein Brüderchen und seinen Freund, die sonst nicht zu unserer Clique gehörten. Sie waren einfach noch zu lütt, und wir waren ihnen zu wild.

Ich wundere mich heute nachträglich, daß Heinz lieber mit uns als mit Klassenkameraden spielte. Vermutlich lag es daran, daß er als Klassenbester und vermeintlicher „Streber“ nicht sehr beliebt war, und daß er sich auch nicht darum bemühte, da er ja uns – seine Bande – hatte! Also verdankten wir unseren Spaß und die relative Freiheit unter einem guten Anführer wohl der Tatsache,
daß er für seine Altersgenossen und Schulkameraden zu intelligent war.

Ein- bis zweimal im Jahr tauchte Hanne auf, ein Mädel in Heinz‘ Alter, die bei uns im Haus ihre Oma besuchte. Sie und Heinz waren wie Hund und Katz, aber alle Kinder hielten bedingungslos zu Heinz, nur ich geriet zwischen die Fronten.
Sowas passierte mir eigentlich mein ganzes Leben lang; kann mich nie entscheiden, zu wem ich halten soll, vor allem bei Leuten, die ich mag. Hanne war ein mütterliches junges Mädchen, das sich gern mit meinem kleinen Bruder und dessen Freund beschäftigte. Insofern war es gut, wenn sie da war, und es machte ihr nicht allzuviel aus, wenn ich mich wieder verdünnisierte.

Jedenfalls glaube ich, daß wir als Kinder mehr Spaß hatten als viele Kinder damals – und heutzutage erst recht.

Als wir ins Teenager-Alter kamen, waren wir seltener zusammen. Heinz war inszwischen in der Gymnasial-Oberstufe und verkehrte auf einmal doch mehr mit Gleichaltrigen; wir anderen hatten auch neue Freunde und andere Interessen. Einige Familien zogen fort. Heute hört man kaum noch voneinander.

Der Garten wurde verkauft; es sollte darauf gebaut werden. Dies ist allerdings bis heute nicht geschehen. Die Bäume wurden gefällt; inzwischen sind auf dem verwilderten Grundstück neue gewachsen, aber es ist nicht mehr der Garten, wie ich ihn kannte und nie vergesse!

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Kommentare (1)

oessilady Das hast du wunderschön erzählt,man möchte meinen mit dir zusammen das erlebt zu haben,so gut kannst du alles beschreiben!Stell dein Licht nicht unter den Scheffel,du bist genial
schreibst besser wie ich ! na dann ab zur Kur! Sei lieb von mir gegrüßt Berta

PS.wollte nur schnell noch deine wunderschöne Geschichte belobigen !

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