Auffallen um jeden Preis
ist in der Regel auch bestrebt,
dass man sein Dasein und Talent
zur Kenntnis nimmt und anerkennt.
Er wünscht sich von der Allgemeinheit
ein Mindestmaß an Streicheleinheit.
Falls er nicht kriegt, was er begehrt,
scheint nichts ihm mehr begehrenswert.
Er welkt, verkümmert und geht ein
wie Primeln ohne Sonnenschein,
denn einerseits und überhaupt
fühlt er sich nutzlos und verstaubt,
und andrerseits wird er vor Schreck
zu dick aufgrund von Kummerspeck.
…. So sucht er mit gewagten Ränken
Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Selbst Opfer nimmt er gern in Kauf,
Hauptsache, er fällt dadurch auf:
Der Säugling brüllt aus vollem Hals,
Senioren tun es ebenfalls.
Das junge Mädchen trägt ac hoc
den superkurzen Minirock.
Der Jüngling wirkt als Troubadour
durch Popmusik und Punkfrisur.
Die Mutter streicht sich eine Schicht
von Creme und Farbe ins Gesicht.
Der Vater gönnt sich etwas Neu´s,
die Luxuskutsche von Rolls Royce.
,,,, Es wechselt ständig die Methode:
Bald ist´s der letzte Schrei der Mode,
der allerletzte selbstverständlich,
sonst wirkt´s ja primitiv und ländlich.
Falls dies kein Resultat verspricht,
spuckt er der Mode ins Gesicht
und tut etwas besonders Dummes,
Extravagantes oder Krummes.
Dann kommt sogar die Zahl der Morde
ins Guiness-Handbuch der Rekorde,
was seinerseits den abgebrühten
Halunken reizt zum Überbieten.
…. Auffallen lautet die Devise.
Wenn nämlich Nachbars Hans und Liese
neugierig auf die Zunge beißen
und anschließend ihr Maul zerreißen,
erheitert sich sein Mienenspiel
infolge von Triumphgefühl.
Sobald gar Fernsehjournalisten
sich fast im Schlüsselloch einnisten
und sechsstellige Summen zahlen
für die Verwertung von Skandalen,
dann ist´s geschafft, dann ist er in,
dazu bringt´s klingenden Gewinn.
Er wird des Lebens wieder froh.
Auffallen lohnt, so oder so.
Nichts, scheint es, ist verrückt genug
bei dieser Art Gespensterspuk.
…. So schafft durch Imponiergehabe
der Mensch sich selber Lust und Labe
und trägt durch Wichtigtuerei
zum Publikumsvergnügen bei,
das all die Faxen zwar bekrittelt
und sie moralisch niederknüttelt,
doch, wenn es Einzelheiten liest,
dieselben wonnevoll genießt
und stets nach Neuigkeiten lechzt,
obgleich es vor Empörung ächzt.
…. Wo bleibt bei allem die Moral?
Der Dichter merkt zu seiner Qual,
er kann, vielleicht aus Altersgründen,
die tiefere Moral nicht finden.
Moral, so jedenfalls wird klar,
ist auch nicht mehr, was sie einst war.
Kommentare (9)
@Roxanna
Da frage ich dich doch einmal ganz persönlich: Mit welchem Gag versuchst du den Aufmerksamkeit auf dich zu lenken? Und funktioniert das)
@silesio
Das ist wirklich eine sehr persönliche Frage 😉.
Ich gebe die Frage zurück? Wie versuchst du Aufmerksamkeit auf dich zu lenken und funktioniert das?
@Roxanna
Als ich noch jung und schön und klug und witzig und vollhaarig und Beamter mit festem Gehalt war, wurde ich ohne Zutun umschwärmt.
Jetzt versuche ich im ST Aufsehen zu erregen. Bei einer nicht mehr ganz jungen Dame mit R am Anfang und x in der Mitte scheint mir das auch gelungen zu sein
@silesio
Du hast mich zum Schmunzeln gebracht, lieber Christoph. Dass du mal Beamter mit festem Gehalt warst, hat mich überrascht.
Und lieber @ Silesio...
Es ist ein Brauch von altersher, wer Sorgen hat
hat auch Likör😉
Grüße von Granka
@silesio
Wilhelm Busch hat eben die Kuemmernise des Lebens auf die Schippe genommen
und beschrieb so manches auf seine unnachahmliche Art. Aus Helenes Liebeskummer mit Vetter Franz stammte das und damit fing es an:
doch eines fand Helene gar nicht schön, sie fand Franz oft bei Liese stehn, doch jeder Jüngling hat nun mal
einen Hang zum Kuechen personal.,😉
Schönen Feiertag
Grüße von Granka
@Granka
Ja, dieses eindrückliche Zitat vom Hang zum Küchenpersonal.
Den Vers kannte ich natürlich schon,
den Hang auch
fiel eines Tags vom Sockel.
Man soll nichts übertreiben
und immer auf dem Teppich bleiben.
Aufmerksamkeit so zu suchen,
da kann man kaum Erfolg verbuchen.
Und Liebe kann man auch nicht finden,
man mag sich mit Auffallen noch so schinden.
Das alles hat kein Hand, kein Fuß,
weil man doch zu sich selber stehen muss,
Brigitte