An den Grenzen des Denkens
Liebe ST-ler*innen, ich möchte heute ein Buch vorstellen, das ich bereits vor 16 Jahren, im Juni 2004, auf meiner damaligen Senioren-Homepage vorgestellt hatte. – Es gibt Inhalte, die, jedenfalls für daran besonders Interessierte, immer aktuell bleiben, und so ergeht es mir mit dem o.g. Buch von dem Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer über Wolfgang Pauli, den Nobelpreisträger für Physik.
Nun der damals von mir vorgestellte Inhalt:
"Von Einstein als sein geistiger Nachfahre bezeichnet, hat Wolfgang Pauli (1900-1958) zusammen mit Heisenberg und Bohr der Quantenmechanik maßgebliche Impulse gegeben. Er hat den Denkstil der modernen Physik entscheidend mitgeprägt und zum Umsturz im heutigen naturwissenschaftlichen Weltbild beigetragen. Als das "Gewissen der Physik" bekannt, war er der einzige große Physiker seiner Zeit, der sich nicht am Bau der Atombombe beteiligt hat. Noch radikaler als etwa Heisenberg ging es ihm um eine ganzheitliche Weltsicht. So vertrat Pauli die These, dass die Verbannung des Geistes aus der Materie und der Seele aus der Natur jene seelen- und gefühllose Wissenschaft ermöglicht hat, die in Hiroshima auf der einen und in der Umweltzerstörung auf der anderen Seite ihren welthistorischen Höhepunkt erreicht hat." (Aus dem Vorwort des Buches) …
…"Gegen diese Entwicklung ist Paulis wissenschaftskritisches Werk gerichtet, in dem er kosmologische, philosophische, religiöse und zutiefst ethische Gedanken entfaltet. Nicht nur in seinem umfangreichen Briefwechsel mit zeitgenössischen Physikern wie Bohr, Einstein und Heisenberg, sondern vor allem in Zusammenarbeit mit seinem Analytiker C.G. Jung hat sich der Zürcher Physikprofessor Pauli der Nachtseite der Wissenschaft, den Abgründen des rationalen Denkens gewidmet. Konsequent lässt er sich auf seine Träume und Visionen ein und entwirft eine zukünftige Wissenschaft, in der naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit der Psychologie des Unbewussten sowie mit philosophisch-theologischen Fragen eng verbunden sind. So gibt Pauli den Menschen im 21. Jahrhundert wertvolle Einsichten auf den Weg, um ihr Verhältnis zu sich selbst, zu ihrer Welt und zu dem, was hinter und über allem ist, neu denken zu können." (Aus dem Vorwort des Buches)
Meine (damaligen) Gedanken zum Buch
Ich habe das Buch sehr gern und mit großer innerer Anteilnahme gelesen! Schnell und unbemerkt wurde Wolfgang Pauli, der Nobelpreisträger, zu einem Menschen, den ich gut zu kennen glaube. Jedem Kapitel ist eine Anekdote von Wolfgang Pauli vorangestellt, ..."die über ihn in Umlauf sind oder die er selbst in Umlauf gebracht hat" (S. 14 des Buches), so dass der Leser garantiert des Öfteren herzlichen lachen kann. Es handelt sich um ein populärwissenschaftliches Buch, das jedoch zumindest dem Autor, wenn nicht auch den Lesern, ein Denken in komplexen und hoch differenzierten Zusammenhängen abverlangt. Physikalische Problemstellungen werden dabei in einer Weise abgehandelt, dass es dem Laien gelingt, sich hineinzudenken und diese zu verstehen.
Meine Neugier bezog sich besonders auf das Zusammendenken von Physik und Tiefenpsychologie in diesem Buch, und das aus einem speziellen Grund: In einer Krisenphase meines Lebens, einer Umbruchsituation, die nach einer "Wiedergeburt" verlangte, welche im Übrigen nur durch tiefenpsychologische Arbeit zu erreichen war, bin ich in die Situation geraten, dass sich parapsychologische Phänomene zeigten. Diese aber sind nach meinen Vorstellungen physikalische Manifestationen.
Wie nun stehen Physik, Psychologie und auch Parapsychologie zu solchen Phänomenen, wollte ich wissen. Das ist ein weites Feld; nur so viel sei gesagt: Entweder die Phänomene werden ignoriert und als Hirngespinste abgetan oder sie werden - in der heutigen wissenschaftlichen Parapsychologie in neuen Theorien und Hypothesen, auch im Verbund mit der Physik - größtenteils außerhalb eines tiefenpsychologischen Zusammenhanges diskutiert. Nach all diesen Meinungen und Ansätzen hätte ich entweder meinen Sinnen oder meinen innerseelischen, auch religiösen Bildern und Prozessen nicht trauen dürfen und können. - Oder vielleicht noch schlimmer: sowohl meinen Sinnen als meinen innerseelischen Bildern nicht trauen dürfen.
Wolfgang Pauli hat sich nicht nur zu seinen innerseelischen Bildern und Prozessen bekannt, sondern er hat den Versuch unternommen, diese mit der (Quanten-)Physik zu verknüpfen.
Bild darunter: Aus Wolfgang Paulis "physikalischer Traumsymbolik", S. 98:
Wolfgang Pauli schreibt: "Bald nachdem ich 1934 geheiratet hatte und meine analytische Behandlung beendet war, begann jene physikalische Traumsymbolik. Unter anderem hatte ich damals folgenden Traum, der mich jahrelang beschäftigt hat: Ein Einstein ähnlich sehender Mann zeichnet folgende Figur an die Tafel: (siehe obiges Bild) Dies stand in offenbarem Zusammenhang mit der geschilderten Kontroverse (zwischen Einstein und Pauli hinsichtlich einer von Einstein angenommenen Unvollständigkeit der Quantenmechanik, was Pauli für eine Unvollständigkeit der Physik innerhalb des Lebens ansah, S. 97, d.V.) und schien eine Art Antwort des Unbewussten auf sie zu enthalten. Es zeigte mir die Quantenmechanik, und damit die offizielle Physik überhaupt, als eindimensionalen Ausschnitt einer zweidimensionalen sinnvolleren Welt, deren zweite Dimension wohl nur das Unbewusste und die Archetypen sein konnten" (PJ, 122)"; S. 97-98 des Buches.
Zeittafel zu Wolfgang Pauli
(dem vorliegenden Buch, S. 181-182 entnommen)
1900 Am 25. April geboren in Wien und am 13. Mai getauft
1918 Reifeprüfung in Wien und erste wissenschaftliche Veröffentlichung zur Relativitätstheorie
1921 Studienabschluss mit Dissertation bei Arnold Sommerfeld und Veröffentlichung des Encyklopädie-Artikels über die "Relativitätstheorie"; im Wintersemester planmäßiger Assistent bei Max Born in Göttingen
1922 Beschäftigung mit dem anomalen Zeeman-Effekt (erst in Hamburg, dann bei Niels Bohr in Kopenhagen)
1923 Überwiegend bei Niels Bohr in Kopenhagen
1924 Habilitation in Hamburg und Entdeckung des Pauli-Prinzips
1925 Berechnung des Wasserstoffspektrums mit dem neuen Formalismus der Matrizenmechanik
1926 Verleihung des Professorentitels
1927 Programm zur Entwicklung einer Quantenfeldtheorie; philosophische Diskussion über die Lektion der Atome (Unbestimmtheit und Komplementarität)
1928 Antritt der Professur für Theoretische Physik in Zürich
1929 Erste gemeinsame Arbeit mit Heisenberg zur allgemeinen Quantenfeldtheorie; erste Heirat von kurzer Dauer
1930 Neutrinohypothese und Beginn einer Neurose; erstes Treffen mit C.G. Jung
1931 Erste USA-Reise
1932 Handbuchartikel über Wellenmechanik
1934 Heirat mit Franca Bertram und Einsetzen der Träume
1940 Gastprofessur am Institute for Advanced Studies in Princeton, New Jersey, ohne "Kriegsphysik"
1945 Verleihung des Nobelpreises für Physik
1946 Pauli nimmt amerikanische Staatsbürgerschaft an, kehrt aber an die ETH Zürich zurück
1948 Vorträge im Psychologischen Club Zürich über den Einfluss archetypischer Vorstellungen bei Kepler
1949 Pauli nimmt Schweizer Staatsbürgerschaft an
1952 Pauli tritt eine große Indienreise an
1954 Arbeiten über die CPT-Symmetrie
1957 Bekanntgabe der Paritätsverletzung
1958 Pauli erhält die Max-Planck-Medaille und die Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg; er stirbt am 15. Dezember in Zürich
Über den Autor des Buches
Ernst Peter Fischer , Wissenschaftshistoriker und Wissenschaftspublizist, war Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Konstanz sowie an der privaten Hochschule Holzen. Er hat zahlreiche populäre Sachbücher vor allem zu physikalischen und biologischen Themen geschrieben und hat für seine Arbeiten auch zahlreiche Auszeichnungen bekommen.
Er ist mit einer ausführlichen und lesenswerten Seite bei Wikipedia zu finden.
Darüber hinaus hat er eine eigene Webseite, die ich mir jetzt sehr gerne angeschaut habe! Es findet sich darin viel Wissenswertes, so auch Blogs mit kritischen Beiträgen zu heutigen Gegebenheiten innerhalb und außerhalb der Wissenschaften. – Sehr lesenswert!
Das hier besprochene Buch von Ernst Peter Fischer, mit Erstveröffentlichung im Jahre 2000, war bereits damals, also im Juni 2004 nur noch in modernen Antiquariaten erhältlich! Heute ist es etwa bei Amazon oder Booklooker zu finden.
Ich hoffe, durch die Vorstellung des o.g. Buches und seiner wesentlichen Inhalte eine anregende Hinführung zu einem der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts und zu seinem Denken gegeben zu haben.
Ich wünsche eine gute Zeit 🌷
Angeli44
Bild oben: Bucheinband der damaligen Ausgabe
Kommentare (4)
@Arni
😏 Guten Morgen Arni, ja, Wolfgang Pauli ist ein höchst interessanter Mensch! Abgesehen von seinen anerkannten Leistungen in der damaligen Physik, hat er ja durch eine eigene Psychotherapie bei C.G. Jung tiefenpsychologische Aspekte in die Quantenphysik bringen wollen. - Er selber hatte auch mit parapsychologischen Manifestationen zu tun. Das war für ihn nicht so schlimm, aber hat seine Kollegen, die an Experimenten arbeiteten, in Angst und Schrecken versetzt: Kaum tauchte er bei ihnen auf, lief mit den Experimenten etwas falsch. - Einmal wurde bei einem Experiment in Göttingen, das kaputt ging, gemutmaßt, dahinter stecke Pauli. - Und sieh da: er war zur selben Zeit in Göttingen von einem Zug in einen anderen gestiegen! So rankten sich im Laufe der Zeit viele Anekdoten um ihn, was er aber auch gerne zuließ.
Dir noch einen schönen Sonntag, 🌷
Angeli44
Entweder du betreibst permanent Buchreklame (da müsste eigentlich Karl einschreiten ) oder du willst uns zu „Gelehrten“ machen, liebe Angeli.
Dass Pauli ein wissender Mann war und eine ganzheitliche Weltsicht vertrat, hat für mich allein keine Überzeugungskraft.
Seine kosmologischen, philosophischen, religiösen und zutiefst ethischen Gedanken zu einer zukünftigen Wissenschaft, in der naturwissenschaftliche Erkenntnisse mit der Psychologie des Unbewussten sowie mit philosophisch-theologischen Fragen eng verbunden sind, beinhalten auch parapsychologische Phänomene, die nach deinen Vorstellungen physikalische Manifestationen sind. Pauli hat dir das bestätigt und du hattest du ja mit Sicherheit einen Lesegewinn. Er hat sich nicht nur zu seinen innerseelischen Bildern und Prozessen bekannt, sondern er hat den Versuch unternommen, diese mit der (Quanten-)Physik zu verknüpfen.
Es handele sich um ein populärwissenschaftliches Buch, dessen komplexe Zusammenhänge und physikalische Problemstellungen in einer Weise abgehandelt werden, dass es dem Laien gelingt, sich hineinzudenken und diese zu verstehen.
Ich habe das Buch nicht gelesen, aber wenn ich das so sehe, glaube ich, dass ich mit 84 ein Laie-Laie(-Laie...) bin.
@Manfred36
😌danke für dein Interesse, lieber Manfred! - Ja, auf den meisten Gebieten sind wir nun mal Laien. Dafür gibt es aber besonders begabte Wissenschaftler, die sich unser annehmen, wie etwa der obige Autor.
"Buchreklame" mit antiken oder fast schon vergessenen Büchern? Ich bin noch nicht auf die Idee gekommen, dass das hier im ST verboten werden könnte! 😖
Das wäre doch auch schade für diejenigen, die die Blogs gerne und mit Gewinn lesen!
Dir ein schönes Wochenende, 🌻
Angeli44
Sehr interessant, Deine Buchbesprechung macht mich neugierig.
Ob Werbung oder nicht - Danke für*s zeigen
Arni