Als in Radeberg beinahe der „Portür“ eingeführt wurde



Als in Radeberg beinahe der „Portür“ eingeführt wurde

Als sich vor 100 Jahren in Radeberg die Diskussion entspann, warum man sich am Bahnhof noch einen Portier leisten würde, wurde nicht der Sinn des Berufes hinterfragt, sondern ein aufmerksamer deutschtümelnder Einwohner namens Hans Pfennig wollte „in diesen schweren Zeiten des Krieges“ die aus dem Französischen stammende Bezeichnung durch eine deutsche ersetzen. Er meinte mit dem Begriff „Pförtner“ richtig zu liegen.

Seine in der Öffentlichkeit verbreitete Meinung hatte folgenden Wortlaut: „Bedauerlich ist es auch, dass wir auf dem Bahnhof noch einen –Portier- haben, während in anderen Orten schön längst die –Pförtner – ihr Amt bekleiden. Um nun eine Sprachverbesserung herbeizuführen muss natürlich jeder, auch der kleinste Mann sich bemühen, keine ausländischen Ausdrücke mehr zu gebrauchen, sondern immer einen deutschen Ersatz dafür zu wählen.“

Angegriffen fühlte sich zunächst der Bahnhofsvorstand. Der Portier sei nun, obwohl ein französisches Wort, eindeutig mit der Aufgabe verbunden sowohl Pförtner als auch Hausmeister zu sein. Und darüber hinaus habe Radebergs Portier noch die Schlüsselgewalt. Diese Vertrauensstellung gehe weit über die eines Pförtners hinaus. Ein Pförtner sei im ursprünglichen der Wortbedeutung ein Torwächter oder Türhüter. Ein Torwächter gehe schon deswegen nicht, da der Bahnhof eine Eingangstür habe. Und das Wort „Türhüter“ könnte bei der Art der Aussprache in Radeberg leicht ein „Tierhüter“ sein. So etwas wäre einem Eisenbahnunterbeamten nicht zuzumuten.

Aus Radebergs Lehrerschaft kam der Hinweis, dass „Pförtner“ ein mittellateinisches Wort sei und damit im Sinne einer eindeutigen Entsprechung im deutschen Sinn nicht gelten dürfte. Man sollte unbedingt ein Wort mit „Tür“ wählen, denn das Wort „Tür“ wäre althochdeutsch. Es gab zumindest hier den Vorschlag „Türmann“ zu verwenden.

In einem zweiten Schreiben erinnerte die Eisenbahnverwaltung daran, dass man in Kriegszeiten andere Aufgaben zu lösen habe. Sollte man das Wort „Portier“ unbedingt ersetzen wollen, sollte man bedenken, welche Kosten der Bahn entstünden, die in Zeiten wo alle sparen müssen, allein durch die Änderungen der Bahnhofsordnung und diverser Verordnungen entstünden. Das war offensichtlich eine ordentliche Breitseite, denn etwa zwei Monate lang reagierte niemand.

Bis Hans Pfennig nicht locker ließ und veröffentlichte, es könne ja ein völlig neues Wort entstehen, der „Portür“. Damit wäre einerseits eine Verwechselung mit anderen Berufen unwahrscheinlich und andererseits eine deutsche Wortschöpfung möglich. Gerade darüber nachsinnend, ob man den Vorschlag ernsthaft näher erörtern solle, trat etwas Unvorhergesehenes ein.

Der amtierende Portier Hausdorf wurde in den Krieg eingezogen und ein Ersatz abgelehnt, in dem man die Unterbeamtentätigkeit für Radebergs Bahnhof strich. Die Aufgaben eines nunmehr „früheren Portiers“ musste der stellvertretende Bahnhofsvorstand übernehmen. Zu allem Übel stellte es sich noch heraus, dass es in Radeberg keinen Hans Pfennig gab. Gerüchte verkündeten, dass sich ein Dresdner Kabarettist diesen „Ulk“ ausgedacht habe. Einen Beweis blieb man jedoch schuldig, die Zeiten stellten andere Fragen.

haweger

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Kommentare (2)

ehemaliges Mitglied ...ganz von alleine.

eine nette Geschichte, lieber Haweger.
Kam mir jetzt gerade recht zum gemütlichen
Käffchen und einem kleinen Schleckerle.

Gruss
Clematis
omasigi heute oftmals welche neue Wortschoepfungen sich ausgedacht werden. Vorallem wenn englische Woerter verdeutscht werden.

schoene Geschichte, die man wirklich in die Heutzeit uebertragen kann.

omasigi

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