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THEMA: Ein merkwürdiges Geschenk
5 Antwort(en).
pamina
begann die Diskussion am 22.12.06 (16:27) :
Eine Freundin schickte mir diese kleine Geschichte, und ich finde sie so schön, dass ich sie auch Euch mitteilen möchte.
Ein merkwürdiges Geschenk
Einmal habe ich eine Zeit lang in China gelebt. Ich konnte mich nicht eingewöhnen und hatte Heimweh nach Europa. Da war niemand, mit dem ich wirklich befreundet war. Ich kam mir ganz verloren vor in diesem Meer von fremden, gelben Gesichtern.
Und dann kam Weihnachten. Ich wohnte bei Europäern, die chinesische Diener hatten. Der oberste von ihnen war der Koch, Ta Tse-fu, der große Herr der Küche. Er redete gebrochen Deutsch, war der Dolmetscher zwischen mir und dem Zimmer-Kuli, dem Ofen-Kuli, dem Wäsche-Kuli und was es da eben sonst noch an Dienerschaft im Haus gab.
Am Heiligen Abend – ich saß wieder einmal verheult in meinem Zimmer – überreichte mir Ta Tse-fu ein Geschenk. Es war eine chinesische Kupfermünze mit einem Loch in der Mitte. Durch dieses Loch waren viele bunte Wollfäden gezogen und dann zu einem Zopf zusammengeflochten. „Ein sehr altes Münze“, sagte der Koch feierlich, „und die Wollfäden gehört auch dir. Wollfäden sind von mir und mein Frau und von Zimmer-Kuli und sein Schwester und von Eltern und Brüder von Ofen-Kuli – von uns allen sind die Wollfäden.“
Ich bedankte mich sehr. Es war ein merkwürdiges Geschenk – und noch viel merkwürdiger, als ich zuerst dachte. Denn als ich die Münze mit ihrem bunten Wollzopf einem Bekannten zeigte, der seit Jahrzehnten in China lebte, erklärte er mir was es damit für eine Bewandtnis hatte:
Jeder der Wollfäden war eine Stunde des Glücks. Der Koch war zu seinen Freunden gegangen und hatte sie gefragt: „Willst du von dem Glück, das dir für dein Leben vorausbestimmt ist, eine Stunde des Glücks abtreten?“ Und Ofen-Kuli, Zimmer-Kuli, Wäsche-Kuli und ihre Verwandten hatten für mich, die fremde Europäerin, einen Wollfaden gegeben, als Zeichen, dass sie mir von ihrem eigenen Glück eine Stunde schenkten.
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pamina
antwortete am 22.12.06 (16:30):
Fortsetzung:
Es war ein großes Opfer, das sie brachten, denn wenn sie auch bereit waren, auf eine Stunde des Glücks zu meinen Gunsten zu verzichten – es lag nicht in ihrer Macht zu bestimmen, welche Stunde aus ihrem Leben es sein würde. Das Schicksal würde entscheiden, ob sie die Glücksstunde abtraten, in der ihnen ein reicher Verwandter sein Hab und Gut verschrieben hätte, oder ob es nur eine der vielen Stunden sein würde, in der sie glücklich beim Reiswein saßen; ob sie die Glücksstunde wegschenkten, in der das Auto, das sie sonst überfahren hätte, noch rechtzeitig bremste, oder die Stunde, in der das junge Mädchen vermählt worden wäre. Blindlings und doch mit weit offenen Augen machten sie mir, der Fremden, einen Teil ihres Lebens zum Geschenk.
Ich habe nie wieder ein Weihnachtsgeschenk bekommen, das sich mit diesem hätte vergleichen lassen. Von diesem Tag an habe ich mich in China zu Hause gefühlt. Und die Münze mit dem bunten Wollzopf hat mich jahrelang begleitet.
Ich habe sie nicht mehr. Eines Tages lernte ich jemanden kennen, der war noch übler dran als ich damals. Und da habe ich einen Wollfaden genommen, ihn zu den anderen Fäden dazu geknüpft und die Münze weitergegeben.
Joe Lederer
Das Glück lässt sich nur multiplizieren, indem man es teilt.
Albert Schweitzer
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angelottchen
antwortete am 22.12.06 (17:12):
Liebe pamina, vielen herzlichen Dank für diese wirklich schöne Geschichte. Ich komme gerade zurück aus der Stadt - was für ein Verkehr und ich hasse doch Städte! Aber was tut man nicht alles ...mein Bruder bat mich, ihn abzuholen. Er hätte so viele Geschenke von Patienten usw ... ok; ich Arbeit liegen gelassen und los... für 16km habe ich mehr als 1Stunde gebraucht! Und dann ein schlecht gelaunter Bruder und wieder dicker Verkehr, ich immer ein Auge auf der Uhr, weil ich für einen Kunden nochetwas sehr wichtiges erledigen musste ... endlich Zuhause, ach ja, Bruder bekommt geschäftlichen Besuch.. ich also schnell noch das Wohnzimmer und sein Büro etwas aufgeräumt und was macht er? Setzt sich gemütlich hin und ISST! Ich schluck runter, dass ich noch nicht mal einen Kaffee zum Frühstück hatte ... setz noch Kaffee für seinen Besuch auf und verziehe mich mit meinen Hunden in den 1.Stock, meine "Belle Etage", um endlich weiter arbeiten zu können. Aber so einfach den Schalter umlegen, das geht gar nicht. Ich also erst einmal ins ST ...und da finde ich Deine Geschichte... zauberhaft...ich bin völlig entspannt und muss ein wenig lächeln und die schlechte Laune meines Bruders habe ich längst vergessen. Er hatte ein sehr schweres Jahr ... voriges Jahr kaufte er ein "Familiengrab" mit vier Urnenplätzen, weil unser Vater starb ... nun sind noch zwei Menschen weggestorben, die er liebte und die mit ihm lebten und ich bin erst einmal seinem Hilferuf gefolgt und zu ihm gekommen .. aber so ein Haus kann man so schnell nicht wieder mit Leben füllen und ich sehe, dass er noch tief in seiner Trauer steckt. Aber ich kann helfen, vorsichtig ... und man kann sich in dem grossen Haus aus dem Weg gehen. Was nötig ist an Tagen wie heute. Weihnachten findet aus verständlichen Gründen nicht statt. Mir ist das wurscht, ich feier es schon lange nicht mehr aber ihm hat es immer so viel bedeutet ... aber nun weiss ich etwas, das ich ihm schenken kann ... denn ich habe auch so eine Münze mit Wollfäden, kannte aber nie die wirkliche Bedeutung. Ich bekam es einmal von einer Kollegin als Abschiedsgeschenk, ihre Mutter stammte aus China. Ich werde einen Wollfaden von mir dazuknüpfen und ihm Deine Geschichte dau ausdrucken. Hab dank...
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Lissi
antwortete am 22.12.06 (18:47):
Angelottchen, symbolisch lege ich auch einen Wollfaden dazu. Darauf steht -Dankbarkeit- Unsere jüngste Tochter wurde vor ein paar Tagen am Nachhauseweg frontal angefahren, Auto Vollschrott. Außer Prellungen überall wurde nur die Kniescheibe leicht angerissen. Der diensthabende Polizist erzähle, als er sich dem Unfallort näherte, das kann nur Tote geben. Aber die Angelina stieg gleich darauf selber aus dem Auto aus. Dann holten sie geneinsam den geschockten danebengesessenen Freund heraus. Der Polizist hat ihn gleich erkannt es ist der Sohn eines Arbeitskollegen. Für ihm war in dem Moment Weihnachten, als er seinem Kollegen die Nachricht eines -lebenden- Sohnes mitteilen konnte. Im Krankenhaus bekamen die Beiden dann, gegen die Hausregeln, ein Doppelzimmer. Tags darauf gab es ein freudiges Wiedersehen mit 3 Praktikanten von der FOS. Man hat sich seit dem gemeinsamen Abi 2006 nicht mehr gesehen. Ich hoffe mit diesem Bericht hat der Wollfaden, genannt Dankbarkeit, Glaubwürdigkeit
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Dorella
antwortete am 23.12.06 (09:46):
Das ist kein merkwürdiges Geschenk, sondern das größte Geschenk überhaupt.
Allen ein gesegnetes Fest Dorella
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Tabaiba
antwortete am 24.12.06 (09:52):
Ich finde die Geschichte sehr berührend und dieses Geschenk mit den Wollfäden wertvoller als alle materiellen Geschenke, denn was nützten die tollsten Geschenke, wenn das Leben glück- und freudlos ist.
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