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THEMA: Autismus
7 Antwort(en).
Justitia
begann die Diskussion am 08.08.05 (15:32) :
Ich arbeite in einem Wohnheim mit geistig behinderten Frauen. Neben Down-Syndrom, Epilepsien etc. haben wir auch Klientinnen, welche autistische Züge aufweisen oder Autistinnen sind. Gerne würde ich mehr über das Thema Autismus erfahren, wie man mit solchen Menschen umgehen soll, ob dies der richtige Platz für sie ist, wie können sie gefördert werden, Adressen von Heimen etc. Das Problem ist eben, dass ich schon 14 Bücher miteinander verglichen habe und die ganze Sache ist ein bisschen verzwickt, weil im einen Buch der Autismus diese Ursache hat, in einem anderen ist es wieder eine andere und so geht es auch mit den Definitionen der verschiedenen Syndrome. Hat jemand von euch schon mit solchen Menschen gearbeitet? Erfahrungen gesammelt? Ich hatte zu Beginn Probleme, weil eine Bewohnerin oft immer sehr unruhig wurde, dies habe ich jetzt nicht mehr so, aber wie kann ich ihre Fähigkeiten fördern? Kennt jemand von euch Fachpersonen? Es ist auch so, dass ich sehr gerne dieser Person das Schreiben beibringen würde... naja... eigentlich kann sie es, aber sie schreibt nicht. Ich frage mich, ob sie sich vielleicht schriftlich mitteilen kann, wenn sie es mündlich manchmal nicht so gut kann... wie kann ich sie zum lachen bringen? Wie kann ich sie beruhigen? Wie geht ihr mit solchen Menschen um?
Eure Meinungen, Erfahrungen und Tipps würden mich sehr interessieren...
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Ursula_J
antwortete am 08.08.05 (18:50):
Hallo Justita,
schau mal bei Google unter "Birger Seelin Berlin". Vielleicht findest du dort etwas. Birger ist ein junger Autist, der zwei Bücher geschrieben hat. Er wohnte in meiner Straße, deswegen weiß ich das mit den Büchern. Ich kenne sie nicht, nur wenige Auszüge. Sie geben aber einen Einblick in die Gedankenwelt eines Autisten.
Internet-Tipp: https://www.autismus-nordbaden-pfalz.de/hansen.htm
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simba
antwortete am 08.08.05 (20:12):
Ich kenne keine Fachpersonen die sich mit Autismus auskennen, aber ich habe eine sehr gute Freundin, die zwei Söhne hat, der ältere ein Genie fast - welcher in den Schulen nur Einser schrieb und das Wirtschaftsunistudium in vier Jahren schaffte - mit ausgezeichnetem Erfolg natürlich. Der jüngere ist - bezw. war Autist. Zuerst dachte meine Freundin, er sei ein bisserl spät dran mit dem Reden, weil er absolut nix sagte, sondern nur schrie wenn er was wollte und auch sonst nicht sehr gesellig war und auch den Blickkontakt vermied. . Im Kindergartenalter dann liess sie ihn untersuchen, in Kliniken, wo man zum Schluss kam er sei Autist und gehöre in ein Heim für Behinderte. Da meine Freundin aber eine Kämpferin ist, beschloss sie das bestmöglichste für ihn rauszuholen. Er kam in eine Privatschule, die nach zwei Jahren geschlossen wurde und auch weiters nicht viel brachte. Dann entschloss sie sich schweren Herzens, ihn in eine Schule für sprachgestörte Kinder zu geben, in der Nähe von Mödling. Im Internat erging es ihm schlecht, weil ihn ältere Kinder quälten. Sie gab ihre Arbeit auf holte den Buben heim und fuhr ihn jeden Tag in die Schule die immerhin 70 km von zu Hause weg war. Am Morgen fuhr sie ihn hin und am Abend holte sie ihn - vier Jahre lang, bis er mit der Volksschule fertig war. Sie kämpfte darum dass er den "normalen" Kindern gleichgestellt wurde. Als Erstkommunion war, verweigerte der Probst, den Buben zuzulassen, weil er den Sinn sowieso nicht mitbekäme. Daraufhin ging sie von Haus zu Haus und befragte die Leute nach dem Sinn der Erstkommunion. Sie brachte an die 200 Unterschriften zusammen von Menschen die das auch nicht wussten, obwohl sie keine Autisten waren
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simba
antwortete am 08.08.05 (20:12):
Und so wurde er zur Erstkommunion zugelassen. Sie zwang den Buben Nähe zu ertragen, indem sie ihn mit allen Kräften an sich drückte. Dies war jedes Mal ein ziemlicher Kampf den er wehrte sich mit Leibeskräften - aber sie zwang ihn nieder so lange, bis er zwar etwas ungern aber doch freiwillig zu ihr kam. Die Hauptschule besuchte er in seinem Heimatort, wo er ein mittelmässiger Schüler war - mit leichtem Disgrammatismus. Und ich denke das ist für einen Autisten eine tolle Leistung. Er begann eine Elektrikerlehre, machte mit 17 die Fahrprüfung und machte vor zwei Jahren die Gesellenprüfung, die er mit gutem Erfolg abschloss. Er absolvierte das Bundesheer und arbeitet jetzt in einer Elektrofirma wo er recht gut verdient. Natürlich hat ihn auch sein Bruder sehr unterstützt, lernte mit ihm für Schularbeiten , übte mit ihm Vorstellungsgespräche und sie habens geschafft aus dem Buben ein sozusagen " vollwertiges Mitglied der Gesellschaft" zu machen. Was meine Freundin auch getan hat - sie hats wohl richtig gemacht und es war hart für sie - sie ging oft bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Sie erlitt mit 47 einen Schlaganfall und machte dann noch einen Lehrgang für Altenpflegerin, ein Beruf den sie über alles liebt und vor einigen Monaten wurde sie Betriebssrätin - wieder was woran sie grosse Freude hat, sie ist eine Gerechtigkeitsfanatikerin :-)
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wanda
antwortete am 09.08.05 (16:53):
@justitia,während meiner Berufszeit hatte ich mehrere autistische Kinder und sehr viele mit autistischen Zügen. Der Intelligenzgrad und auch die ganz besonderen Fähigkeiten waren sehr unterschiedlich. Wir hatten einen Jugendlichen, der nicht sprach, aber jede, ich betone j e d e Handschrift nachmachen konnte. Er schrieb auch damals schon in Plakatschrift, aber er hätte nie etwas eigenes geschrieben. Jeder dieser Menschen war ganz unterschiedlich, gemeinsam war der fehlende Augenkontakt, das Drehen von Gegenständen und oft auch das Festhalten an Gegenständen. Durch genaues Beobachten erschließt sich einem manches, ich würde die Person so annehmen, wie sie ist, erst lange danach wäre es möglich über evtl. Fähigkeiten nachzudenken. Nur einer dieser ganzen Autisten hat gelacht - es war ein Kind von 7-8 Jahren, ein Junge, der das Wasser liebte und schwimmen lernen konnte, im Wasser lachte er.
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Justitia
antwortete am 11.08.05 (15:22):
Dieses Buch von Selim habe ich schon gelesen und es ist sehr eindrücklich... es regt sehr zum nachdenken und zeigt einfach, dass man sehr viel Geduld mit Autisten und Autistinnen benötigt... Das ist ein Junge, der schreiben gelernt hat und dann von sich und seiner "inneren Welt" erzählt... er möchte nicht gefangen sein... Wir haben Klientinnen bei uns, die ein ungeheuer gutes Gedächtnis für Lieder haben, wenn ich was pfeife oder summe, dann singt die eine meistens mit... sie hat dann immer sehr freude und lacht... das wiederum freut mich und ist eine Bestätigung für mich, dass ich etwas richtig mache... Eine weitere Bewohnerin von uns kann schreiben und lesen und spielte mal ein Instrument... leider möchte sie nicht mehr schreiben... wäre schön, wenn ich ihr die Freude daran wieder geben könnte... Ich habe selber gemerkt, dass ich viel bewusster mit ihnen umgehe... mit mehr Geduld... anderen Worten... und ich wiederhole manchmal sechs Mal dasselbe, wenn eine davon unruhig ist, bis sie mir zuhört... gestern, da hatte ich ein super Erlebnis, denn morgens, als ich eine von ihnen geweckt hatte, fragte sie mich, ob sie duschen könne (normalerweise wäscht sie sich morgens und duscht abends). Ich war beinahe aus dem Häuschen!!! Denn gerade sie ist diejenige, bei welcher alles immer genau gleich strukturiert sein muss... so toll! Und das beste, ich fragte sie warum sie denn duschen wolle und dann nannte sie mir einen Grund, warum sie dies tun wolle... Solche Momente machen mich sehr glücklich und motivieren mich sehr, diese Arbeit weiter zu verfolgen und auszuführen... Es ist genau DER Job, den ich gesucht habe... man kann sagen, dass es mein Traumjob ist... einfach spitze!!! Was hattet ihr sonst noch für so Erlebnisse? Eure Beiträge waren toll, vielen Dank!
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mart
antwortete am 11.08.05 (15:54):
Ich freue mich mit dir, daß du das gefunden hast, was du gerne tust und wo du vielen helfen kannst.
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wanda
antwortete am 11.08.05 (22:46):
natürlich könnte ich vieles erzählen - aber es würde den Rahmen hier sprengen - auch ich freue mich, dass Du, justitia, eine Dich ausfüllende und befriedigende Arbeit hast, die anderen zugute kommt.
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