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THEMA: Bildungsoffensive
12 Antwort(en).
kagula
begann die Diskussion am 02.01.07 (12:09) :
In seinerletzten Ansprache forderte der Bundespräsident verstärkte Anstrengungen um den Bildungsstandard in der Bundesrepublik weiter anzuheben. Nun will die Bildungsministerin Anette Schavan die Zahl der Schulabbrecher halbieren und die Wirtschaft klagt - wieder einmal - über mangelhaft ausgebildeten Nachwuchs. Die Provinzfürsten der Länder aber erheben wohlgemut Studiengebühren und selektieren damit schon mal diesen Nachwuchs. Wie passt das zusammen?
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Karl
antwortete am 02.01.07 (12:19):
Den Initiativen sind von der Fantasie keine Grenzen gesteckt. Im Rahmen der Bildungsinitiative sollen in Freiburg die Lehrer nun die von ihnen privat an der Schule angemieteten Stellplätze auch selber vom Schnee räumen. Die Stadt hat erkannt, dass sie bei geeigneter Initiative noch eine Menge an den Schulen sparen kann. Die meisten stehen ja noch. Der nächste Schritt zeichnet sich schon ab, Lehrer und Schüler freudig aufzufordern ihr Engagement auch dadurch zu zeigen, dass sie die wasserundichten Dächer selber reparieren. Wie heißt es doch so schön "Learning by doing".
[Vorsicht: Sarkasmus]
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kreuzkampus
antwortete am 02.01.07 (15:12):
Ich gestehe, dass ich das Gelabere von Herrn Köhler und den Politikern, die sich berufen fühlen, etwas zu solchen Themen sagen zu müssen, nicht mehr hören kann. Ich gehöre allerdings auch zu denen, die immer wieder mal (rethorisch) fragen, warum die Bildung in den ersten Jahrzehnten nach Gründung der Bundesrepublik funktioniert hat. Übrigens, Karl: Schon gelesen, dass die ersten Lehrer ein Büro in ihrer Schule verlangen, weil sie ihres zu Hause nicht mehr von der Steuer absetzen können? Passt zum Parkplatzschippen. Ich sage mal ganz profan: Scheissentwicklung! Ein Mosaiksteinchen kommt zum anderen, um die (hier: Bildungs)Stimmung zu verderben.
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Margit
antwortete am 02.01.07 (19:18):
Arbeitsplatz in der Schule?
Gern! Endlich zu Hause Platz und geregelte Arbeitszeiten.
Benötigt wird: Ein Raum, der während der ganzen Arbeitszeit zur Verfügung steht mit 1 Schreibtisch (mindestens 1,20 m breit 0,80 m tief) mit abschließbaren Fächern (Hefte, Korrekturen, Klassenarbeiten, Gutachten, Beurteilungen); Schreibtischlampe, Platz für Computer mit Drucker und Scanner, Internetanschluss. Arbeitsstuhl (normentsprechend für Computerarbeitsplatz). Arbeitsmittel: Telefon, Hefter, Locher, Stifte, Folien, Papierkorb etc. Schränke für Anschauungsmaterialien, Archiv, Ordner, Unterrichtsvorbereitungen, Regale für Fachbücher (30 m).
Sicherlich habe ich da noch einiges vergessen.
Bisher in meiner Schule vorhandener "Arbeitsplatz": Tischanteil in Lehrerzimmer ung. 1 m breit, 0,50 m tief. Konzentriertes Arbeiten nicht möglich, da hier Gespräche (betr. Schüler, Klassen, Referendare, Absprachen für Unterrichtsplanung) stattfinden müssen - ein Konferenz- oder Pausenraum ist nicht vorhanden. Möglichkeit in Bibliothek zu arbeiten, etwa 10 Plätze vorhanden für über 60 ! Kollegen, 3 Rechner , 1 Kopierer, 1 Scanner (meist defekt), 1 Schwarzweiß- und 1 Farbdrucker (sehr oft defekt). Arbeitsplatz muss bei Verlassen jeweils völlig geräumt werden. Ich wäre völlig mit einem Arbeitsraum zufrieden, wie ihn z.B. mein Sachbearbeiter beim Finanzamt hat. Auch gegen eine Stechuhr für meine Arbeitszeit hätte ich keine Einwendungen - schon weil ich dann pünktlich aufhören könnte, die Wochenenden, an denen die Schule geschlossen ist, frei hätte und Überstunden bezahlt bekäme.
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Arno_Gebauer
antwortete am 02.01.07 (22:00):
Hallo, Forumsbeteiligte,
8% Schulabbrecher und noch mehr Sitzenbleiber kosten dem Steuerzahler eine Unmenge an Steuergelder. In der EU gibt es Länder mit deutlich weniger Schulversagern (Z. B. Finland).
für mich sind diese Ausbildungs-Mißstände ein Zeichen dafür, daß trotz der vielen durchgeführten Schul-Reformen unser Schulsystem weiter verbesserungbedürftig geblieben ist. Die Organisation der Schulen und die Lehrerausbildung an den Hochschulen sollten mal schnellstens überprüft werden! Da stinkt etwas gewaltig gegen den Himmel!
Viele Grüße Arno
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schorsch
antwortete am 03.01.07 (11:17):
Arno, ich glaube nicht, dass man schlüssig die Erfolgszahlen des einen Landes gegen diejenigen eines beliebigen anderen vergleichen kann. Genau so weinig, wie man die Durchfallquoten des einen Fahrprüfungsexperten mit denen eines anderen vergleichen kann. Es kommt auf die individuelle Messlatte des Experten oder des betreffenden Landes an.
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Arno_Gebauer
antwortete am 04.01.07 (09:04):
Hallo, schorsch,
Deine Ausführungen sind sicherlich richtig. Innerhalb der EU-Wirtschaftgemeinschaft sollte schon des offenen Arbeitsmarktes wegen eine für alle Länder gültige "Meßlatte" vereinbart werden. Eine in der BRD seit Jahrzehnten dauernd hohe Zahl an Schulversagern ist für mich ein eindeutiges Zeichen, daß am Kopf des Schulwesens und der Lehrerausbildung "viel faul" sein muß. Die Bildungsministerin Anette Schavan ist der Kopf ! Sie kann durch kompetentes Engagement sehr viel Steuergeld ersparen, wenn sie denn will.
Viele Grüße Arno
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mart
antwortete am 04.01.07 (09:35):
Arno,
gib eine Quote vor, z.B. 0,001 Promille Schulversager, und ich kann dir versprechen, daß bei entsprechendem politischen Wille diese in jeder Schule, auf jeder Fachhochschule und jeder Universität in jedem Land der EU und sogar weltweit erreicht wird - sogar innerhalb kürzester Zeit.
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schorsch
antwortete am 04.01.07 (10:58):
Die Crux ist doch, dass "der Staat" zwar eine grosse Menge gut Gebildeter haben muss, damit die Wirtschaft in Schwung bleibt. Der Staat - und die Arbeitgeber - brauchen aber auch eine ganze Menge "Ungebildeter", die wissen, dass sie mit ihrer Ungebildetheit keine grossen Ansprüche stellen dürfen. Diese sind es dann, die all die Arbeit tun, die die "Gebildeten" niemals verrichten würden. Im Falle von Arbeitslosigkeit wissen sich die "Gebildeten" meistens, einen akzeptablen Weg zu finden, der ihnen ein einigermassen angenehmes Weiterleben erlaubt. Die "Ungebildeten" aber kuschen, ziehen den Kopf ein und strecken sich nach der Decke.....
P.S.. Ich bin selber aus dem Sumpf gestiegen - und habe das nicht vergessen.
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mart
antwortete am 04.01.07 (12:06):
Willst du damit sagen, daß der Staat, d.h.die Schulen und Universitäten absichtlich Schulabrecher produzieren, um genügend "Ungebildete" auf dem Arbeitsmarkt zu haben?
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wiseman
antwortete am 15.01.07 (04:49):
No. XCVII. Verordnung, daß die Eltern ihre Kinder zur Schule, und die Prediger die Catechisationes, halten sollen; vom 28. Sept.1717.
In Gottes Gnaden Fridrich Wilhelm, König in Preussen, Marggraff zu Brandenburg, des Heil. Römischen Reichs Ertz-Cämmerer und Chur-fürst.
Wir vernehmen missfällig und wird verschiedentlich von denen Inspectoren und Predigern bey Uns geklaget, dass die Eltern, absonderlich auf dem Lande, in Schickung ihrer Kinder zur Schule sich sehr säumig erzeigen, und dadurch die arme Jugend in grosse Unwissenheit, so wohl was das lesen, schreiben und rechnen betrifft, als auch in denen zu ihrem Heyl und Seligkeit dienenden höchstnötigen Stücken auffwachsen laßen.
Weshalb wir umb diesem höchst verderblichen Uebel auff ein mahl abzuhelffen resolviret, dieses Unser General Edict ergehen zu laßen: und darinn allergnädigst und ernstlich zu verordnen, daß hinkünfftig an denen Orten wo Schulen seyn, die Eltern bey nachdrücklicher Straffe gehalten seyn sollen Ihre Kinder gegen Zwey Dreyer Wochentliches Schuel Geld von einem jeden Kinde, im Winter täglich und im Sommer wann die Eltern die Kinder den ihrer Wirthschafft benötiget seyn, zum wenigsten ein oder zweymahl die Woche, damit Sie das jenige, was im Winter erlernet worden, nicht gänßlich vergessen mögen, in die Schuel zu schicken.
Falß aber die Eltern das Vermögen nicht hätten; So wollen Wir daß solche Zwey Dreyer aus jeden Orts Allmosen bezahlet werden sollen. Dann wollen und befehlen Wir auch allergnädigst und ernstlich, daß hinführo die Prediger insonderheit auf dem Lande alle Sonntage Nachmittage die Catechesation mit ihren Gemeinden ohnfehlbar halten sollen; Wornach Ihr euch gehorsamst zu achten, diesen Unseren allergnädigsten Willen und Befehl gehöriger Orten zu publiciren, darüber Nachdrücklich zu halten, auch fisco auff zugeben habt, ein wachsames Auge zu haben und die Contravenienten zur Bestraffung anzuzeigen. Daran geschiehet Unser allergnädigster Wille, und Wir seynd Euch mit Gnaden gewogen. Geben Berlin den 28. Sept.1717.
Auff Sr. Königl. Majest. allergnädigsten Special-Befehl.
Diesselbe geistige Haltung hat die deutsche Beamtenschule noch heute!
wiseman
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wiseman
antwortete am 15.01.07 (04:59):
Was ich unter "Schulpflicht seit 1717" gepostet habe, soll nicht historischer Erbauungsunterricht sein. Vielmehr verbirgt sich dahinter bitterer Ernst. Wenn Ihr die preußische Verordnung als sprachliche Stilblüte belächelt, lest bitte einmal "moderne" Schulgesetze und nehmt die Konflikte mit der Schulbürokratie wahr, über die engagierte "aufmüpfige" Eltern berichten können.
In den letzten 300 Jahren hat sich an den Grundforderungen (der Obrigkeit) wenig geändert:
Schüler sollen nicht selbständig, sondern gleichförmig denken; sonst sind es schlechte Untertan. Schüler sollen nicht fragen, sondern die richtigen Antworten auswendig lernen. Schüler sollen nicht spontan sein, sondern Impulskontrolle beherrschen, um gehorsam zu sein - am Arbeitsplatz und in der allgemeinen Wehrpflicht.
Vor 300 Jahren hatte man Angst vor dem landbesitzlosen Lumpenproletariat - deswegen schulte man es in Industrieschulen für den Einsatz an modernen Webstühlen - heute drangsaliert man Hartz IV - Empfänger mit Computerkursen.
Unser drei-gliedrigen Schulsystem soll Schüler für die verschiedenen Verwendungszwecke aussieben, falls man Arbeitskräfte braucht. Dies ist mein bitterer, über Jahre bestätigter Ernst!
Auch wenn kein Einzelmensch das Schüttelsiebsystem persönlich erfunden hat. Es funtioniert!
Schaut, was in unserem normalen Schulsystem mit jemandem passiert, der nicht wenigstens in eine der drei Schubladen (Typ Handwerker, Künstler, Akademiker) paßt...
Bevor ihr darauf wartet, daß das Schulsystem mit überfüllten Klassen, leeren Kassen und genervten Lehrern sich ändert, überlegt lieber mit Euren Kindern, in welchen Marktnischen sie zufrieden leben können.
Übrigens: die Globalisierung hat schon mit Kolumbus, Vespucci und anderen begonnen ...
wiseman
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Peter101
antwortete am 21.01.07 (11:55):
https://www.youtube.com/watch?v=526ljyfB3IA 14.01.2007 (Brandenburg) https://youtube.com/watch?v=4hgJRMYqPfs 19.01.2007 (Harzileinvideo!!) https://youtube.com/watch?v=YC7zEgw-tsk 19.01.2007 ( 19.01.2007 (Grundeinkommen in der Diskussion Teil 1 alle Teile) https://www.youtube.com/watch?v=hnjwfz8etKg 19.01.2007 (Zwangsumzüge Notrufnummer) https://www.youtube.com/watch?v=7GQGThoITVc 19.01.2007 (Arbeitslos und Spass dabei) https://www.zeit.de/2005/27/P-Bartels
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