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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Der "Rechtsruck" ist auch nicht mehr das, was er mal war

 57 Antwort(en).

Gevatter begann die Diskussion am 26.03.06 (19:03) :

Die heutige Wahl in S-A brachte die historisch niedrigste Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen in der BRD hervor. Knapp 45% ließen böses ahnen, besonders im Hinblick auf ein erstarken der sogenanntten "politischen Ränder".
Aber was war?! Nichts dergleichen. Die DVU dümpelt auch nach der zweiten Hochrechnung bei rund 3%, der befürchtete/erwünschte Rechtsruck blieb aus. Was lehrt uns das? Die ewig beschworene Korrelation: Niedrige Wahlbeteiligung = viel rechts/links gilt nicht mehr. Keine Basis, keine Stimmen. Punkt.

Gevatter


 lobelia antwortete am 26.03.06 (19:54):

Wenn nur 45% zur Wahl gehen, heißt das 55% haben die Nase voll und glauben nicht mehr an die Politik?????---------------


 Gevatter antwortete am 26.03.06 (22:09):

LOBELIA:
"Wenn nur 45% zur Wahl gehen, heißt das 55% haben die Nase voll und glauben nicht mehr an die Politik?????---------------"

Ja, dass heißt es. Und auch vollkommen zu recht.
Die Nachrichten vom Niveau Tagesschau/Tagesthemen begründen dies regelmäßig mit gutem/schlechten Wetter oder auch heute wahlweise mal mit der Umstellung auf Sommerzeit...

Gevatter


 seewolf antwortete am 27.03.06 (02:03):

"Nase voll von Politik" ist DER Freibrief für diejenigen, die an das unmündige Volk glauben. Sie werden am Ende legitim die Mehrheit haben.


 schorsch antwortete am 27.03.06 (09:09):

Wahlbeteiligung hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ich nenn nur ein paar mögliche:

- Keine Zeit/etwas Besseres vor/muss arbeiten;

- kein Interesse/verstehe ja eh nix von Politik;

- die machen ja doch was sie wollen;

- ist ja alles wie gehupft oder gesprungen/die sagen und machen doch immer alles anders als versprochen.


 Medea. antwortete am 27.03.06 (13:26):

Das sehe ich ebenso, Seewolf;

Und dann wird das Geschrei groß sein; diese Wahlverweigerer schaden sich (und auch den anderen) auf Dauer gesehen am meisten.

Aber diese Diskussion hatten wir ja bereits - hier gab es ja auch einige user, die vehement zur Wahlverweigerung aufriefen. Das greift zu kurz. Geht aber in viele Köpfe nicht herein ........


 Dunkelgraf antwortete am 27.03.06 (17:23):

Ich komme noch einmal auf die undemokratische 5%-Klausel zurück. Da gab es in Sachsen-Anhalt einen Stimmzettel mit ca. 20 Parteien. Man kann sagen, für jeden politischen Geschmack war etwas dabei. So mancher, eigentlich fast alle, könnten eine Partei wählen, die sie für gut und richtig halten. Wenn man aber mit 99-prozentiger Gewissheit weiß, daß eine neue, arme oder unbekannte Partei sowieso nicht aufs Trapez kommt, so kann man sich diesen nutzlosen Weg zum Wahllokal eben sparen. Es gehen die hin, die sich an dem Palaver der etablierten Parteien erfreuen. Ich würde noch Verständnis haben, wenn sie sich wirklich mit harten Bandagen im Parlament bekämpfen würden. Aber das Beispiel der Großen Koalition zeigt doch, daß es ihnen nur darum geht, unter sich zu bleiben.
Ich plädiere nach wie vor dafür, daß die Abgeordneten in den Parlamenten tatsächlich den Wahlprozenten entsprechen. Ein bunteres Spektrum würde zu einer Belebung des politischen Lebens beitragen.


 schorsch antwortete am 27.03.06 (17:35):

Würde man jeder Partei Deutschlands das Recht zusprechen, mit mindestens 1 Kandidaten in der Regierung vertreten zu sein, gäbe es in D wohl um die 100`000 Parteien!


 Dunkelgraf antwortete am 27.03.06 (17:45):

Schorsch,
na und? Aber du übertreibst mit 100 000.
Der Bundestag hat z.B. 600 Abgeordnete. Es käme also nur einer von maximal 600 Parteien ins Parlament. Würde eine Partei 0,17% der Wählerstimmen erringen, hätte sie einen Abgeordneten drin. Da würde es wieder Spaß machen zur Wahl zu gehen.
Wie weit kann man eigentlich die Wahlbeteiligung noch absacken lassen? Irgendwann werden nur noch die Kandidaten sich selber wählen.


 radefeld antwortete am 27.03.06 (19:54):

Es fehlen doch nicht die Parteien, es fehlen die Wähler. Eine interessante Beobachtung möchte ich aber mal hier zum Besten geben: Gerade die, die sich in einer Unterhaltung anfangs lautstark ihrer Wahlenthaltung rühmen, sind dann die, die am lautesten über Politik schwadronieren. Meinem Argument, dass sie schließlich unter den zahllosen Parteien auf dem Stimmzettel sicher auch eine ihnen genehme gefunden hätten, wussten sie meist nichts entgegen zu setzen.
Es ist nun einmal so: Demokratie ist auch nur eine Form der Diktatur: Aber eben die der MEHRHEIT über die MINDERHEIT und nicht umgekehrt, wie in der echten Diktatur. Das passt naturgemäß nicht denjenigen, die glauben, aber eben NUR das, eine Mehrheit zu stellen. Sie waren das jahrzehntelang so gewohnt (in der DDR).


 Gevatter antwortete am 27.03.06 (20:45):

Also ich wäre nicht so borniert, jemandem das Recht des Mitredens abzusprechen, nur weil dieser nicht zur Wahl ging.
Und weswegen sollte jemand, dem keiner der Kandidaten zusagt, das kleinere Übel wählen müssen?

Gevatter


 seewolf antwortete am 27.03.06 (23:13):

Mehrheiten....

Wenn die Wahlbeteiligung bei 40 % der Wahlberechtigten läge - und es käme zu einer Regierungsbildung mit zusammengerechnet 49 % der Stimmen, so wäre diese parlamentarische "Mehrheit" eine auf der Basis von 19,6 % der möglichen Stimmen.

Bleibt weiterhin weg von Wahlen - und bald regieren 20 % die anderen 80 % mit. Glaubt einer allen Ernstes, daß die lethargischen 80 % dann einen Aufstand machen?!


 radefeld antwortete am 28.03.06 (06:42):

@seewolf
Das glaube ich auch nicht. Und eben deshalb gefällt mir deren Gelaber nicht. Die hätten doch WÄHLEN können. Einerseits sich über zu viele Parteien beschweren, andererseits aber keine Wahl zu treffen, zeugt doch wohl von geistiger Bequemlichkeit.
Sicher, es ist schwerer allein in der Wahlkabine eine Entscheidung zu finden, als sich mit einer grölenden Masse irgendwo zu angeblichen oder eingebildeten Missständen zu artikulieren.
Sprich: Der Herdentrieb kommt bei unserern geheimen Wahlen nicht zum Zuge. Dieses Manko wussten die DDR-Oberen geschickt zu umgehen und ließen die Menschen "geschlossen" zur Wahl gehen und ihre Stimme OFFEN abgeben.
Den Rechten hat die geringe Wahlbeteiligung jedenfalls auch nicht geholfen. Die suchen ihr Heil und vor allem ihre Präsenz lieber in der Masse verdummter Anhänger und Mitläufer auf Demos und Aufmärschen als in geheimen Wahlwn.


 Medea. antwortete am 28.03.06 (07:23):

Stimme Euch beiden total zu - es ist auch meine Betrachtungsweise der Vorgänge. Nichtwähler können dem System mehr schaden als nutzen, das sollte schon in Betracht gezogen werden.


 rolf antwortete am 28.03.06 (09:28):

Zum Teil kann der Abschied von Wählen auch daran liegen, daß wir gar keine echte Wahl haben.
Wir können doch nur aus denen auswählen, die sich um ihre Partei "verdient" gemacht haben und daher auf sichere Plätze gesetzt wurden.
Eine Direktwahl der Abgeordneten, ohne Zweitstimmen, würde die Zahl der Abgeordneten mehr als halbieren, da auch die Überhangmandate wegfielen.
Außerdem müsste der gewählte sich auch stärker für die Interessen seines Wahlkreises bemühen, da er sonst nicht wiedergewählt würde.
Aufstellung als Belohnung für gute Parteiarbeit würde damit stark eingeschränkt.


 eko antwortete am 28.03.06 (12:54):

Ein Staat muss regierbar bleiben! Darüber können wir uns doch wohl einig sein.

Würde man die 5%Hürde fallen lassen, kämen wir sehr bald in die Nähe der Unregierbarkeit.

Was soll das denn nützen, wenn jeder Fuzzi seine eigene Partei gründen kann und dann beim Regieren nur dann mitmacht, wenn seine eigenen egoistischen Ziele auch mit berücksichtigt werden? Da käme doch niemals eine funktionsfähige Regierung zustande.

Und dann sollte man sich eben auch damit abfinden, dass nicht jede persönliche Auffassung und politische Meinung in einem Staat mit 80 Millionen Einwohnern zum Tragen kommen kann. Sonst kämen wir ja nie zu einem Ergebnis.

Weiter oben wird geschrieben, Demokratie sei "die Diktatur der Mehrheit". Ja so kann man es auch sehen. Na gut, dann schaffen wir eben die Regierungen ab und leben ohne sie, mal sehen, wie weit wir dann kommen.

Das Problem, das wir haben, liegt daran, dass sich keiner mehr damit abfinden will, dass seine eigene Meinung, und sei sie noch so verschroben, keine Berücksichtigung findet. Da fehlt ganz einfach die Einsicht, dass man nicht alles haben kann und es kein Beinbruch ist, wenn die Partei am Ruder ist, die einem nicht so ganz gefällt.


 Gevatter antwortete am 28.03.06 (20:07):

Was mir an den Beiträgen einiger Vorredner, wie RADEFELD oder MEDEA nicht gefällt, ist die Absolutheit der Verdammung sämtlicher Bürger, die den Wahlen fern bleiben. Unreflektiert wird denen vorgeworfen, sie würden aus niederen Gründen ihre Stimme für sich behalten, und das Kreuze-machen ablehnen. Den Tiefpunkt dieser oberflächlichen Argumentation lieferte RADEFELD mit:

"Sicher, es ist schwerer allein in der Wahlkabine eine Entscheidung zu finden, als sich mit einer grölenden Masse irgendwo zu angeblichen oder eingebildeten Missständen zu artikulieren."

Aha, alles klar. Wer nicht mehr mitmacht bei Wahlen, weil er den Sinn nicht mehr dort sieht, wo er ihn einst vermutete, der wird mal einfach so hoppla-fix für dumpf und tumb erklärt. Weißt Du eigentlich, RADEFELD, dass Du mit dieser Herangehensweise dem Denken der SED-Bonzen weitaus näher bist, als Du Dir vorstellen kannst? Freien Bürgern mit einer freien Meinung muss es auch gestattet sein, diese Meinung zu vertreten. Wenn sie also der Meinung sind, dass sie, aus welchen verschiedenen Gründen auch immer, ihr Wahlrecht nicht in Anspruch nehmen möchten, dann muss man ihnen das zum Teufel auch zugestehen. Wo leben wir denn?
Du leitest die niedrige Wahlbeteiligung im Osten und das Desinteresse an demokratischen Wahlen generell aus der DDR-Vergangenheit ab. Mal 'ne kleine Zwischenfrage. Bei den ersten demokratischen Wahlen nach der Wende am 18. März 1990 lag die Wahlbeteiligung im Osten bei über 93%. Seither ging sie kontinuierlich zurück, bis auf 44% letzten Sonntag in S-A. Liegen die Ursachen dafür in der DDR-Vergangeheit oder vielleicht doch in der erlebten "Demokratie" Marke Bundesrepublik?
Was meinst Du?

Gevatter


 rolf antwortete am 28.03.06 (20:07):

eko,
ich meine, auch wenn 100 Parteien im Parlament vertreten sind, müssen die, die die Mehrheit haben, sich Partner suchen, um eine Regierung zu bilden, der Rest ist Opposition.
Im Prinzip ändert sich nichts.
Allerdings könnte der, im Grundgesetz garnicht vorgesehene, Fraktionszwang dabei auf der Strecke bleiben, was bestimmt kein Nachteil wäre.
Die Abgeordneten sind doch "nur dem Gesetz und ihrem Gewissen" verantwortlich.


 eko antwortete am 28.03.06 (21:05):

@ Gevatter:
Ich bin nicht radefelds Meinung über diejenigen, die nicht zur Wahl gehen bezw. gingen.

Die Wahlenthaltungen der Ostdeutschen resultiert m.E. aus falschen und somit enttäuschten Erwartungen. Man nimmt den Niedergang der ostdeutschen Wirtschaft mit allen seinen Begleiterscheinungen, vor allen Dingen der Arbeitslosigkeit, übel und meint nun, der Politik, womit ja westdeutsche Poltik gemeint ist, die Misere in die Schuhe schieben zu können. Und weil man sich ja sonst nicht artikulieren kann,, macht man das, was in dieser Situation eben möglich ist: Man verweigert sich und boykottiert die Wahl.

Menschlich verständlich, aber mit fatalen Folgen, denn man arbeitet jenen zu, die halt aktiver in ihrer Wahlbeteiligung sind und somit eine höhere Stimmenzahl erreichen, wie wenn mehr Leute an die Urnen gehen und ihre Stimmen abgeben.

Demokratie ist nun mal ein schwieriges und mühsames Geschäft. Nur mit der Einstellung: "Die machen ja doch, was sie wollen" kommen wir nicht weiter. Und dann muss man sich eben auch irgendwann einmal damit abfinden, wenn die politische Entwicklung anders verläuft wie man sie sich wünscht. Da hat ja doch jeder sowieso andere Vorstellungen davon und dann fragt es sich, wie man das unter einen Hut bringen soll.


 Gevatter antwortete am 28.03.06 (21:29):

Was meinst Du, EKO, würde es eine andere Politik in S-A geben, wenn am letzten Wochenende statt 44% zur Abwechslung mal 100% zur Wahl gegangen wären? ī

Gevatter


 seewolf antwortete am 28.03.06 (23:18):

Wenn diejenigen, die den Politikern ihren Unwillen über die Politik zeigen wollen und keine geeignet erscheinende Oppositionspartei finden, ihre Stimme als "Ungültig" (gemacht) abgäben, so hätten alle Politiker allen Anlaß, in's Grübeln zu kommen.

Die Nicht-Abgabe vieler Stimmen erlaubt es ihnen, von schlichtem Desinteresse bzw. reiner Bequemlichkeit erheblicher Teile der Bevölkerung auszugehen und infolgedessen nichts weiter zu überlegen.


 eko antwortete am 28.03.06 (23:25):

@ Gevatter:

Die "andere Politik" ist ja in der Regel das, was sich der Einzelne so wünscht. Und bei soundsoviel unterschiedlichen Wünschen und Vorstellungen wirds halt auch soundsoviele Enttäuschungen dann geben, wenn der eigene Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist.

Ich sehe das Heil nicht darin, unisono und beständig nur auf die Politiker dreinzuschlagen, damit kann nichts erreicht werden.

In erster Linie sollten wir mal aufhören, beständig über die Politik herzufallen und alle Politiker für doof und unfähig zu halten. Das bringt uns keinen Millimeter weiter. Was ein Politiker in ein Mikrofon spricht, daran kann man ihn nicht immer messen.

Ich wollte das nicht tun, täglich wird einem ein Mikro vor die Klappe gehalten, werden doofe Fragen oder Fallen gestellt und jedes Mal soll man dann staatsmännisch gescheite Antworten geben und wehe, man ist mal nicht so gut drauf und labert, dann wird sofort über einen hergefallen.

Ich denke, man darf die Schuld nicht nur bei den Politikern suchen, sondern auch bei denen, die über sie herfallen, die sie in den Medien schlecht aussehen lassen, um sich dann ins Fäustchen lachen zu können, dass sie den oder jene hereingelegt haben. Der Wähler sieht nur das, was sich vor den Mikrofonen und Kameras abspielt, was dabei hinter den Kulissen vorgeht, davon will niemand etwas wissen. Das ist das mühsame und oft frustrierende am Politikerleben.

Ich wollte so einen Scheißjob nicht machen, da würde mich auch das Geld nicht locken können.

Und zu der 100% Wahlbeteiligung? Na, dann wüsste man wenigstens, dass das Ergebnis auch tatsächlich dem Wählerwillen entspricht. So einfach ist das!


 radefeld antwortete am 29.03.06 (06:19):

Es ist schon jedermanns eigene Sache, ob er wählen geht oder nicht. Ich will auch keine WAHLPFLICHT, wie wir in der DDR das ja schon einmal hatten, Gevatter. Hast mich da wohl falsch verstanden. Aber ebenso, wie Du den Nichtwählern die Brücke vertrittst, erlaube mir doch bitte auch, zu deren Verhalten eine eigene, sicher nicht allen genehme Meinung zu haben, und die auch zu vertreten.
Übrigens ist es wohl richtig, was ECO zum Stimmgewicht meint: Die Nichtwähler erhöhen das Stimmgewicht jedes WÄHLERS. Im vorliegendem Fall von S-A auf über das Doppelte. Ob das die Nichtwähler auch so sehen und wollen?
Bei 100% Wahlbeteiligung hätte das Ergebnis vermutlich wirklich anders ausgesehen.


 Gevatter antwortete am 29.03.06 (10:29):

EKO:
"Und zu der 100% Wahlbeteiligung? Na, dann wüsste man wenigstens, dass das Ergebnis auch tatsächlich dem Wählerwillen entspricht. So einfach ist das!"

Auf den ersten Blick mag das ja stimmen, also was das Ergebnis betrifft. Entscheidend aber ist doch, was die Gewählten nach der Wahl mit diesem Votum anstellen. Denn was die große Koalition in Berlin derzeit so verzapft, kann ja unmöglich im Interesse der SPD- und CDU-Wähler sein.

MEDEA:
"Nichtwähler können dem System mehr schaden als nutzen, das sollte schon in Betracht gezogen werden."

Aber auch demokratische Wahlen können dem System mehr schaden, als man zunächst glauben mag, das lehrt die Historie.

RADEFELD:

" Ich will auch keine WAHLPFLICHT, wie wir in der DDR das ja schon einmal hatten,..."

Es gab meines Wissens nach keine Wahlpflicht in der DDR, im Gegensatz zu Österreich und Belgien bspw.

Gevatter


 radefeld antwortete am 29.03.06 (12:48):


@gevatter
Eine gesetzliche Wahlpflicht gab es wirklich nicht. Die andere, die gesellschaftrliche, war bei weitem stärker untersetzt. Wer hätte sich schon getraut, im "Kollektiv" zuzugeben, dass er nicht gewählt hat? Die Abstrafmethoden waren dementspechend spezieller. Das ging los bei der Vergabe von Ferienplätzen und endete noch lange nicht mit der "Zurückstellung" bei anstehenden Beförderungen und Auszeichnungen.
Ich vermute, Du kennst das.


 mart antwortete am 29.03.06 (14:12):

In Österreich gab es nur für die Wahl des Bundespräsidenten eine Wahlpflicht - deren Nichtbefolgung allerdings keinerlei Konsequenzen hatte.

Bei Nationalratswahlen und Wahlen der Landesregierungen gab und gibt es keine Wahlpflicht; trotzdem liegt die Wahlbeteiligung bei Nationalratswahlen bei über 90% - vielleicht haben die Leute hier auf Grund der Vergangenheit diese Lehre gezogen: "Nichtwählen kann nur kleinen und meist radikalen Gruppen nützen".


 Gevatter antwortete am 29.03.06 (15:00):

@ RADEFELD:

Im allgemeinen kann ich Deiner obigen Einschätzung zustimmen. Ich selbst habe in den frühen 80-ern, als ich noch in der SED war, Wahlbenachrichtigungskarten in unserem Wohnbezirk verteilen müssen. Die wurden ja stets persönlich überreicht, keiner konnte also hinterher behaupten, nicht zur Wahl eingeladen worden zu sein. *ggg*.
Es gab eine Reihe von Bürgern, die brauchten nicht zur Wahl zu gehen. Das betraf z. B. die Ausreiseantragsteller, und das waren bekanntlich Hunderttausende.
Fakt ist doch aber auch, dass wohl kaum einer dieser "Wahl" irgendeine besondere Bedeutung beigemessen hat. Da ging man eben hin, faltete den Zettel, schnippte ihn in die Urne und fertig. Auf`m Solibasar noch schnell `n Stück Kuchen genascht, und ab ging`s nach Hause. Und nach Möglichkeit den Fernseher an diesem Tag nicht einschalten.
Die Bonzen taten vor anstehenden Wahlen alles, um Missstände aus dem Weg zu räumen, damit das Volk milde gestimmt wurde. Das ging sogar dann soweit, dass der Gang zur Wahl mit gewissen Forderungen anīden Staat verknüpft wurden. Ein Arbeitskollege bspw. sagte unserem Betriebsleiter klipp und klar: "Wenn ich bis zum Frühjahr nicht das bestellte Material für meine Garage bekomme, geh ich nicht zur Wahl!" Sowas gab`s auch. Aber wie gesagt, die große Mehrheit hat dieses Ritual eben mitgemacht.

Gevatter


 eko antwortete am 29.03.06 (16:00):

Eine gesetzlich geregelte "Wahlpflicht" gibts natürlich in Deutschland nicht, wohl aber den Slogan:

"Wahlrecht ist Wahlpflicht".

@ Gevatter:

Ich kann ja verstehen, dass Du auf Grund Deiner Herkunft einen anderen Blickwinkel hast und gerne hättest, dass in Berlin andere Parteien am Ruder wären. Ich fürchte nur, dass, wenn die im Osten so sehr hofierte "Linke" was zu sagen hätte, wir sehr schnell weg vom Fenster wären oder glaubst Du wirklich, die könnten die Sozialprobleme lösen?

Mir wäre es auch lieber, man könnte jedem Bedürftigen einen oder mehrere "Hunni" in die Hand drücken, aber wo nix ist, hat selbst der Kaiser ( alter Spruch) das Recht verloren. Wir können derzeit keine von den Linken herbeigeträumten Wohltaten verteilen, weil nix da ist und jetzt brauchst Du mir nicht gleich mit dem Schlagwort der "Umverteilung" zu kommen. Irgendwo ist das Hemd immer zu kurz.


 Dunkelgraf antwortete am 29.03.06 (16:13):

eko,
es geht nicht um "Wohltaten zu verteilen" oder "jedem Bedürftigen Hunnis in die Hand zu drücken".
Es geht darum, daß jeder ein Recht auf Arbeit hat. Und wenn keine Arbeitsplätze da sind, dann hat die Politik, der Staat, die Aufgabe, diese zu schaffen, und sich nicht aus der Verantwortung zu stehlen, den Schwarzen Peter der Wirtschaft zuzuschieben. Notfalls muß eben wieder verstaatlicht werden. Wir hatten das alles, Post, Telekom, Lufthansa, Deutsche Bahn, usw. ... alles Staatbetriebe. Man hat sie privatisiert. Die Privaten haben sich in die Taschen gewirtschaftet und Beschäftigte radikal reduziert. Sie haben also ihre Bewährung nicht bestanden. Also wieder zurück!
Wo leben wir denn, daß die Politik am Gängelband der Wirtschaft rumhampelt. Umgekehrt ist es richtig.


 Gevatter antwortete am 29.03.06 (16:25):

Der GEVATTER, lieber EKO, ist weder rechts noch links, er gehört zu der sturen Meute der sog. "Ungültigwähler". Ruhigen Gewissens könnte er bei keiner Partei ein Kreuz machen. Sein heutiges Wahlverhalten hat mit seiner Herkunft rein gar nichts zu tun. Lass doch diese albern-billige Polemik deshalb beiseite. Warum nur könnt ihr Kritik an diesem System nicht ertragen? Und diese Wahl-Kasperei hat nunmal Kritik und Protest ehrlich verdient.

Gevatter


 eko antwortete am 29.03.06 (21:41):

"Es geht darum, daß jeder ein Recht auf Arbeit hat. Und wenn keine Arbeitsplätze da sind, dann hat die Politik, der Staat, die Aufgabe, diese zu schaffen."

für mich typische Sozialisteneinstellung!

Politiker haben Politik zu betreiben, sie sind nicht dazu da, Arbeitsplätze zu beschaffen.

Solche Vorstellungen sind reine Traumtänzerei!

Soll die Kanzlerin vielleicht zu einem x-beliebigen Unternehmer gehen und ihm sagen, dass er gefälligst Leute einzustellen hat, oder was ?

Wir haben nun mal eine freie Marktwirtschaft, die sollte zwar auch sozial sein, aber das ist in den letzten Jahren etwas unter die Räder geraten, zugegeben. Aber deshalb wieder staatlich gelenkte Betriebe machen? Wie soll das denn gehen? Und dann Produkte erzeugen, die kein Mensch kaufen will, weil sie viel zu teuer sind, der Lohnkosten wegen?

Ich sag ja, reine und pure Traumtänzerei, eigentlich nicht wert, dass man dazu auch nur ein einziges Wort verliert.

"Ungültigwähler"??????????

Und dann die Klappe aufreißen wollen und meckern???

Na, das hat uns grade noch gefehlt. Wer nicht wählen geht, hat auch kein Recht, Kritik zu üben. So einfach ist das! Mit ruhigem Gewissen hat das nix zu tun. Man kanns auch übertreiben!

Übrigens: Der eko hat nicht immer Recht und beansprucht dieses Recht auch nicht für sich allein, also nicht gleich wieder dreinschlagen. Aber der eko sagt, was er denkt und denkt, was er sagt. So ist er eben (;-))


 Gevatter antwortete am 29.03.06 (21:48):

EKO:

""Ungültigwähler"??????????
Und dann die Klappe aufreißen wollen und meckern???"

Ja genau!
Und ich sag Dir auch, warum, Du kleiner Schreihals.
Denn DIES ist immer noch MEIN Land. Und da muss keiner die Fresse halten.

Gevatter


 Dunkelgraf antwortete am 29.03.06 (22:33):

eko,
du nennst es "typische Sozialisteneinstellung und Traumtänzerei". Aber es gibt keine Alternative zur staatlichen Beschaffung von Arbeitsplätzen. Wir haben 5 Millionen offizielle Arbeitslose. Die Zahl sollten wir halten in Zukunft, das wäre wunderbar. Aber die werden wir nicht halten bei dieser Politik, es werden 6, 8, 10 Millionen werden. Das ist ganz logisch aufgrund der Globalisierung, der Rationalisierung innerhalb der Industrie, der fehlenden Kaufkraft. Und irgendwann kommen wir an den Punkt, da muß man sagen, die sogenannte "freie Marktwirtschaft" funktioniert nicht mehr, wir müssen das alles planen und staatlich regeln.


 matrix799 antwortete am 30.03.06 (03:26):

Hey,

also ich muss Seewolf voll und ganz recht geben

--- "Wenn diejenigen, die den Politikern ihren Unwillen über die Politik zeigen wollen und keine geeignet erscheinende Oppositionspartei finden, ihre Stimme als "Ungültig" (gemacht) abgäben, so hätten alle Politiker allen Anlaß, in's Grübeln zu kommen.

Die Nicht-Abgabe vieler Stimmen erlaubt es ihnen, von schlichtem Desinteresse bzw. reiner Bequemlichkeit erheblicher Teile der Bevölkerung auszugehen und infolgedessen nichts weiter zu überlegen."----

und wir sollten uns immer vor Augen halten das dieses Recht (wählen zu dürfen) uns nicht seit Anbeginn der Zeit zur Verfügung steht, sondern das andere Menschen vor uns hart und schwer dafür gekämpft haben.

Tja und was die aktuelle Regierung betrifft naja, ich glaube nicht das die große Koalition das bringt was wir uns erhoffen.

Weil jede der beiden großen Parteien darauf bedacht ist, ihre Konzeptionen in die neuen Regelungen mit einfließen zu lassen um das Gesicht vor ihren Wählern nicht zu verlieren. Und was dabei heraus kommt hat man ja bei der Mehrwertsteuererhöhung gesehen. Die einen fordern 16% die andern 18%, also einigt man sich auf 19%, dass nenn ich doch mal eine Kompromisslösung :-)


 schorsch antwortete am 30.03.06 (11:20):

@ "...Politiker haben Politik zu betreiben, sie sind nicht dazu da, Arbeitsplätze zu beschaffen..."

Richtig. Es würde schon genügen, wenn sie mit ihrer Politik nicht noch dazu beitragen würden, dass Arbeitspätze eliminiert werden. In der Politik hat es zu viele Wirtschafts-Interessen-Vertreter, die mit ihrer Politik ihren Sponsoren nach dem Munde reden!


 eko antwortete am 30.03.06 (21:37):

dunkelgraf schreibt:

"Aber es gibt keine Alternative zur staatlichen Beschaffung von Arbeitsplätzen."

Das muss man mir erst einmal erklären, wie das zugehen soll, dass staatliche Instanzen - wer immer das auch sein mag - Arbeitsplätze beschaffen sollen. Vielleicht bin ich ja ein bisschen "unterbelichtet", aber da versagt mein Vorstellungsvermögen. Schließlich müssen Arbeitsplätze ja auch etwas erbringen.

Natürlich ist es eine schlimme Sache, wenn immer weniger Arbeitnehmer gebraucht werden, aber sollen/müssen wir deshalb wieder zur Kuli-Arbeit, sprich Handarbeit zurückkehren, damit jeder einen Arbeitsplatz hat? Sollen in den Autofabriken etwa wieder Schweisser eingesetzt werden, deren Arbeit hoch gesundheitsschädlich war? Oder wollen wir Steineklopfer haben, die unsere Straßen mit der Hand am Arm herstellen? Oder wo soll denn der Staat Arbeitsplätze beschaffen? Post, Bahn und Lufthansa können selbst dann, wenn man sie rückverstaatlichen würden, keine 5 Millionen Arbeitslose aufnehmen. Schließlich müssen diese Betriebe ja auch rentabel bleiben.

Ich finde, man sollte sich schon vorher überlegen, was man hier reinschreiben will. Nur mit ideologischen Worthülsen kommen wir da nicht weiter.


 seewolf antwortete am 30.03.06 (22:45):

Eko - vielleicht träumen manche von einem Arbeitsdienst in einer OM (Organisation Merkel) oder so - mit Schippe in der Hand bauen wir das Land neu auf :-)


 Dunkelgraf antwortete am 30.03.06 (22:55):

eko,
ganz im Gegenteil, der technische Fortschritt soll natürlich nicht rückgängig gemacht werden. Im Übrigen überlege ich mir schon vorher, was ich hier reinschreibe.
Dieser technische Fortschritt hat bewirkt, daß Arbeit leichter geworden ist, von fast allen bewältigt werden kann. Es kommt auf die richtige Organisation an. Und hier kann der Staat direkt und indirekt viel tun. Zum Beispiel kann er die Wochenarbeitszeit reduzieren und die Lebensarbeitszeit ebenso, und zwar bei Beibehaltung der Löhne und Gehälter sowie der Rentenansprüche. Und das geht natürlich zu machen, weil ja genug Arbeitskräfte da sind. Mit einem Schlag wären sämtliche Arbeitslose verschwunden. Es muß keine Arbeitslosen geben, weil man die vorhandende Arbeit immer auf sämtliche Arbeitsfähige aufteilen kann. Und das muß der Staat tun und die Konzerne und Betriebe dazu zwingen, es umzusetzen. Natürlich setzt das eine Einschränkung der Freizügigkeit des Kapitals voraus. (Nun höre ich wieder dein Geschrei über die Freiheit des Marktes.) Aber ansonsten brauchen wir den Staat nicht, wenn er nur Privilegien für das Kapital sichert.
Der Staat kann auch mit Einführung von Mindestlöhnen und Gehältern die Konzerne zwingen, im Lande zu bleiben. Das ginge zum Beispiel so, daß kein deutscher Konzern sowohl im Inland als auch im Ausland diese Mindestlöhne unterbieten darf. Dann würde sich eine Firma z.B. überlegen, ob er seine Firma nach Indien verlegt, wenn er dort die gleichen Löhne bezahlen muß wie hier im Lande.


 Claude antwortete am 30.03.06 (23:02):

Dunkelgraf antwortete am 30.03.06 (22:55):


ein echter dunkelgraf!!! oder Radeberg-Einstein, lache.
Claude


 seewolf antwortete am 30.03.06 (23:15):

Dunkelgraf - DANN würden die Importe gewaltig ansteigen und die Exporte gegen NULL gehen...


 mart antwortete am 31.03.06 (03:45):

......Mauer bauen....


 radefeld antwortete am 31.03.06 (06:57):

So wie das dunkelgraf möchte, geht es wohl wirklich nicht. Nur die Marktwirtschaft hat die drei "M" (Mangel, Mauer, Maulhalten) des DDR-Sozialismus überwindbar gemacht.
Richtig ist aber wohl, dass die noch vorhandene Arbeit GLEICHMÄSSIGER verteilt werden sollte. Z.B über den Abbau von Überstunden. Das ginge aber nur, wenn gleichzeitig die Kündigungsgesetze gelockert würden. Wer stellt denn Leute ein, wenn er sie dann, wenn die Auftragslage mal nicht so ist, nicht wieder los wird? Derzeit ist es schon so, dass Betriebe mit großen Aufträgen, wozu sie mehr Arbeitskräfte bräuchten, anschließend deswegen in die Insolvenz getrieben werden. So weit ist es gekommen! Das dürfen die Gewerkschaften ruhig auf ihre Fahnen schreiben.


 pilli antwortete am 31.03.06 (09:03):

und das ist es radefeld,

was ich den vertretern der gewerkschaft mal zu bedenken geben möchte:

was, ausser sich die taschen vollzustopfen, haben sie bewirkt, wenn nun der begriff "Tagelöhner" aus alten tagen wieder zeitgemäss wird?


 schorsch antwortete am 31.03.06 (09:43):

Das Frustrierendste für einen echten Arbeitslosen ist die Tatsache, nicht gebraucht zu werden, sondern der Allgemeinheit auf dem Säckel zu liegen. Man könnte also einfach sämtliche Arbeitlosen in die Beamtenschaft integrieren; dort fallen sie nicht auf, haben offiziell eine Beschäftigung und bekommen dafür Lohn. Dieser Lohn könnte aus dem genau gleichen Säckel genommen werden wie die Arbeitslosengelder. Diesen Säckel füllen ja so oder so die noch Arbeit Habenden.....


 Dunkelgraf antwortete am 31.03.06 (09:48):

radefeld,
wenn du über DDR-Sozialismus urteilen willst, dann mußt du schon etwas tiefer gehen als mit deinen klischeehaften drei "M"s. Leider wurden und werden die positive und negativen Lehren aus diesen 40 Jahren unserer deutschen Geschichte nicht gezogen. Das ist schade. In vielen Bereichen quält man sich heute, wie man Verbesserungen in Deutschland erzielt, die wir lange schon auf hohem Niveau hatte. Ich nenne nur Bildung, Erziehung, Kinderbetreuung, Gleichberechtigung der Frauen.
Und was dein Vorschlag "Abbau der Überstunden" betrifft, so habe ich da nichts dagegen, der ist gut, aber viel zu lasch und im Endeffekt allein nicht ausreichend. Ich habe in der Regelungstheorie gelernt, wenn eine Krise voraussehbar ist, so kann man nicht mit "Trippelschritten" dagegen angehen, sondern muß "volle Pulle" geben. Selbst wenn man zeitweise mal über das Ziel hinausschießt und wieder rücksteuern muß.


 Claude antwortete am 31.03.06 (09:58):

Dunkelgraf,
doch die Lehren wurden gezogen, denn die DDR-Bürger schufen ihren Staat ab.
Die positive Lehre ist dann das sie so einen Staat nicht wieder haben wollen.

Wenn es deiner Seele gut tut angeblich vorbildliche Dinge aufzuzählen bitte sehr! Nur dabei den Preis dafür nicht vergessen.
Claude


 radefeld antwortete am 31.03.06 (10:06):

Muss mich doch noch einmal hier zu Wort melden. Eigentlich nur, weil mir dunkelgraf vorwirft, mich nicht intensiv genug mit dem Scheitern des Sozialismus- und anderer Weltverbesserungsmodelle befasst zu haben.
Das schlicht ein IRRTUM, dunkelgraf!
Wenn Du nachlesen willst:

https://warum.here.de

Das ist für mich die Lehre und Abrechnung aus 40 aktiv und bewusst darin verbrachten Jahren meines Lebens.


 Dunkelgraf antwortete am 31.03.06 (10:30):

claude,
du solltest wissen, daß die Geschichte nicht vorbei ist. Solange es gesellschaftliche Widersprüche gibt, werden Staaten und Systeme kommen und vergehen. Es ist eine Art Versuch-und-Irrtums-Methode, um eine optimale Gesellschaftsform zu finden. Mit dem vorläufigen Untergang des Sozialismus und dem vermeintlichen Sieg des Kapitalismus ist die Entwicklung nicht zu Ende. Die Widersprüche sind innerhalb der letzten 15-20 Jahre nicht geringer geworden, sondern sie haben weltweit zugenommen. Und Veränderungen, sogar jähe Veränderungen sind vorprogrammiert. Schauen wir mal, wo die Reise hingeht.
und zu radefeld:
es geht nicht um Weltverbesserungsmodelle sondern um gesellschaftswissenschaftliche Erfahrungen, die man nicht einfach nach ersten Rückschlägen abstreifen kann. Deine Internetseite werde ich nachlesen, es ist sehr viel, aber ich werde es kritisch tun, verlaß dich drauf.


 pilli antwortete am 31.03.06 (10:54):

danke radefeld

für den hinweis auf deine überlegungen und nachdem ich nur kurz quergelesen habe, möchte ich schon jetzt behaupten:

harte kost für "ewig gestrige"!

aus dem Exposé:

...

"Bis jetzt hat noch keines der vielen Weltverbesserungsmodelle jemals seine Lebens- und Überlebensfähigkeit im großen, staatlichen Rahmen, also im Maástab 1:1, beweisen können.
In der vorliegenden Schrift werden die verschiedenen Seiten des im Sozialismus gelebten Lebens auf mögliche "Fehler" hin untersucht, um den Argumenten und Wunschvorstellungen einiger ewig Gestriger endgültig die Grundlagen zu nehmen. Denn es gibt sie tatsächlich, die, die aus der Geschichte und der Analyse des "Großversuches" immer noch nicht den Schluss gezogen haben, dass der Sozialismus/Kommunismus bestenfalls ein schöner Traum, keinesfalls aber ein wirklich tragfähiges Staatskonzept ist.
Und das eben nur im allerbesten Falle. In den Idealvorstellungen eines Jugendlichen. Und so, wie sich die Vorstellungen meist anders als geträumt realisierten, so wurde auch aus dem Autor vom begeisterten jugendlichen Anhänger der marxistischen Lehre ein zuerst zaghafter, später unduldsamer Kritiker.
Denn die Wirklichkeit war nicht so, wie die Programme. Sie war eher hart und nüchtern. Ein Wesenszug der sozialistischen Propaganda und Argumentation war ja eben auch deshalb und vor allem die Verschleierung und Verklärung der tatsächlichen Realitäten und ihrer wahren Ursachen.
Alle diese Überlegungen, sehr oft am konkreten Beispiel vorgeführt, sind der Inhalt des vorliegenden Buches."

...

da der webmaster die rubrik

"Autoren im Seniorentreff"

anbietet, könnte ich mir vorstellen, das eine dortige präsentation deines werkes weiteren interessierten, reichlich stoff bietet, weiterführende überlegungen zum modell Sozialismus anzustellen.


 eko antwortete am 31.03.06 (11:22):

@ dunkelgraf:

Träume ruhig Deinen Traum vom real existierenden Sozialismus weiter, ich wünsche Dir viel Freude dazu.

Aber sei Dir auch darüber im Klaren, dass der Sozialismus noch in keinem Land der Erde sich hat dauerhaft etablieren können. Wo er noch existiert, laufen ihm die Menschen haufenweise davon, sofern man sie überhaupt lässt.

Dass der Sozialismus ein totgeborenes Kind war, ist und bleibt, hat sich ja 1989 eindrucksvoll bewahrheitet, als die deutsch/deutsche Grenze fiel.

Nur, das musst Du Dir eben schon gefallen lassen, nämlich, dass man Leute wie Dich zu den ewig Gestrigen zählen wird, zu jenen, die träumen und leider nie aufwachen.

So, das war mein letzter, sehr persönlicher Eintrag zu diesem Thema.


 Claude antwortete am 31.03.06 (11:48):

Dunkelgraf,
in der Geschichte gibt es nichts endgültiges das stimmt, nur was du dir zurück wünschst ist vorbei. Egal was möglicherweise kommen wird gut oder schlecht das Kapitel DDR ist abgeschlossen. Klar ist auch das der Kapitalismus kontrolliert werden muß damit er nicht zuviel Schaden anrichtet, auch dabei gibt es ein hoch und runter, gab es schon immer. Aber hier in der BRD sind wir bis jetzt ganz gut damit gefahren, auch die ehemalige DDR ist gut damit gefahren wenn man den Blick auf die Lebensverhältnisse der ehemaligen Bruderstaaten richtet. Wie du siehst gehört es auch zum Leben auf der richtigen Seite zu sein.:-)Man hat es aber nicht immer in der Hand sich die richtige Seite auszusuchen. Träum deinen Traum von der gerechten Welt, die wird nicht kommen, aber jetzt für sich und das eigene Land das beste zu bekommen darauf kommt es an.
Claude


 Dunkelgraf antwortete am 31.03.06 (11:56):

pilli,
ich wollte eigentlich erst etwas zu radefeld äußern, wenn ich alles gelesen hab, aber da auch du schon ein (Vor)urteil fälltst, will ich auch meinen ersten Eindruck schreiben.
Ich finde es schade, daß so talentierte, intellektuelle und kulturell aktive Menschen wie radefeld politisch auf der falschen Seite stehen. Alle Achtung vor der schriftstellerischen Leistung hinsichtlich Fleiß und Stil. Aber deshalb muß eine subjektive Sicht, selbst wenn die für den einzelnen "wahr" ist, nicht die richtige sein.
Ich greife nur einen Punkt seiner Ausführungen heraus.
"MARX hatte die kapitalistische Wirtschaftsform und die Marktwirtschaft verteufelt.- Ohne zuerst einen konkreten Ersatz vorzusehen."
Wenn man so etwas falsches schreibt, zeugt es davon, daß keine wirklichen Kenntnisse über den Marxismus vorliegen.
Kein anderer hat die kapitalistische Wirtschaft so grundlegend studiert und auch gewürdigt wie Marx. Er hat sie als die fortschrittlichste Wirtschaftsform gekennzeichnet, die sich auf der Grundlage von Klassengegensätzen etwickeln konnte. Und er sagte auch, daß der Kapitalismus erst voll ausgebildet werden mußt, bevor man zum Sozialismus als nächst fortschrittliche Gesellschaftsform übergehen kann. Was als fehlender Ersatz genannt wird, ist genau das, was sich aus dem Kapitalismus nsch seiner Vollendung ergibt.
Auch Lenin wird falsch wiedergegeben. Er war ein "Verehrer" der deutschen Organisationsmethoden und Arbeitsdisziplin und der amerikanischen Technologie.
Was die Verwirklichung des realen Sozialismus betrifft, so konnte er sich aufgrund des feindlichen politischen Umfeldes (noch) nicht ausbilden. Ich räume ein, daß die Zeitpunkte der ersten sozialistischen Versuche verfrüht gewesen waren. Sie ergaben sich einfach aus den geschwächten Phasen des Kapitalismus nach dem ersten und zweiten Weltkrieg. Aber was sind 50 bin 100 Jahre in der gesellschaftlichen Entwicklung?
Der Kapitalismus hatte mehrere hundert Jahre Zeit und hat die grundlegenden Probleme der Menschheit bis heute nicht gelöst.
Und noch etwas,
pilli,
ich bin froh, daß ich nicht zu den "ewig gestrigen" gehöre.


 pilli antwortete am 31.03.06 (12:28):

ich zähle dich nicht zu den "ewig gestrigen" Graf

und wenn dem so sein wird, werde ich das persönlich an dich schreiben. :-)

deine art und weise...auch mit diskussions-gegnern...

argumente auszutauschen, zeigt mir doch, wie unverkrampft du...ohne zu verletzen und zu verallgemeinern, :-) dich zwischen den fronten bewegst? :-)

aber ich habe dir einmal beim chatten mitgeteilt, dass ich mit einer gewissen "Sehnsucht" auf der suche nach informationen bin, die menschen zu verstehen, die sich für dieser art Sozialismus einsetzen?

wie oft schrieb ich Mulde und hugo, das ich "verstehen" möchte, warum trotz heute besseren wissens ihre argumente so "verschönt" für mich klingen?

radefeld bietet mir jetzt eine möglichkeit dazu an und von daher meine...da gebe ich dir recht... vielleicht verfrühte positiv-meldung.

das ist tatsächlich stoff, der mehr zeit braucht und die werde ich mir heute nacht nehmen. :-)


 Dunkelgraf antwortete am 31.03.06 (12:54):

claude,
ich gebe dir völlig Recht, das Kapitel DDR ist ein für alle mal vorbei.
Aber das Kapitel Sozialismus ist noch lange nicht vorbei.
Ich halte es für eine "Träumerei" deinerseits, daß der Kapitalismus zu verbessern und zu kontrollieren ist.
Natürlich ging es den Menschen in der BRD eine ganze Zeitlang gut, weil ja ein Konkurrenzsystem vor der Haustür lag. Aber wie du siehst, kaum ist das weg seit 16 Jahren, da hat der Kapitalismus keine Scheu mehr, sämtliche Selbstbeschränkungen abzulegen. Wir haben jetzt schon fast den "totalen Kapitalismus", und der Prozeß ist noch nicht vorüber. Im verlogenen Sprachgebrauch nennt man das heute "Reformen". Natürlich sind das alles, Rentenreform, Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform, Bildungsreform keine wirklichen Reformen, sondern weitere finanzielle Belastungen der unteren Bevölkerungsschichten.
Du schreibst, "die ehemaligen DDR-Bürger sind ganz gut gefahren im Kapitalismus"? Da muß ich aber lachen. Bei den machtvollen Anti-Hartz-IV-Demonstrationen vor ca. 2 Jahren hatte ich einen sehr gegenteiligen Eindruck. Es gab noch nie so viel Arme im Osten wie heute. Aber das ist nicht das schlimmste ... sondern die soziale Isoliertheit.


 Dunkelgraf antwortete am 31.03.06 (13:26):

Pilli,
ich nehme deine "Nichtdazuzählung" wohlwollend zur Kenntnis.
:-) ;-)
naja, und ob der Stoff von radefeld die richtige Nachtlektüre für eine Frau ist???
Nichts gegen sein Online-Buch. Es ist eine gute Leistung, eine respektierwürdige Darlegung seiner subjektiven Sicht auf objektive Erscheinungen. Natürlich habe ich schon nach flüchiger Durchsicht in den Schlußfolgerungen fast immer andere Meinung, obwohl ich seine Erlebnisse nicht in Abrede stellen möchte.
Nur eins stört mich, wenn du sie als Nachtlektüre nutzt.
Besonders die Dinge, die man kurz vor dem Einschlafen liest, prägen sich besonders tief ein. Umso schwerer habe ich es dann, sie dir wieder im Bewußtsein verändern zu können.
;-))


 Claude antwortete am 31.03.06 (13:43):

pilli,
ich finde sehr wohl dass man dunkelgraf zu den ewig gestrigen zählen kann, er bewegt sich nicht zwischen den Fronten, er ist eine Front. Deswegen werde ich ihm immer widersprechen. Da sind wir halt nicht einer Meinung! :-))


Dunkelgraf,
nun es wäre ja auch denkbar gewesen das es trotz politischer Wende keine Vereinigung gegeben hätte, dann hätte man den richtigen Maßstab denke ich mal. Der Maßstab wäre Rumänin, Bulgarien, Slowakei usw.
Claude


 Dunkelgraf antwortete am 31.03.06 (14:01):

Claude,
ich gebe dir völlig Recht. Was Pilli da geschrieben hatte, daß ich mich zwischen den Fronten bewegen würde, hatte mich schon etwas gestört. Ich freue mich, daß du mich als Front anerkennst.
;-)
Was deine Beispiele von Rumänien, Bulgarien, Slowakei betrifft, nehme ich an, daß es der Mehrheit der Bevölkerung jetzt auch schlechter geht, als vor 16 Jahren. Von Bulgarien bin ich mir relativ sicher. Man darf da nicht so sehr die Anbiederungen zur EU-Aufnahme und die aufstrebenden Börsekurse sehen. Die beruhen einzig auf die niedrigen Lohnkosten, deren Ausnutzung ich für eine der größten Schweinereien des internationalen Kapitalismus halte.


 schorsch antwortete am 31.03.06 (17:43):

Sozialismus ist die älteste Form des Zusammenlebens. Der Mensch lebte zuerst in Clans oder Familiengruppen. In diesen konnte nur existieren, wer sich sozial verhielt.

Natürlich gab es auch seit Anbeginn des Zusammenlebens Führernaturen in diesen Clans. Sie gaben den Ton und die Gesetze an. Aber wenn sie sich nicht auch daran hielten, gab es Revolten. Und spätestens wenn der Führer alt und schwach war, wurde er entweder getötet oder verjagt.

Heute können die Führer der Menschen bis zu ihrem Lebensende - auch wenn sie altersschwach sind - den Ton angeben.....kraft ihres Geldes!