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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Gas als Waffe

 11 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 02.01.06 (17:08) :

Die Ukraine war unbotmässig. Der russische Lieblingskandidat wurde bei der rosaroten Revolution durch Viktor Juschtschenko verdrängt, nun spielt Russland die wirtschaftliche Karte. Ob dies klug ist, wage ich zu bezweifeln, denn schon hat unser Wirtschaftsminister - wie ich meine richtiger Weise - deutlich gemacht, dass Geschäfte mit unzuverlässigen Lieferanten nicht gewünscht sind, d. h. der Preis des russischen Gases dürfte langfristig eher sinken.

Vordergründig geht es bei dem Streit mit der Ukraine um einen marktgerechten Preis. Aber eine Erhöhung des Preises um den Faktor 5 kann nur bedeuten, dass die Russen vor der politischen Wende das Wohlverhalten des Regimes in der Ukraine belohnt haben und sie nun diesen Kredit kündigen. Es ist also ein Politikum. In der Vergangenheit wurden Kriege schon aus nichtigeren Gründen geführt. Bleibt zu hoffen, dass eine Eskalation ausbleibt, auch wenn die Ukraine der Erpressung standhält.

Die Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland wird durch die aktuellen Geschehnisse von verschiedenen Seiten beleuchtet. Einerseits zeigen diese, dass Deutschland eine monopolartige Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten unbedingt vermeiden muss, andererseits wird eine solche Direktleitung nicht so leicht "anzapfbar" sein, wie dies derzeit offensichtlich mit den russischen Leitungen in EU-Länder in der Ukraine in großem Umfang der Fall ist.


 Tobias antwortete am 02.01.06 (17:58):

Preiserhöhung hatte sich abgezeichnet
Ein Teil aus dem Aufsatz von von Harald Neuber

Die Forderung von Gazprom an die Ukraine kam nicht überraschend. Seit Jahren kündigt der Staatskonzern eine Novellierung der Lieferverträge mit ehemaligen Sowjetrepubliken an. So müssen neben der Ukraine auch Georgien, Moldawien und die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen künftig mehr für das russische Gas bezahlen – und sehen dies auch teilweise als [extern] Machtstrategie Russlands. Die Neufassung der Lieferbedingungen ist, so sagt die russische Regierung hingegen, auf die Marktliberalisierung in Russland zurückzuführen. "Die Zeit, zu der wir die Binnenwirtschaften unserer Nachbarstaaten quasi subventioniert haben geht nun langsam zu Ende", wurde der russische Finanzminister Alexej Kudrin unlängst von der Nachrichtenagentur RIA Novosti zitiert. Russland müsse nun an seine eigenen Interessen denken. Um den Druck auf die Ukraine und die anderen Nachbarstaaten zu erhöhen, hat Gazprom nun auch noch erreicht, 30 Milliarden Kubikmeter Gas zum Preis von 65 US-Dollar von Turkmenistan zu kaufen, was den Markt in der Region verengt und die Abhängigkeit von Russland erhöht. Die Ukraine hatte sich zumindest noch für 2006 40 Milliarden aus Turkmenistan gesichert. Ein Sprecher von Gazprom [extern] erklärte allerdings, dass der Konzern das ganze Gas von Turkmenistan erhalten werde.

Anmerkung von mir.
Politische Preise in dieser Richtung gab es auch 1980 als Venezuela mit Kuba ein Abkommen preiswerte Oellieferungen treffen wollte, die USA dies aber untersagte.


 Marina antwortete am 02.01.06 (18:20):

Ja Karl, da möchte ich doch gleich zurückkommen auf meine Kritik an Schröders neuem Engagement für diesen staatlichen Putin-Konzern, die mir von einigen übel genommen wurde, und noch einmal einen Text einstellen, den ich in dem entsprechenden Thread auch schon eingestellt hatte.
Er war aus der ZEIT vom 15.12. und erläutert die politischen Gründe für diese immense 5(in Worten fünf)-fache Erhöhung! des Gaspreises für die Ukraine:

„Gerhard Schröder spricht von »Energiesicherheit«, die Konzerne jedoch meinen Gewinnsicherheit durch langfristige Verträge. Die Ostseeleitung schweißt Russland und Deutschland zusammen. Das Schöne am Prinzip Gaspipeline: Festgelegt ist nur die Abnahmemenge, der Preis bleibt nach oben hin flexibel. Bei vielen Anbietern auf dem Markt ist das nicht schlimm. Da aber Schröder als Kanzler trotz vieler Warnungen beharrlich darauf verzichtet hat, neue Transportrouten aus Gasländern in Nordafrika, am Golf oder am Kaspischen Meer für Deutschland zu erschließen, droht das Konglomerat E.on/Ruhrgas/Gasprom mangels Wettbewerb künftig die Gaspreise zu diktieren.
Fragt sich also, wessen Interessen der Kanzler a.D. als Chef des Pipeline-Konsortiums vertreten will? Der Arbeitgeber Gasprom ist schließlich kein normaler Energiekonzern. Es ist ein ineffizienter Monopolist ohne Gewinne, aber mit Fernsehsender, ein Politunternehmen mit Cockpit im Kreml. Gasprom ist die Streitmacht, mit der die Moskauer Führung den Anfang der neunziger Jahre eingebüßten Weltrang wieder erobern will – über den Gaspreis. Deshalb liegt es im russischen Interesse, dass Deutschland nicht über Polen oder die Ukraine beliefert wird. Jedem Land seine Pipeline, jedem seinen Preis. So jazzt Putin gerade die Gasrechnung für die Ukraine hoch, weil ihm die demokratische Regierung in Kiew nicht passt. Weißrusslands Lukaschenko dagegen bekommt Diktatorenrabatt. Die Polen fühlen sich mit jedem Pipelinemeter auf dem Ostseegrund unbehaglicher, solange sie beim Leitungsbau bewusst umgangen werden.“

Quelle: DIE ZEIT 15.12.2005

Man beachte die letzten Sätze: Weißrussland mit einem Diktator an der Spitze bekommt weiterhin Wohlverhaltensrabatt, die orangene Revolution passt Putin, dem "lupenreinen Demokraten" nicht in den Kram und wird jetzt abgestraft.


 hugo1 antwortete am 02.01.06 (19:45):

hallo Marina, was würdest Du vorschlagen was Putin bzw. Rußland tun sollte in Sachen Preisgestaltung beim Verkauf lebensnotwendiger Produkte ?
Als der Hurrikan Katherina über dem Golf von Mexiko tobte, stiegen in den USA die Erdgaspreise für 1000 m³ auf ca 500 Dollar.
Als Kuba nicht dem politischem USA Willen gehorchte waren die Sanktionen um ein Vielfaches drastischer. Da gab es überhaupt keine Verhandlungsmasse, da wurde gedroht und sofort auf Dauer jegliche Lebensader abgeschnitten.
So gesehen sind die russischen Angebote noch sehr "human". Die Marktwirtschaft ist doch ansonnsten so vorbildlich, ich werde hier tagtäglich darin "geschult" und habe so eine Probleme damit.
Seit Jahrzehnten lernte ich nichts anderes als das z.B. die USA Getreide als Waffe weltweit einsetzen,,
Sicher tun mir die Ukrainer leid, die plötzlich tiefer in die Tasche greifen müssen, aber die Russen haben wohl auch jeden Rubel bitter nötig. (leider muss man davon ausgehen das ein Teil der zusätzlichen Einnahmen nicht bei der Bevölkerung sondern in privaten Taschen oder -noch schlimmer- beim Militär landen werden. Ja und da werden wohl Waffen angeschafft.


 dutchweepee antwortete am 02.01.06 (21:05):

ich finde den standpunkt von gasprom legitim, wenn man dem geist der so beliebten marktwirtschaft folgt. russland hat eine ware und verkauft sie meistbietend.

betrogen werden eigentlich die deutschen haushalte, da sie für billiges gas aus russland, ölpreisgekoppelte weltmarktpreise zahlen.

irgendwann werden die deutschen haushalte dem herrn schröder auf knien danken, daß er im vorstand dieses für deutschland so wichtigen unternehmens sitzt.

erdgas und erdöl wachsen nicht nach und da ist es perfekt in der endphase des abbaus einen "mann an der quelle" zu haben.

.


 schorsch antwortete am 02.01.06 (21:36):

Die Russen beschuldigen nun ja die Ukrainer, aus den Transitleitungen Gas abzuzweigen. So Unrecht werden sie nicht haben. Aber dass die Ukrainer für die Durchgangsrechte nun auch mehr haben wollen, ist gewiss unter den Umständen betrachtet auch verständlich.

In den Gewässern der Ukraine sind ja immer noch russische Schiffe stationiert. Nun wollen die Ukrainer dafür auch mehr Entschädigungen.

Die Situation eskaliert. Ich hoffe nur, dass Putin nicht allzu viel gelernt hat von Bush. Sonst wird die russische Armee nämlich wieder in der Ukraine einziehen unter dem Vorwand wie damals in Ungarn und anderen Ländern: Das Brudervolk hat uns gerufen!


 Roby antwortete am 03.01.06 (07:32):

"Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Gas- und Wasserwirtschaft, Wolf Pluge, sagte der (Zeitung) Bild (Montagsausgabe), die Versorgung Deutschlands sei sichergestellt. „Es braucht niemand Angst vor einer kalten Wohnung zu haben. Neben der Transitroute durch die Ukraine fließt russisches Gas auch über Weißrussland nach Deutschland.“ Auch dürften die Gaspreise nicht steigen, da die Verträge langfristig angelegt seien." melden viele Tageszeitungen.

Na Gott sei Dank! Oder? Hm... schwierige Frage. Da ist doch in Minsk ein Diktator an der Macht... hat die ZEIT berichtet. Und Putin ist ein Freund von diesen Diktator – sagt die ZEIT. Darf Frau Merkel denn nun noch Lächeln, wenn sie den Putin trifft? Können wir denn das Gas, das der Diktator billig durchfließen lässt, einfach so annehmen?

Weißrussland unter dem Diktator Lukaschenko hat laut UNO den höchsten Lebensstandard aller GUS-Staaten erreicht. Das durchschnittliche Einkommen wuchs von 18 Euro auf 163 Euro innerhalb der vergangenen 10 Jahre. Der Diktator regiert seit 1994. Na so ein Diktator! Diktator!

Leider wurde die belorussische Wirtschaft noch nicht vollständig in eine Marktwirtschaft umgewandelt. „Dadurch kam es bisher zu keinem derartigen wirtschaftlichen Zusammenbruch wie in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion und das Land ist wirtschaftlich stabil.“ (sagt Wikipedia). Leider. Gewinne und Beteiligungen internationaler (auch Bundesdeutscher) Konzerne in Weißrussland sind leider noch nicht möglich, wegen diesen Diktator.

Wir müssen den Diktator nur oft genug einen Diktator nennen... vielleicht wird er dann sogar ein richtiger? Drücken wir mal die Daumen. Hauptsache wir frieren nicht. Diktator. Diktator.


 hugo1 antwortete am 03.01.06 (11:18):

Ich finde es nicht angemessen wenn sich Staatsmänner gegenseitig des Betrugs bezichtigen und das bei einer relativ einfach zu überprüfenden Sachlage.
Heutzutage ist es ein Leichtes, an den Landesgrenzen durchströmende Gasmengen und damit die Differenzen zu ermitteln. Daraus kann man dann +- Meßtoleranz - Geplanter und realer Abnahme, die Verluste berechnen.
Hab irgendwo gelesen das neutrale Messtrupps angefordert wurden.
Wenn jeder Staat sich 15% von dem Medium welches durch sein Land fliesst als Unkosten und Preis behalten würde, wo kämen wir denn da hin ?
Bei 1000m³ Gas würden nach dem fünften Transitland weniger als 480m³ ankommen.


 Roby antwortete am 03.01.06 (11:50):

Hast schon recht, Hugo - ich bin aber lieber etwas vorsichtiger, solche möglichen Betrugshandlungen der Ukraine vorzuwerfen. Vor allem deshalb, weil Russland auch ohne neutrale Messtrupps in der Lage ist, detailliert zu Beweisen, dass gestohlen (illegal angezapft) wird. Wenn sie aber diese Beweise (Sattelitenfotos mit einem Auflösungsvermögen von weniger als einem Meter) nicht vorlegen, habe ich Zweifel an den Vorwürfen.


 schorsch antwortete am 03.01.06 (19:52):

Wird das vielleicht Schröders erster Ernstfalleinsatz?


 kreuzkampus antwortete am 04.01.06 (20:19):

Man stelle sich vor, Merkel (oder früher Schröder) würden, wie heute Putin, im Fernsehen eine Gaspreis-Einigung mit einem Nachbarland verkünden ---für mich unvorstellbar.+++Wenn Schröder jetzt noch bei gasprom einsteigen würde, verlöre ich den letzten Rest Achtung vor ihm+++Mein Fazit: Ein Narr, wer glaubt, dass hier marktwirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben. Putin hat m.E. mit diktatorischen Mitteln versucht-und erreicht-dass die Ukraine klein beigegeben hat. Wass blieb ihr auch übrig?+++Ich finde es übelst, dass man einem Mann wie Putin auch noch den Speichel leckt.


 schorsch antwortete am 05.01.06 (10:47):

Meinst du nicht, dass gerade Schröder als Spezi von Putin einen wohltuenden Einfluss ausüben könnte?
Was die Russen übrigens hier als Exempel statuierten, ist nicht nur typisch russisch. Was anderes sind denn Embargos gegen Länder und Regierungen, die nicht nach der Pfeife der Multis tanzen?