Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"
THEMA: Auch die Schweiz steht vor Entscheidungen
6 Antwort(en).
schorsch
begann die Diskussion am 11.09.05 (18:35) :
Über was wir abstimmen? Die Freizügigkeit der Bewohner der neuen EU-Länder.
Ein Leserbrief von mir.
Einfach mal angenommen, anno 1291 hätte die Urschweiz aus lauter solcher Angsthasen bestanden, wie wir sie heute kennen, glauben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, die heutige Schweiz würde es geben? Ich jedenfalls glaube das nicht. Denn zwei der wackeren Eidgenossen auf dem Rütli hätten umsonst auf den dritten gewartet – weil dieser gerade mit dem Landvogt Gessler ein günstigeres Angebot für sich und seine Familie verhandelt hätte, hätte er die Rütli-Pläne Gessler verraten. Tell hätte sich entweder verdrückt, als er die beiden Landknechte bei der Stange mit dem Hut gesehen hätte – oder er hätte halt seinen Bückling gemacht und die Faust im Hosensack. Und der Arnold von Winkelried hätte nicht gerufen: „Sorgt für mein Weib und die Kinder“, sondern hätte sich verspätet, weil er gerade mit seinem Versicherungsmakler eine Lebensversicherung abgeschlossen hätte. Und irgendeinmal hätten die Urkantone eine riesige Mauer um ihre Kantone gebaut, auf dass kein fremder Fötzel sie in ihrer Ruhe störe!
Ja sogar die Eidgenossen der letzten Jahrhunderte hätten, wenn es ihnen zu eng geworden wäre in ihren Tälern, nicht das Wagnis unternommen, in fremden Ländern nach einem besseren Leben zu suchen.
Und heute? Wir versichern uns gegen alles und jedes; wir meinen, wir seien Gottes auserwähltes Volk, dazu da, den anderen die Leviten zu lesen und ihnen Lebensart beizubringen; wir liebäugeln mit einer möglichst billigen Lösung, eine riesige Mauer um unsere Land zu ziehen wie die Chinesen oder Herr Scharon in Israel. Diese Mauer aber sollte genügend Löcher haben, auf dass wir die Hände hinaus strecken können, wenn es etwas zu ergattern gibt – ohne einen ehrlichen Gegenwert dafür geben zu müssen.
Und die anderen? Sind die etwa so blöd, nicht zu merken, dass wir einen Deal machen wollen, der nur uns nützt, aber ja kein Körnchen Risiko dabei hat? Unsere Kinder sollen die Möglichkeit haben, sich irgendwo auf der Welt ihre Zukunft zu bauen, die anderen aber sollen gefälligst draussen bleiben? Wir wollen zwar von den billigen Waren profitieren, die die niedrigen Löhne in den von uns verachteten Ländern ermöglichen, dafür aber erwarten, dass möglichst viele Reiche unser Land als Touristen und Niedergelassene besuchen?
Ja was denn nun? Ich für meinen Teil habe die Wahl getroffen: Ich will die Türen unseres Landes genau so weit öffnen, wie die anderen Länder dies für uns auch tun.
|
angelottchen
antwortete am 11.09.05 (19:05):
Der wunderbare "Emil" brachte es in einem Interview auf den Punkt: Wäre die ganze Schweiz ein Fussballteam, es gäbe zuuu viele verteidiger und kaum jemanden im Angriff...
|
Marina
antwortete am 11.09.05 (19:31):
Schorsch, ich finde deinen Brief sehr gut. In Europa geht ja allgemein der Trend immer mehr dahin, sich abzuschotten, weil wir unser Privileg der reichen Ersten Welt nicht verlieren und schon gar nicht mit ärmeren Erdenbewohneren der sog. Dritten Welt teilen wollen. Man schottet sich ab, errichtet Grenzzäune, um unliebsame "Elemente" außen vor zu lassen und versucht mit aller Macht, seinen eigenen Wohlstand zu sichern und zu verteidigen. Dass dabei die Humanität verlorengeht, scheint die meisten Regierungen wenig zu kümmern. Dabei glaube ich, dass diese Einstellung ein Bumerang ist, irgendwann schlägt er zurück. Eine kalte, inhumane, egoistische Gesellschaft, die nur an Ökonomie und Wohlstand denkt ohne Rücksicht auf Verluste, wird auch irgendwann die Zeche dafür bezahlen müssen. Mit einer Abschotter-Mentalität bestrafen die Länder sich auch selbst. Was ist, wenn die Verhältnisse sich mal umkehren und sie vielleicht mal in die Lage kommen, von ihren Nachbarn, auf die sie herabgeblickt haben, Hilfe zu brauchen? Wer hätte je gedacht, dass die USA mal in eine Situation kommen würden, die Bildern der Dritten Welt ähnelt, so dass sogar Drittweltländer und das "alte Europa" in Versuchung geraten, ihre Hilfe anzubieten? In einer immer kleiner werdenden globalen Welt ist ein Zusammenrücken immer wichtiger, auch um die humanen Werte nicht zu verlieren, das ist meine Meinung.
|
Karl
antwortete am 11.09.05 (20:11):
Lieber Schorsch,
meinen Respekt!
|
schorsch
antwortete am 12.09.05 (10:11):
Nachtrag: Natürlich hat die Schweiz beste Beziehungen zu anderen Ländern. Am besten zu den so genannten Enrwicklungsländern. Dorthin werden ja auch jede Menge von Waffen geliefert - unter dem Deckmantel von "Arbeitsplatzerhaltung". Eines Tages werden die "Entwicklungsländer" so viele Waffen haben von uns (und Deutschland undundund), dass sie sich das, was es sonst noch braucht, um kein Entwicklunsland mehr zu sein, mit Waffengewalt von uns holen können......
|
Marina
antwortete am 12.09.05 (10:16):
Das meinte ich natürlich nicht mit meinem Satz: "In einer immer kleiner werdenden globalen Welt ist ein Zusammenrücken immer wichtiger, auch um die humanen Werte nicht zu verlieren". ;-)
|
wanda
antwortete am 12.09.05 (18:06):
damit hast Du bei mir den "Igel" wieder voll wettgemacht:-))) darf ich fragen an welche Zeitung der Artikel ging und ob er auch gedruckt wurde.
|
|