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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Sind Zinsen unmoralisch?

 18 Antwort(en).

Karl begann die Diskussion am 03.07.05 (12:35) :

Ich habe mich bisher immer über Zinsgutschriften auf meinem Sparkonto gefreut. Zwar kann ich mich erinnern, dass ich als Student ein hochverzinsliches Sparbuch bei der damaligen Norisbank in Freiburg kündigte als ich miterlebte, wie eine hochverschuldete Kundin am Nachbarschalter abgekanzelt wurde. Ihre Kreditzinsen finanzierten meine Sparbuchzinsen und den Verdienst der Bank!

Ich habe es aber geschafft dieses Thema wieder weitgehend zu verdrängen und auch in den Folgejahren habe ich immer versucht, möglichst den höchsten Zins zu erhalten.

Stutzig geworden bin ich letzte Woche als ich im Radio hörte, dass der Finanzplatz in London sich zunehmend auf zinslose Finanzgeschäfte für Moslems spezialisiert. Mir war - auch aus Diskussionen, die bereits hier im ST geführt wurden - zwar bekannt, dass im Islam Zinsen verpönt sind, aber so richtig nachgedacht hatte ich noch nicht darüber. Der Kommentar im Radio (Deutschlandfunk?) gab als Begründung an: Zinsen führen zu einer Umverteilung der Vermögen von Arm nach Reich.

Eigentlich verblüffend einsichtig!

Der Arme nimmt Kredite und zahlt einen hohen Zins. Davon leben die Banken und die Reichen, die den Banken ihr Geld leihen.

Gibt es einen Denkfehler? Wie können moslemische Geschäftsleute trotzdem Geschäfte machen? Sie investieren ihr Geld in Firmen, deren Wert durch die Geschäftstätigkeit steigt.

Aber: Wie finanziert ein Moslem sein Haus, wenn er keine Kredite nehmen kann?

Ich halte das Thema für sehr spannend. Vielleicht können hier einmal gewiefte Wirtschaftsexperten antworten?


 Claude antwortete am 03.07.05 (13:29):

Stellt sich für mich die Frage in welchem Gesellschaftssystem die Menschen besser leben und ob die Geschäfte so lupenrein ohne Zinsen getätigt werden
Claude


 Illona antwortete am 03.07.05 (15:00):

Habe einen interessanten Eintrag darüber gefunden.
Klingt gut, aber kann das so stimmen?
Hier ein Ausschnitt der im Link zu lesenden Abhandlung.

Der Islam definiert deutlich die erlaubten Wege des Gelderwerbs und der Eigentumsbereicherung, sowie den Umgang mit diesem Geld und fordert den Muslim auf, seinen Gesetzen und Vorschriften uneingeschränkt zu folgen. Die erlaubten Möglichkeiten des Gelderwerbs sind durch entsprechende Gesetze vorgezeichnet und entsprechend sind die verbotenen Wege deutlich. So ist die Bereicherung durch Diebstahl, Glücksspiel, Prostitution, Handel mit islamisch verbotenen Dingen u.s.w. verboten. Eine Freiheit der Eigentumsbildung im Sinne des Kapitalismus existiert im Islam nicht. Der Staat, der öffentliche Aufgaben und Dienstleistungen übernimmt, verwaltet das öffentliche und staatliche Eigentum und muß die Einnahmen und Ausgaben verwalten. Dies wird vom Schatzhaus (Bait al-Mal) übernommen. Hier werden die Abgaben der Bürger und die Gewinne aus dem erwirtschafteten öffentlichen Eigentum eingezahlt, verwaltet und von dort aus verteilt. Dabei liegt die Verteilung im Ermessen des Staatsoberhauptes, außer im Fall der Zakat-Einnahmen. Denn diese dürfen nur für jene acht Personengruppen ausgegeben werden, die im Qur'an ausdrücklich erwähnt werden. Die Zakat-Einnahmen müssen vom Staat zentral eingesammelt und auch zentral verteilt werden und dürfen nicht mit anderen Einkünften vermischt werden, da sie zu den grundlegenden Pflichten des Islam gehören. Andere Einkünfte des Staates bestehen aus der Gizya, dem Tribut nichtmuslimischer, männlicher Bürger an den Staat, dem 'Usr, dem Zehntel auf Bodenerträge als Ernte-Zakat, und dem Harag, einer weiteren Bodenabgabe. Aus der Staatskasse werden zinslose Kredite vergeben, in öffentliche Projekte investiert, staatliche Zuwendungen vergeben u.s.w. Der Staat kann in Ausnahmenfällen eine Sondersteuer für Muslime erheben, wenn nicht genügend Finanzmittel zur Verfügung stehen, um notwendige Zahlungen zu tätigen.

Dieser Überblick zeigt, daß das islamische Wirtschaftssystem im Vergleich zu anderen Systemen die einzige ernsthafte Alternative darstellt, bei der das Wohlergehen des Menschen im Mittelpunkt steht und nicht der schnelle wirtschaftliche Profit oder die Steigerung der Produktion. Der Islam kennt keine Weltbankkredite, keine Ausbeutung und keine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Deswegen ist es notwendig einen Staat zu errichten, in dem dieses System Anwendung finden kann. Die Menschen sollten die Möglichkeit erhalten, sich selbst von der Gerechtigkeit und der Umsetzbarkeit dieses Systems zu überzeugen. Viele Beispiele aus der Geschichte zeugen vom Erfolg dieses Systems und könnten auch heute wieder zum Tragen kommen, wenn sich die Muslime wieder darauf besinnen, daß der Islam eine umfassende Lebensordnung ist, die alle Bereiche des Lebens umfaßt. Denn die Muslime finden dann erst wieder aus dieser Misere heraus, wenn sie sich wieder bewußt werden, daß der Islam vollkommen ist, denn es heißt im Qur'an:

"Heute habe ich euch euren Din vervollkommnet und meine Gnade an euch erfüllt und den Islam als Lebensordnung für euch gutgeheißen!"
(Al-Maida 5, Aya 4)
Gruß Illona

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/Illona


 dutchweepee antwortete am 03.07.05 (16:31):

ich weiss nur, daß meine muslimischen bekannten und freunde zwar ab und an ein bier trinken, jedoch nur konnten ohne zinsertrag in anspruch nehmen.


 Marina antwortete am 03.07.05 (17:31):

Es gibt Modelle einer sog. "Freiwirtschaft" oder "Geldreform" mit dem Ziel, die Zinsen auf Guthaben bzw. Renditen von Kapitalanlagen durch die Umlaufgebühr des Freigeldes als allein gültiges Zahlungs- und Sparmittel aufzuheben.
Hier eine Erklärung der "Freiwirtschaft" von Wikipedia:

„Freiwirtschaft ist eine Wirtschaftstheorie basierend auf den Ideen Silvio Gesells, nach der der Zins- und Zinseszins-Mechanismus als ungerechter und die Wirtschaft lähmender Umverteilungsprozess des Geldvermögens aufgefasst wird. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft das private Bodeneigentum. Nach Auffassung der Freiwirtschaftler liegt beim Grundbesitz eine starke Konzentration des Eigentums vor, so dass sie von einem faktischen Monopol sprechen, das die freie wirtschaftliche Entfaltung vieler anderer begrenze.“

Weitere Links über diese Problematik: www.inwo.de und www.geldreform.de.

Sie befassen sich mit den Modellen einer „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und „Freiwirtschaft“.

Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Freiwirtschaft


 hugo1 antwortete am 03.07.05 (17:58):

Na klar konnten und können Muselmanen gute Geschäfte machen, da sich Geschäftemacher in allen Zeiten schon immer zu helfen wussten -auch entgegen oder mit den religiösen Gesetzen und Vorgaben.
Auch in Urchristlichen Zeiten ( durch Papsterlass)konnten jüdische Geldwechsler für diese "niederen "Tätigkeiten geordert werden. Diese wurden dadurch schnell reich, dadurch aber auch Zielscheibe des Neides und des Zornes.
Ein Geschäft muss ja nicht zwangsläufig durch Kreditierung zustandekommen. Der Verkauf von fremdem, gestohlenem, angeeignetem, unbillig erworbenem Eigentum läßt auch heutzutage noch bestmögliche Gewinne sprudeln. Ja, und wer erst mal einen größeren Besitz, eine größere Menge Waren, eine hervorragende Dienstleistung und heututage eben reichlich Geld angesammelt hat, der kann sich einen materiellen Vorsprung zunutzemachen, der -bei entsprechender Gesetzgebung und Steuerbegünstigung (also poltischer Einflussnahme)- dafür mitsorgt, das die bekannte Schere zwischen denen und uns kräftig auseinanderklafft.
Sind Zinsen moralisch ? Tja, wenn ich davon ausgehe das heutzutage Geld, auch nur bewertetes Vermögen ist, dann ists ja egal ob ich nun einen Esel, ein Schiff einen Sklaven eine Maschine oder Sonstiges gegen einen Obulus vermiete, verborge, Verlease usw, oder den buchungstechnisch enfacheren und technisch besser handhabbaren Weg des Geldverleihens begehe.
Die Frage ist nicht ob, sondern ab welcher Höhe sind Zinsen unmoralisch. Da aber -meistens- nicht der Geldnehmer, sondern der Geber deren Höhe bestimmt, steht leider auch die "Moral" auf seiner Seite, auch wenn er sich mal in einer schwachen Minute -ständig nachlassende-moralische Vorwürfe über die Differenz seiner theoretischen Ansichten und seiner praktischen Tätigkeit machen sollte. typische Doppelmoral ?? +G*


 Marina antwortete am 03.07.05 (18:17):

Unter "www.geldreform.de" findet sich übrigens ein nteressanter Artikel von Helmut Creutz "Die Schatten des Zinses sind nicht nur unmoralisch".

Internet-Tipp: https://www.geldreform.de


 BarbaraH antwortete am 03.07.05 (19:44):

Der von Marina genannte Link zum Anklicken:

Internet-Tipp: https://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/zinskreuz/creutz.html


 dutchweepee antwortete am 03.07.05 (22:03):

im prinzip hat die katholische kirche im mittelalter mit DEM ZEHNTEN die zinsabgabe erfunden, obwohl die bibel eindeutig stellung gegen den zins bezieht.

der absolute gipfel, ja die krönung (!) war der ablass.

ich wiederhole mein erlebnis im petersdom: umgeben vom marmor, gold und elfenbein steht ein kleiner kupferbecher für spenden zu gunsten der "armen dieser welt" *abkotz*

solange kapitalistische verhältnisse in europa herrschen, werden die reichen durch den ZINS reicher (ohne irgendetwas zu UNTERNEHMEN)

...wieso heissen die eigennützigen versager eigentlich "unternehmer"?

.


 Claude antwortete am 04.07.05 (08:47):

Marina , interessanter Link den du da eingestellt hast!!!
Du siehst durch dich werde ich noch schlau, lache.
Gruß Claude


 Marina antwortete am 04.07.05 (09:15):

Ja, und ich werde durch meinen Sohn schlau. Er befasst sich seit langem mit diesen Konzepten, hat auch schonmal eine Diskussion darüber organisiert, daher habe ich das kennengelernt, bin da aber auch überhaupt keine Spezialistin. Er schon.
Gruß Marina


 Claude antwortete am 04.07.05 (10:13):

dutchweepee schreibt
wieso heissen die eigennützigen versager eigentlich "unternehmer"?

Es kommt wohl auch auf die Größenordnung an
dutchweepee, für viele kleine Mittelständler und normale Rentner ist der Zinsertrag der Sahnetupfen auf der Rente und absolut nicht eifernd als verdammenswert zu bezeichnen.
Die Millionenerben die von Zinserträgen ein gutes Leben führen sollten aber ordentlich besteuert werden!!!

Gruß Claude


 dutchweepee antwortete am 04.07.05 (17:21):

@claude ...ich bin nun wirklich kein frömmelnder besserwisser und streiche den zins gerne ein.

ich finde nur die menschen falsch, die auf der einen seite behaupten bibeltreu ihr leben zu gestalten und auch ständig mit einem zitat dienen können, jedoch die passagen überlesen, die nicht in ihr persönliches lebenskonzept passen.

die banken verdienen ihr geld mit kapitalgeschäften, daß heisst, sie lassen DEIN geld im verband mit dem geld 1000er anleger "arbeiten".

BERTHOLD BRECHT: "ist ein bankraub ein verbrechen, im gegensatz zur gründung einer bank?"

.


 Claude antwortete am 04.07.05 (18:49):

dutchweepee, du hast recht , ich mag Heuchler auf den Tod auch nicht leiden.Ein frömmelnder Heuchler bist du nun wirklich nicht, trotzdem bin ich in vielen Dingen nicht deiner Meinung.
freundlicher Gruß, Claude


 Gevatter antwortete am 04.07.05 (19:26):

DUTCHWEEPEE schrieb:
BERTHOLD BRECHT: "ist ein bankraub ein verbrechen, im gegensatz zur gründung einer bank?"

Ich möchte nur ungern beckmessern, lieber dutchweepee, aber wenn Sie schon den Altmeister zitieren, sollten Sie es auch richtig tun. Irgendwie hat er das schon verdient. Und da Sie den Satz in AnführungsZeichen setzten, handelte es sich ganz unmissverständlich um ein Zitat, und eben nicht um die freie Wiedergabe eines solchen, bei der man gelegentlich schon mal ein bissel schlumpern kann.
"Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie, was ist der Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank!", lautete SEINE Kernaussage hinsichtlich allg. Kapitalismuskritik. Schauen Sie sich die "Dreigroschenoper" ruhig mal wieder an, in Berlin am Schiffbauerdamm ist das noch möglich.
Im übrigen heißt er immer noch Bertolt und nicht Berthold, trotz aller RechtSchreibReformerei..
Ansonsten: Lassen Sie sich nicht in ihrem eigenständigen Denken beirren, Querdenker gibt`s eh`viel zu wenig... ;-)

Gevatter


 dutchweepee antwortete am 04.07.05 (20:04):

@gevatter ...ich verneige mich! sorry! ...aber ändert sich etwas an der kernaussage? ...ich habe schnell getippt und aus dem kopf zitiert. ich hoffe du kannst mir diesesmal verzeien, beim nächstenmal werde ich vorher auch google befragen.

.


 Graugans antwortete am 05.07.05 (15:31):

Hallo Forumsbeteiligte,

Zinsen können nicht unmoralisch sein, sie sind ein
Vertragsbestandteil. Daß es Geldsysteme gibt, die den
Wachstumsmotor "Zinsen", nicht besitzen, ist bekannt.
Unser Wachstumsmotor "Zinsen" dreht sich immer schneller
und fährt unsere Wirtschaft vor die Wand.
Da bleiben viele und vor allem Ältere auf der Strecke.

Viele Grüße
Graugans


 dutchweepee antwortete am 05.07.05 (15:53):

...und vor allem die wirtschaft. wenn unternehmen wie SIEMENS dreiviertel ihrer profite durch kapitalgeschäfte tätigen und die produktion an die chinesen verkaufen, wo bleibt dann MADE IN GERMANY?


 Claude antwortete am 05.07.05 (19:05):

MADE IN GERMANY? umlabeln ist angesagt, möglichst steuerlich begünstigt.
Gruß Claude