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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Vor 60 Jahren: „Vorwärts, Kameraden, es geht zurück!“

 2 Antwort(en).

DietrichStahlb begann die Diskussion am 08.05.05 (18:56) :

Vor 60 Jahren:
„Vorwärts, Kameraden, es geht zurück!“

Am späten Nachmittag des 7. Mai 1945 erreichten wir, Wilfried und ich, von Osten herkommend, das Ufer der Elbe fast an derselben Stelle, an der wir ostwärts gefahren waren. Wir waren im März von einem Brückenkopf nördlich des Waal zwischen Arnheim und Nimwegen vertrieben worden, hatten unsere Kompanie verloren und uns einer FLAK-Einheit angeschlossen. Sie war nun nicht mehr gegen Flugzeuge, sondern gegen Panzer eingesetzt. Diese Einheit wurde mit ihren 8,8 cm- und 3,7 cm-Kanonen von der nicht mehr bestehenden Westfront an die nicht mehr bestehende Ostfront verlegt, überquerte bei Hitzacker die Elbe und sollte den Schutzring um Berlin verstärken.
Wilfried und ich, frisch gebackene Fahnenjunker-Unteroffiziere, Jahrgang 26, fuhren mit einem requirierten Motorrad der FLAK-Batterie voraus und sondierten die Lage. Wir versuchten den jeweiligen Verlauf der „Front“ zu erkunden und gerieten dabei immer wieder zwischen Kampfverbände der Alliierten.

Auf der Brücke bei Hitzacker, eine der letzten Elbbrücken, die noch nicht ganz zerbombt waren, bewegten sich schnell zusammengetrommelte Reste deutscher Truppen im Schneckentempo nach Osten, während sich nach Westen ein Strom ziviler Flüchtlinge ergoss. Die Brücke war immer wieder verstopft. Dann wurden die Flüchtlinge, teils zu Fuß, teils mit Pferd und Wagen, gewaltsam zurückgedrängt. Was das für die unbewaffneten Menschen, meist Frauen, Kinder und Alte, denen die Angst vor der Sowjetarmee im Nacken saß, bedeutete, ist mir erst viel später bewusst geworden, als das Nachdenken begann. Solch ein Elend hatten wir an der Westfront ja nicht erlebt.

Bevor wir, Wilfried und ich, auf der Brücke waren, fielen mir Bombentrichter auf, neben der Straße. Bald sahen wir die Elbe und auf ihr lauter Boote, die, voller Menschen, vom Ostufer zum Westufer wechselten und fast leer wieder zurückkamen. Wilfried hatte wohl denselben Gedanken wie ich, denn wir nickten einander zu, fuhren hinunter zum Ufer des Flusses und ließen uns mit einem kleinen Boot übersetzen. Das Motorrad hatten wir zurück lassen müssen. Als wir mitten auf der Elbe waren, kamen sie dann auch: Jabos, Jagdbomber. Im Tiefflug schossen sie über die Brücke hinweg, warfen Bomben und feuerten mit ihren Bordkanonen. Die Brücke wurde getroffen. Durch unseren Feldstecher sahen wir, was die Jabos angerichtet hatten. Bei einem zweiten Anflug schlugen die Geschosse zwanzig Meter neben uns ins Wasser.

Am anderen Ufer warteten wir auf unsere FLAK-Kolonne und fuhren auf einem erbeuteten Jeep ostwärts der Roten Armee entgegen. Der Flüchtlingsstrom riss nicht ab. So kamen wir nur sehr langsam voran, und ein Soldat, der sich unter die Flüchtlinge gemischt hatte, rief uns zu: “Vorwärts, Kameraden, es geht zurück!“.

So war es dann auch bald. Unsere schweren Fahrzeuge blieben in den Menschenmassen stecken. Ein Ausweichen war nicht möglich, denn es sollte niemand totgefahren werden. Die Kolonne war weit entzerrt, und die Kommunikation zwischen uns war abgerissen, weil es keine intakten Funkgeräte gab. Kommandos konnten nicht empfangen werden.
Ich sah einen Feldwebel, der mit einer BMW-Beiwagen-Maschine am Straßenrand stand und mit einem Flüchtling sprach. Seine Gesten waren so eindeutig, dass ich sofort wusste,(...)

© Dietrich Stahlbaum

Fortsetzung(en: Link unten!

Internet-Tipp: https://f27.parsimony.net/forum66372/


 iustitia antwortete am 09.05.05 (18:22):

Ja, da bist Du eine Generation älter, Dietrich.
Ich habe heute einen Band mit Fotos und Erlebnisberichten der WAZ mir angekuckt: "Ende des Krieges im Ruhrgebiet" (oder ähnlich getitelt..)
Ganz ähnliche Bilder. FLAK-Stellungen (mit irrsinnig großen Horchmuscheln; mit Schuljungs unter Kopfhörern...)
Da gab es Granaten, die abgeschossen wurden, die auf Flughöhe und Luftdruck eingestellt waren, um die Flugzeuge, die Bomber, zu erwischen, die so gut lokalisiert waren, dass man mit diesen "Hochleistungs"-Granaten auf sie zielen
wollte.
*
Im Zusammenhang mit dem Bombenangriff auf Dresden habe ich eine Zahl als Todesrate erfahren: 50 % der fliegend kämpfenden Engländer der RAF sind nicht heimgekommen, sind getötet worden von denen, denen sie den Frieden bringen wollten.
*
Und die Deutschen hielten sich rüstungsmäßig für so toll...! So "meiermäßig" dicke! Und ein ganzes Volk sollte "draufgehen", als Schlusskampf; und Ministerchen Speer wusste es auch, der Edelnazi - und er hat seine Richter, die Herren Fest und Siedler belogen - so clever kann man auch als Nazi sein und so "unschuldig".
*
URL.: ein Beispiel das man nicht vergessen sollte...

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/swI0QdxY7


 dutchweepee antwortete am 10.05.05 (17:05):

danke herr stahlbaum.

ich habe heute mehrere stunden auf ihrer webseite und dort verlinkten seiten zugebracht und war sehr gefesselt und beeindruckt.

ich verneige mich vor ihrem leben und werden.

p.s.: ich kann nicht verstehen, daß ihnen verschiedene oberflächliche stimmen, militarismus und gestriges denken vorwerfen. eine auswahl ihrer texte sollte in schulbüchern abgedruckt werden.