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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Im Oktober sollen mit der Türkei Beitrittsverhandlungen beginnen.

 35 Antwort(en).

ric begann die Diskussion am 08.03.05 (02:20) :

Ich bin mir nicht sicher, ob die Türkei seitens der EU ehrlich behandelt wird. Was haltet Ihr davon?


 Medea. antwortete am 08.03.05 (06:18):

Das sollte Deine kleinste Sorge sein .....
Was sich auf dem Beyazit-Platz anläßlich der friedlichen Frauendemonstration, von kleinen Provokationen einmal abgesehen, abspielte, ist für mich ein viel größerer Anlaß zur Sorge: Da schlagen mit Knüppeln die Polizisten auf die Frauen ein, setzen Reizgas ein, machen regelrecht Jagd auf die Demonstrantinnen und traten - wie deutlich zu sehen ist - sogar auf die am Boden LIEGENDEN ein. Gleich mit verprügelt wurden unbeteiligte Passanten.


Ein 'schöner' Bewerber für eine EU-Mitgliedschaft ......

Und wie sieht es mit dem Thema Zypern aus? Hat da die Regierung unter Recep Tayyip Erdogan die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zur Zollunion bisher geleistet?

Also bitte etwas genauer hinsehen.


 Karl antwortete am 08.03.05 (08:29):

@ medea,


du kannst davon ausgehen, dass es der Regierung in Ankara sehr peinlich ist, dass diese Schläger im TV zu sehen waren. Weshalb? Weil die Perspektive des EU-Beitritts dadurch nicht befördert wird. Auf Demonstranten so brutal einprügelnde Polizisten sind nicht zu tolerieren, in keinem Land! Bilder dieser Art sind mir leider auch aus EU-Ländern bekannt. Willst Du, dass sich für die Frauen in der Türkei was ändert, darfst du nicht gegen den Türkei-Beitritt sein, sondern musst die Verbesserung der Situation als ehrliche Bedingung für die Aufnahme formulieren.


 schorsch antwortete am 08.03.05 (09:01):

Wer in einem "Verein" aufgenommen werden möchte, muss sich nach den Satzungen dieses Vereins richten. Bis dato hat die Türkei noch keine ernsthaften Anstalten ghetroffen darzulegen, dass sie sich an diese "Vereinssatzungen" zu halten gedenken würde.....

Man könnte es natürlich auch anders machen: Die Satzungen des Vereins werden dahingehend geändert, dass auch Prügel- und Folterstaaten aufgenommen werden können!


 BarbaraH antwortete am 08.03.05 (09:10):

Polizisten, die auf DemonstrantInnen grundlos einprügeln, gibt es immer wieder. Bei der von Medea. geschilderte Demo ging es um eine nicht genehmigte.

Vor gut zwei Jahren prügelten in Hamburg Polizisten während einer genehmigten Demo grundlos und ohne Vorwarnung auf zwei männliche Teilnehmer ein. Groß heraus kam das vorallem, weil die Opfer Anklage erhoben. Sie wussten sich zu wehren; schließlich waren die Opfer selbst Polizisten, die sich in zivil unter die Demo gemischt hatten.

Richtig ist, dass derartige Fälle strafrechtlich verfolgt werden müssen.
Falsch ist, dass derartige Fälle zu typisch türkischen bzw. zu typisch frauenfeindlichen gemacht werden....

Quelle: Hamburger Abendblatt vom 26.06.2003
Prozess: Polizisten von den Kollegen verprügelt?
https://www.abendblatt.de/daten/2003/06/26/180399.html

Hamburger Abendblatt vom 15.07.2003
Haftstrafe für Prügel-Polizisten
https://www.abendblatt.de/daten/2003/07/15/186561.html

Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de/daten/2003/06/26/180399.html


 trux antwortete am 08.03.05 (09:47):

Nicht vergessen!! Den sensationellen Wiederaufbau nach 1945 schafften die geschundenen Überlebenden des II. Weltkrieges. Wir wollten Europa, wussten, dass wir dafür zahlen müssen, konnten es auch; denn der deutsche Motor lief auf Hochtouren, doch heute stottert er, die Kassen sind leer und vor uns liegt ein hoher Schuldenberg. Warum die Eile? Jetzt sollten wir das erreichte Europa erst einmal stabilisieren, und dies in den Köpfen der Menschen und bezüglich der Wirtschaft, weniger in strategischer Hinsicht. Ich frage, warum man nicht auch an die Einbeziehung die Ukraine denkt?

Die Beschaffung von Arbeitsplätzen hat Vorrang, müsste endlich für uns alle in Deutschland absolute Priorität bekommen.


 tiramisusi antwortete am 08.03.05 (09:55):

ich fasse es nicht... BarbaraH, du spielst das schon sehr herunter ..
Aus einem Bericht "10 Gründe gegen den EU-Beitritt der Türkei" nur dies:

------
Zu Europa gehört die Gabe, sich beständig selbst infrage zu stellen. Ankara hat diese Fähigkeit zu keiner Zeit besessen. Bis heute leugnen die Regierung, das Parlament und viele türkische Historiker den Völkermord an den Armeniern in den Jahren 1895/96 und 1914/15. Prekärer noch: Selbst nach Amtsantritt Erdogans wird in der Türkei flächendeckend gefoltert. Das stellt die türkische Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation fest. Allein bis August 2004 seien 600 Folterfälle dokumentiert. Zwar versprach der Ministerpräsident in Brüssel, von der Folter zu lassen, die Wahrung der Menschenrechte scheint dennoch nicht gewährleistet. Sie aber gehört zu Europa wie der Eiffelturm zu Paris.
====

Und das, was die Menschenrechtsorganisationen und Amnesty International aktuell aus der Türkeo berichten, ist auch nicht gerade beruhignd ...


 Tobias antwortete am 08.03.05 (10:44):

Bringen uns Aufrechnungen aus der Vergangenheit einen Schritt näher zu einem Europa in dem auch für die Türkei Platz wäre tiramisusi ?

Wir in Deutschland haben, einmal vom 3. Reich abgesehen, nach wie vor eine 100 jährige Schuld abzutragen ( Hereroniederwerfung 65- 80.000 Tode )wenn solche Aufrechnungen
weiter auf der Tagesordnung blieben. NICHT VERGESSEN , aber gegenseitige Aufrechnungen führen nicht zueinander, sondern wie immer, gegeneinander.


 hugo1 antwortete am 08.03.05 (11:29):

und wenn wir noch tausend Gründe suchen, die Türkei aussen vor zu lassen, wir werden sie finden, notfalls werden sie, bei abnehmenden tatsächlichen Verstößen eben konstruiert oder aus Nichtigkeiten aufgepauscht.
und wenn wir möchten das die Türkei aussen vor bleibt, ihren gegenwärtigen Entwicklungsstand beibehält bzw wieder zurückfällt in noch frauenfeindlichere Zeiten,dann, ja dann müssen wir auf alle Fälle ein Beitrittsbestreben demontieren, erschweren verhindern.
Nur so können wir sicher sein, das es kein Ende nimmt mit solchen Berichten s.o.
Nur so können wir garantieren das Frauen-, und Menschenrechte nicht schnellstens auch in der Türkei wirksam werden.
Dieses dämliche Gehabe, dieses Tränenrausdrücken für die ja ach soo schlimm geknebelten Türkinnen, diese Mitleidstour wie sie durch die Medien geistert und von der CDU/CSU gesponsort und aufgepuscht wird
,,und im gleichem Atemzug die fast einzige Möglichkeit (diesem Tun in der Türkei ein schnelles Ende zu bereiten)etwas Praktisches, eine baldige Hilfe und Besserung für diese Frauen zu ermöglichen, mit allen zur Verfügung stehenden Türen zuzuschlagen ist schon grotesk.
Es gibt nichts, absolut nichts Sichereres in der gegenwärtigen Zeit,diesen Frauen zu helfen, als über die Beitrittsverhandlungen und die dabei zu fordernden Bedingungen eine Besserung in unserem Sinne zu erreichen.
Ein zuknallen dieser Beitrittstür und das ständige gebetsmühlenartige runterplappern von den ach so rückschrittlichen und die restliche EU schädigende Türkei, wird deren Marsch in eine vortschrittiche moderne demokratische Zukunft keinesfalls befördern.
Wie soll ich mir das vorstellen? Auf diese Antwort bin ich mal gespannt.


 tiramisusi antwortete am 08.03.05 (11:36):

voelleicht hast du recht, tobias - vielleicht gibt ja auch die geografie eine antwort ?

bin gespant, wann China einen Antrag stellt ...


 feldi antwortete am 08.03.05 (12:06):

Die wichtigste Frage ist doch die was wir davon haben wenn sie reinkommen. Die EU ist doch keine Menschenrechtsvereinigung.


 Karl antwortete am 08.03.05 (13:46):

@ schorsch,

"Wer in einem "Verein" aufgenommen werden möchte, muss sich nach den Satzungen dieses Vereins richten." Das ist genau die Stärke der EU und gerade deshalb hat die Türkei nicht nur in der Vergangenheit bereits wichtige Änderungen vorgenommen, sondern sie muss auch in der Zukunft vor dem Beitritt noch eine Menge bewegen. Der Sog der EU bewirkt große Veränderungen in den beitrittswilligen Ländern, die ohne dieses Ziel nicht stattfinden würden.

@ tiramisusi,

die Türkei ist mit der Geschichte Europas von Anbeginn verwoben. Wir wollen doch nicht so kleinkariert sein und geografische Grenzen als Abschottung verstanden wissen.

@ feldi,

die EU sollte aber auch mehr sein als eine Wirtschaftsvereinigung. Ich bin sehr dafür, dass eine beitretende Türkei auch die EU-Menschenrechtsstandards anerkennt.


 feldi antwortete am 08.03.05 (14:11):

Karli, aber das ist doch nicht alles. Ein Fußballverein braucht gute Fußballer, ein Unternehmen gute Mitarbeiter. Daß Fußballer und Mitarbeiter daneben auch keine KameradInnen und KollegInnen foltern ist selbstverständlich, aber nie die alleinige Bedingung!


 Karl antwortete am 08.03.05 (14:24):

@ feldi,

richtig. Die deutsche Wirtschaft hat ja auch bereits klar gemacht, wieviel sie sich finanziell vom Beitritt verspricht. Wir bekommen den großen Binnenmarkt, den wir suchen (wo er bei uns doch gesättigt scheint).


 tiramisusi antwortete am 08.03.05 (14:58):

Oh Karl - du nennst mich kleinkarriert?
Ich kenne die Geschichte des türkischen Reichs sehr gut - besonders aus der Sicht der Balkanländer ... und da sollte man sich schon ein paar Gedanken machen und nicht nur auf der supertoleranten Wolke schweben ...

Mag sein, das die übrigen Europäer und die neuen intellektuellen Türken mit der neuen Toleranz gut umgehen können - aber der grösste Teil der Türken kann es ganz sicher nicht und so schnell, wie dort das Fähnchen dreht, so steinzeitmässig, wie die Ansicht selbst vieler junger Türken hier ihn D ist, da glaube ich nicht an eine gute Allianz innerhalb der EU - ich kann noch nicht alle Nachbarn einen Hausschlüssel geben, aber ich kann gite Nachbarschaft pflegen.

Vielleicht bin ich gerade weil ich so viele Jahre im Ausland gearbeitet habe - auch auf dem Balkan - eben etwas kritischer als Du. Und ich glaube nach einem über Jahrhunderte gepflegten Verhaltensmuster nicht an eine plötzliche Wandlung.

Bisschen Geschichte?
1346 kamen erstmals im Dienste des byzantinischen Kaisers stehende türkische Söldner nach Europa. Ihre Anführer erkannten und nutzten die sich bietenden Möglichkeiten; 1354 wurde in Gallipoli ein fester Stützpunkt eingerichtet. Von hier aus begann die Eroberung des Balkans.
1361/62 wurde Adrianopel (Edirne) Hauptstadt des osmanischen Reiches.
1389 unterlagen serbische und bosnische fürsten auf dem Amselfeld (Kosovo),
1396 ein aus burgundischen und deutschen Rittern bestehendes, von ungarischen Aufgeboten unterstützes Heer bei Nikopolis. Dies löste in ganz Europa eine Welle der Türkenfurcht aus und begründete einen Mythos der Unbesiegbarkeit. Rückschläge erlebten die osmanischen Türken durch die Niederlage gegen den Mongolen Timur (1402) und aufgrund von Thronstreitigkeiten, die nach dem Tod eines Sultans ausbrachen (1413, 1481).
1453 fiel Konstantinopel; die Stadt wurde zur Hauptstadt des osmanischen Reiches (Istanbul). Einzelne Niederlagen der Türken (1456 bei Belgrad) konnten die Eroberung des Balkans zwar verzögern, aber nicht aufhalten.
1526 fiel König Ludwig II. von Ungarn bei Mohacz; weite Teile seines Landes wurden erobert.
1529 und 1532 standen die Türken vor Wien. Der Kampf gegen das osmanische Reich, zu dessen finanzieller Absicherung nach 1471 in mehreren Schritten eine reichsweit erhobene Steuer (Türkensteuer) eingeführt wurde, setzte sich in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit fort.
.....


 rolf antwortete am 08.03.05 (16:40):

und die letzten 500 Jahre passen wohl nicht ins Schema?


 hugo1 antwortete am 08.03.05 (16:44):

hallo tiramisusi, meinste nicht, wenn wir erst mal anfangen einige Jahrhunderte in unserer und anderer Vergangenheit zu kramen na wo kämen wir denn dahin?
Da würde ich zuerst die Engländer rausschmeißen, was die alles weltweit erobert haben , dann die Franzosen wenn ich da an Napoleon denke wohin der alles mit seinen Soldaten zog, dann die Spanier und Portugiesen, wo in aller Welt die Ihre Kolonien und Sklaven unterdrückten und nicht zuletzt uns Deutsche - ich darf gar nicht dran denken was wir da alles ausgefressen haben, ne, solche Gedankengänge in die ferne Vergangenheit sind mir fremd, wenn es um den Guten Willen der Völkerverständigung, des Annäherns, des Aufbaus einer friedlicheren Welt geht.


 schorsch antwortete am 08.03.05 (18:18):

In den letzten 500 Jahren zu grübeln wäre wohl verfehlt. Aber ebenso verfehlt wäre den Türken zu sagen: "Liebe Brüder, wir akzeptieren, dass eure Mentalität euch zwingt, den Genozid an den Armeniern zu leugnen und werden eure eigenen Gesetze zu den unsrigen machen.....


 feldi antwortete am 08.03.05 (18:26):

Unterdrücken die Armenier nicht heute die Aserbeidschaner? Da war doch vor wenigen Jahren auch ein Gemetzel.


 tiramisusi antwortete am 08.03.05 (18:33):

die letzten 500 Jahre - dazu war mein beitrag zu lang und dann wollte ich´s kopieren und im neuen Beitrag einfügen und da war es weg -

@hugo: das, was Deutschland und die an den Weltkriegen beteiligten Ländern an Wiedergutmachung bis heute geleistet haben und an Aufrbeitung der Geschichte, an Schuldanerkenntnis, um Verzeihung bitten und Völkerverständigung - davon hat die Türkei nicht einmal einen Bruchteil geleistet - deine "Aufrechnung " stimmt also nicht so ganz - auch solltest Du mal genau auf die Stimmen des Volkes - in der Türkei - hören - und Dir ansehen, welche Rechte Türken in Deutschland aber wie verschwindent wenige Rechte Deutsche in der Türkei haben ..
Vielleicht fällt Dir dann was auf?
Nur zum Beispiel - die evangelische Kirchengemeinde wird offiziell nicht zugelassen und muss sich "Verein" nennen - die Türkische Regierung UND die BEvölkerung sind absolut gegen eine deutsche christl. Gemeinde, wenngleich inzwischen viele Deutsche dort leben und ihre Tente dort verpulvern - umgekehrt wird hier sogar seitens unserer Regierung ein islamischer Feiertag gefordert.. hä???


 hugo1 antwortete am 08.03.05 (18:49):

jaaa genau,endlich, du hast es erfasst tiramisusi, die Rechte der Frauen in der Türkei sind "noch" sehr beschränkt bzw eingeschränkt gegenüber unseren Rechten.Ja und da sind wir uns doch wohl einig, das dies geändert werden muss zugunsten dieser Frauen. Ja und was wäre dafür das beste Rezept ? Aus meiner Sicht die schnelle Aufnahme von Beitrittsgesprächen, damit diese "Ungereimtheiten" schnellstens auf den Verhandlungstisch und somit ins türkische Parlament gelangen können, oder weißt Du was Besseres ?


 Marina antwortete am 08.03.05 (19:11):

In diesem Forum wird sich zu Recht beschwert über Menschenrechtsverletzungen und Unterdrückung der Frauen in der Türkei. Es stimmt, dass eine Menge im Argen liegt in der Türkei. Es wird weiter gefoltert, Menschen- und vor allem Frauenrechte werden verletzt und Versprechungen an die EU werden nur zum Teil eingehalten.
Aber ich habe einmal recherchiert, welche Gesetze auf Grund der anstehenden Verhandlungen bereits geändert wurden: us einem Artikel der SZ: „Durch die im Raum stehenden Verhandlungen beschleunigte Reccep Tayip Erdogan nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten im März 2003 den Reformkurs. In seiner Amtszeit verabschiedete das AKP-dominierte Parlament den EU-Ambitionen förderliche Gesetze: So wurden z.B. der von Militärs dominierte Nationale Sicherheitsrat beschnitten, die Staatssicherheitsgerichte abgeschafft, Parteien-Verbote erschwert und das Strafrecht reformiert“.
Aus dem Jahresbericht 2004 von amnesty international:
11. Januar, 4. Februar, 19. Juli und 7. August traten vier Gesetzesreformpakete in Kraft. Die Änderungen sahen die Abschaffung von Vorschriften und Praktiken vor, die der Straffreiheit für Folterungen und Misshandlungen Vorschub geleistet hatten. für Personen, in deren Fällen der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu der Feststellung gelangt war, dass sie durch Urteile türkischer Gerichte in ihren Menschenrechten aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden sind, wurde die Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens eingeführt. Artikel 8 des Anti-Terror-Gesetzes, der die Verbreitung separatistischer Propaganda unter Strafe gestellt hatte, wurde abgeschafft und Einschränkungen bei der Ausstrahlung von Sendungen in anderen Sprachen als der türkischen durch Privatfernsehsender oder Radiostationen wurden aufgehoben. Zudem wurde die Haft ohne Kontakt zur Außenwelt abgeschafft. Vor dem Staatssicherheitsgericht angeklagten Personen wurde das Recht auf sofortigen Zugang zu einem Rechtsbeistand zugestanden. Zu erwähnen sind außerdem Änderungen beim Aufbau und Status des Nationalen Sicherheitsrates.
Andere Gesetze wie das Vereinsgesetz, das Pressegesetz, das Gesetz über politische Parteien, das Gesetz über Zusammenkünfte und Demonstrationen sowie das Gesetz über Stiftungen wurden ebenfalls überarbeitet.
Am 23. September ratifizierte die Türkei den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Am 25. September unterzeichnete die Türkei die Konvention von Ottawa über das Verbot von Anti-Personen-Minen. Durch das am 11. Januar in Kraft getretene Reformpaket wurde die Möglichkeit ausgeschlossen, gegen Polizisten wegen Folter und Misshandlung verhängte Freiheitsstrafen in Bewährungs- oder Geldstrafen umzuwandeln.
Durch die Reformen vom 11. Januar wurde außerdem eine Bestimmung abgeschafft, die vorgesehen hatte, dass die Einleitung von Ermittlungen zur Aufklärung von Vorwürfen über polizeiliche Folterungen und Misshandlungen der vorherigen Genehmigung eines leitenden Polizeibeamten bedarf.
Nicht zu vergessen die Abschaffung der Todesstrafe!
Alle diese Gesetzesänderungen wären niemals ohne die anstehenden EU-Beitrittsverhandlungen erfolgt. Es stimmt natürlich, dass sie weitgehend noch nicht eingehalten werden und massivste Menschenrechtsverletzungen weiter zu beklagen sind. Aber die Aussicht auf einen EU-Beitritt kann Verbesserungen nur fördern. Wenn wir der Türkei jetzt die Tür zuschlagen, wäre das absolut kontraproduktiv, denn dann hätte sie erst recht keinen Anlass, sich an ihre neuen Gesetze zur Verbesserung der Menschenrechte zu halten.
Und vor allem: Die Verhandlungen werden „ergebnisoffen“geführt, müssen also nicht zwangsläufig zum Beitritt der Türkei führen. Sie werden mindestens 10 Jahre dauern und dann wird noch einmal ganz genau geprüft, ob die Türkei reif für die EU ist. Also keine Panik!


 trux antwortete am 08.03.05 (19:12):

Um was geht es denn eigentlich, Aufbau einer friedlichen Welt (hugo1), um den großen Binnenmarkt (Karl), um Förderung des Entwicklungsstands mit Abschaffung der Frauenfeindlichkeit (hugo)?
Dafür soll jetzt schleunigst der Beitritt her? tut mir leid, überzeugt mich nicht. Hört sich bald so an, als würde gute Nachbarschaft heutzutage nicht mehr reichen.

Deutschland kann und muß seine Probleme selbst lösen, meine ich mit Blick auf unsere stotternde Wirtschaft.


 Medea. antwortete am 08.03.05 (19:43):

Aha und dazu bedarf es dann der europäischen Nachhilfe in Sachen Menschen- und Frauenrechte?

Es wird nicht bestritten, daß es ein Durchpeitschen von spektakulären Parlamentsbeschlüssen gab gegen altmodische und obrigkeitsstaatliche Gesetze. Europäische Standards scheinen in einigen Bereichen gegeben - aber nur auf dem Papier - und nicht im Alltag.

Mir scheint, daß die Erdogan-Regierung meint, die Grenzen ihrer Reformbereitschaft erreicht und damit ihre Schuldigkeit getan zu haben und nun den Beginn der Beitrittsverhandlungen abwartet. Das aber wäre ganz falsch.

Die EU hat sehr offiziell den "unverhältnismäßigen Gewalteinsatz" der Polizei bei der Frauen-Demonstration gerügt. Der erste Streit zwischen der EU und Ankara ist da - mit Sicherheit werden dem in nächster Zeit noch weitere folgen.


 Marina antwortete am 08.03.05 (19:52):

Medea, das ist alles richtig, was du sagst, aber glaubst du, die Situation würde sich bessern ohne Beitrittsverhandlungen? Diese sind der einzige Weg zu Verbesserungen, und darum geht es doch.
Da hat Hugo m. E. sehr gute Argumente gebracht, denen ich voll zustimme.


 Karl antwortete am 08.03.05 (22:04):

Ich glaube, das Niederknüppeln der Frauendemonstration ist nur mal wieder ein hoch willkommener Anlass für Medea, um Munition gegen einen Beitritt zu verschiessen. Ich persönlich bezweifel, dass das erste Ziel die Hilfe für die Frauen ist.


 Marina antwortete am 08.03.05 (22:47):

Ja Karl, ich finde das auch manchmal furchtbar scheinheilig, was hier abläuft. Man beklagt immer die armen unterdrückten Frauen, und wenn es um eventuelle Lösungsmöglichkeiten geht, tut man alles, um dagegen Front zu machen. Am Ende läuft alles doch auf eine Islamphobie hinaus, die ich hier dauernd feststelle.


 Medea. antwortete am 09.03.05 (07:31):

Ich verfolge sehr genau, was in der Welt geschieht und erlaube mir meine eigene Meinung dazu, die nicht immer mit der offensichtlich 'gewünschten' Mehrheitsmeinung übereinstimmt.

Es stört mich nicht, hier zu einer Minderheit mit einer anderen Sichtweise zu gehören, einiges davon wird sich bestätigen, anderes nicht, dem sehe ich sehr gelassen entgegen.

Als scheinheilig allerdings empfinde ich so manchen anderen hier geposteten Beitrag. :-)


 tiramisusi antwortete am 09.03.05 (08:17):

Die Unterdrückung der Frau und ihrer Rechte sind sicher nur ein Bruchteil der Gründe, die aufzuführen wären - und ich finde es mal wieder typisch, dass einige, die eine andere Meinung haben, hier mildtätig belächelt und mit Bemerkungen "jaaaaaaaa genau erfasst" angegähnt werden.

@Matina: Auf dem Papier kann man viel ändern - auch Gesetze. Aber die Umsetzung stimmt eben noch lange nicht - und umgesetzt werden Gesetze schlussendlich durch Menschen. Die Hand voll westlich orientierter junger Türken in Grossstädten wie Istambul und Ankara haben alle Hamilien, die noch der alten Denkungsweise angehören und ich bin mir sehr sicher, dass die Familienbande im Zweifelsfall stärker sind - aber selbst wenn nicht - so wenoh, wie New York typisch für die USA ist, so wenig sind diese "neuen Türken" typisch für das riesige Land Türkei - und ich denke, die Türkische Regierung steht auf unsicheren Füssen - Erdogan hat dort viele Fans - und die bereiten einiges vorm um die These Erdogans eines Tages umzusetzen - und die lautet:


"Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten"

Jepp, und die EU ist der Bahnhof, in den dieser Zug hineindonnern wird ...


 rolf antwortete am 09.03.05 (09:45):

Bei uns ist es doch auch nicht ideal:
Wir haben keine Todesstrafe, aber den finalen Rettungsschuß.
Das Niederknüppeln von Demonstranten kennen wir doch auch.
Die Gleichberechtigung steht auch im Gesetz, wird aber vielfach umgangen.
u.s.w.


 schorsch antwortete am 09.03.05 (09:51):

@ marina: "...Alle diese Gesetzesänderungen wären niemals ohne die anstehenden EU-Beitrittsverhandlungen erfolgt. Es stimmt natürlich, dass sie weitgehend noch nicht eingehalten werden und massivste Menschenrechtsverletzungen weiter zu beklagen sind..."

Du hast das als Nebensatz einfliessen lassen; ich betrachte es als Kernsatz! Beitrittsverhandlungen sind O.K.. Aber bei jeder Verhandlung scheint mir das Wichtigste, den türkischen Verhandlungsdelegationen immer wieder einbläuen: Mit dem Aushandeln und Unterzeichnen ist es nicht getan - Taten müssen beweisen, dass es euch ernst ist!


 Marina antwortete am 09.03.05 (10:11):

Medea und tiramisusi,
ich kann eure Bedenken wirklich gut verstehen, weil ich selber sehe, was da alles noch schief läuft in der Türkei, und ich würde diese Bedenken auf keine Fall über Bord werfen. Also wir sind uns näher, als ihr glaubt (übrigens seid ihr mit eurer Meinung in der Mehrheit in Deutschland, tiramisusi). Aber die Frage ist doch die, wie überhaupt etwas erreicht werden soll. Und durch die Beitrittsverhandlungen hat die EU eine Menge Möglichkeiten Druck auszuüben, viel mehr als ohne diese. Schorsch, du hast da völlig recht, man muss den Verhandlungsdelegationen immer wieder die Menschenrechtsverletzungen um die Ohren hauen, das fordert auch amnesty, und das sehe ich genauso. Aber ohne diese Verhandlungen hat man eben diese Chance viel, viel weniger. Und mit ihnen kann eine Menge Druck gemacht werden. Das ist doch der positive Nebeneffekt.
Und dann dauert der Prozess 10-15 Jahre, in denen eine Menge passieren kann. Wenn danach festgestellt werden sollte, dass die Gesetzesänderungen weiterhin wirklich nur auf dem Papier stehen wie bisher, ist die EU nicht gezwungen, den Beitritt der Türkei zuzulassen. Das Gute ist doch, dass die Verhandlungen ergebnisoffen sind, also kein Risiko, sondern eher eine Chance für Verbesserungen darstellen. Und deshalb bin ich auf jeden Fall dafür.


 tiramisusi antwortete am 09.03.05 (10:37):

nun rolf - wenn es nur das wäre ...
persönlich fürchte ich, dass die Neoliberalen, Supertoleranten und Multikultifans sich und ihre Kinder fürchterlich in den Schlamassel reiten und die Europäische Union sich mit dem Beitritt der Türkei keine Freude macht -
Solche grossspurigen Zitate wie die des deutsch-türkischen SPD-Europakandidat Vural Öger (Chef der Reisebüro-Kette Öger-Tours), hier ein Beispiel, sind mehr als nur ein "diplomatisches Spässeken": das hier sagte er bei einen Essen mit seinen türkischen Freunden der größten türkischen Zeitung "Hürriyet":

"Das, was Sultan Süleyman mit der Belagerung Wiens 1683 begonnen hat, werden wir über die Einwohner, mit unseren kräftigen Männern und gesunden Frauen, verwirklichen"

Damals hatte Süleyman Wien belagert, und allen schwangeren Frauen die Bäuche aufschneiden lassen, um die Wiener Bevölkerung zur Aufgabe zu bewegen....


 hugo1 antwortete am 09.03.05 (10:41):

aber Marina, wenn ich doch bisher gegen jedwede Annäherung zur Türkei war (auch wenn ich das natürlich nicht so offen sondern nur hinter irgendwelchen vermutlichen und teils realen Risiken verborgen, äusserte)
dann kann ich doch nicht meine Meinung ändern, auch wenn Deine Argumente sehr gut faßbar, überzeugend und logisch sind.
Dann muss ich weiter und weiter bohren und suchen in dem Bestreben Negatives, Gefährliches, das Abendland stürzende Potential finden, was von diesen ungeliebten Türken ausgeht
,,und ? ich werde fündig, ich klammere mich an jeden Strohhalm an jede momentane kritikwürdige Begebenheit in den Nachrichten, was bleibt mir anderes übrig, zumal ich ja unterstützt werde von sehr prominenten Politikern, die demnächst das Zepter wieder in die Hand nehmen möchten und dabei natürlich auch auf Dummenfang gehen.
In ihrem privatem Leben ja da siehts ganz anders aus, da werden Türkische Waren, gewinnbringende Aktien bzw mit der türkischen Witschaft gut harmonierende Geschäftsinteressen gerne angenommen. Ja da kann ruhig der eigene Sohn unter Pomp und Trubel bei einer Riesenfete eine schwerreiche Türkin heiraten, da ist jedweder Vorwand noch Trug und Schein im Spiel, da sind die Türken seriös genug ?
Ps ich bewundere solche Leute die Tatsachen schaffen, aber mir sind diejenigen suspekt die eine andere Theori trotz besserem Wissens vertreten.


 Marina antwortete am 09.03.05 (11:21):

Hugo, ich kann dir mal wieder nur zustimmen. Übrigens - was deine Anspielung auf den Schwiegervater der schwerreichen Türkin betrifft - wenn ich nicht sehr irre, hat der angefangen mit den Bestrebungen, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu fördern. Jetzt will seine Partei natürlich nix mehr davon wissen, merkwürdig nicht? Soll ich dir sagen, warum nicht? Weil sie sich auf Biegen oder Brechen absetzen muss von den jetzt Regierenden und weil sie damit dem "Volk aufs Maul" schaut, denn letzteres ist mehrheitlich gegen die Verhandlungen. Also Wahlkampfgetöse!


 mart antwortete am 11.03.05 (09:15):

Schade,

Ich war bisher der Meinung, daß es meine eigene Entscheidung ist mit wem ich mich ins Bett lege.

Wenn also - wie Marina es behauptet -, das Volk mehrheitlich gegen eine Zwangsehe ist, sollte es daher nicht dazu gezwungen werden.

Zwangsehen könnten gut ausgehen; in den meisten Fällen enden sie allerdings schlecht - Hat nicht schon einmal Deutschland dem Mann am Bosporus eine "hilfreiche" Hand geboten?

Wer sich die Mühe machen möchte, könnte sich über die alten deutschen Träume in folgendem Link informieren:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/6qunXEajK