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Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Arbeitszeitverlängerung ist Unsinn

 25 Antwort(en).

radefeld begann die Diskussion am 10.02.05 (06:28) :

So ein Widersinn

Haben sich die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes doch tatsächlich geeinigt, die
Wochenarbeitszeit zu VERLÄNGERN!
Glauben die den wirklich mit so einem Unsinn ließe sich der immer weniger werdenden
Arbeitsmenge begegnen? Oder wollen die ruhig weiter über die hohe Arbeitslosigkeit
lamentieren derweil ihre Arbeitsplätze noch halbwegs gesichert sind?
Wo ist die SOLIDARITÄT, von der die Arbeiter einst sangen, geblieben?
Umgekehrt wird ein Schuh daraus:
SENKUNG der Wochenarbeitszeit verhindert Entlassungen, könnte sogar
NEUEINSTELLUNGEN bringen. Eine Staffelung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
nach dem Verursacherprinzip, wie es in fast allen anderen Versicherungsparten derweil üblich
ist, könnte eine kleine Entschädigung für den Lohnausfall sein.
In dem Sinne, und NUR so, könnte auch der Forderung vom Arbeitgeberpräsident HUNDT entsprochen werden, diese
Beiträge zu senken.


 tiramisusi antwortete am 10.02.05 (07:52):

na von staatlicher Seite ist das doch die ideale Lösung! So wird die Rentenzahlung an viele Leute schön hinausgezögert, gleichzeitig werden immer weniger med. Leistungen bezahlt und mit etwas "Glück" sterben die nachwachsenden Renter vor Erreichen des Rentenalters ...


 BarbaraH antwortete am 10.02.05 (10:49):

Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich ist eine Umschreibung des Tatbestandes der Lohnkürzung.

Außerdem werden das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld zusammengefasst und 2007 gesenkt. Somit eine weitere Lohnkürzung.

Und weil wir in einem Sozialstaat leben, werden die Zuschläge für Beschäftigte mit Kindern in Zukunft ganz wegfallen. Somit eine weitere Lohnkürzung, allerdings nur für Leute mit Kindern. Das empfinde ich als besonders skandalös, weil diese Regierung doch alles unternehmen wollte, um Familien zu fördern.

Eine weitere Vereinbarung passt ins gleiche Schema: es wurde eine neue Niedriglohngruppe geschaffen. Erhielten ungelernte Reinigungskräfte bisher im öffentlichen Dienst etwa 1700 bis 1800 Euro, werden es zukünftig nur noch 1300 Euro sein.

Noch wehren sich verschiedene Länderchefs gegen die Vereinbarungen. Die Einschnitte gehen ihnen nicht weit genug...

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/GZxVKHWZU


 mart antwortete am 10.02.05 (13:30):

<<Erhielten ungelernte Reinigungskräfte bisher im öffentlichen Dienst etwa 1700 bis 1800 Euro, werden es zukünftig nur noch 1300 Euro sein.<<

Nun, mein Sohn mit abschlossenem Maschinenbaustudium arbeitet nun bei einer renommierten Firma mit brutto 1780ä für die 40 Stundenwoche an, wozu noch ein Überstundenpausche von etwa 400 ä für zusätzliche 20 Arbeitsstunden pro Monat kommen.

Vielleicht sollte man doch ungelernt putzen gehen:-)


 Ziesemann antwortete am 10.02.05 (13:32):

@Radefeld
Ach, wenn es doch nur so einfach wäre. –Inzwischen pfeifen es sogar schon die bekannten Spatzen von den Dächern, dass der Weg zur Beschäftigung über Arbeitszeitverkürzung der hölzernste alle gewerkschaftlichen Holzwege war.
Wäre er gangbar, dann würde sich vielleicht z.B. die 25-Stundenwoche empfehlen, dann bekommen wir vielleicht Vollbeschäftigung. Noch besser: 0-Stundenwoche bei vollem Lohnsausleich – versteht sich.
Die wichtigsten Gründe für diesen Fundamentalirrtum sind:
1. Arbeitszeitverkürzung mit auch nur teilweisem Lohnausgleich erhöht die Kosten des Faktors Arbeit, zwingt die Unternehmen zu noch mehr Rationalisierung und zur Produktionsverlagerung ins Ausland.
2. Selbst wenn der Lohn 1:1 zur verkürzten Arbeitszeit gesenkt würde, entstehen personelle Zusatzkosten durch die Einstellungsprozedur, das Anlernen und die Sozialbeiträge.
3. Wir haben einen gespaltenen Arbeitsmarkt. Eine Verkürzung der Arbeitszeit etwa für Elektroschweißer bringt den stellungslosen Deutschlehrer nicht in Arbeit und Brot.

@BarbaraH
Deine Empörung, dass nun wieder die Familien mit Kindern leiden müssen, teile ich. Aber Familienhilfe ist nicht Aufgabe der Tarifparteien, sondern eine gesamtgesellschaftliche, z.B. durch eine Kinderkasse, aus denen die Kinder alimentiert werden und in die nur Kinderlose, partiell auch Kinderarme (nur ein Kind) einzahlen müssen – ein Vorschlag der schon vor einem halben Jahrhundert dem damaligen Bundeskanzler Adenauer unterbreitet wurde. Abgelehnt, denn „Kinder kriegen die Leute immer“. Welch’ ein fataler Irrtum!


 radefeld antwortete am 10.02.05 (16:24):

@Ziesemann
Deiner Logik kann ich nicht folgen. Ich hatte nicht von VOLLEM Lohnausgleich gesprochen,
sondern davon, dass durch die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ein Teil des
LOHNAUSFALLES, den ich schon einkalkuliert hatte, ausgeglichen werden sollte.
Übrigens, gerade die Lehrer machen es an einigen Schulen schon vor: SENKUNG der
Arbeitszeit, um Entlassungen zu vermeiden, Auch die Angestellten des Leipziger Stadtrates
arbeiten 4 Std/Woche weniger, für natürlich auch 10% weniger Lohn/Gehalt..
Wieso die Sozialkosten bleiben, da sie doch prozentual an die Löhne gekoppelt sind, müsstest
du uns erst noch erklären.
Und weil die Gewerkschaften das hin und wieder auch verlangen, m.E. noch viel zu selten,
deshalb ist es sicher noch lange nicht falsch.
Die angeblich zu hohen Ausbildungskosten fallen bei der handfesten materiellen
Unterstützunmg, die der Staat ausbildenden Unternehmen gewährt, wohl kaum ins Gewicht. Es
gibt Unternehmen, vor allem in der Gastronomie, die fast ihren ganzen Betrieb mit Azubis, die
doch weniger Lohn bekommen, dafür aber staatliche Zuwendungen einbringen, realisieren.
Und was der Herr Adenauer vor einem halben Jahrhundert von sich gab ist deswegen noch lange nicht richtig, weder damals
noch heute.


 Lars antwortete am 11.02.05 (15:22):

Radefeld.
Weniger Arbeitszeit, bedeutet mehr "Schwarzarbeit".
Das wiederum ist schlecht ist für die Wirtschaft, von damit verbundenen Steuerausfällen gar nicht zu reden!
Da möchte ich Ziesemann unterstützen.


 BarbaraH antwortete am 11.02.05 (19:00):

Arbeitszeitverlängerung bedeutet auch, noch weniger Zeit für die Familie.

>>Die Erfahrungen in Hessen zeigen, dass berufstätige Mütter tatsächlich nicht einfach so ein paar Stunden länger im Büro bleiben können. In Hessen gilt für viele Beamte seit Anfang des Jahres die 42-Stunden-Woche. Einige junge Beamtinnen hätten ihre individuelle Arbeitszeit schon wieder verkürzt, und zwar auf die bisher geltenden 38,5 Stunden, berichtete ein Verdi-Sprecher. Der Grund: Die Kinderbetreuung war nicht mehr zu organisieren.

Auch die meisten Männer wollen keine Rabenväter sein und nicht noch länger von zu Hause weg bleiben. Im Gegenteil: Sie wollen kürzer arbeiten. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage unter 2000 Beschäftigten mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, die das Bundesfamilienministerium in Auftrag gegeben hat. Der Studie zufolgen haben die befragten Männer im Schnitt eine 44-Stunden-Woche. Satte 77 Prozent möchten ihre Arbeitszeit verringern.<<

Quelle: Frankfurter Rundschau "Fragen der Zeit"
Familienpolitischer Rückschlag
These 4: Auf zwei Stunden mehr kommt es nicht an
VON EVA ROTH
https://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft/fragen_der_zeit/?cnt=477828

Internet-Tipp: https://www.fr-aktuell.de/uebersicht/alle_dossiers/wirtschaft/fragen_der_zeit/?cnt=477828


 radefeld antwortete am 12.02.05 (11:46):

@lars:
Wieso haben Arbeitplatzbesitzer, die einfach etwas weniger Zeit arbeiten, MEHR Lust und Kraft, Schwarzarbeit zu verrichten als die 5 Mio Arbeitslosen, denen ohne ihre Schwarzarbeit doch nicht nur Geld fehlt, sondern auch die Decke auf Kopf fallen würde.
Im Grunde hast Du natürlich Recht: Die Schwarzarbeit ist ein gewaltiges Steuerloch. Und ein Betrug an der Allgemeinheit obendrein!


 rolf antwortete am 12.02.05 (12:25):

Schwarzarbeit ist bei uns auch, wenn ein Malergeselle, der sich als Fußbodenverleger selbständig gemacht hat (hierfür braucht er keinen Meister) eine Wohnung tapeziert und die Lackierarbeiten ausführt.
Er betrügt weder den Staat um Steuern noch die Sozialversicherung.
Im Gegenteil, er hatte sogar einen Arbeitsplatz geschaffen, aber gegen die nur für Deutsche geltende Handwerksordnung verstoßen.
Jetzt beziehen er und sein Arbeitnehmer Arbeitslosengeld.


 Ziesemann antwortete am 14.02.05 (12:33):

@ Radefeld
Adenauers Satz „Kinder kriegen die Leute immer“ war 1957 kaum richtig und ist heute völlig falsch. Der Geburtenschwund ist ein, wenn nicht der wesentliche, Teil der Finanzierungsprobleme unserer sozialen Sicherungssysteme. Wir sind in einen Teufelskreis geraten. Immer weniger müssen immer mehr Menschen unterhalten, so dass deren Abgabelast ständig steigt. – Richtig ist, dass in homogenen Berufsgruppen, zum Beispiel Lehrer mit denselben Fächerkombinationen, Arbeitszeitverkürzungen mit adäquater, pensionsschädlicher(!) Gehaltskürzung zu Gunsten von Neueinstellungen arbeitsloser Lehrer möglich sind. Aber gegenüber fünf Millionen Arbeitslosen funktioniert dies Modell nur sehr begrenzt.
@Lars und Rolf
Die Schwarzarbeit ist systembedingt, die hohe Abgabenlast macht sie lohnend. Nur ein Beispiel: Wenn ein Malergeselle eine Stunde eines Elektrikers bezahlen will, so muss er dafür vier Stunden arbeiten. –
Nicht die Arbeitslosen sind faul, sondern das System; es lohnt vielfach gar nicht, eine minderbezahlte Arbeit anzunehmen, weil die Sozialhilfe (Arbeitslosengeld II) faktisch einem gesetzlichen Mindestlohn entspricht. Was jeder VWL-Student im ersten Semester lernt, gilt auch hier: Ist der Preis einer Ware – in diesem Fall die Arbeitskraft – höher angesetzt als der Nachfrage entspricht, so ist die Ware unabsetzbar.
Generell gilt: Die Auffassung, mit Arbeitszeitverkürzung Beschäftigung zu sichern oder gar zu erhöhen ist theoretisch und empirisch derartig fundamental widerlegt, dass man nur noch erstaunt sein kann über die Totengräber, die diese vermoderte Idee aus dem Grab hervorholen wollen.


 seewolf antwortete am 14.02.05 (14:15):

Ziesemann - und es sind dieselben, die am liebsten heutzutage noch auf der E-Lok einen Heizer mitfahren lassen würden...

Anders ausgedrückt: Wir haben zu akzeptieren, daß "Arbeit" an sich keinen Wert hat oder darstellt. "Beschäftigung" auch nicht. Es geht ökonomisch betrachtet allenfalls um Wertschöpfung.

Wenn wir dies so nicht wollen, müssen wir übergehen zur geordneten Alimentierung breiterer Bevölkerungskreise von Staats wegen, nämlich solcher, die zu einer "marktgerechten" Wertschöpfung nicht in der Lage sind - aus welchen Gründen auch immer. Konsequenzen kann man nicht weg-"moralisieren". Man sollte sie ziehen.


 BarbaraH antwortete am 25.02.05 (09:20):

"Arbeitszeit Lebenszeit" lautet das Motto einer heute beginnenden Tagung in Berlin. Veranstalter des Treffens ist der DGB-Bundesvorstand in Zusammenarbeit mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) und dem Netzwerk FrauenZeiten.

>>für Margareta Steinrücke, Frauenforscherin bei der Arbeitnehmerkammer in Bremen, geht es darum, "die Gewerkschaften in der Arbeitszeitdebatte durch neue Argumente wieder in die Offensive zu bekommen". Angesichts des vorherrschenden "betriebswirtschaftlichen Denkens" müssten "neben der einzelbetrieblichen Kostenrechnung auch noch andere, gesellschaftliche Kosten" berücksichtigt werden.

Den Organisatorinnen zufolge würde Arbeitszeitverlängerung "die zarten Ansätze eines egalitären Geschlechterverhältnisses, die wir seit einiger Zeit zu verzeichnen haben, wieder zerstören". Das Frauen-Netzwerk, dem auch SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles angehört, fürchtet eine "Verschärfung der Konflikte über die häusliche Arbeitsteilung". Schon heute seien diese Auseinandersetzungen "ein wesentlicher Grund für Trennung und Scheidung"- und auch für die niedrige Geburtenrate. Beruflicher Stress, betont Steinrücke, habe schon "auf einer ganz unmittelbar physischen Ebene" eine "stark libidoabtötende Wirkung". Kinder und Karriere würden "noch unvereinbarer, als sie es eh schon sind". <<

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 25.02.2005
DGB warnt vor gesellschaftlichen Kosten langer Arbeitszeiten
Gewerkschaften und Frauen-Netzwerk thematisieren Auswirkungen auf Partnerschaften, Familie und Geburtenrate / Tagung in Berlin
VON THOMAS GESTERKAMP
https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/
wirtschaft/?sid=4192b8f5f512d68933c41a26dea5fcaa&cnt=636676

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/OPAXLuwnn


 mart antwortete am 25.02.05 (17:50):

<<Das Frauen-Netzwerk, dem auch SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles angehört, fürchtet eine

"Verschärfung der Konflikte über die häusliche Arbeitsteilung".

Schon heute seien diese Auseinandersetzungen "ein wesentlicher Grund für Trennung und Scheidung"- und auch für die niedrige Geburtenrate. <<



Das sind natürlich sehr schwerwiegende Gründe, die gegen die Flexibilität und Verlängerung ? (ich weiß nicht wieviel Stunden hier zur Diskussion stünden - aber sicherlich soviel, daß es zu einer ernstlichen Beeinträchtigung der häuslichen Leistung führen würde) der Arbeitszeit sprechen.

Ich würde vorschlagen, da hier die Gründe für Scheidung, Trennung und niedere Geburtenrate so durchaus einsichtig auf den Tisch gelegt worden sind, mit der Erziehung der Männer hinsichtlich Arbeitsteilung zu beginnen:-)


 BarbaraH antwortete am 25.02.05 (20:13):

Es geht nicht um "Erziehung von Männern" sondern um eine partnerschaftlich geführte Ehe, in der sich beide sämtliche Aufgaben teilen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn ihnen genügend Zeit dafür bleibt.

Ich zitiere weiter:

>>Es sei "kein Problem, eine Weile länger zu arbeiten", formuliert Jürgens: "Aber es muss immer ein Licht am Horizont geben, andere Zeiten mit mehr Freiraum für das Privatleben." Zeitmodelle im Sinne der Beschäftigten könnten verhindern, "dass die Arbeitswelt noch familienfeindlicher wird". Denn sonst werde es "immer schwieriger, junge Paare zu überzeugen, auf Einkommen und Karriere zu verzichten und sich auf Kinder einzulassen".

"Kurze Vollzeit für alle"

Längere Arbeitszeiten bezeichnet der DGB im Untertitel der Veranstaltung als "geschlechter- und familienpolitischen Unsinn". Sie zerstörten die "Bindekraft der Gesellschaft", glaubt Steinrücke. Als "Vertreter einer gesamtgesellschaftlichen Rationalität" sei es Aufgabe der Gewerkschaften, das "Interesse an Reproduktion, Gesundheit und Gemeinschaft" gegen die egoistische Gewinnmaxime einzelner Unternehmen zu verteidigen. "Kurze Vollzeit für alle" (Spitzley) als Motto einer anderen Arbeitskultur und als "großes gesellschaftliches Solidaritätsprojekt" - so könne es dem DGB gelingen, "aus der politischen Defensive herauszukommen".<<

Quelle: Frankfurter Rundschau vom 25.02.2005
DGB warnt vor gesellschaftlichen Kosten langer Arbeitszeiten
Gewerkschaften und Frauen-Netzwerk thematisieren Auswirkungen auf Partnerschaften, Familie und Geburtenrate / Tagung in Berlin
VON THOMAS GESTERKAMP
https://www.frankfurter-rundschau.de/ressorts/wirtschaft_und_boerse/
wirtschaft/?sid=4192b8f5f512d68933c41a26dea5fcaa&cnt=636676

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/OPAXLuwnn


 mart antwortete am 25.02.05 (20:39):

Na ja, dann lassen wir doch das Frauennetzwerk mit seinen Forderungen selbst zu Wort kommen:

"Es bedarf neuer (Arbeits-)Zeitmodelle, sowohl für einzelne Lebensphasen mit unterschiedlichen Zeitbudgets als auch für die gesamte Dauer eines Erwerbslebens. Zeitverteilung ist eine Machtfrage. Aber: Zeitgestaltung und Verteilung ist eine Schlüsselfrage, insbes. für Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen und Zukunftsfähigkeit.

1. Die Regelarbeitszeit für eine existenzsichernde Beschäftigung muss verkürzt werden! Als „Rechengröße“ halten wir eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 30Stunden für ein richtiges Ziel.

2. Die verbleibende Arbeitszeit muss einer klaren Rhythmik folgen bzw. über längere Fristen im voraus planbar sein.

3. Eine an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientierte flexible Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit muss gewährleistet sein, neue Modelle für Zeitsouveränität auch bei der Wochenarbeitszeit sind einzuführen.

4. Es muss einen sozial gestaffelter Lohnausgleich erfolgen.


5. Arbeitszeitkonten mit verschiedenen Modulen wie Bildung und Weiterbildung oder wechselnde private Lebensphasen müssen konzipiert und in kontinuierliche Erwerbsabläufe integriert werden.

6. Die Arbeitszeitverkürzung muss von staatlicher Seite flankiert werden, inklusive einer Reduzierung der nach Arbeitszeitgesetz zulässigen Höchstarbeitszeiten. So muss gewährleistet werden, dass es wirklich zu Neueinstellungen anstelle einer ständigen Leistungsverdichtung kommt.

7. Die Initiative auf dem Arbeitsmarkt muss von einer Reform des Kinderbetreuungssystems (vor allem für Kinder unter drei und über sechs Jahren) und einer Umstellung auf Ganztagsschulen begleitet sein. Es darf auf dem Arbeitsmarkt nicht länger ein Nachteil sein, Kinder zu haben.

8. Die im Steuer- und Versicherungssystem gegebenen Anreize für die ungleiche Verteilung der Arbeitszeit zwischen den Ehepartnern bis hin zur Nichterwerbstätigkeit der Frauen (Ehegattensplitting, Mitversicherung in der Krankenversicherung etc.) müssen beseitigt werden.

9. Das Prinzip der Nachhaltigkeit muss auch auf dem Arbeitsmarkt verwirklicht werden – eine dynamische und leistungsfähige Arbeitsgesellschaft, die auf einem schnellen „burn out“ ihrer LeistungsträgerInnen basiert, hat keinen langen Atem für eine erfolgreiche Zukunft."


Klingt doch gut, meine ich:-))

Internet-Tipp: https://www.frauenzeiten.de/kurzfassung.html


 BarbaraH antwortete am 25.02.05 (22:28):

Genau, mart. Das klingt auch für mich gut.


 mart antwortete am 25.02.05 (23:42):

Und genau das scheint das Problem zu sein:-)))


 Wolfgang antwortete am 26.02.05 (00:59):

Zur Zeit herrscht der entfesselte Kapitalismus. M. E. nach haben diese Forderungen, die fuer mich ebenfalls gut klingen, keine Chance, bei den Maechtigen gehoert zu werden. Damit solche Forderungen eine Chance bekommen, muss man wohl die davonjagen, die eine Arbeitsorganisation, besser: eine Wirtschaftsorganisation im Interesse der arbeitenden Menschen blockieren.

Ansonsten wird es bei der voellig unbefriedigenden Situation vor allem fuer arbeitende Frauen mit Kindern bleiben.


 radefeld antwortete am 26.02.05 (06:12):

Ach Wolfgang, das hatten wir ja schon einmal. Nur die, denen es dort wirklich "gut" gehen
sollte, genau die haben dieses Wirtschaftsmodell wieder wegdemonstriert.
Ohne Kapitalisten und ihr kapitalvermehrendes Gewinnstreben geht es eben auch nicht. Nur so
wird das Investitionskapital geschaffen und angehäuft, das jede Gesellschaft braucht. Nur müssen die eben "im Schaum gebremst" werden.
Übrigens sind leider nicht nur die Unternehmer, sondern auch einige Arbeitnehmer GEGEN
eine Arbeitszeitverkürzung für alle, weil sie dann etwas an ihrem Lebensstil, der zwar nicht auf
"Gewinnmaximierung" so aber doch auf höchsten Komfort als Hauptziel ausgerichtet ist,
ändern müssten. Es gibt noch andere lebenwerte Maxime. Aber das zu vermitteln, dazu fehlt
DIESER Gesellschaft wohl der Wille und auch der Mut.
Leider.


 BarbaraH antwortete am 26.02.05 (12:03):

Apropos Gewinnstreben der Kapitalisten, ohne das es angeblich nicht geht...

Wir brauchen dabei gar nicht bis nach China zu schauen. Auch innerhalb der EU sind z.Zt. gute Studien zu betreiben. Mitten in Deutschland wird bis zu 16 Stunden täglich für zwei bis drei Euro die Stunde gearbeitet. Und das ist vollkommen legal. Ihre Gewinne werden die Arbeitgeber sicher in neue Arbeitsplätze für die "freigestellten" Deutschen investieren:

>>Allein zwischen Oldenburg und Bielefeld haben nach Gewerkschaftsangaben etwa 4000 einheimische Beschäftigte seit der Ost-Erweiterung ihren Arbeitsplatz verloren. 8000 inländischen Arbeitskräften stehen heute in der Region 6000 aus Osteuropa gegenüber. Und die schuften unter zum Teil menschenunwürdigen Bedingungen, wie NGG-Funktionär Matthias Brümmer erzählt. "Wir haben Fälle, in denen die Leute für zwei bis drei Euro die Stunde arbeiten und das bis zu 16 Stunden am Tag." Untergebracht seien sie in angemieteten Unterkünften mit fünf oder sechs Mann. "Und für so einen Verschlag werden ihnen dann 150 Euro monatlich abgeknöpft."<<

Quelle: Hamburger Abendblatt vom 26.02.2005
Billiglohn im Schlachthof
26 000 einheimische Fleischarbeiter haben laut Gewerkschaft ihre Jobs durch Konkurrenten aus Osteuropa verloren. Grund ist ein Schlupfloch im EU-Recht.

Von Bob Geisler
https://www.abendblatt.de/daten/2005/02/26/403977.html

Internet-Tipp: https://www.abendblatt.de/daten/2005/02/26/403977.html


 Wolfgang antwortete am 26.02.05 (12:49):

Ich weiss, radefeld, dass 'wir' das nicht schon einmal hatten. Irgendwie bist Du dermassen DDR-fixiert, dass Du immer denkst, ich spraeche fuer einen Staatskapitalismus a la DDR und UDSSR. Ich verrate Dir mal was: Zu DDR-Zeiten habe ich unliebsame Bekanntschaft mit den dortigen Behoerden gemacht. Wahrscheinlich hast Du damals treu und bav dem damaligen Regime gedient und an die Luegen der DDR-Oberen vom 'Sozialismus' geglaubt. Du solltest Dein eigenes Verhalten aber nicht auf andere projezieren.


 radefeld antwortete am 28.02.05 (07:47):

Sicher, Barbara, sie ist die Quelle des Kapitals, die Ausbeutung. Aber wir sollten nicht vergessen, dass WIR alle daran teilhaben und unseren Nutzen auch . Oder möchtest du demnächst Spargel kaufen, der für 10.-EURO/Std. gestochen wurde, oder Erdbeeren, die zum gleichem Lohn gepflückt wurden?
Und @Wolfgang: Sicher, ich habe meine Arbeit gemacht und wurde dafür bezahlt, für die FAXCHLICHE Arbeit und Leistung wohlgemerkt. Damals gab es für gesellschaftliche, ehrenamtliche Tätigkeiten KEINE "Aufwandtsentschädigung", wie das heute üblich ist.
Und nur, weil dir mal irgendwelche Behörden blöd gekommen sind, deshalb ist der Sozialismus nicht gescheitert. Blöde Behörden gibt es heute auch! Das ganze System ist NICHT machbar!
Die klugen Westbewohner habt das natürlich von vornherein gewusst, wir dagegen brauchten 40 Jahre, das zu begreifen. Sind eben etwas schwer von Begriff. Und gerade im Westteil unseres Landes gibt es Leute, die noch einen Versuch wagen wollen....


 BarbaraH antwortete am 28.02.05 (22:01):

Ja, radefeld,

ich bin bereit, einen fairen Preis für Spargel und Erdbeeren zu bezahlen. Fair heißt für mich, dass die Menschen, die diese Ware erzeugt und geerntet haben, von dem Erlös anständig leben können. Wenn die Ware für meinen Geldbeutel zu teuer ist, kaufe ich weniger oder verzichte ganz.


 radefeld antwortete am 01.03.05 (06:05):

Ja, Du Barbara und sicher noch einige andere vernünftige Menschen. für den großen Rest aber "ist Geiz geil". Die können nicht genug von billigsten Angeboten bekommen, die nur in Ausnahmefällen durch Gewinnverzicht, in der Masse aber durch gnadenlose Ausbeutung der Produzenten entstehen. Diese "Mitnahmeangebote" lassen nur die wenigsten Menschen aus. Müssten sie doch sonst auf ihre jährlichen Fernurlaubsreisen in die ärmsten Länder verzichten, wo sie auch wieder Arbeit von Leuten in Anspruch nehmen, die lange nicht soviel verdienen wie der ärmste Alg II-Empfänger hier bei uns OHNE Arbeit und Anstrengung empfängt.


 hugo1 antwortete am 01.03.05 (11:17):

hallo radefeld,, ich glaube da verrennen wir uns in -für dieses Thema - unproduktive Details mit dem Wunsch nach Verzicht auf Fernreisen und dafür z.B. Kauf teuerer deutscher Markenprodukte.
Da denken die vielen deutschen Flugzeubauer, Reisbüromitarbeiter Reiseleiter, Flugpersonal. Flughafenmitarbeiter, Cateringköche, Reiseutensielienhersteller usw ganz anders darüber.
,und obs den dortigen Einheimischen Bauern, Fischern Busfahrern, Animateuren Kellnern Köchen usw. und ihren Familien hilft, wenn die Touris wegbleiben wär auch eine Diskussion wert.
Die teuern deutschen Schuhe z.B. die mir hier angeboten werden, ob das das Wahre ist ? Kommt das Leder nicht aus Argentinien, halten sie dann nicht viel zu lange wenn ich sie 10 Jahre lang tragen kann und muß bei dem Preis, ist das hygienischer als öfter mal ein paar Neue billigere ?
Ich bin mir da nicht ganz sicher und zum Teil auch überfragt wenn ich die gesamten internationalen Zusammenhänge beeurteilen sollte. (Vielleicht wird gerade andersherum ein Schuh draus)