Zur Seniorentreff Homepage
Google
Web  ST 

Neues ChatPartnersuche (Parship)FreundeLesenReisen LebensbereicheHilfe


Übersicht Archiv "Politik und Gesellschaft"

THEMA:   Auschwitz und wir

 21 Antwort(en).

Tobias begann die Diskussion am 27.01.05 (09:15) :


Rüdiger Suchsland schreibt am 27.01.2005 in TELEPOLIS folgendes:

Gedanken zur Befreiung des größten deutschen Vernichtungslagers vor 60 Jahren
Heute vor 60 Jahren befreiten sowjetische Truppen das Vernichtungslager von Auschwitz. Seitdem ist Auschwitz mehr als nur ein Ort des namenlosen, unvorstellbaren Schreckens. Es ist das Synonym für diesen Schrecken, eine offene Wunde und der Inbegriff des deutschen Völkermords an den Juden. In der Erinnerung an ihn findet und verliert sich deutsche Gesellschaft, Kultur und Politik auch in der Gegenwart. Denn nach wie vor gilt der Satz von George Steiner: "Die Gegenwart von Auschwitz hat auch darin ihren Grund: Wir haben keine andere Sprache als die, in der Auschwitz geboren und vollzogen wurde."


 iustitia antwortete am 27.01.05 (11:14):

Das ist geistig infantil oder neurotisch instrumentiert - wir haben ganz selbstverständlich die Sprache, uns analytisch (ohne dümmliche Selbstbezichtigung) mit den Ursachen und den Erscheinungsformen von Faschismus auf der ganze Welt zu beschäftigen.
Und wir sind gesetzlich und moralisch in der Lage, solche Aggressionenn wie oben zitiert und auch den Antisemitismus selbst zu erkennnen und abzuwehren, ohne dass wir uns verstecken müssten.
*
Aber ist der Text von Redner(?) Suchsland, den ich namentlich nicht kenne, denn vollständig....?


 iustitia antwortete am 27.01.05 (11:22):

Nein, der "Zuschnitt" des Textes von Suchsland war polemisch-dumm...: So kann man Mieses schüren - und Selbstgerechtigkeit häufen!
*
Hier, der letzte Teil - wie bei "telepolis" nachzulesen:

Soll man sich etwa ewig schuldig fühlen? Wer das fragt, fragt am Thema vorbei. Denn gewiss: Schuld müssen nur die empfinden, die schuldig geworden sind. Scham dagegen bezieht sich auf ein Kollektiv. Schuld ist nicht vererbbar. Aber wer "stolz" sein will "ein Deutscher zu sein",
der sollte sich auch dafür schämen. Denn Stolz wie Scham gehören zur Zugehörigkeit zu einer Gruppe, zur Anteilnahme an ihren großen Stunden, wie an ihren Verbrechen. Wer, von all jenen, die gern über "deutsche
Identität" schwadronieren, hat sich tatsächlich die Frage gestellt, was deutsche Identität nach Auschwitz heißen kann? Wenn es Sinn macht, von "deutscher Identität" zu sprechen, dann im Sinne einer "Verantwortungsgemeinschaft", in der jeder Deutsche steht und in der er als ihr Mitglied die Pflicht zur Wachsamkeit hat.

für Täter des Genozids gibt es keine Straferlassung auf Bewährung, für Tätergesellschaften sehr wohl. Im Falle des Völkermords ist die Dauer der Bewährungszeit allerdings besonders lang. Darum sind die Deutschen, ist Deutschland keineswegs, wie gern suggeriert wird, "wieder normal"
(auch so eine Formulierung, die Auschwitz als Leerstelle sehr wohl in sich birgt). Zumindest geschärfte Beobachtung und wache Sensibilität ist gefordert. Zum Beispiel gegenüber eilfertigen, aus Tätermund immer relativierenden und entschuldigenden Vergleichen.

In letzter Zeit war wieder viel von Patriotismus die Rede. Patriotismus heißt: sich an Auschwitz zu erinnern und die entscheidende offene Frage nicht zu vergessen: Warum?
*

Meine Frage:
WIE OFT ERLEBT MAN D A S: ZURECHT-BIEGUNGEN VON ARGUMENTATIONEN, AUSSCHNEIDEN - UM SICH DAVONZUSTEHLEN...?


 Karl antwortete am 27.01.05 (14:50):

Ich finde, die Aussage von Suchsland

"wer "stolz" sein will "ein Deutscher zu sein",
der sollte sich auch dafür schämen"

richtig. Wenn man sich schon einer Gruppe zugehörig fühlt, dann gilt es nicht das Negative auszuklammern. Dann muss man sich schämen Deutscher zu sein. Mein ganzes Leben - ich bin 1948 geboren - ist von dieser Scham durchzogen. Ich schäme mich noch immer (und das wird nie aufhören) Deutscher zu sein. Ich weiß aber auch, dass Nichtdeutscher zu sein, niemanden davor schützt, ebenso Teil einer solchen Mordmaschine zu werden und als Deutscher fühle ich mich verpflichtet, überall dort, wo Menschen anderen Unrecht zufügen zu protestieren. Aus Scham darf man nicht schweigen, sondern die Lektion von Auschwitz heißt: Aufpassen und protestieren, wenn immer und wo immer Tendenzen zur Wiederholung sichtbar werden.


 Marina antwortete am 27.01.05 (15:20):

Der Artikel von Suchsland ist keineswegs "geistig-infantil" oder "polemisch-dumm", letzteres ist die Behauptung, dass er es sei. Ich stimme jedem einzelnen Satz davon zu. Neben dem von Dir, Karl, zitierten z.B. auch dem: "Zumindest geschärfte Beobachtung und wache Sensibilität ist gefordert. Zum Beispiel gegenüber eilfertigen, aus Tätermund immer relativierenden und entschuldigenden Vergleichen".
Wo gibt es hier ein Davonstehlen? Suchsland fordert ganz im Gegenteil, dass wir Deutschen uns der Verantwortung stellen müssen. Davonstehlen tun sich diejenigen, die relativieren und entschuldigen, wogegen der Autor gerade anzugehen fordert. Sehr guter Artikel!


 Felix antwortete am 27.01.05 (15:40):

Auf ARD läuft die Uebertragung von der Gedenkfeier in Auschwitz.
Obwohl ich die Dokumente über dieses grosse Verbrechen schon viele Male gesehen habe, hat mich diese Sendung wieder tief erschüttert.
Das Vorgehen der verblendeten Deutschen bei diesem Voelkermord ist so ungeheuerlich, dass die meisten Menschen keine Mühe haben, sich entschieden von diesem Massenmord zu distanzieren.
Vermutlich auch diejenigen Zeitzeugen, die miterlebt hatten, was man diesen Mitmenschen antat.
Ich bin der Ansicht, dass man das Augenmerk vorallem auf die jetzt erlebbaren und bekämpfbaren Unmenschlichkeiten konzentrieren sollte.
Ich erlebe häufig abfällige Witze und Bemerkungen gegenüber unliebsamen Minderheiten.
Diese töten und vernichten zwar nicht direkt ... ebnen aber den Weg dazu!


 carla antwortete am 27.01.05 (16:34):

Schäme ich mich, Deutsche zu sein? Nein.
Sehe ich in der Vergangenheit der Deutschen im Dritten Reich Anlaß, besonders wach in Sachen Faschismus, Antisemitismus, rechten Tendenzen zu sein? Ja.


 aarleu antwortete am 27.01.05 (18:09):

Stolz, Scham und andere Begriffe gibt es bei den nicht sprechenden Lebewesen nicht. Auch die Natur kennt sie nicht. Geschehene Dinge sind eben Vergangenheit
und nicht mehr zu ändern. Wenn man bei Genozid lange Zeiten der Scham proklamiert warum erinnert man nicht in anderer Form an den Völkermord an den Indianern als in der Mord verherrlichenden Form der „Western“? Oder an die Ausrottung der Indios in Südamerika durch die Spanier? An das Gold das die Indios fördern mußten mit Millionen Toten? Die Straflager für Völker im Bereich der Sowjetunion? Gilt für verschiedene Völker verschiedenes Recht und andere Menschlichkeit? Wer will hier behaupten daß es Gruppen von Menschen gibt die „gut“ und andere die „schlecht“ sind? Alle Menschen ohne Ausnahme haben gleiche Anlagen.
Dies ist keine Rechtfertigung für das was in Europa geschehen ist nur ein Beweis dafür wozu Sprache fähig ist. Gleiches Recht für Alle ist nur ein Traum in Sprache
ist die ganz persönliche Meinung von aarleu


 trux antwortete am 27.01.05 (18:20):

Eine schwere Last liegt heute noch auf unserem Gewissen. Selbst einmal nach Auschwitz-Birkenau fahren und angucken, schweigend verharren und versuchen, sich mit den Überlebenden zu identifizieren wäre mein Appell. Reden schwingen und zur Tagesordnung übergehen muss wohl sein (Politik?)--- doch nützt es? Geschichte wiederholt sich nicht, sagt man, das wird hoffentlich in diesem Fall stimmen.

Alle, die diesbezüglich nichts auf dem Kerbholz haben, insbesondere unsere Jugend, müssen sich nicht schämen Deutsche zu sein. Das wäre ja furchtbar, und das würde doch wohl kein Politiker der Welt verlangen wollen.

Menschen haben in ihrer langen Entwicklung auch gelernt zu verlernen. So ist das nun mal. Und wie gesagt: „Alle Deutschen sollten mal nach Auschwitz-Birkenau fahren. Ich selbst war da, und ich habe mich als ehemaliger Kriegsgefangener in polnischen Kohlebergwerken (viereinhalb Jahre hinter Stacheldraht) mit den damaligen Insassen identifizieren können. Die Schmach bleibt ewig.


 Mulde antwortete am 27.01.05 (18:34):

Heute wurde an der ehemaligen Prduktionsstätte
vom "Cyklon B"
Dem Giftgas für´Auschwitz ein Gedenkpunkt eingeweiht.
Hier in Dessau / Sachsen- Anhalt wurde in der ehemaligen
"Fine" (Zuckerraffinerie) aus der Melasse, einen
Rückstand aus Zuckerrübe wurde das Barium und dieses
" Cyklon B ) zur schädlingsbekämpfung entwickelt.
die Nazis benutzten das zur Massenvernichtung von Millionen
wehrloser Menschen.
In einer Art stilisierte Giftgasbüchesn wird daran erinnert
Das hier eine der Produktionsstätten gewesen ist.


 Ursula_J antwortete am 27.01.05 (20:07):

aarleu,

... weil der Holocaust einzigartig war und bei uns in Deutschland möglich war.

trux,

Ausschwitz-Birkenau sieht heute gegen damals fast harmlos aus. Die meisten Baracken sind abgerissen, die Kreamtorien vernichtet.

Wo heute Gras wächst war damals nur kahle Erde, weil die Gefangenen das Gras gegessen hätten.


 Tobias antwortete am 27.01.05 (20:10):

Ja so ist es aarleu. Die Andern haben auch , was wollt ihr denn, Einsicht nein, warum auch.


 Karl antwortete am 27.01.05 (23:34):

@ Tobias,

ich stimme dir zu. Es ist nicht möglich, einem Verbrechen durch den Vergleich mit anderen seinen Schrecken zu nehmen. Der Holocaust ist zudem einzigartig. In einer Unmenge schrecklicher Verbrechen ist er die einzige mir bekannte, industriell organisierte und geplante Vernichtung eines ganzen Volkes.


 Marina antwortete am 28.01.05 (00:08):

Da haben wir es ja schon, das Relativieren und entschuldigende Vergleichen,von dem Rüdiger Suchsland spricht, bei aarleu. Genau das ist es, was der Autor gemeint hat. aarleu liefert den Beweis für die Berechtigung von Suchslands Thesen und Forderungen.


 mart antwortete am 28.01.05 (00:48):

<<... weil der Holocaust einzigartig war und bei uns in Deutschland möglich war.<<

Ich möchte das doch insofern erweitern als diese industrielle Vernichtung sehr viele willige Helfershelfer und Vollstrecker in einer Reihe von europäischen Ländern gehabt hat - wobei die Aufarbeitung der Vergangenheit in Deutschland wohl als vorbildlich zu gelten hat, während diese anderen ebenfalls mit blutbefleckten Händen dastehenden Staaten sich dahinter verstecken und ihre Mitschuld verdrängen.

(Zur industriellen Vernichtung fällt mir Schauern der Eichmannprozeß ein und seine buchhalterische Sicht der Vergangenheit - erst kürzlich gab es wieder eine Wiederholung davon im Fernsehen).

Die in London lebenden Holocaust-Forscherin Katherine Klinger läßt aber auch mit folgender Zahl aufhorchen:
"Die Statistik in England besagt, dass fünfzig Prozent der Leute noch nie von Auschwitz gehört haben – nicht einmal gehört!"

Internet-Tipp: https://www.falter.at/print/F2005_04_2.php


 mart antwortete am 28.01.05 (01:22):

Artikel verschiedener Zeitungen
(vom 27.01.2005) zu diesem Thema sind hier gesammelt:

Internet-Tipp: https://www.perlentaucher.de/feuilletons/2005-01-27.html


 webmaster antwortete am 28.01.05 (11:56):

Ein Beitrag wurde gelöscht.


 Mulde antwortete am 28.01.05 (12:32):

Webmaster Ok du hast den thread von glad) gelöscht!
Ich hätte es wahrscheinlich nicht anders gemacht!

Die Fragen des/der? Glad zeigen sie nicht eigentlich
wie unaufgeklärt die leute sind?
Nur hier verstehe ich im Gegensatz zu dem Schreiber nicht?
ist er provokant
ist er nur naiv
oder ist er im herläufigen sinn einfach nur dumm!
Auf alle Fälle gehört er/sie nicht zu der Generation
die das erlebt haben.
Glad wewr Du auch immer bist
Auschwitz hat es gegeben!!
Die Leute Juden+ Zigeuner ( Roma) wurden vom Waggon
diereckt in die Gaskammern getrieben und dann verbrannt.
Diese Lager unterstanden dem SS- Witschaftsamtes.
Dieses kooperierte eng , sehr eng mit der
I.G. Farbenindustrie zusammen.
die Häftlinge die dann dort nicht gebraucht ( genutz)
wurden gingen auch diesen Weg des Todes!
Glad das ist eine unbestrittene Wahrheit!
Es zeigt Du willst es anders sehen.
Was Du unter dem Deckmalmantel des hinterfragens zeigst
Ist nichts weiter wie ein provokannter Zweifel
befasse Die mal mit der echten Literatur darüber
oder
fahr hin
sieh es Dir an!!


 BarbaraH antwortete am 28.01.05 (12:55):

Internet-Tipp:

https://www.topf-holocaust.de/start/start.php

Internet-Tipp: https://www.topf-holocaust.de/start/start.php


 Ursula_J antwortete am 28.01.05 (13:41):

Hallo Karl,

ich habe den gelöschten Beitrag nicht gelesen, nach Mulde`s
Antwort darauf, kann ich mir den Inhalt schon denken und
danke dir für´s Löschen.


 Tobias antwortete am 28.01.05 (13:55):

Sicher mart hätte der Redner die Rednnerin auf das damalige Großdeutschland Bezug nehmen müssen. Es war nicht besonders fair,die ganze Schuld auf das Altreich abzuladen.


 schorsch antwortete am 28.01.05 (17:49):

Sich schämen für die Untaten der Vorfahren ist O.K.. Stolz darüber sein, dass der Wiederaufbau in so kurzer Zeit bewerkstelligt werden konnte, aber auch. Nun sollte man nur nicht dem Fehler verfallen, die Überheblichkeit rechtsradikalen Kreise zu tolerieren und mit politischen Ämtern zu honorieren!