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THEMA: Die kinderlose Republik
17 Antwort(en).
barba
begann die Diskussion am 18.01.05 (18:56) :
Auf der ZDF heute -Seite findet sich die Nachricht, ein Drittel der deutschen Frauen bliebe inzwischen kinderlos, bei den Akademikerinnen seien es sogar schon über 40 Prozent.
Über die Ursachen gibt es mehr und weniger kluge Statistiken, Daten und Vermutungen.
Mich interessieren mehr die Folgen für die gesamte Gesellschaft und für mich ganz privat. Wird Deutschland zum Einwanderungsland? Werden unsere Städte verwaisen? Wird meine Generation auf Pflegeroboter angewiesen sein? Wir Senioren sind zwar nicht mehr direkt ;-) mit der Lösung dieses Problems befasst, aber betroffen davon sind wir auf jeden Fall.
Ist es nur Aufgabe der Politik, Anreize für die Bereitschaft zu Kindern zu schaffen oder ist dies eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, auch die der "verhinderten Großeltern"? Was kann und sollte geändert werden?
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schorsch
antwortete am 19.01.05 (10:15):
Liegt es nicht vielleicht auch an den heutigen jungen Männern, die zu faul sind, ihrer Erzeugerpflicht nachzukommen?
Oldies meldet euch freiwillig zum Frondienst! (;--))))
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wanda
antwortete am 19.01.05 (12:44):
@barba, wenn dich die Folgen interessieren, solltest Du das Buch - Methusalem-Komplott- lesen.
Meines Erachtens ist es ein Problem der ganzen Gesellschaft. Von meinen drei Töchtern hat mich nur die jüngste zur Oma gemacht. Die beiden älteren sind aus dem gebärfähigen Alter heraus. Nach dem Studium möchte man erst einmal im Beruf arbeiten, dann verdient man, oft gut, und dann hat man Ansprüche .... So bescheiden, wie wir, ist doch heute kein Mensch mehr.
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carla
antwortete am 19.01.05 (13:46):
@wanda: stimmt, heute ist man nicht mehr so bescheiden, es sei denn, man muß sich bescheiden :-).
Aber: Das allgemeine Einkommen war nun jahrelang auf ziemlich hohem Niveau. Die Frauen, die jetzt Kinder bekommen können, sind in dieser Zeit aufgewachsen, wurden oft verwöhnt, konnten sich vieles leisten und haben verständlicherweise (für mich) nun keine Lust, sehr zurückzustecken, wenn an Kinder gedacht wird.
Dazu kommt, daß in Deutschland die Einrichtungen für die Kinderbetreuung das Arbeiten der Frauen nicht gerade unterstützen und Männer weiter im Job bleiben, wenn sie einen haben. Wohin also mit den Kindern? Bzw. andersrum: wie Geld verdienen, wenn man Kind(er) nicht unterbringen kann?
Neulich im Radio gehört: im Franz. existiert das Wort "Rabenmutter" nicht...
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carla
antwortete am 19.01.05 (13:47):
An das Thema "Rente" im Zusammenhang mit Erziehungszeiten zu Hause mag ich gar nicht denken. Da kommt mir die Galle hoch. -
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poldipe
antwortete am 20.01.05 (00:24):
In einer Gesellschaft wo Geld das Maß aller Dinge ist,sind Kinder nur im Wege.
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iustitia
antwortete am 20.01.05 (10:54):
No, kann ich nicht zustimmen - obwohl ich Vater bin, auch als jahrelanger Hausmann: Es gibt keine Erzeugerpflicht - wofür? für Wehrpflicht? Rentensicherung? Seniorenheime? Gegen Zukunftsängste? Deutschland kann auch mit 50 oder 30 Mill. Einwohnern leben. (Die Arbeit wird noch stärker rationalisiert bzw. ins Ausland verlegt. Es ist eine kluge Entwicklung, dass in Deutschland nicht mehr so viel "gezeugt" wird. Zur Rentensicherung sind Arbeiterkinder ja auch für die Senioren nur ihrer eignen "Kategorie" zuständig. Beamte oder Freiberufler (oder "Geistliche") haben ihre eigenen Versorungswege. Und d i e s e Mitbürger haben - logisch-rational - den wenigsten Nachwuchs. (Ja,ich bin auch Beamter. Deshalb weiß ich's ja, wie miesepetrig und besitzgeil und sozial abstinent die sind.) Es gab Zeiten, direkt nach dem zweiten Weltkrieg, da konnte sich ein Bergarbeiter, mit einigen Kindern, von seinem Wochenlohn kein Pfund Butter ("gute Butter") leisten, einfach preislich nicht. Trotzdem hat er die "Nachkriegsbrut" großgezogen und zum Arbeiten erzogen. Und heute sollen das auch diese Arbeits- und "kleinen" Angestelltenfrauen aufbringen? Und heute - die "Besserverdienenden" (glorreiche FDP-Innovation - schon vergesssen?), besonders die Karrieregeilen, kümmern sich kaum um leibliche Produktion und damit die genetische Zukunft. Da ist die Biologie sogar schon in Homosexualität umgeschlagen; viel stärker als in anderen Milieus; ja, ich weiß, mit einigen Versuchen der Kinder-Adoption oder Selbstinsemination bei Lesben. (Komische Märkte ergibt das.) Die Elite braucht ja auch nicht die Eigenbewirtschaftung durch den Nachwuchs. Oder: Sie bringen natürlich ihre Kinder durch Erziehung und Bildungsinvestition in die bessere Selbstständigkeit. Sie lassen andere dafür dienen, im Brass, im Brasel, im Modder, in den Mietskasernen, im Bund, im Beruf, in der Fabrik, in der Pflichtkrankenkasse. (So läuft die christlich-bürgerliche Politik, wenn die einen die anderen zur "Zeugungspflicht" degradieren wollen. Verhütung vs. Produktion...) * URL - ein Blag.
Internet-Tipp: https://www.corinas-homepage.de/anigif/Menschen/blagen/012.gif
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Karl
antwortete am 20.01.05 (10:56):
Es wird oft vergessen, dass die heutigen Jung-Senioren und Erwachsenen diejenigen sein werden, die am
meisten unter der Kinderlosigkeit zu leiden haben werden. Es wird weder genügend Pflegepersonal vorhanden sein, um den Kranken und Behinderten zu helfen, noch werden die notwendigen wirtschaftlichen Leistungen von den wenigen Jungen erbracht werden können, um den noch rüstigen Rentnern und Pensionären ihren Unterhalt zu sichern. Es wird vergessen, dass das heutige Finanzierungssystem für Renten nicht bedeutet, dass die Einzahlungen zur Sicherung der Rente des Einzahlers verwendet werden, sondern die Einzahlungen werden sogleich ausgegeben, um den heutigen Rentnern ihr Geld zu bezahlen.
Die Folge wird sein: Wer für seine Rente nicht selber vorsorgt, kann kaum darauf hoffen, dass er seinen Lebensstandard im Alter halten kann. Da Pflegepersonal knapp sein wird, werden die Pflegeroboter ihren Siegeszug antreten. Kauft die Aktien der entsprechenden Firmen, dann habt ihr auch eine gute Altersversorgung. Das ist besonders ein Rat an die Jungen unter uns!
Internet-Tipp: https://www.panorama-der-zukunftsfragen.de/html/pdz_4_72.php
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iustitia
antwortete am 20.01.05 (11:04):
Nachtrag: Nein, das deutsche Wort "Rabenmutter" gibt es im Frz. nicht. (Wie "Blitzkrieg" - "Kindergarten" oder "Waldschäden" etwa in andere Sprachen gedrungen sind.) Das behauptete Verhalten der "Raben" gibt es ja auch noch nicht mal. Diese Vögel gedeihen ja prima mit dem Nachwuchs. Und sind nach der vermenschlichten Beschreibung eben auffällig frech, durchsetzungsfähig. Dort - in France - heißt es verantwortungslose Mutter, einfacher: lieblose Mutter. * Wie ja auch Einsteins "Relativitätstheorie" auf dem einfachen Weg der Übersetzung in die anderen Sprachen übernommen worden ist. (Dort klingt's sogar einfacher, flotter.)
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Karl
antwortete am 20.01.05 (13:59):
Ich komme trotzdem noch einmal auf die Pflegeroboter zurück.
Die Japaner haben es offenbar einfacher mit dieser neuen Technologie, denn dort gelten alle Dinge, auch Roboter, als beseelt. Aber auch bei uns wird - aus den bekannten Sachzwängen heraus - das Haupteinsatzgebiet der Roboter in diesem Jahrhundert die Altenpflege sein.
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/pflegeroboter
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schorsch
antwortete am 20.01.05 (17:45):
@ Karl: "...Es wird oft vergessen, dass die heutigen Jung-Senioren und Erwachsenen diejenigen sein werden, die am meisten unter der Kinderlosigkeit zu leiden haben werden. Es wird weder genügend Pflegepersonal vorhanden sein, um den Kranken und Behinderten zu helfen..."
Bis dahin, lieber Karl, werden für die Betagten genügend Fütterungs- und Tränkeautomaten zur Verfügung stehen, und statt Betten gibts eben Lagerroste.....
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iustitia
antwortete am 22.01.05 (15:25):
Postscriptum zum Nachtrag: Na, hat hier keiner die Gelegenheit ergriffen, im Wörterbuch nachzuschlagen? Ich hatte früher schulisch mit Griechisch, Latein, Niederländsich, mit poetischer Sprache .. schon genug zu tun, dass ich Französisch nur in einigen Stunden genossen habe; da hat mir jemand geholfen:
parentes dénaturès = ? maràtre = ? père dénaturé = ? * URL - was Ähnliches wie "Mutter"...
Internet-Tipp: https://www.cndp.fr/1001livres/images/gif100/CH4J0580.gif
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BarbaraH
antwortete am 22.01.05 (23:53):
Vielleicht sollten wir einmal über die Grenze nach Frankreich schauen:
>>Im Jahr 2004 liegt die französische Geburtenrate bei 1,9,
während sie in Deutschland ihren Niedergang bei 1,3 fortsetzt. Im Land der Fünfunddreißigstundenwoche,
das wie Deutschland an hoher Arbeitslosigkeit, Reformangst und chronischem Haushaltdefizit krankt, läßt sich
die Gebärfreudigkeit nicht auf religiöse Überzeugungen oder heile Familienstrukturen zurückführen
.<<
Quelle: faz.net vom 22.01.05 Familien in Frankreich Paläste zu Krippen Von Michaela Wiegel,
Paris https://www.faz.net/s/RubF84585048DC8409FBC081C45E7AF3C2E/ Doc~EE76A4D773D884D40897CC1886EB26098~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/PalaestezuKrippen
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schorsch
antwortete am 23.01.05 (10:19):
Österreich hat seit vielen Jahrzehnten eine sehr soziale Ader für Familie, Mutter und Kind. Eine österreichische Mutter kann meines Wissens alle drei Jahre wegen einem neugeborenen Kind wieder für drei Jahre mit bezahltem Mütterurlaub rechnen. Nun würde es mich interessieren, wie Österreicher unter uns das sehen und welche Auswirkungen die österreichische soziale Ader auf die Geburtenrate hat.
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BarbaraH
antwortete am 23.01.05 (10:58):
Hallo schorsch,
ich kann nur für Deutschland sprechen. Hier wollen die jungen Frauen keinen bezahlten "Mütterurlaub", wenn sie in dieser Zeit die Verbindung zu ihrem Arbeitgeber und damit oft zum Arbeitsmarkt generell verlieren. Weitere Teilnahme an betriebsinternen Schulungen und Teilzeitarbeit, um im Geschäft zu bleiben, sind hier gefragt... neben einer bestmöglichen Versorgung der Kinder selbstverständlich.
Frauen lassen sich nicht weiter verdummen... schon gar nicht mit einem "bezahlten Mütterurlaub". Allein das Wort "Mütterurlaub" lässt meinen Adrenalinspiegel gewaltig ansteigen. Während meiner gesamten Berufstätigkeit habe ich nicht härter arbeiten müssen als als Mutter.
Gefragt ist auch die Altersabsicherung von Frauen, die durch einen "Mütterurlaub" aus dem Arbeitsmarkt befördert werden. Junge Frauen von heute interessiert diese Frage. Wie ich meine zu Recht.
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Ziesemann
antwortete am 21.02.05 (17:04):
Ich möchte auf eine Artikelserie aufmerksam machen, die ab 22. Februar in der FAZ erscheint, verfasst von dem renommiertesten deutschen Bevölkerungswissenschaftler, Herwig Birg. Nur drei "statements " vorweg, die Interesse wecken sollen: 1. In Kreuzberg rät ein Schulleiter deutschen Eltern dringend davon ab, ihre Kinder zu seiner Schule anzumelden, weil es in ihr nur noch fünf(!)deutsche Muttersprachler gibt. 2. Schon bald sind in den Ballungsräumen über die Hälfte der jungen Erwachsenen keine Deutschen mehr. 3. "Von Kindern profitieren in unserer Gesellschaft nur die, die keine haben".
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Medea.
antwortete am 21.02.05 (17:57):
Hallo Ziesemann -
das verspricht, spannend zu werden.
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Sonnenblume
antwortete am 21.02.05 (21:08):
@lieber schorsch, Östereicherinnen können 2 Jahre mit Unterstützung bei dem Kind daheim bleiben.Das 3.Jahr wird nicht mehr bezahlt (außer bei den Beamten). Da die Mütter aber danach beruflich kaum mehr eine Chance haben, gehen die meisten schon frühzeitig wieder arbeiten und die Kleinen müssen in die Babykrippe. Meine Tochter hat es seinerzeit auch so gemacht, heute tut es ihr leid. Zuviel hat sie von der Entwicklung des Kindes versäumt. Viele junge Frauen überlegen sich deshalb ob sie überhaupt ein Kind bekommen sollen.Das Leben ist sehr teuer geworden und mit einem Gehalt kaum zu schaffen. Viele Firmen sind auch sehr kinderfeindlich. Meine Tochter hatte bei IBM eine leitende Position. Wurde aber immer angefeindet von den KollegInnen, weil sie im ganzen Bereich die einzige war, die ein Kind hatte. Irgendwann hat sie das Handtuch geworfen..... Die ganze soziale Gesetzgebung nützt nichts, wenn es in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. Sehr traurig
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