rolf
begann die Diskussion am 20.12.04 (14:07) :
Wir fordern von allen Staaten die Beachtung des Folterverbotes, bei uns bleibt die Mißachtung aber straffrei. Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit?
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Karl
antwortete am 20.12.04 (14:58):
... auf der Strecke? Du beziehst dich wahrscheinlich auf den Daschner Prozess:
"Der ehemalige Frankfurter Vize-Polizeipräsident Wolfgang Daschner ist wegen der von ihm angeordneten Folterdrohung im Entführungsfall Metzler zu einer Geldstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Strafmildernd hätten sich die ehrenwerten Motive Daschners und des mitangeklagten Polizisten ausgewirkt, so die Richterin."
Der Staat muss bei dem strikten Folterverbot bleiben, deshalb ist die Verhängung einer Strafe auch richtig (es war ja kein Freispruch!). In dem speziellen Fall von Daschner hätte ich als Richter jedoch auch milde geurteilt. M. E. geht das Urteil in Ordnung.
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Karl
antwortete am 20.12.04 (14:58):
Ich vergaß die Quelle:
Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/panorama/0,1518,333706,00.html
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rolf
antwortete am 20.12.04 (15:56):
Wie in den Nachrichten mehrfach erläutert wurde gilt die „Verurteilung“ zur Geldstrafe auf Bewährung nur als Verwarnung, nicht als Vorstrafe. Das Gericht ist damit unter der vom Gesetz vorgesehenen Mindeststrafe geblieben, die Polizisten sind nicht vorbestraft, die Verwarnung erscheint nicht im Führungszeugnis. Wie laut wären die Proteste wohl gewesen, wäre so ein Urteil z. B in der Türkei gesprochen worden?
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hl
antwortete am 20.12.04 (21:43):
Genauso wenig, wie es "ein bisschen töten" gibt, genauso wenig gibt es "ein bisschen foltern" und die Androhung von Folter beinhaltet auch schon Folter.
Ob die Motive der Angeklagten wirklich ehrenwert waren oder aus dem Druck von Öffentlichkeit, Vorgesetzten etc. entstanden sei einmal dahin gestellt.
Bei den Ausführenden der Gesetze muss ich mich darauf verlassen können, dass sie sich an diese auch selbst halten.
Ich halte diese milde Strafe nicht für gerechtfertigt. Gerade bei Polizisten und ihren Vorgesetzten sollte das Strafmass sehr genau angelegt werden.
Auf diesen Präzedenzfall könnten sich zukünftig viele andere berufen, die vielleicht nicht so "ehrenwerte" Motive haben.
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Mulde
antwortete am 20.12.04 (22:41):
Der Prozess in Frankfurt Was hat er den gezeigt? Ein Gericht was sich auf die Seite des Kindesmörder gestellt hat. Alle beteiligten hinter dem Tisch der Justiz - haben sich mehr oder weniger hinter die ßß versteckt! Weitaus besser währe es gewesen den Anwalt klar zu machen Auch ein Kind in Todesangst hat das recht auf Menschlichkeit!
Hier war aber der Anwalt zusammen mit dem Staatsanwalt Wohl sich mehr als einig Was zählt schon ein Kinderleben gegen einen ßß des Gesetzbuches
Als der Antrag zur Verfolgung der Straftat gestellt wurde Da hätten sich alle Beteiligten in ein stilles Kämmerlein setzen sollen Und einhellig bekunden sollen Die Rettung eines Menschen steht über allen ßß Das hätte Priorität haben müssen. Hat der Mörder sein Opfer geschont? Unwichtig!! Ein ß wurde verletzt - das ist was zählt! Ist es das wirklich? Der Eindruck entsteht aber! In Zukunft wird ein Kripobeamter seinen Mörder bei Sekt und Kaviar zu Vernehmung bitten!
Jetzt war es nur die Androhung von Gewalt was geahndet wurde Was ist es morgen Man hat den Mörder laut angebrüllt !!
Nein die Frankfurter Justiz hat sehr wohl gezeigt wie man auf ßß reiten kann Aber total versagt bei ihrer eigenen Menschenkenntnis1
Die frage sollte hier erlaubt sein Gleicher Tatbestand gleicher Personenkreis Welches Geschrei hätten diese Leute veranstaltet? Hätten die dann auch gesagt „Mein Kind ist zwar tot -- aber der ßß XYZ ist nicht verletzt worden.“
Ich finde das ganze ist einem juristischen Possenspiel zu lasten des Kindes und den Eltern Der Urteilspruch zeigt doch richtig man suchte einen Weg aus der juristischen Irre! Warum nicht vorher still und leise abblocken ?
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hl
antwortete am 20.12.04 (23:04):
Wird hier nicht ein bisschen viel durcheinander geworfen?
Noch gilt bei uns: Ein Strafverdächtiger ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld erwiesen ist und er rechtskräftig verurteilt wird.
Das gilt auch für Polizeibeamte und gerade Polizeibeamte haben nicht das Recht, Schuldbeweise in Form eines Geständnisses durch Folter zu erzwingen.
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mart
antwortete am 20.12.04 (23:09):
aber liebe hl,
Es ging doch nicht darum, Schuldbeweise zu erzwingen - der Täter hat doch längst eingestanden den Buben entführt zu haben.
Ich nehme an, daß du keine Kinder hast - sonst würdest du ein bißchen mehr Herz durchschimmern lassen.
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hl
antwortete am 20.12.04 (23:13):
Ich habe kein Herz für Gewaltanwendung. Weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Es gibt keine Entschuldigung für Gewaltanwendung.
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schorschie2
antwortete am 20.12.04 (23:50):
Hier von Folter zu sprechen,ist wohl ein Witz.Es ist ja mittlerweile bekannt,das in unserem Rechtssystem die Verbrecher zunehmend geschützt sind und die Opfer nichts gelten.Es ist auch nicht verwunderlich,dass bei uns die Verbrecher in Gefängnissen einsitzen,die an Mittelklasse -Hotels erinnern.In anderen Ländern(Türkei)einfache Hotels nicht mal die Ausstattung unserer Gefängnisse haben.Hier kann man nur noch von einer Rechtsverdrehung sprechen.Deutschland die Idylle fürs Verbrechen.
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mart
antwortete am 21.12.04 (00:30):
<<Wie laut wären die Proteste wohl gewesen, wäre so ein Urteil z. B in der Türkei gesprochen worden?<<(rolf)
Also, als ob die Türkei nicht handfestere Sorgen mit handfester Folter hätte.
Lt. Bericht im Standard vom Dez.04:
"In der Türkei ist die Folter nach Erkenntnissen eines offiziellen Beirats der Regierung in Ankara nach wie vor weit verbreitet. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres seien 692 Menschen gefoltert worden, berichteten türkische Zeitungen am Donnerstag unter Berufung auf einen Berichtsentwurf des Menschenrechtsbeirats im Ministerpräsidentenamt. Von Einzelfällen könne keine Rede sein.
Damit bestätigte der Regierungsbeirat Beobachtungen türkischer Menschenrechtler. Der Beirat kritisierte, die Staatsanwaltschaften in der Türkei gingen Foltervorwürfen nicht angemessen nach; vor Gericht würden mutmaßliche Folterer von den Behörden geschützt."
Die als Asylberechtige anerkannten Türken stehen in Deutschland an der Spitze, ebenso wie in Österreich. Hier wurden im ersten Halbjahr 04 100 Türken als Asylanten anerkannt.
Eigentlich sonderbar und einzigartig für ein Land, mit dem nun EU-Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden.
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Illona
antwortete am 21.12.04 (05:42):
hl ******* Das gilt auch für Polizeibeamte und gerade Polizeibeamte haben nicht das Recht, Schuldbeweise in Form eines Geständnisses durch Folter zu erzwingen. *********** Bist du ganz sicher, dass du die Polizeibeamten nicht anflehen würdest,dem wissenden Täter nicht doch etwas unrechtlich Gewalttätiges anzudrohen, wenn dein Kind( Mann, Bruder)irgendwo in einer Holzkiste vielleicht noch lebend vergraben ist?? Ich befürchte, ich würde sie dafür sogar " bestechen" , dass sie dem Täter " Daumenschrauben" ( echte und moralische)anlegen. Entschuldige den Rückfall ins Mittelalter.
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Karl
antwortete am 21.12.04 (07:31):
Wer kann die Emotionen nicht verstehen?
Trotzdem ist es wichtig, dass das Prinzip des Folterverbots im Prozess gewahrt wurde. Die Folter darf auch durch die Hintertür nicht wieder hoffähig werden. Ich denke, die Richterin hatte es nicht leicht. Sie hat diese Verpflichtung des Staates zum absoluten Folterverbot gesehen und gleichzeitig die tragische individuelle Situation des Geschehens nicht aus dem Auge verloren.
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schorsch
antwortete am 21.12.04 (09:14):
Angenommen, euer Kind wäre von einem gewissen- und gefühllosen Verbrecher entführt worden und ihr hättet die Möglichkeit, dem Verbrecher mit "ein bisschen wehtun" den Aufenthalt eures Kindes zu entlocken, wie würdet ihr handeln?
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rolf
antwortete am 21.12.04 (10:19):
Es ist ein großer Unterschied, ob der betroffene Vater die Aussage erzwingt oder ob dies der Vertreter des Rechtsstaates tut. Was ist ein Recht wert, das von denen, die für seine Einhaltung sorgen sollen, gebrochen wird?
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Karl
antwortete am 21.12.04 (13:08):
Ja Rolf, ich stimme dir völlig zu. Es ist ein gewaltiger Unterschied. Es gibt gute Gründe dafür, dass wir nicht mehr Selbstjustiz üben dürfen. Es ist ein Teil der schwer erkämpften Zivilisation, die uns von der Barbarei unterscheidet. Nicht der Bauch, sondern der Kopf sollte das Handeln des Staates bestimmen.
Wie schnell die Dämme in einem Rechtstaat brechen können, demonstrieren die USA, die zu einem Unrechtstaat verkommen sind.
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mart
antwortete am 21.12.04 (13:22):
Ein Gedanke geht mir schon lange im Kopf um, deshalb möchte ich ihn hier zur Diskussion stellen.
Ich möchte damit allerdings nicht vom urprünglichen Thema ablenken. (Meine Meinung dazu entspricht der von Karl.)
Sehr oft wird von Verdächtigten der Vorwurf ausgesprochen, daß sie gefoltert worden seien und ihre Aussage auf diese Weise zustandegekommen sei.
Manches Mal mit Recht, sehr oft als Standardklage von gewieften Leuten, - und sehr oft aus naheliegenden Gründen sehr schwierig die Wahrheit herauszufinden.
Ich denke, jedes Verhör müßte aufgezeichnet werden und eine gewisse Zeit aufbewahrt bleiben. Das kann doch heute weder ein technisches noch ein finanzielles Problem sein. Dadurch würde man ungerechtfertigte Vorwürfe an polizeiliche Verhörmethoden zu einem gewissen Teil ausschalten und natürlich auch den Verhörbeamten eine bestimmte Hürde legen ihre Befugnisse nicht zu überschreiten.
Ich denke an die zwei Male, als ich ein Protokoll einer Sachverhaltsdarstellung unterschrieben habe (in der Angelegenheit einer Sachwaltschaft), und wo ich doch einigermaßen erstaunt war, wie das zugeht. Der Richter gestand mir auch - mit Lächeln -zu, daß mein Zweifel gerechtfertigt wäre. Ich unterschrieb dennoch praktisch blanko, weil es nicht so unerhört wichtig war - trotzdem könnten auch hier unerfreulichen Konsequenzen die Folge gewesen sein.
Ich weiß nicht, wie das bei Verhören ist - falls aber die Unterschrift über die Richtigkeit der Darstellung im Protokoll in ähnlicher Weise erreicht wird, wundern mich Zweifel an der Korrektheit überhaupt nicht.
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schorsch
antwortete am 21.12.04 (19:05):
Schön, rolf. Nun weite ich die Frage aus: Würdest du es verstehen, wenn mir als Vater auch noch mein Bruder, oder meine Schwester, oder mein Onkel, oder mein Freund mithelfen würde, dem Verbrecher den Aufenthaltsort meines Kindes zu entreissen, notfalls mit etwas unkonventionellen Methoden?
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seewolf
antwortete am 22.12.04 (02:14):
Fatal -
der Rechtsstaat ist ein Konstrukt ... und der Alltag ist ganz anders.
Deswegen gibt es das Rechtsinstitut des übergesetzlichen Notstands für absolute Ausnahmesituationen. Nur - wann liegt eine solche vor? Entscheidet das der Zeitgeist?
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schorsch
antwortete am 22.12.04 (09:07):
Wäre die Gesetzsprechung absolut eindeutig, wären dann nicht tausende von Rechtsdeutern (Advokaten etc.) arbeitslos?
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