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THEMA: Frankreich will Türkei nicht in der EU
16 Antwort(en).
Lars
begann die Diskussion am 16.12.04 (09:33) :
Guten Tag, das lese ich gerade in der Tageszeitung. Ich persönlich bin auch dieser Meinung. Die Mentalität - Kultur und Relegion sind zu verschieden! Man kann nicht alle Völker gleichmachen, sogar in der kleinen Schweiz gibt es grosse Unterschiede diesbezüglich! Auch die UdSSR brach zusammen wie ein Kartenhaus. Und nun wollen irgendwelche Spinner schon wieder eine Union aus Völker zusammenkleistern, die nichts verbindet und alles unterscheidet. Den Franzosen ist es auch nicht mehr wohl in der EU, das kann ich gut nachvollziehen. Ich wette, in 20 - 30 jahren möchte jedes Land wieder selbsständig werden, ob das dann "unblutig" geht? Wünsche euch trotzdem noch einen schönen Tag.
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mart
antwortete am 16.12.04 (10:23):
Jede Organisation (auch eine Staatengemeinschaft) gerät irgenwann an jenen Punkt, wo sie nicht mehr überschaubar, manövrierbar und damit lebensfähig ist.
Und das umso mehr, je weniger klar und unzufriedenstellend die Organisationsstrukturen sind, und je mehr "die da oben" ihr Fußvolk vergessen, von dem sie eigentlich legitimiert werden sollten.
Was sich heuer mit der Berufung der EU-Komission abgespielt hat, geht gerade noch in friedlichen und wirtschaftlich besseren Zeiten - ansonsten ein Anlaß für Entwicklungen, die in der Vergangenheit in einem Staatsstreich gemündet haben.
Es sind bereits in den versch. Threads (alle) Pro- und Contraargumente angeführt worden. Ich möchte aber damit die Diskussion hier nicht abwürgen - ich persönlich sehe sie aber als sinnlos an.
Die letzte Erweiterungsrunde ist noch nicht mental und finanziell verdaut worden. Es geht unter, wer sonst noch im Wartezimmer sitzt: Bulgarien und Rumänien sind aufgerufen worden, Kroatien, Aserbeidschan, die Ukraine klopfen an - Albanien und .... stellen riesige Probleme dar.
Die Vernunft muss sagen, dass dieser Größenwahn der EU ein sehr hohes Risiko birgt. Allerdings auch eine unerhörte Chance auf hohe Gewinne für "Big-business", also diejenigen, die heute die Politik wesentlich mitbestimmen.
Jeder, der also das Projekt "EU" zu Fall bringen möchte, muß für einen Vollbeitritt der Türkei sein.
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lielo
antwortete am 16.12.04 (10:41):
Es geht nie darum etwas gleichzumachen, sondern eine Politik zu machen die Kriege verhindert. Wir wollen den Kampf der Kulturen verhindern. Auf dieser schönen Welt leben Menschen mit verschiedenen Sitten, religiösen Ausrichtungen, dies ist spannend und interessant, muss nicht verglichen werden. Die Türkei hat einen grossen Schritt zu Veränderung gemacht, für mich ist noch wichtig, dass die Verbrechen der Vergangenheit besser aufgearbeitet werden.
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Medea.
antwortete am 16.12.04 (13:29):
Ja mart -
aber wieso ist das so schwer zu begreifen?
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lielo
antwortete am 16.12.04 (16:20):
Sehr besonnen finde ich die Türkische Politik bezogen auf den IRAK-Krieg. Sie haben sich von den Amerikanern nicht in diesen schmutzigen fragwürdigen Krieg hineinziehen lassen.
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Karl
antwortete am 16.12.04 (16:27):
Lieber Lars,
das ist so eine Fehlinterpretation der Quelle. Frankreichs Staatschef meldet noch einmal Bedenken an, um seiner Bevölkerung zu signalisieren, ich nehme eure Bedenken ernst. Die Aufnahmeverhandlungen mit der Türkei werden morgen aber einstimmig auch mit der Stimme Frankreichs beschlossen werden, denn alles andere würde einem Amoklauf gleichen. Ein 100 Millionen Volk kann man nicht so vor den Kopf stoßen und nach Jahrzehnten der Verheißungen jetzt noch nein sagen. Genauso sicher wird am Ende der Verhandlungen natürlich der Beitritt stehen, wer dies nicht sehen kann, verkennt die Realitäten. Die Vernunft wird siegen. Ich bin bereit darauf Wetten abzuschließen.
Die Ängste vor einem Beitritt der Türkei werden künstlich geschürt und sind unbegründet. Schon jetzt ist die Türkei assoziiertes Mitglied der EU und Vollmitglied der NATO. Die wirtschaftlichen Verpflechtungen sind eng, man kennt sich. Bei einer Vollmitgliedschaft der Türkei wird die Welt nicht untergehen, eher im anderen Fall. Ihr Beitritt hat in meinen Augen die ungeheure Chance des friedlichen Brückenschlags zur moslemischen Welt. Wir brauchen keine neuen Trennungen und Barrieren, sondern wollen diese überwinden. Ich sehe Sicherheitsrisiken eher, wenn wir zulassen würden, dass die Türkei sich vom Westen abwendet.
Also, ich bin überzeugt, dass die Türkei langfristig EU-Vollmitglied wird und sehe darin eine positive Entwicklung. Es ist verständlich, dass es abweichende Meinungen gibt, aber vielleicht können wir ja bei allem Dissenz festhalten, dass wir gemeinsam auf eine friedlichere Welt hoffen.
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schorsch
antwortete am 16.12.04 (17:36):
Aufnahmegespräch ja - aber.......
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Lars
antwortete am 16.12.04 (18:27):
Lieber Karl, bin gar nicht der gleichen Meinung wie du. Die EU wird zu gross und unübersichtlich! Eine EU wäre sicher in Ordnung:" Wenn sie sich auf Gesundheit - Kriminalität - Verkehr und Asylwesen beschränken würde, und nicht ständig ix neue Gesetze erlassen täte." Weil die Mentalitäten in den Ländern verschieden sind, sollen dort die ansässigen Bürger selber für Ordnung und Gesetzte sorgen, die kennen sich sich im eigenen Land am besten aus, und sich nichts von Brüssel aufzwingen lassen!Zum Glück kann das Volk immer noch selbst bestimmen bei uns.
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Tobias
antwortete am 16.12.04 (18:46):
Es ist doch nicht das erste Mal, dass unserer CDU und CSU mit einer Ablehnungshaltung in den Wahlkampf zieht. Herr Koch ist Meister und Vordenker in solchen Ausländerspielchen sagt aber nach der Wahl, nein Ausländerfeindlichkeit kenne er nicht. Nicht ganz Nein aber erst recht nicht ganz Ja war und ist die Masche dieser Partei. Mir sind die die Empörungsrufe gegen die Ostpolitik der SPD noch in den Ohren. Auch dort war es nicht ganz Nein aber erst recht nicht Ja. Das Ende aber, Herr Kohl von der CDU hat sich als Wiedervereinigungskanzler feiern lassen und hat sich nicht mal dabei geschämt.
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BarbaraH
antwortete am 16.12.04 (19:23):
>>Eindeutig hofft die demokratische islamische Partei darauf, dass eine EU-Mitgliedschaft dazu beitragen wird, die traditionelle Einmischung der Militärs in die Angelegenheiten des Staates zu beenden. Die Generäle wissen das sehr wohl und reagieren entsprechend. Deswegen würde die EU allen Beteiligten einen nachhaltigen Dienst erweisen, wenn sie die Türkei an die Hand nähme, um sie durch diese schwierige Übergangszeit zu begleiten - genauso wie sie Spanien, Griechenland und Irland dabei behilflich war, ihre jeweilige unruhige faschistische, militaristische oder autoritäre Vergangenheit zu überwinden.<<
Quelle: taz vom 16.01.04 Das türkische Paradox Der mögliche EU-Beitritt der Türkei hat jetzt schon Auswirkungen auf die arabische Welt. Dort gilt das Land heute als Modell - unter Linken, Islamisten wie Nationalisten zugleich https://www.taz.de/pt/2004/12/16/a0211.nf/text
Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2004/12/16/a0211.nf/text
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hugo1
antwortete am 16.12.04 (19:49):
hallo lars Du meinst:"Die EU wird zu gross und unübersichtlich" ,da mach ich mir überhaupt keine Gedanken mehr in heutiger Zeit. Je größer eine Wirtschaftsgemeinschaft, desto lohnender sämtliche Weiterentwicklungen, Verteilungsmechanismen, Transportoptimierungen, Absatz und Erfassungsstrukturen usw. Eine Unübersichtlichkeit, ja das gabs mal vor über 100 Jahren als noch Postkutschen die Informationen von A nach B transportierten. Heutzutage und noch weitaus perfekter werden in Zukunft sämtliche benötigten Infos, Nachrichten, Probleme, Hilferufe, Hilfsangebote usw. in diesem relativ kleinem Europa in die entferntesten Winkel gelangen. Es wird eine Übersichtlichkeit entstehen, die einige vorsichtige Gemüter im Gegenteil zur Wachsamkeit aufstacheln wird, vonwegen Überwachungsstaat ,, Es gibt jetzt schon auf der Welt Staatengebilde die eine viel, viel größere Bevölkerungszahl zu verwalten haben und das unter weitaus rückständigeren Bedingungen und technischen Möglichkeiten. Aber gerade die sind z.Z. auf dem Vormarsch. ,,und welches Potential kann ein vereintes Europa an klugen Köpfen bieten, wenn wir es nur nicht durch kleinkarriertes Denken laufend verhindern würden, daß die Allerbesten (Finanz-,Wirtschafts-,Ethikexperten,,,,)in Brüssel oder sonstwo zusammenkommen und eine für unsere Region und darüber hinaus vorausschauende, günstigste Politik gewährleisten könnten. ,,nein , lieber zerreissen wir uns die Mäuler über Unwegbarkeiten, Hindernisse, religiös angehauchte Vermutungen, aufgebauschte, jedoch leicht lösbare Probleme, uralte echte und erfundenen Vergehen usw. Es ist der erste erfolgversprechende Versuch ganz Europa (und ein Miniteilchen darüberhinaus) mal ohne die Unterdrückungsmittel einer riesigen Armee zu vereinen und da stehen plötzlich die Unkenrufer auf, da melden sich die Weltuntergangspropheten, die Miesmacher und Verhinderer ohne auch nur einen einzigen triftigen Grund dagegen nennen zu können. Wenigstens einen Versuch dieses Unterfangens sollten sie den Optimisten gönnen, ohne ein sofortiges Scheitern herbeizureden bzw durch aktives Bremsen und mangelnde Beihilfe den größtmöglichen Schaden anzurichten.
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schorsch
antwortete am 17.12.04 (09:17):
@ hugo1: "...Es ist der erste erfolgversprechende Versuch ganz Europa (und ein Miniteilchen darüberhinaus) mal ohne die Unterdrückungsmittel einer riesigen Armee zu vereinen..."
Du wirst doch nicht im Ernst glauben, dass die Armeen nun abgebaut würden und lauter Friedenstauben in den Lüften schweben? Natürlich wird man sagen, dass kein Land der Vereinigung mehr andere Länder der Vereinigung angreifen dürfe. Aber noch gibts ja im Osten wie im Westen genügend "Gegner" auszumachen, um eine schlagkräftige Armee zu legalisieren.
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Lars
antwortete am 17.12.04 (09:54):
Das Wunschdenken einiger intellektueller Forenschreiber/innen über ein friedliebendes Europa mit Wachstum und ohne Kriege finde ich sehr begrüssenswert! Aber die Realität wir anders sein, bin immer noch der Meinung, dass nicht alles gleichgemacht werden kann. Soll den der Mittelstand kabutt gemacht werden? Die grossen Deutschen Landwirte haben z.B. die grösste Mühe, anfallende Rechnungen zu bezahlen, wie soll das weitergehen? Die Nettozahler werden immer weniger zum verteilen haben! Wir ältere Leute haben sicher nichts zu befürchten, aber für die nächste oder übernächste Generation sehe ich schwarz. Wahrscheinlich stempelt ihr mich als Schwarzmaler ab, aber ich vertrete nur meine eigene Meinung hier.
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Medea.
antwortete am 17.12.04 (10:06):
Lars und Schorsch -
die jetzige Euphorie wird in einigen Jahren einer nüchternen Betrachtungsweise weichen - da bin ich mir ziemlich sicher.
Und die vielen zusätzlichen Schwierigkeiten sind alle hausgemacht und von Politikern zu verantworten, die unter Umständen dann gar nicht mehr in der Verantwortung sind ....
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mart
antwortete am 17.12.04 (10:37):
Und die nächsten melden sich schon an:
Hryhorij Nemyria, Direktor des ukrainischen "Instituts fuer internationale Beziehungen":
"Fuer die Tuerkei galt lange: zu gross, zu arm, zu muslimisch. Das hat sie aber nicht davon abgehalten, alles fuer einen Beitritt zu tun.
Fuer die Ukraine galt lange: zu gross, zu arm, zu sowjetisch. Nun sind wir nicht mehr sowjetisch, und wir koennen auf ein enormes wirtschaftliches Wachstum verweisen. Ich denke, die Ukraine sollte den gleichen Weg wie die Tuerkei gehen."
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Medea.
antwortete am 17.12.04 (10:44):
Na bravo -
recht haben die Ukrainer, was dem einen muslimisch recht ist dem anderen sowjetisch billig ..... :)
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mavaho
antwortete am 01.01.05 (18:08):
Der Beitritt ist schlicht nicht finanzierbar. In einer Art politischen Grossmannssucht hat man die Massstäbe verloren und träumt von geopolitischen Zielen. Nach Beitritt wird die Türkei wegen ihrer Bevölkerungsexplosion mehr Stimmen im EU-Parlament haben als wir oder viele kleine Staaten zusammen. Wir zahlen, die anderen verteilen, was will man uns noch zumuten. Der Nutzen liegt alleine bei der Türkei, die Lasten einseitig bei der EU. Noch haben wir die Wiedervereinigung und die Ost-EU-erweiterung weder finanziell noch gesellschaftlich verdaut, schon kommt der Nächste in einer ganz anderen Grössenordnung. Der dritte Schritt vor dem ersten, kein vernünftiger Mensch tut das, man muss dazu Politiker sein.
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