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THEMA: Curie und Jelinek
14 Antwort(en).
Illona
begann die Diskussion am 08.12.04 (21:54) :
Der Vater von Maria Goeppert- Mayer hat wohl seiner Tochter den richtigen Tipp fürs Leben gegeben: „ Werde nie eine Frau, wenn du groß bist!“ Ob sie es beherzigt hat? Sie ist neben Marie Curie die einzige Frau, die in 103 Jahren den Physik-Nobelpreis erhalten hat. Und Elfriede Jelinek? Sie ist verletzbar wie ein Kind geblieben. Wie verwundbar muss ein Mensch sein, der in einem solchen Moment aus Angst vor der Öffentlichkeit mehr Verzweiflung als Freude spürt. Eine Österreicherin in der Reihe neben Jean Paul Sartre !
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iustitia
antwortete am 09.12.04 (18:00):
Wenn "man" eine Tochter absichtlich mit Pessismismus vollsaut - hat ein Vater auch wohl keine andere Antwort verdient. *
Dass die Jelinek, deren politisches Engagement ich teile, so sprachverzweifelt daherredet - wer soll das glauben, wenn und weil es Unsinn ist...?!Sich aber noch immer in Sprache sich auszudrücken versucht...! Verlorene - oder manieristisch verlogene? - Selbsttherapie? ** Aus ihrem Nobelpreisredetext - dem Text, den heute die FAZ und andere Zeitungen drucken: (...)
"Wer nicht hören will, muß sprechen, ohne gehört zu werden. Fast alle werden nicht gehört, obwohl sie sprechen. Ich werde gehört, obwohl mir meine Sprache nicht gehört, obwohl ich sie kaum noch sehen kann. Man sagt ihr vieles nach. So muß sie selber nicht mehr viel sagen, auch gut. Man hört ihr nach, wie sie langsam nachspricht, während irgendwo ein roter Knopf gedrückt wird, der eine schreckliche Explosion auslöst. Es bleibt nur noch übrig zu sagen: Vater unser, der du bist. Sie kann nicht mich damit meinen, obwohl ich schließlich meiner Sprache Vater, also: Mutter bin. Ich bin der Vater meiner Muttersprache. Die Muttersprache war von Anfang an schon da, sie war in mir, aber kein Vater war da, der dazugehörig gewesen wäre. Meine Sprache war oft ungehörig, das wurde mir deutlich zu verstehen gegeben, aber ich wollte es nicht verstehen. Meine Schuld. Der Vater hat mitsamt der Muttersprache diese Kleinfamilie verlassen. Recht hatte er. Ich wäre an seiner Stelle auch nicht geblieben. Meine Muttersprache ist jetzt dem Vater nachgegangen, sie ist fort. Sie ist, wie gesagt, dort drüben. Sie hört den Leuten auf dem Weg zu. Auf dem Weg des Vaters, der zu früh gegangen ist. Jetzt weiß sie etwas, was du nicht weißt, was er nicht gewußt hat. Aber je mehr sie weiß, umso nichtssagender wird sie. Sie sagt natürlich dauernd etwas, aber sie ist nichtssagend." (...) * Ich möchte nicht ihr unfreiwilliger Therapeut sein. Sie will ja auch niemandem mehr glauben, außer wenn "man" ihr Recht gibt. - Da funktioniert ihre Sprache und ihr Selbstwertgefühl komischerweise wieder. (Das unterscheidet sie von Schizos.)
Zur URL: Wenn sie sich auseinandersetzen würde mit "Vater-Unser" oder "Mamma-mia" oder "Materpaternostra" oder "Mutter-die-du-mein-bist" oder "mater-nobiscum" - meinetwegen. Dann müsste sie sich aussprechen auf ein Gegenüber hin, auf eine Historie, auf Machtansprüche. Aber da verteufelt sie alles - und erklärt sich nur als Opfer von Männern.
Aber ihre "poetische" Sprache leistet (abgesehen von banalen Alltagssätzen in Interviews, die Hilfeschreie sind) weder Erzählen, noch Analysieren, noch Einsicht, noch ästehtisches Entzücken oder ERschrecken. Sie vegetiert in ihrer Sprache, ihrer Rache an "allem", was ihr irgendwie zu nahe gekommen ist. Sprache als "Beiße".
Internet-Tipp: https://www.st-wigberti.com/Vater_Unser/hauptteil_vater_unser.html
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hl
antwortete am 09.12.04 (18:28):
" Ihre Unfähigkeit, sich größeren Menschenansammlungen auszusetzen, ist keine Marotte, sondern eine Krankheit."
" 08. Dezember 2004 Eine Schriftstellerin spricht über ihr Verhältnis zur Wirklichkeit und darüber, wie kompliziert das Wechselspiel ist, das die Realität und ihre eigenen literarischen Texte miteinander eingehen. Was aus dem Wechselspiel entsteht, ist eine eigene Wirklichkeit, die stets auf die Realität und die Sprache bezogen bleibt, aber weder zum einen noch zum anderen ganz gehört."
Quelle: https://www.faz.net/
Internet-Tipp: https://kuerzer.de/vfQpJemHE
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hl
antwortete am 09.12.04 (18:39):
08. November 2004 / FAZ.NET Das erste große Interview mit der diesjährigen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek nach Bekanntgabe der Stockholmer Entscheidung, Teil eins und Teil zwei:
https://kuerzer.de/4Kq4apkyY
https://kuerzer.de/7BrvPqmG4
Internet-Tipp: https://kuerzer.de/4Kq4apkyY
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hl
antwortete am 09.12.04 (21:59):
TV-Termine -
9.12.2004, 23:45 Uhr, Bayern alpha, Dokumentation "Die Kunst ist gegen den Körper des Künstlers gerichtet" Elfriede Jelinek, eine österreichische Schriftstellerin >>
11.12.2004, 22:00 Uhr, 3sat, Dokumentation Wer hat Angst vor Elfriede J. Porträt von Günter Kaindlstorfer >>
11.12.2004, 23:35 Uhr, ORF 2, Dokumentation Wer hat Angst vor Elfriede J.? Porträt der Literatur-Nobelpreisträgerin von Günter Kaindlstorfer. >>
12.12.2004, 23:05 Uhr, ORF 2, Spielfilm Die Klavierspielerin Drama. Ö / F 2001. Mit Isabelle Huppert. Nach dem gleichnamigen Roman von Elfriede Jelinek. >>
13.12.2004, 00:30 Uhr, NDR, Dokumentation Die gehasste Frau Jelinek Dokumentarfilm über Person und Werk. Von Jochen Wolf, 1997. (Von Montag auf Dienstag) >>
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Illona
antwortete am 10.12.04 (06:16):
Danke hl für die Hinweise. Also ganz ehrlich: Ich weiß spontan nicht, wer letztes Jahr den Literaturnobelpreis bekommen hat. Wenn ich den Autor schon vorher gekannt habe, merke ich ihn mir zwangsläufig, sonst nicht. Natürlich werde ich mir die jetzige merken, auch wenn ich lieber über sie als von ihr lese. Völlig überrascht hat aber auch dieses Jahr wieder jemand gewonnen, den der Gewinn „ völlig überrascht“ hat. Immer das gleiche. Ob irgendjemand mal sagt: „ Na, das wurde aber auch Zeit, ich dachte schon, die würden sich nie melden.“ Nun hat die arme Frau Jelinek einen Pelzmantel wie eine zweite Haut umgehängt bekommen .Kaum tritt sie aus dem Haus, hat sie schon wieder diesen Pelz am Leib. Dieses Weltruhmgefängnis im Kaffeehaus, am Kiosk, beim Tanken, im Restaurant. Literatur- Nobelpreisträgerin werden ist wohl wie Papst werden: Da gibt es keinen Rücktritt, das kriegt man nie wieder weg. Einmal heilig, immer heilig: Vielleicht sollte dieser Preis erst posthum verliehen werden.
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claudiawien
antwortete am 10.12.04 (07:59):
Illona, der Nobelpreis ist nicht der Oscar, über dessen Verleihung die jeweils Ausgezeichneten sich immer "völlig überrascht" zeigen. Man darf es Elfriede Jelinek ruhig glauben, dass sie "überrascht" war - mit dieser Entscheidung der Jury hatte ja tatsächlich niemand gerechnet. Sie war eine echte Sensation im besten Sinn des Wortes. Den Vergleich mit dem Papst ("Da gibt es keinen Rücktritt, das kriegt man nie mehr weg") verstehe ich nicht. Natürlich ist ein Literaturnobelpreis eine hohe Auszeichnung, und GLÜCKLICHERWEISE geht das "nicht mehr weg". Nicht leider, sonder glücklicherweise! Die merkwürdige Idee, den Preis erst posthum zu verleihen, finde ich absurd, und ich hoffe, dass sie nicht ernst gemeint, sondern nur so dahingeplappert war.
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Illona
antwortete am 10.12.04 (10:04):
claudiawien Aus dir spricht ja schon die vergeistigte Jelinek. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass Geld und Ruhm eben nicht nur glücklich machen. Zumal dann , wenn man es nicht mehr unbedingt nötig hat. Entschuldige bitte- ein Sakrileg - dahingeplappert und zurückgenommen für dich ,ok?! Illonakärnten
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iustitia
antwortete am 10.12.04 (10:50):
Frau Jelinek hat jeden Tag nach der Benennung Interviews gegeben - war in allen Kultursendungen - das will ich ihr ja nicht zum Vorwurf machen. Abe sie hätte ja den Preis ablehnen können, wie andere, größere, unbhängigere Geister; nicht; die, die gezwungen wurden, ihn nicht anzunehmen.)
Frau Löffler (von den Literaturen), Emma Schwarzer (von der EMMA), gut gesonnene Reporter von der WELT, vom Standard, de ZEIT waren bei ihr und haben sie meist so dargstellt, als ob sie von überallher mit Dreck beworfen würde. - Was nicht stimmt; vom liberalen, linken Milieu absolut nicht. Dort wird sie bestätigt in ihren Symptomen, für alle Neurotiker die besete Versuchung zum Erfolg! Der meiste - pardon: "Dreck"; d.h. also "Krankheits"-Beschreibungen - stammt von ihr selber. * Heute in der WELT: Sprung nach oben - Jelinek
von Ulrich Weinzierl
Der ORF übertrug die Stockholmer Video-Nobelvorlesung zeitversetzt, Österreichs Tageszeitungen druckten sie in Auszügen ab. Heute veranstaltet das Burgtheater "Ein Fest für Elfriede Jelinek". Zuerst wird im kleinen Haus Nicolas Stemanns glänzende Inszenierung von Jelineks "Das Werk" gezeigt, danach findet im großen eine Art Huldigungsreigen für die große Abwesende statt. Am selben Abend präsentiert das Wiener Literaturhaus Jelineks von der Germanistin Pia Janke ediertes "Werkverzeichnis", eine Bibliographie im Umfang von 660 (!) Seiten. Diese Wissenschaftlerin hat übrigens bereits 2002 einen Band über die Jelinek veröffentlicht. Der behandelte indes nicht so sehr das OEuvre der Schriftstellerin als das Echo darauf. Der Titel sagt alles: "Die Nestbeschmutzerin. Jelinek & Österreich". Seitdem sie jedoch als neue, als erste österreichische Literaturnobelpreisträgerin feststeht, hat sie in der vaterländischen Beliebtheitsskala offenbar einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht.
Gewiß, auch Thomas Bernhard wurde zu Lebzeiten gehaßt und beflegelt, was seine Kanonisierung danach naturgemäß beschleunigte. Bei Elfriede Jelinek kommt freilich etwas anderes hinzu. Als Frau provoziert sie immer noch weit mehr. Da schleicht sich sofort ein anderer Ton ein: Statt der Form der Kritik oder auch der sachlichen Polemik bedient man sich gerne des aggressiv Beleidigenden, das nichts ist als ein kaum verhohlener Vernichtungswunsch.
Ob sämtliche Begeisterungsausbrüche aus der Kollegenzunft über die Entscheidung der Schwedischen Akademie völlig ernstgemeint waren, sei dahingestellt. Im Literatenbezirk geht es zu wie überall sonst. Schadenfreude ist die schönste Freude, und Neid eine weit verbreitete Tugend. Wir erinnern uns des Ausspruchs eines höchst kultivierten Frankfurter Autors, der die Jelinek während der Buchmesse charmant als "einen der dümmsten Menschen der westlichen Hemisphäre" bezeichnete. Wie die Beschimpfte reagierte? Sie machte es sich zueigen. Der Schimpfende, meinte sie, habe "ein wahres Wort gelassen ausgesprochen. Ich bin tatsächlich dumm." Außerdem aber pflegt sie derlei prompt in ihre literarischen Texte einzuarbeiten. Eine Chance für so manchen, zumindest solcherart auf die Nachwelt zu kommen. - WELT-Artikel erschienen am Fr, 10. Dezember 2004 -
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iustitia
antwortete am 10.12.04 (10:57):
Eine kritische, aber real positive Rezension über ein Hörbuch von Jelinek "Jackie":
Hörbuch: Tratsch und Philosophie Von Konrad Heidkamp
Wer hier das Opfer ist, bleibt unklar. Wir oder Jackie? Unser gutenmorgendliches Vermischtes und die Götter im Boulevardhimmel, die uns wieder mit Leben versorgen? Jackie sagt: »Ihren Gegenstand interessiert anschauen, als sähen sie sich selbst im Spiegel, ja, das machen die Menschen immer. Sie sehen uns, aber sie sehen in Wirklichkeit sich selbst, in uns. Eine derartige Kostbarkeit wie ich kommt aber nur richtig zur Geltung, indem sie abwesend ist.« (...)
Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2004/30/KA-H_9arbuch30
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claudiawien
antwortete am 10.12.04 (15:21):
Warum, wie du, Ilona, meinst, aus mir die "vergeistigte Jelinek" spricht, verstehe ich - angesichst meiner obigen fünfeinhalb Zeilen - nicht. Muss ich hoffentlich auch nicht! ;-) Dass ein Nobelpreis aus einer kritischen, hochsensiblen Schriftstellerin nicht plötzlich einen glücklichen Menschen macht, ist auch klar, glaube ich.
iustitita, wie ist dieser Satz gemeint? "Der meiste - pardon: 'Dreck', d.h. also 'Krankheits'-Beschreibungen - stammt von ihr selber."
Genauer: Was ist mit "Dreck" gemeint?
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Medea.
antwortete am 10.12.04 (15:45):
- Sprache als Beisse - (Justitia)
nun, so unbekannt ist diese den ST'lern wirklich nicht -
da gibt es auch hier viele Beispiele - ,
auch wenn es nicht gerade die Jellinek ist.... :-)
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iustitia
antwortete am 10.12.04 (17:40):
claudiawien -
Ja, Frau Jelinek spricht öffentlich von ihren Krankheiten: Drogen, Kotzen, Kontaktscheu, Phobien, phallische Obessionen... - das kann ja ein Weg zur Gesundung sein (sich dazu zu bekennen), wenn man denn nicht eine Krankheit durch die nächste ersetzt. Übrigens - waren fast alle Genien irgendwie "unnormal", auch psycho-pathologisch, von Ärzten belegt, von Ärzten als untherapierbar aufgegeben. Von Fans und Mitleidenden und Pilgern verehrt und angebetet. (Hier müsste man jetzt die weibl. Form der Nomen angeben.) D a s ist für mich nicht das Problem. Nur: Dass E.J. für alles, was sie betrifft, einnimmt, bedrängt, krank hält - nur "Männer" verantwortlich macht (ja, und ein bisschen ihre Mutter; aber die war von Männern krank gemacht), ist kränklich, ist pathologisch und führt nicht zur Gesundung. Weil sie ihren eigenen, verantwortlichen Anteil ja nicht einsehen will oder kann. Bei den vielen Männern im Nobelpreis-Komité müsste sie jetzt ja anders urteilen.)
Nächstes Beipiel stammt am Martin Walser; s. nächsten Beitrag.
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iustitia
antwortete am 10.12.04 (17:45):
Walser: "Der hilfreiche Radfahrer oder Warum das Land gerettet ist" (in: DIE ZEIT – 51/2004; innerhalb der Umfrage: "Ist Deutschland ein Vaterland?" Lesenwert!)
Martin Walser schreibt über eine glückliche Begegnung in der Innenstadt von Osnabrück – eine „Alltagsfuge“. Walser war auf der Rückreise von einer Lesetour, die ihn nach Osnabrück geführt hat: Er holte sich auf einem Bahnhof Lektüre. Walser wörtlich:
"Also her mit dem Novemberheft von 'Cicero'. Und da, natürlich, zuerst: Elfriede Jelinek. Und da, tief im Text und in den jelineksch verwoben: »Die vergangenen Untaten sollen dem individuellen Gewissen unterworfen werden, sie sind Privatsache des Einzelnen, sagt Martin Walser sinngemäß ö« Wieder mußte der Abwehrreflex, der instinktive, abgewehrt werden. Das hast du nie und nirgends gesagt und nie geschrieben. Das Gewissen ist nicht delegierbar, hast du geschrieben. Daß »die vergangenen Untaten« »Privatsache des Einzelnen sind« hast du weder gedacht, noch gesagt, noch geschrieben. So dein Abwehrreflex. Aber der nützt überhaupt nichts. Die vergangenen Untaten Privatsache des Einzelnen! Das kannst du jetzt von Osnabrück bis Nürnberg psalmodieren. Elfriede Jelinek hat das so aufgefaßt und hingeschrieben. Nobelpreisträgerin. Das reicht für diesen Tag, daß du Elfriede Jelinek auf solche Gedanken gebracht hast. * 'Cicero'ist eine neue Kulturzeitschrift; auch im Internet - www.cicero.de - Auch wenn dieser Ausschnitt sehr knapp ist: Er zeigt, dass Frau Jelinek ihn, den konservativ gewordenen Kritiker Walser nicht verstanden hat oder verstehen konnte – und ihn rufschädigend wiedergibt, dass er, Walser, als geschichtsfremder Nationalist dasteht, der "geschichtliche Untaten“ der Deutschen wegoperieren wolle - leugnen wolle. Dagegen protestiert Walser zu Recht, ohne die Jelinek, über diesen Anlass hinaus, herunterzumachen. - Gedanklich und stilistisch gut gemacht. Habe ich ja schon oft von Walser gelesen und mitgeteilt.
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claudiawien
antwortete am 11.12.04 (10:44):
Hallo, iustitia,
ich musste deine (wohltuend) differenzierenden Meinungen erst überdenken und dann überschlafen. Wenn es um Schriftsteller geht, die ich mag, kann ich nämlich nicht objektiv und maßvoll sein, und bin anfällig dafür, energisch zu verteidigen, wenn einer von ihnen (meiner Ansicht nach) zu unrecht verkannt, missverstanden, zu wenig gewürdigt oder schlicht nicht genug geliebt wird! ;-)
Aber richtig zügeln kann ich mich trotz Überdenken und Überschlafen nicht!
Martin Walser zB ist nicht so mein Fall, seit er seine Mordphantasien zu Reich-Ranitzky herausgegeben hat. Das habe ich als peinlich empfunden. Reich-Ranitzky wiederum hat einen der besten Essays über Tuchosky geschrieben und in die Literaturkritik im Literarischen Quartett jene subjetive Radikalität eingebracht, die ich sehr erfrischend und klug empfunden habe. Gründe für mich, nichts über ihn kommen zu lassen. Ich darf auch radikal subjektiv sein! ;-)
Obige, von dir zitierte Reflexionen von Walser, sind mir auch schon wieder zu nabelschauig - muss er immer seine eigene Befindlichkeit zum Weltenthema erheben? Natürlich hast du auch Recht - Jelineks offenbar falsches Verstehen seines Satzes "Das Gewissen ist nicht delegierbar" hat er souverän thematisiert, ohne sie (wie du schreibst) über diesen Anlass hinaus herunterzumachen.
Zu Elfriede Jelinek: Sie nur auf ihre Neurosen und ihren "Männerhass" zu reduzieren, finde ich nicht richtig. Ich kenne von ihr zB Analysen politischer und geselschaftspolitischer Phänomene, die von einer Klarsicht sind, die es (zumindest in Österreich) meines Wissens sonst nicht gibt. Da erscheint sie mir gar nicht neurotisch!
Thomas Bernhard wird übrigens ja auch nicht nur auf seinen Frauenhass bzw. seine Angst vor Frauen reduziert, obwohl das auch ein Interpretationsansatz wäre. Und zu den Evangelisten, die im meistverlegten Buch der Welt zu lesen sind, gibt es ja auch die Theorie, dass ihre Visionen psychotischen Schüben entstammen.
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