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THEMA: Erschreckend aktuell..
16 Antwort(en).
hl
begann die Diskussion am 27.11.04 (20:35) :
Geboren am 28.11.1820 schrieb Friedrich Engels Mitte November 1844 bis Mitte März 1845 "Die Lage der arbeitenden Klasse in England" hier Auszüge aus "Die Stellung der Bourgeoisie zum Proletariat"
[..] Da aber die Reichen noch die Macht besitzen, so müssen sich die Proletarier gefallen lassen, daß sie, falls sie selbst es nicht gutwillig einsehen wollen, vom Gesetz für wirklich überflüssig erklärt werden. Dies ist im neuen Armengesetz geschehen. Das alte Armengesetz, das auf der Akte vom Jahre 1601 (43rd of Elizabeth)<(43. Jahr der Regierung Elisabeths)> beruht, ging naiverweise noch von dem Prinzip aus, daß es die Pflicht der Gemeinde sei, für den Lebensunterhalt der Armen zu sorgen. Wer keine Arbeit hatte, erhielt Unterstützung, und der Arme sah auf die Dauer, wie billig, die Gemeinde für verpflichtet an, ihn vor dem Verhungern zu schützen. Er forderte seine wöchentliche Unterstützung als ein Recht, nicht als eine Gnade [..]
Eine Kommission wurde ernannt, die die Verwaltung der Armengesetze untersuchte und eine große Menge Mißbrauche entdeckte. Man fand die ganze Arbeiterklasse des platten Landes pauperisiert und ganz oder teilweise von der Armenkasse abhängig, da diese, wenn der Lohn niedrig stand, den Armen einen Zusatz gab; man fand, daß dies System, wodurch der Arbeitslose erhalten, der Schlechtbezahlte und mit vielen Kindern Gesegnete unterstützt, der Vater unehelicher Kinder zur Alimentation angehalten und die Armut überhaupt als des Schutzes bedürftig anerkannt wurde - man fand, daß dies System das Land ruiniere, [..]
"ein Hemmnis der Industrie, eine Belohnung für unüberlegte Heiraten, ein Stimulus zur Vermehrung der Bevölkerung sei und den Einfluß einer vermehrten Volkszahl auf den Arbeitslohn unterdrücke; daß es eine Nationaleinrichtung sei, um die Fleißigen und Ehrlichen zu entmutigen und die Trägen, Lasterhaften und Überlegungslosen zu stützen; daß es die Bande der Familie zerstöre, die Anhäufung von Kapitalien systematisch verhindre, das existierende Kapital auflöse und die Steuerzahlenden ruiniere; und obendrein setze es in der Alimentation eine Prämie auf uneheliche Kinder. (Worte des Berichts der Armengesetzkommissäre.) (2) [..]
Diese Schilderung der Wirkungen des alten Armengesetzes ist im ganzen gewiß richtig; die Unterstützung begünstigt die Trägheit und die Vermehrung der "überflüssigen" Bevölkerung. Unter den jetzigen sozialen Verhältnissen ist es ganz klar, daß der Arme gezwungen wird, Egoist zu sein, und wenn er die Wahl hat und gleich gut lebt, lieber nichts tut als arbeitet. Daraus folgt aber nur, daß die jetzigen sozialen Verhältnisse nichts taugen, nicht aber, daß wie die malthusianischen Kommissäre folgerten - die Armut als ein Verbrechen nach der Abschreckungstheorie zu behandeln sei. [..]
Alle Unterstützung in Geld oder Lebensmitteln wurde abgeschafft; die einzige Unterstützung, welche gewährt wurde, war die Aufnahme in die überall sofort erbauten Arbeitshäuser. Die Einrichtung dieser Arbeitshäuser (workhouses), oder, wie das Volk sie nennt, Armengesetz-Bastillen (poor-law bastiles), ist aber derart, daß sie jeden abschrecken muß, der noch irgendwie Aussicht hat, sich ohne diese Art der öffentlichen Mildtätigkeit durchzuschlagen. [..]
Damit ihre Arbeit nicht etwa mit der Privatindustrie konkurriere, gibt man ihnen meist ziemlich nutzlose Beschäftigungen; die Männer klopfen Steine, "soviel ein starker Mann mit Anstrengung in einem Tage tun kann", die Weiber, Kinder und Greise zupfen alte Schiffstaue, ich habe vergessen, zu welchem unbedeutenden Zweck. [..]
Quelle: https://gutenberg.spiegel.de/engels/dielage/me02_486.htm ------------------
Vergleiche "Hartz IV" und "1-Euro-Beschäftigungen"
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hl
antwortete am 27.11.04 (21:07):
"Hartz IV Zusatzverdienst: Vorgesehen ist der Ausbau der öffentlichen Arbeitsgelegenheiten. Auf bis zu 600.000 solcher Stellen sollen Arbeitslose einfache Tätigkeiten etwa bei Wohlfahrtsverbänden übernehmen. Sie erhalten dafür zusätzlich zum ALG II einen oder zwei Euro pro Stunde: Ihre Arbeitsbereitschaft soll damit geprüft werden, und sie sollen wieder an die Arbeitswelt heran geführt werden."
Quelle: https://www.chancenfueralle.de/Arbeit/Arbeitsmarkt/Die_Hartz-Arbeitsmarktreform_-_Uebersicht.html ----------------------
Wie kürzlich in einem Fernsehbericht zu sehen war, haben sich schon jetzt Freiwillige für diese 1-Euro-Jobs freiwillig gemeldet. Sie durften in einem Pseudounternehmen, Pseudotätigkeiten durchführen, da es "richtige" Tätigkeiten für sie nicht gab. (vergl. Arbeitshaus s.o.)
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BarbaraH
antwortete am 27.11.04 (22:41):
Zwei Artikel in SPIEGEL ONLINE zeigen, wie weit unser Land inzwischen auf den Hund gekommen ist:
HARTZ-IV-EINFÜHRUNG Arbeitsagenturen wappnen sich gegen Gewalttäter
Polizei und Dienststellen der Agentur für Arbeit bereiten sich fünf Wochen vor Einführung des neuen Arbeitslosengeldes II auf mögliche gewaltsame Ausschreitungen vor. Mehrere Agenturen haben bereits Bombendrohungen erhalten. https://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,329882,00.html
VERMÖGEN Wer hat, dem wird gegeben Von Alexander Neubacher
Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer: In sechs Jahren rot-grüner Koalition sind die sozialen Unterschiede in Deutschland größer geworden. Den Regierenden ist diese Erkenntnis peinlich, sie hatten das Gegenteil versprochen. https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,329953,00.html
Internet-Tipp: https://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,329953,00.html
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dutchweepee
antwortete am 28.11.04 (05:45):
in den vergangenen wochen, habe ich verschiedentlich lesen/hören müssen, daß das "integrationsmodell holland" gescheitert sei.
nun gut ...zwölf idioten haben in den niederlanden vier moscheen angezündelt, aber in deutschland bewaffnen sich die arbeitsämter, um zu REFORMIEREN? ...können die 1,2 millionen millionäre in deutschland nicht einfach den pöbel auch modellweise integrieren?
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schorsch
antwortete am 28.11.04 (09:27):
@ BarbaraH: "...In sechs Jahren rot-grüner Koalition sind die sozialen Unterschiede in Deutschland größer geworden. Den Regierenden ist diese Erkenntnis peinlich, sie hatten das Gegenteil versprochen..."
Hatte das denn nicht schon die Regierung Kohl versprochen?
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Tobias
antwortete am 28.11.04 (09:48):
Was nicht geht wissen jetzt fast alle, was gehen würde weis leider niemand.
Vielleicht hatte es unsere Generation etwas leichter, wir wussten was GEHT, denn es war nichts, überhaupt nichts mehr da.
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mart
antwortete am 28.11.04 (11:21):
Ich frage mich, was Friedrich Engels sagen würde, wenn er heute nach Manchester kommen würde.
Ob er dann auch schreien würde "Krieg den Hütten, Paläste für alle", so wie die heutigen Apologeten der kommunistischen Ideen es plakativ auf ihren Demonstrationen fordern.
Was würde Engels sagen, wenn er die Länder des realen Kommunismus in ihrer Blüte besucht hätte - und sie heute besuchen würde.
Irgendwo und irgendwie scheint ein Wurm in der Vorstellung der kapitallosen, klassenlosen und gerechten Gesellschaft zu stecken:-)
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Medea.
antwortete am 28.11.04 (13:36):
Das geht nur auf einer noch nicht entdeckten Südseeinsel,
wo hübsche Muscheln als Zahlungsmittel ausreichen,
wo die klügste und sanftmütigste Person mit einem Palmenwedel als Zeichen von 'Erste/r unter gleichen' regiert und wo Kannibalismus unbekannt ist.....
:-)
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BarbaraH
antwortete am 28.11.04 (15:07):
schorsch,
das ist richtig, jedoch hatten wir damals noch eine Opposition. Heute überbieten sich die Parteien in der Bedienung der von der Wirtschaft gestellten Forderungen.
Schließlich könnte die Hartz-"Reform" auch Schremp-, Ackermann- oder Hundt-Reform heißen.
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dutchweepee
antwortete am 30.11.04 (00:49):
solange deutschland nur die schremps, ackermanns und hundts wählt, wird das so bleiben!
ist euch noch nicht aufgefallen, daß seit dem wegfall der sozialistischen alternative DDR in deutschland, kein politiker oder wirtschaftsboss noch geld für soziale ausgaben übrig haben will?
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schorschie2
antwortete am 30.11.04 (17:59):
Die deutsche Gesellschaft hat solange das etablierte politische Pöbel verdient,solange sie sich nicht für neue politische Alternativen aufmachen.
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Tobias
antwortete am 30.11.04 (18:11):
Dutchweepee, wer wählt denn in Deutschland die schremps, ackermanns und hundts wie du schreibst. Es ist doch nicht das breite Wählervolk sondern nur Industrieverbände oder Grossunternehmen die ihre Vertreter wählen. Wen diese Herren und Damen da vorschicken ist alleine ihnen überlassen.
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schorschie2
antwortete am 30.11.04 (18:14):
Jedoch können mich die kommunistischen Thesen nicht wirklich begeistern.Die Theorie einer Gesellschafts- Ordnung mit der rechtlichen,wirtschaftlichen ,gesellschaftlichen Gleichheit aller Menschen ohne Klassenunterschiede,dieser Kommunismus blieb immer eine Theorie und wurde nie verwirklicht.Menschen leben aber nicht von Theorien.Ich bin aber auch überzeugt,dass der derzeitig übersteigerte Kapitalismus der Schröder-Merkel Parteien ebenso scheitern wird.Wenn die Menschen weiter so ausgeplündert werden und nur noch die Aktienkurse eine Rolle spielen, ist es eine Frage der Zeit,bis der Widerstand massiver wird.Das Problem ist doch,das ein Widerstand organisiert werden muß und die Gewerkschaften sind bereits wieder eingeknickt und stehen stramm an der Seite von Schröder,sollte die Christliche Partei wieder ans Ruder kommen,dann wird der Aufstand der Gewerkschaften folgen.für mich sind diese Macht -Spiele der gesellschaftlichen Gruppen zu Lasten der Arbeitnehmer und Rentner ein Skandal.
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schorschie2
antwortete am 30.11.04 (18:18):
Tobias,die Schremps,Ackermanns und Hunds werden von der Schröder-SPD und Merkel CDU unterstützt und diese beiden Parteien werden von der breiten Mehrheit des Volkes gewählt,darüber muß man nachdenken.
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schorsch
antwortete am 01.12.04 (09:58):
Ich denke, das Einfachste an der Politik ist, dass man sie kritisieren kann ohne in Verzug zu kommen, "es" besser machen zu müssen.....
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mart
antwortete am 02.12.04 (19:19):
Und wenn sie doch einmal Gelegenheit bekommen, "es" besser machen zu können, das was sie ja in ihrer Rolle als Opposition so sehr betonen, entzaubern sie sich sehr rasch.
Und darum kommt es nach Karl R.Popper nicht so sehr auf die Platonische Frage "Wer soll herrschen? an. Sie sei ein Scheinproblem, das zu lächerlichen Scheinlösungen führt: Zu Lösungen, die scheinbar moralisch gefordert sind. Und was die Moral anbelangt, so sei es äußerst unmoralische, seine politischen Gegner als moralisch schlecht oder böse anzusehen (und seine eigene Partei als gut).
Das führe zu Haß, und der sei immer schlecht. Und es führt zu einer Einstellung, die die Macht der Regierenden betone, statt daran zu arbeiten, wie die Macht eingeschränkt werden könne.
Daher schlägt Popper vor, das Platonische Problem "Wer soll herrschen?" durch ein völlig anderes zu ersetzen, nämlich durch das folgende:
Gibt es Regierungsformen, die uns erlauben, eine verwerfliche oder auch nur inkompetente Regierung, die Schaden anrichtet, die ihre Rechte und Pflichten verletzt, oder auch sonst, wenn wir ihre Politik als schlecht oder verfehlt beurteilen, ohne Blutvergießen loszuwerden?
Demokratien sind also nach Popper nicht Volksherrschaften, sondern sie sind in erster Linie gegen eine Diktatur mit ihrer Machtakkumulation gerüstete Institutionen.
Weiteres im Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" und "Alles Leben ist Problemlösung" von Karl R.Popper.
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dutchweepee
antwortete am 04.12.04 (03:27):
@MART ...mit jemandem wie dir, würde ich gerne persönlich sprechen, weil alles, was ich jetzt zu diesem thema schreiben würde, nur missverständnisse erzeugen würde. nur soviel:
ich bin (nach karl r. popper) meine regierung ohne blutvergiessen losgeworden ...und anstatt (schnellundgutgenug) eine bessere zu bilden, haben wir uns eine regierung auf´s auge drücken lassen, die wir wohl ohne blutvergiessen nicht mehr los werden.
zitat Karl Liebknecht: "unsre enkel fechten´s hoffentlich besser aus!"
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