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THEMA:   Die Mauer - der alte Streit - ein notwendige Auseinanderzung

 2 Antwort(en).

Elfenbein begann die Diskussion am 08.02.07 (07:51) :

Ein alter Streit – den man nicht vergessen darf:
Ein politisches Meiterwerk - oder ein Propaganda-Dreck?

DIE MAUER
Von Volker Braun

Zwischen den seltsamen Städten, die den gleichen
Namen haben, zwischen vielem Beton
Eisen Draht Rauch, den Schüssen
Der Motore: in des seltsamen Lands
Wundermal steht aus all dem
Ein Bau, zwischen den Wundern
Auffallend, im erstaunlichen Land
Ausland. Gewöhnt
An hängende Brücken und Stahltürme
Und was noch an die Grenze geht
Von Material und Maschinen, faßt
Der Blick doch nicht
Das hier.
Zwischen all den Rätseln: das ist
Fast ihre Lösung. Schrecklich
Hält sie, steinerne Grenze
Auf was keine Grenze
Kennt: den Krieg. Und sie hält
Im friedlichen Land, denn es muß stark sein
Nicht arm, die abhaun zu den Wölfen
Die Lämmer. Vor den Kopf
Stößt sie, das gehn soll, wohin es will, nicht
In die Mässengräber, das
Volk der Denker.
Aber das mich so hält, das halbe
Land, das sich geändert hat mit mir, jetzt
Ist es sichrer, aber
Ändre ichs noch? Von dem Panzer
Gedeckt, freut sichs
Seiner Ruhe, fast ruhig? Schwer
Aus den Gewehren fallen die Schüsse:
Auf die, die es anders besser
Halten könnte. Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.

2
Die hinter den Zeitungen
Anbelln den Beton und, besengt
Von den Sendern, sich aus dem Staub machen
Der Baustellen oder am Stacheldraht
Unter Brüdern harfen und
Unter Kirchen scharrn Tunnel: die
Blinden Hühner finden sich
Vor Kimme und Korn. Unerfindlich
Aber ist ihnen, was diese Städte
Trennt. Weil das nicht
Aus Beton vor der Stirn pappt.
Uns trennt keine Mauer.
Das ist Dreck aus Beton, schafft
Das dann weg, mit Schneidbrennern
Reißt das klein, mit Brecheisen
Legts ins Gras: wenn sie nicht mehr
Abhaun mit ihrer Haut zum Markt
Zerhaut den Verhau. Wenn machtlos sind
Die noch Grenzen ändern wollen
Zerbrecht die Grenze. Der letzte Panzer
Zerdrück sie und sie ihn.
Daß sie weg ist.
Jetzt laßt das da.
Aber
Ich sag: es steht durch die Stadt
Unstattlich, der Baukunst langer Unbau
Streicht das schwarz
Die Brandmauer (scheißt drauf).
Denn es ist nicht
Unsre Schande: zeigt sie
Macht nicht in einem August
Einen Garten daraus, wälzt den Dreck nicht
Zu Beeten breit, mit Lilien über den Minen
Pflanzt Nesseln, nicht Nelken
Vermehrt nicht, zwischen den seltsamen
Städten, die Rätsel, krachend
Schmückt das Land nicht
Mit seiner Not. Und
Laßt nicht das Gras wachsen
Über der offenen Schande: es ist
Nicht unsre, zeigt sie.
(entstanden 1966)
*
https://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?em_cnt=1062495
*
Gerd Loschütz, Dichter, Rhetorik-Professor, seligen Angedenkens, hat sich damit befasst:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/3MpaJSa45


 Enigma antwortete am 08.02.07 (11:00):

Noch eine Stellungnahme von Uwe Kolbe dazu - she. Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/?cnt=1065047


 Enigma antwortete am 08.02.07 (11:09):

Im Übrigen habe ich mal ein "Mauer-Gedicht" von Inge Müller gelesen, das - so glaube ich - "ein Mensch steht an der Mauer" heißt. Es ist mir aber abhanden gekommen. Hat vielleicht jemand den Text?

Und noch ein Gedicht, das auch mit der Mauer zu tun hat:


Ich bin der Weggehetzte.
Nicht der erste, nicht der letzte.

Von keiner Mine zerrissen.
Vorm Zaun nicht ins Gras gebissen.

Keine blaue Bohne in der Lunge
Nichtmal Blut auf der Zunge.

Mein Leib und meine sieben Sinne,
Alles frisch und unversehrt.

Das Leben, das ich nun beginne,
Lebt sich grade umgekehrt.

Ich bin der Weggehetzte.
Nicht der erste, nicht der letzte.

Mir ist die Welt ins Herz gesprungen.
Mir, dem großen Lausejungen.

Bernd Jentzsch
(Quartiermachen. Carl Hanser Verlag, München 1978)

she. Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/568530/