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THEMA:   Biermann wird 70

 40 Antwort(en).

Engelchen begann die Diskussion am 15.11.06 (07:11) :

Wer gratuliert denn da diesem Künstler...?


Sehr geehrter Herr Biermann,

Ihr 70. Geburtstag und der 30. Jahrestag Ihrer Ausbürgerung fallen in dieser Woche zusammen. Vermutlich kann sich jeder, der damals als Erwachsener in der DDR lebte, an die Tage nach Ihrem Kölner Konzert im November 1976 erinnern: Die Unterschriftensammlung von Schriftstellern und Künstlern gegen Ihre Ausweisung, die Verhaftungen, später die erzwungene Ausreise von Jürgen Fuchs, Sarah Kirsch, Reiner Kunze und vielen anderen.
Nach diesen Novembertagen waren Sie, wie es die Schriftsteller Johanna und Günter Braun einmal auf den Punkt brachten, in der DDR abwesend und damit zugleich anwesender, als Sie es vorher je sein konnten.
Ich glaube, nicht zu übertreiben, wenn ich sage, dass Ihre Ausbürgerung, die Ihrer aufrechten Haltung geschuldet war, einen Wendepunkt in der Geschichte der DDR markiert, der viele Bürger aufgerüttelt hat.

Vor fünf Jahren habe ich Ihr Konzert im Berliner Ensemble erlebt und viele der Lieder wieder gehört, die ich zu DDR-Zeiten nur von Tonbändern kannte. Ihre Musik und Ihre Texte haben dazu beigetragen, das Unrechtsregime der DDR zu demaskieren, und sie zeigen, wie die Kunst auf eine Gesellschaft zu wirken vermag.

Ich gratuliere Ihnen zum 70. Geburtstag sehr herzlich und wünsche Ihnen vor allem Gesundheit, persönliches Wohlbefinden und dass Sie noch viele Jahre mit Ihren Gedichten, Liedern und Texten Antworten auf die Fragen suchen, die sich jedem verantwortungsbewussten Gesellschaftsmitglied stellen!

Angela Merkel,

Bundeskanzlerkanzlerin der Bundesrepublik Deutschland


 Medea. antwortete am 15.11.06 (07:55):

Wolf Biermann war und ist immer umstritten gewesen - drei seiner Konzerte habe ich besucht, es war damals eine nahezu unglaubliche Stimmung und Atmosphäre im Saal, er riß die Menschen mit - daß ihm die Bundeskanzlerin zu seinem 70sten gratuliert, ist eine schöne Geste.


 Enigma antwortete am 15.11.06 (11:22):

Ja, umstritten war und ist er, der Wolf Biermann.

Aber politische Verhaltsweisen, die man ihm ankreidet, schmälern mir nicht den Genuss, den er mir vielfach als Liedermacher und -sänger bereitet hat.
Und noch heute höre ich gern seine Lieder (auch oder gerade die alten). Und wer kennt nicht die "Ikarus-Ballade" oder ähnliche Sachen?

Im Übrigen tritt er am 17.11.2006 aus Anlaß seines 70. Geburtstags mit Ulrich Tukur im Hamburger St. Pauli Theater auf. Dort singen und lesen beide Künstler Gedichte über Hamburg.

she. auch Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://www1.ndr.de/ndr_pages_std/0,2570,OID3279600,00.html


 hugo1 antwortete am 15.11.06 (11:48):

Jedem alteingesessenen damals vom DDR-Regime nicht besonders begeistertem Ex-Ossi, dürfte dabei besonders der Satz ins tränenfeuchte Auge stechen der da lautet: "Lieder,,, die ich zu DDR-Zeiten nur von Tonbändern kannte."
Ach ja? und dabei lag lag doch Templin im (wessis mal weglesen) "Dunstkreis wetberliner Radio und Fernsehsender." Durfte oder wollte die Pfarrerstochter diese nicht einschalten, hatten Die ihe Antenne Richtung Helbterberg ausgerichtet, stand denn kein Rothammel in der umfangreichen Hausbibliothek wie in fast jedem normalem DDR-Haushalt ??
oh ich hätte da noch viele Fragen, will sie mir aber verkneifen da ich dann sofort wieder als ewiggestriger ,,,ok Biermannfan war ich nicht, dem glaubte ich doch eh nicht, das er vom Regen in die Jauche ging.
Aber-das muss ihm der Neid lassen- ne große Klappe hatter er schon immer und vermutlich auch noch wenn er dereinst mal der Merkel zu ihrem Siebzigsten gratulieren sollte. (den Song möcht ich heute schon mal hören) *gg*
Außerdem hat er die Gabe, vieles besser und richtiger vorherzusehen als unsere Politiker. (auch wenn Eko wieder sagen wird, das konnte man icht wissen.)
Zitat Biermann:
"Ich erlebe die Wiedervereinigung wie ein brutales Rührstück"
"Bloß machen zwei halbe Schweine noch Kein ganzes Vaterland."
" Modrow schrumpft, Kohl bläht sich. Wenn die DDR demnächst gefressen ist, bleib ich besser in meiner lieben Vaterstadt Hamburg."
Die Sowjetunion zerfleischt sich sowieso, das Riesenreich zerfällt in seine Bestandteile. Zehn oder zwanzig neue Staaten werden entstehen, solide miteinander verfeindet.
und nach den ersten freien Wahlen: "Jetzt kriegte diese stasigelenkte, diese durch und durch verdorbene Ost-CDU für jedes Jahr ihrer Kriecherei genau 1 Prozent." hat er das nicht wunderschön gesagt?
,


 Marina antwortete am 15.11.06 (16:54):

Zitat Hugo: "zwar etwas verworren, Dein Text". So etwas soll's geben, Hugo. :-))
Bei mir kriegt er (ich meine Biermann) kein Bein mehr auf den Boden. Ich werde ganz bestimmt nicht nach Hamburg fahren, um ihn zu hören, nachdem er sich zu allen letzten Kriegen (Irak, Afghanistan, Libanon) zustimmend geäußert und in Jerusalem eine lange, völlig unkritische Rede gehalten hat, die so ganz und gar nach dem Geschmack der Herren Kriegstreiber war. Und das, nachdem er in früheren (vernünftigen) Zeiten mal das Lied "Soldat, Soldat sind alle gleich, lebendig und als Leich'" gesungen hat. Vielleicht hat er es inzwischen vergessen, das Alter und die Vergesslichkeit soll so manche ergreifen, auch wenn man es ihnen überhaupt nicht ansieht oder anmerkt.

Dafür habe ich sein Konzert in Köln vor der Ausbürgerung gehört, das eine immense Resonanz hatte, die Atmosphäre im Saal war irre, ich fand das Konzert auch toll, und am nächsten Tag kam dann der große Schock, als wir hörten, dass er nicht zurück in die DDR dürfe.
Was ich außer seinen politischen Liedern ganz besonders mochte, waren russische Lieder, die er ins Deutsche übertragen und mit Eva Maria Hagen, der Mutter von Nina Hagen, zusammen vertont und gesungen hat.
An seiner Kunst gibt es nichts zu rütteln, das ist klar, und sein Mut, den er den DDR-Bonzen gegenüber (zusammen mit den in Merkels Glückwunsch Genannten) bewiesen hat, war wirklich anerkennenswert und eine Leistung, auch wenn die strammen Parteigänger mir widersprechen werden, weil sie mit Dissidenten nichts am Hut hatten (nicht wahr, Hugo?).
Aber was für eine Veränderung mit ihm vorgegangen ist hinsichtlich seiner Haltung zum Krieg erschüttert mich schon, und ich kann es mir nicht erklären.


 hugo1 antwortete am 15.11.06 (17:48):

hallo Marina, ehe es noch mehr Mitleser in den falschen Hals bekommen, werde ich es mal übersetzen:
Helpterberg war die Fernsehsendestation (Mast) auf die sich sämtliche nördlichen Fernsehgucker in großem Umkreis einrichten sollten. Taten sie aber nicht sondern besorgten sich einen Rothammel (Fachbuch mit Anleitungen zum Selber Bau von Antennen) entsprechend lange 10mm dicke Alurohre, einen Träger einige Halterungen einen Mast, diverse Kabel usw. usf. und versuchten sich an ihrer ersten Langyagi mit 5 bis 15 Elementen *gg* und dann gings los das Gucken der ARD und wem das nicht reichte, besorgte sich einen Konverter und schwuppdiwupp waren auch die Mainzelmännchen keine unbekannte Größe mehr. Wer konnte, schaffte sich noch Antennenverstärker und Spannungsgleichrichter an war fortan glücklich (besonders wenn die Selbstbauantenne fernbedient drehbar war.)
ps wer in Westmecklenburg oder dicht an Berlin oder in Thüringen (am Besten auf einem Berg )wohnte, hatte natürlich andere Möglichkeiten und brauchte sich nicht zu den Leuten im "Tal der Ahnungslosen" dazuzählen lassen. Ochsenkopf, sollte ein bekannter Begriff sein. *gg*,


 Engelchen antwortete am 15.11.06 (21:23):

Noch ein Glückwunsch...; von Eva-Maria Hagens Töchterlein:
*

Nina Hagen: "Ich lernte von Dir ALLES"

- Gratulation zu Wolf Biermanns 70. Geburtstag -

Geliebter Wolf - HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!

Seit Deinem Eintritt in mein Leben, Du revolutionärer Sternzeichen Skorpion-Geborener, da lernte ich von Dir ALLES, was ich für meine Lebensaufgabe dringend brauchte!
Gitarre spielen, selber Texte schreiben , ja sogar Bob Dylan ins Deutsche übersetzen, und MENSCHLICHKEIT und politisches Bewusstsein , Angstlosigkeit u.v.m.....
Du hast Dich in meine Mami verliebt, da war ich so 9 fast 10 - und Du wurdest zu einem der wichtigsten und geliebtesten Menschen in meiner Kindheit & Jugend und darüber hinaus !

WOLF, DU WIRST IMMER DER SCHÖNSTE, DER KLÜGSTE & DER ALLERBESTE DEUTSCHE ALFA& ROMEO-WOLF FÜR MICH SEIN !

FÜHL Dich und Deine Liebsten umschlungen und geliebt bis ins Ewige,

Deine Nina (Hagen)


 Enigma antwortete am 16.11.06 (08:32):

Ja, das glaube ich, dass der Paradiesvogel Nina Hagen eine besondere Beziehung zu Biermann hatte und hat. Ist er doch persönlich und auch künstlerisch ihr Ziehvater gewesen.

Ich finde zwar die Stimme der “Mother of Punk” gewaltig, konnte aber mit ihren frühen Interpretationen persönlich nicht so viel anfangen und hatte bisher eher den Eindruck, dass sie ihrer Stimme mit dem, was sie früher gemacht hat, nicht gerecht wurde. Aber das kann man natürlich auch ganz anders sehen.
Nachdem sie sehr umtriebig in der Welt herumgekommen ist, gibt es ein relativ neues Album von ihr mit dem Titel “Irgendwo auf der Welt”. Da hat sie ein Remake alter Titel von Hildegard Knef, Zarah Leander, sogar Ella Fitzgerald usw. angeboten, ähnlich wie Robbie Williams mal alte Titel neu aufgenommen hat (zum großen Teil von Frank Sinatra).
Und da das “Musik für alte Leute” ist, kann man ja mal reinhören. :-))

Aber sie hat ihm doch wirklich einen schönen und dankbaren Glückwunsch geschickt, dem Wolf Biermann....
Mehr dazu - she Internet-Tipp”!

Internet-Tipp: https://www.laut.de/lautstark/cd-reviews/h/hagen_nina/irgendwo_auf_der_welt/index.htm


 Engelchen antwortete am 17.11.06 (09:08):

Dank an enigma!

Reinhard Mey:
"Ich bin überwältigt von der Kraft seiner Sprache"
- Gratulation zu Wolf Biermanns 70. Geburtstag -

Von Reinhard Mey

In der frühen sechziger Jahren, ich hatte grade meine ersten Lieder geschrieben, widerfuhr mir das Glück des Anfängers, als ein Verlag meine frischen Manuskripte, deren Tinte noch nicht ganz trocken war, anforderte, um sie in eine Anthologie ? hieß sie ?Neue böse Lieder?? ? aufzunehmen. Als ich das erste Exemplar in Händen hielt und durchblätterte, um zu sehen, was es denn sonst noch so gäbe, hatte ich meine erste Begegnung mit Wolf Biermann: ?Soldat, Soldat!? las ich da und war überwältigt von seinen Bildern und der Kraft seiner Sprache. Ich begriff in diesem Augenblick, dass es all das, was ich in Deutschland so vermisste, Brassens, Ferré oder Vian, längst gab, ganz in meiner Nähe, keine 10 km Luftlinie von mir zuhaus, auf der anderen Seite der Mauer in der Chausseestraße.

Ich hätte ihm gern meine Bewunderung und meine Hochachtung ausgesprochen, aber er war in Ost- und ich in Westberlin. So hab ich ihn nur von ferne gehört, und wenn er von seinem Sangesbruder, dem François Villon, sang, hab ich manchmal in ihm meinen fernen Sangesbruder, den Wolf Biermann, gesehen. Dann 1976, ausgebürgert, war er plötzlich ganz nah. Gebannt habe ich sein erstes Konzert in Köln im Fernsehen verfolgt, fasziniert von seiner Sicherheit und der Leidenschaft, mit der er sein Leben erzählte und seine Lieder sang. Ich hätte ihm gern gesagt, wie sehr mich seine Geschichte bewegt. Seitdem im selben Teil desselben Landes, haben sich unsere Wege doch nie gekreuzt, ich habe immer von ihm gehört, seine Fernsehauftritte verfolgt, und dabei haben mich sein Mut und seine Gradlinigkeit beeindruckt und seine wilde Entschlossenheit, sich von niemandem vereinnahmen zu lassen. Im Frühjahr 2005 hörte ich, dass er mit seinen Shakespeare-Sonetten zu einer Lesung in die Nachbarschaft käme.

Die Lesung war wie ein Konzert, und ich habe einen geistvollen, gewitzten Sänger und Erzähler erlebt und eine wunderbare Rampensau: Das dampfte, das brodelte, das brannte auf der Bühne! Nach der Vorstellung hätte ich ihm gern meine Hochachtung und meine Bewunderung gesagt, aber ich hab mich einfach nicht getraut, hab mir sein Buch gekauft und bin still beglückt nach Hause gegangen. Wir sind uns nie begegnet, ich hab ihm das alles nie erzählen können, ich freue mich, dass mir sein Geburtstag die Gelegenheit dazu gibt:
Lieber Wolf Biermann, ich gratuliere Dir und wünsche Dir ein langes, gutes Leben.
Du bist ein Guter, wir brauchen Dich!


 Marina antwortete am 17.11.06 (17:56):

Wen es interessiert: Hier ist der Link zu Biermanns Rede, auf die ich oben Bezug genommen habe. Meiner Meinung nach lässt sie an Einseitigkeit nichts zu wünschen übrig.

Zitat: "Aus meiner Sicht war es ein Fehler, daß Deutschland sich im Jahre 2003 nicht auf die Seite der Amerikaner und Engländer gestellt hat im Streit um den Irak. Ich bin sogar der Meinung, daß der französische Präsident Chirac und sein kleiner deutscher Kumpel, der falsche Pazifist und Bundeskanzler Schröder, eine große Mitschuld am Irakkrieg der Amerikaner und Briten gegen das Terror-Regime von Saddam Hussein haben. Der Krieg vor drei Jahren hätte womöglich vermieden werden können, weil der Diktator abgetreten wäre, hätte der Westen mit einer Zunge gesprochen, mit einer Faust gedroht. Ja, ich denke, daß die Deutschen und die Franzosen schuld am Schicksal dieses Monumental-Lumpen sind. Weil sie durch ihre Appeasement-Politik Saddam Hussein suggerierten, er käme mal wieder elegant davon mit seinen totalitären Tricks, blieb der Diktator stur."

Anderes Zitat: "In Deutschland lieben es die Meinungsmacher, den Zaun, mit dem sich Israel schützt, in Erinnerung an das geteilte Deutschland gehässig eine Mauer zu nennen. Ich lebte lange genug hinter der Berliner Mauer und weiß, wie zynisch diese Gleichsetzung ist. Dennoch bleibt das Dilemma: Diesen Zaun zu bauen ist falsch, aber den Zaun nicht zu bauen ist – vermute ich – noch falscher."

Und ich sage: Dieser "Zaun" ist eine Mauer, und was für eine. Ich habe einen Film darüber gesehen, der es deutlich macht. Sie ist aus Beton, mehrere Meter dick und hoch und abgesichert mit elektronischen Sensoren und allem möglichen anderen Abschreckungsinstrumentarium. Diese Mauer einen "Zaun" zu nennen, ist purer Euphemismus, Schönfärberei und Sand-in-die-Augen-Streuen.

Anderes Zitat: "Der Libanon brennt unter dem Bombenhimmel der blindverzweifelten Super-Militärmacht Israel. Standardkommentar der Deutschen: »Und das alles nur wegen zwei entführter Soldaten!« Wie früher in den Weisen von Zion die Juden als Christenkinderfresser, so werden heute die Israelis als Kinderschlächter dargestellt, die eine christlich-moslemische Zivilisation in die Steinzeit zurückbomben wollen. In Wirklichkeit aber sind es Araber, die Israel ausrotten und im nächsten Schritt die gesamte westliche Zivilisation vernichten wollen."

Dazu fällt mir nichts mehr ein. Das ist Demagogie pur. Allerdings leider eine oft gehörte aus bestimmten einseitigen Pro-Israel-Kreisen, die mit Friedensbewegung (auch mit israelischen Friedensbewegungen) nichts am Hut haben und alle Konflikte im Nahen Osten einseitig auf die Araber schieben.
Ich hoffe, Wolf Biermann ist zu seinem Siebzigsten nicht nur älter, sondern auch (wieder) ein bisschen weiser geworden (was er in jungen Jahren eher war, vielleicht ist er jetzt ein wenig altersstarr). Man soll die Hoffnung nie aufgeben.

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2006/44/Biermann?page=all


 Marina antwortete am 17.11.06 (18:05):

Hier noch ein Link zum Film "Mauer", den ich erwähnt hatte. Wer Gelegenheit dazu hat, sollte ihn sich ansehen, er ist sehr erhellend. Biermann jedenfalls hat ihn offensichtlich nicht gesehen, sonst könnte er nicht so wirres Zeug reden bzw. schreiben.

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/KiVmIr0GK


 hugo1 antwortete am 17.11.06 (19:50):

marina da geb ich Dir recht, der Biermann hat mindestens zwei Seiten und eine davon ist düster.
Aber ausweisen wollen wir ihn diesmal lieber nicht, wer weiß was er dann noch so anstellt.
Momentan sitzt er in der Jauche, eigentlich könnte er sich nur verbessern z.B. hinter der o.g. Mauer in Palästina. *g*


 Elfenbein antwortete am 19.11.06 (08:36):

Biermann kann aber auch anders, als wenn er eine Rede in Israel hält, für die er bezahlt wird.
(Wolf wird bestimmt noch biblisch alt werden, so etwa 170 Jahre!)

*

Wolf Biermannamann:
Religionsunterricht

Der liebe Gott, mein liebes Kind
Liebt alle Menschenkinder
Die schwärzen, die weißen, die gelben und roten
Die guten - die bösen nicht minder

Gott schuf unsre Welt? - Ja, das ist wahr
Gott schuf auch die Vögel und Affen
Wer aber schuf Gott? - Du, das ist klar:
Den hat ja der Mensch erschaffen

Wir sind seine Schöpfer. Und ER ist gewiß
Viel menschlicher als seine Macher
Gott ist ein gestrenger Lehrmeister und
Ein freundlicher Widersacher

Gott ist unser edleres Ebenbild
So hausen wir hier auf Erden
Wir eifern dem eigenen Kunstwerk nach
So wollen wir Menschen werden
*
(Aus: W.B.: Heimat. Gedichte. 2006)


 Enigma antwortete am 19.11.06 (09:46):

:-)

Hier eine deutschsprachige Version von Wolf Biermann des berühmten Songs „Le Deserteur“ , mit dem Boris Vian in den fünfziger Jahren Aufsehen erregt hat und das in zahllose Sprachen übersetzt wurde:

Ich denke, die „Biermann-Version“ spricht für sich und ich vermute, dass sie Aufschluss über sein Denken (und Fühlen) zumindest zu dieser Zeit (wahrscheinlich in den sechziger Jahren) gibt.

DER DESERTEUR


Monsieur le Président
Ob Sie sich wohl bequemen
Ob Sie die Zeit sich nehmen
Und lesen meinen Brief:
Mich hat's erwischt, ich hab'
Die Musterungspapiere
Ich muß in' Krieg marschieren
Schon am Mittwoch geht es ab.
Monsieur, ich geh' nicht hin
Ich will nicht diese Merde,
Ich leb' nicht auf der Erde
Damit ich Mörder bin.
Was alle Welt längst weiß
- Sie solln es endlich wissen
Monsieur, sie sind beschissen,
Die Kriege sind ein Scheiß.

Von klein auf sah ich das
Sah Väter, die krepieren,
Sah Brüder losmarschieren
Sah Kinder tränen naß
Der Mütter Schmerz und Wut
Sah andre fröhlich prassen
Hurrah! und Hoch-die-Tassen!
Ahoi! im Meer von Blut.
Sah gute Kerls im Knast
Gebrochen und verbogen
Und ihre Fraun betrogen
Um all ihr bißchen Glück.
Bevor die Hähne krähn
Verrammel' ich die Türen
Ich will mein Leben spüren
Und mach' mich auf den Weg.

Und schnorr' mir meinen Fraß
- so komm' ich durch ganz France
Bretagne bis Provence
Und alln erzähl' ich das:
Sagt nein, wenn die euch ziehn!
Sagt nein zum Exerzieren
Sagt nein zum Kriegeführen
Sagt nein, und geht nicht hin!
Monsieur le Président
Ihr seid fürs Blutvergießen?
- Allez! laßt Eures fließen
Das wär' 'ne gute Tat!
Und steckt den Bulln Bescheid:
Ich geh' erstmal alleine
Und Waffen trag ich keine
- mich knallt man lässig ab.


Und das hier, vermutlich etwas später:
Soldat, Soldat


Soldat Soldat in grauer Norm
Soldat Soldat in Uniform
Soldat Soldat, ihr seid so viel
Soldat Soldat, das ist kein Spiel
Soldat Soldat, ich finde nicht
Soldat Soldat, dein Angesicht
Soldaten sehn sich alle gleich
Lebendig und als Leich

Soldat Soldat, wo geht das hin
Soldat Soldat, wo ist der Sinn
Soldat Soldat, im nächsten Krieg
Soldat Soldat, gibt es kein Sieg
Soldat, Soldat, die Welt ist jung
Soldat Soldat, so jung wie du
Die Welt hat einen tiefen Sprung
Soldat, am Rand stehst du

Soldat Soldat in grauer Norm
Soldat Soldat in Uniform
Soldat Soldat, ihr seid so viel
Soldat Soldat, das ist kein Spiel
Soldat Soldat, ich finde nicht
Soldat Soldat, dein Angesicht
Soldaten sehn sich alle gleich
Lebendig und als Leich

Beide Texte sind auch musikalisch verarbeitet worden in „Die Lieder vom preußischen Ikarus“.

She. Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://www.prato.linux.it/~lmasetti/canzonicontrolaguerra/canzone.php?id=1&lang=en&infos=1#agg2507


 Elfenbein antwortete am 19.11.06 (09:46):

Eine Interpretation zu diesem Biermann-Gedicht habe ich in diesem Forum gefunden:

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/qx95ivry1


 Marina antwortete am 19.11.06 (11:02):

Ja, Enigma, das Lied "Soldat, Soldat" hatte ich oben (15.11.06, 16:54)erwähnt mit den Worten: "Und das, nachdem er in früheren (vernünftigen) Zeiten mal das Lied "Soldat, Soldat sind alle gleich, lebendig und als Leich'" gesungen hat."
Habe ich dich jetzt dabei erwischt, dass du meine goldenen Worte nicht liest? :-)

Aber gut, dass du mal beide Anti-Kriegsgedichte vollständig eingestellt hast. Daran sieht man nämlich, dass Biermann inzwischen offenbar seine Einstellung zu Kriegen und Soldatentum geändert hat. Damit ist er ja nicht der einzige. 60 Jahre nach Kriegsende sind wir wieder wer und dürfen sogar überall unsere Soldaten wieder hinschicken, damit sie ihre geliebten Kriegsspiele spielen können. Da kann sich wohl auch ein Wolf Biermann nicht mehr verweigern, wenn er nicht als ewig Gestriger gelten will.


 Enigma antwortete am 19.11.06 (14:41):

Hallo Marina,

Natürlich lese ich jedes Deiner „goldenen Worte“ und habe den „Gedicht-Doppelpack“ nur zur
Verstärkung dieser Deiner Worte eingestellt.
;-))

Irgendwie war mir eine fast anekdotenwürdige Begebenheit zwischen Wolf Biermann und Bob Dylan in Erinnerung. Es ging da um Übersetzungen. Biermann übersetzte ein Gedicht von Dylan und Dylan revanchierte sich später, aber wie......!

Nach kurzer Recherche wurde ich jedenfalls fündig und stelle den Auszug aus der „taz“ vom 15.11.2003 teilweise ein. Bei Interesse kann der Artikel über die Quellenangabe weitergelesen werden.


...„Then I am the prussian Icarus
Jetzt schlägt's dreizehn: Dylan singt Biermann. Die musikalische Entdeckung des Jahres

Wie man weiß, hat Wolf Biermann vor kurzem Bob Dylans Gedicht "Eleven Outlined Epitaphs" in eine Art Deutsch übersetzt und ist dabei mit dem Original ungefähr so pfleglich umgegangen wie ein Rudel Hyänen mit einem Einhornkadaver.
"Ich bilde mir ein, dass ich Sinn und Form des Werkes einigermaßen lebendig und angemessen frei in mein Deutsch gebracht habe", schreibt Biermann im Nachwort zu seiner Übersetzung, und jetzt kriegt er's zurück: Soeben ist im Luxemburger Label Yellow Cat Records die CD "Something To Remember - Dylan Sings Biermann" erschienen. Das ungewöhnlich liebevoll gestaltete Booklet gibt Auskunft über die Umstände der Session.
Am 13. Juni 1984 trat Dylan nach Joan Baez und Santana in der Berliner Waldbühne auf. Joan Baez hatte Biermanns LP "Trotz alledem" von 1978 dabei und legte sie im Backstage-Bereich auf den Plattenteller. Den historischen Moment gibt die CD in allen Einzelheiten wieder: "Da, wo die Friedrichstraße sacht / Den Schritt über das Wasser macht / da hängt über der Spree / Die Weidendammer Brücke. Schön / Kannst du da Preußens Adler sehn / wenn ich am Geländer steh", singt Biermann von der Platte, und Dylan ruft dazwischen: "Who the fuck is that? Some tortured frog?" Joan Baez erwidert: "No, it's Wolf Biermann, a german poet and singer. He's an old friend of mine. Calls himself the german Dylan." Im Hintergrund kräht Biermann von der Platte weiter: "… dann steht da der preußische Ikarus / mit grauen Flügeln aus Eisenguss / dem tun seine Arme so weh …" - "He's a great admirer of yours", fügt Joan Baez hinzu, und Dylan sagt: "O yeah? Play it again. Tommy, you'll translate, and I'll give that german Dylan somethin' to remember."
Der besagte Tommy, ein Mann mit recht mangelhaften Englischkenntnissen, wie sich bald zeigt, flüstert Dylan eine Simultanübersetzung zu, und Dylan singt sie nach: "There, where the Frederick-Street softly / makes the step over the water, / there's hangin' over the Spree / the Weidendammer Bridge. Beautifully / you can see there the prussian eagle, / his arms are hurtin' very badly …" Später, bei den Zeilen "Then I am the prussian Icarus / with grey wings out of iron", bleibt Dylan anderthalb Minuten lang stecken, weil er lachen muss, doch er besteht darauf, fast die gesamte Biermann-LP nachzusingen, in der grottenschlechten Stegreifübersetzung des laienhaften Dolmetschers Tommy -“.....




Quelle: she. Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://www.taz.de/pt/2003/11/15/a0141.1/textdruck


 Elfenbein antwortete am 19.11.06 (20:58):

... nicht zu spät gefunden!

Walter Moßmann: "Die Sonne geht auf"
- Gratulation zu Wolf Biermanns 70. Geburtstag -


Von Walter Moßmann

Lieber Wolf,
congratulations, mon vieux! Erstaunlich, dass diese Grußadresse für Wolf Biermann Dir heute via Springerzeitung zustößt, wer hätte das gedacht!
„Die Kugel Nummer Eins kam
aus Springers Zeitungswald
ihr habt dem Kerl die Groschen
dafür auch noch bezahlt ...“

Du hast mir das Dutschkelied im Juni 1968 übers Ost-West-Telefon ins Ohr gesungen, damit ich es beim Waldeckfestival auf der Platte hatte. Da waren wir einer Meinung.
Wir sind uns oft nicht einig. Mir hat weder Dein Eurokommunismus gepasst noch Dein Hurra-Patriotismus, der auch nicht besser ist als der Hurra-Pazifismus Deiner Lieblingsfeinde.

Aber seit einem ziemlich nassen Dezembertag 1967 in Ostberlin sind wir uns vollkommen einig in der hohen Meinung, die wir beide von Dir, Deiner Person und Deinem Werk, haben. Ich gestehe, ich habe eine Menge Biermann-Lieder geliebt, und ich war völlig einverstanden mit dem, was Du in der DDR verkörpertest. Damals ahnte ich noch nicht, wie erbärmlich die westdeutschen Liedermacher-Kollegen sich darum drücken würden, die SED-Diktatur „Diktatur“ zu nennen und das freie Wort zu fordern. Ich verstehe es bis heute nicht.

Hör zu: Der berühmte Hahn Chanteclair war überzeugt, dass die Sonne nur deshalb aufgeht, weil er schon lange vor Tagesanbruch aus Leibeskräften krähte, laut und schön. Eines Morgens blieb der Hahn stumm (unpässlich oder so), aber die Sonne ging trotzdem auf. Logische Folge: Existenzkrise. Nach langem Grübeln entschloss sich Chanteclair, trotzdem wieder in die Saiten zu greifen und aus Leibeskräften zu krähen. Und was tat die Sonne? Sie ging auf.
Salü!
*
Walter Moßmann ist Liedermacher, Autor und Journalist. Er lebt in Freiburg i. Br. und Lemberg.
*
S. Link, was ein Stückchen Wahres ist!

Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Mossmann


 Marina antwortete am 20.11.06 (14:14):

Ich oute mich jetzt mal als Nichtkennerin von Walter Moßmann, das ist bestimmt eine Bildungslücke. Aber seine Gratulation gefällt mir sehr gut, weil sie keine Heldenverehrung ist wie die von Reinhard Mey. Er nennt die Dinge beim Namen, die positiven wie negativen, und in beiden stimme ich mit ihm überein, das gefällt mir. :)

Witzig, Enigma, die "fast anekdotenwürdige" (das kann man wohl sagen) Begebenheit zwischen Wolf Biermann und Bob Dylan.
Obwohl: „Es ist sicherlich nicht in Dylans Sinn, dass solche privaten Kalbereien veröffentlicht werden“, so der Autor des Artikels. Also, Enigma, gehe in dich!
Er fährt fort: „aber sie sind puppenlustig, und wir freuen uns doch alle, wenn es etwas zu lachen gibt, und sei es auch nur aus Schadenfreude an der Verhohnepipelung Wolf Biermanns, der sich diese Misshandlung durch Dylan redlich verdient hat. Wegen alledem.“
So, jetzt darfst du, Enigma, wieder „aus dich“ gehen. :-)

Diesen Schluss des Artikels musste ich jetzt doch noch reinsetzen, er ist eine gute Pointe. :-)


 Enigma antwortete am 20.11.06 (16:23):

Hallo Marina,

jetzt bin ich aber ganz schnell in mich reingegangen und auch ebenso schnell - husch, husch - wieder raus. :-))
Gut so?
Ja, in der von Reinhard Mey geäußerten Bewunderung für Biermann stimme ich Dir zu.
Sie ist mir auch etwas zu "abgehoben". Aber Mey ist nun auch nicht so mein Favorit.
Moßmann kannte ich auch nicht, habe aber kürzlich etwas über ihn gelesen.

Aber richtig gerne mag ich eine andere Person aus dem persönlichen Umfeld von Biermann, und das ist Eva-Maria Hagen, die sich treu geblieben ist, obwohl der Herr Biermann, so munkelt man, sie auch manchmal gern etwas anders gehabt hätte..... ;-))
Aber sie war - und ist - schon richtig vielseitig als Schauspielerin, Autorin ("Eva und der Wolf"- Briefwechsel zwischen Eva-Maria Hagen und Wolf Biermann), Sängerin und auch Malerin.
Sie hat ein paar CDs herausgebracht, eine davon mit "Wolfsliedern", eine weitere nach Brecht-Texten. Aber die meisten davon habe ich gesungen von Lotte Lenya, und da geht mir nix drüber.
Hinter einem Titel bin ich immer noch her, den sie im Duett mit Nina gesungen hat. Der heißt: "Die alten Knacker".
Bisher habe ich ihn noch nicht erwischt (den Titel, nicht die Knacker); aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Ich gebe mal die Homepage von Eva-Maria Hagen ein, falls jemand Lust hat, darin zu stöbern:

Internet-Tipp: https://www.eva-maria-hagen.de/


 Marina antwortete am 20.11.06 (17:07):

Ja, Enigma, da sprichst du mir aus der Seele "Eva und der Wolf" habe ich auch mit großem Interesse gelesen, und jetzt stelle ich gerade anlässlich deiner Bemerkungen fest, dass ich das Buch nicht mehr finde und es wohl verliehen und nicht wiedergekriegt habe. Das ist wirklich ärgerlich, weil es die gebundene Ausgabe mit Fotos war und ich Zeitungskritiken darüber mit reingelegt hatte. Jetzt muss ich mal scharf nachdenken, wer mir das "geklaut" hat.
Das ist übrigens nicht nur ein Briefwechsel zwischen Hagen und Biermann, es enthält auch viel Autobiographisches von ihr und süße kleine Kinderbriefe von Nina. Dabei erfährt man auch mal, wie rücksichtslos die süße kleine Nina mit ihrer Mutter umging. Ich erinnere mich an Schilderungen von unzähligen Umzügen von ihr, hinter denen ihre Mutter herräumen musste, weil sie alles im Chaos zurückließ.
Na ja, so ist sie halt, aber ich als Mutter hätte das nicht gemacht, sondern ihr die daraus folgenden Konsequenzen überlassen, schon aus pädagogischen Gründen. :-) Aber Künstler ticken eben anders.
Jetzt drück mir die Daumen, dass ich das Buch wieder zurückkriege. Mir fällt ums Verrecken nicht ein, wem ich es geliehen habe.
Hier ein Link zu dem Buch mit Beschreibungen:

Internet-Tipp: https://www.amazon.de/Eva-Wolf-Eva-Maria-Hagen/dp/3548750257


 Enigma antwortete am 20.11.06 (18:16):

Ja, da drücke ich Dir wirklich die Daumen, Marina.
Ich kannte mal eine sehr nette Familie, deren ältester Sohn grundsätzlich immer in seine Bücher schrieb: "Gestohlen bei.... (da stand dann natürlich sein Name). Ich weiß aber nicht, ob ich das zur Nachahmung empfehlen kann. :-)

"Eva und der Wolf" habe ich überhaupt noch nicht gelesen. Aber Deine Beschreibung des Inhalts klingt gut.
Und obwohl ich schon Filme mit Eva-Maria Hagen gesehen habe, kann ich mich überhaupt nicht mehr an ihre Stimme erinnern. Da ist wohl eine Umstrukturierung im Gange im Hinblick auf den Vertrieb ihrer CDs. Darum habe ich auch keine Hörproben gefunden.
Aber die jüngste CD von Nina "Irgendwo auf der Welt" habe ich mir bei Napster gekauft. Und obwohl da alle möglichen alten Titel als Remake aufgenommen wurden - und obwohl die meisten Titel etwas sentimental sind, gefällt sie mir. Vor allem gefällt mir aber die Stimme von Nina Hagen und wie sie interpretiert, immer mit einem kleinen persönlichen "Kick".
Biermann und Nina hätten doch eigentlich mal zusammen eine CD machen können. Oder gibt es etwa eine?
Da habe ich ja wieder etwas rauszufinden.:-)

Und vielleicht habe ich die beiden Künstler ja jetzt auf eine Idee gebracht, wo die Beiträge des ST doch (fast) in der ganzen Welt gelesen werden.... ;-))


 Marina antwortete am 22.11.06 (14:09):

Enigma, ich muss dir wirklich danken für den Hinweis auf den "vergessenen Farbfilm" von Nina (nur für Insider. *grins*).
Hat sie den nicht schön besungen? Irre ich mich eigentlich, oder hat sie den bei "Good Bye Lenin" vermisst?
Ich bin ja kein Fan von ihr, kenne sie viel zu wenig, aber sie hat eine irre starke Stimme und ein großes Volumen von selbiger, das kann man ihr nicht absprechen, egal ob man sie mag oder nicht. Und den "Kick" finde ich auch ganz originell, ist, glaube ich, so ein bisschen ihr Markenzeichen, oder?
Und wenn Wolfi unsere Elogen hier liest, dann macht er noch mit ihr eine CD, ganz bestimmt. Das heißt, wir können nur hoffen, dass er sie nicht liest, erstens, weil meine sich sehr in Grenzen hielten, und zweitens, weil wir mal wieder so gewisse geldgierige Haie auf Ideen bringen könnten mit unseren Verstößen gegen gewisse (ich will's ja nicht beschreien) Rechte. :-)


 Enigma antwortete am 22.11.06 (19:06):

Hallo Marina,

ja, sie hat eine ungemein starke Stimme.
Aber den "Farbfilm" hat sie meiner Meinung nach nicht bei Lenin vergessen, sondern - wenn ich mich recht erinnere - in einem älteren Film aus den Siebzigern.
Kann ich aber mal nachgucken....
Liebe Marina, der Wolf schickt uns seine Anwälte nicht auf den Hals, das macht der nicht - das machen oft die Erben und er lebt ja glücklicherweise noch.
Und außerdem haben wir so viel Reklame für ihn und Nina gemacht, dass das nur einen verkaufsfördernden Charakter haben kann.
Die letzte CD von Nina habe ich ja schon gekauft.
Und alle VerehrerInnen würden sich wundern, weil sie da ganz anders daherkommt, etwas nostalgisch, etwas sentimental sogar, aber das neutralisiert sie dann wieder mit dem bereits hinreichend bekannten "Kick", der immer etwas mutwillig-nett-provozierend wirkt.

Was lassen wir uns denn jetzt noch einfallen zum Thema?
Gibt`s was Neues aus Elfenbein-Land??
:-)


 Enigma antwortete am 22.11.06 (20:44):

Mein Suchen wurde von Erfolg gekrönt. :-))

Also: der Song "Du hast den Farbfilm vergessen" stammt zwar tatsächlich aus dem Jahre 1974, aber der Titel war erst in dem 1999 entstandenen Film "Sonnenallee" zu hören, den ich aber leider bisher nicht gesehen habe (Aber nach der Beschreibung habe ich jetzt unbedingt das Gefühl, ihn sehen zu müssen)....

She. auch Internet-Tipp!

Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonnenallee_(Film)


 Marina antwortete am 22.11.06 (22:22):

Das war's. Sonnenallee. Danke, Enigma. Ich wusste, dass ich den Song vor kurzem in so einem Film gehört hatte. Und "Sonnenallee" lief wieder im FS, das hatte ich mit "Good Bye Lenin" verwechselt, ist ja auch gar nicht so sehr abwegig. Den Film solltest du tatsächlich mal sehen, er war sehr witzig. Natürlich keine Realbeschreibung der tatsächlichen Verhältnisse, aber dafür viel Alltagskomik, die, wie ich glaube, das typisch "Kleinbürgerliche" an der DDR wiedergab.
Ich fand ihn besser als die späteren Filme von Leander Haußmann. Am schlechtesten fand ich "NVA", ein ausgesprochen langweiliger und meiner Meinung nach schwacher Film. Aber das ist sicher Geschmacksache.


 dutchweepee antwortete am 26.11.06 (03:45):

ich gehörte immer zur nina hagen und nicht zur biermann fraktion - in zonen- und vereinigungszeiten. jetzt ist sie mir aber zu esotherisch und vom "grossen geist" beseelt.


 kropka antwortete am 26.11.06 (20:57):

Berlin
Wolf Biermann

Berlin, du deutsche deutsche Frau
Ich bin dein Hochzeitsfreier
Ach, deine Hände sind so rauh
Von Kälte und von Feuer
Ach, deine Hüften sind so schmal
Wie deine schmalen Straßen
Ach, deine Küsse sind so schal
Ich kann dich nimmer lassen

Ich kann nicht weg mehr von dir gehn
Im Westen steht die Mauer
Im Osten meine Freunde stehn
Der Nordwind ist ein rauher
Berlin, du blonde blonde Frau
Ich bin dein kühler Freier
Dein Himmel ist so hundeblau
Darin hängt meine Leier

Aus: Berlin, mit deinen frechen Feuern
100 Berlin-Gedichte, Reclam 1997
ISBN 3-15-009640-5


 kropka antwortete am 26.11.06 (20:58):

Einschlaf- und Aufwachlied ...

Schlaf ein, mein Lieb, sonst ist die Nacht
vorbei und hat uns nichts gebracht
als wirre irre Fragen.
Gib mir Dein' Arm und noch ein' Kuss,
ich muß ja durch den Schlafefluß
und will Dich rübertragen.

Wach auf, mein Lieb, Du schläfst ja noch!
Komm aus den dunklen Träumen hoch
und freu Dich an uns beiden!
Die Sonne hat längst Dein Gesicht
gestreichelt, und Du merkst das nicht
- das mag ich an Dir leiden.

WOLF BIERMANN

https://azzurro.designblog.de/index.php?id=1195


 kropka antwortete am 26.11.06 (21:23):

Und als wir ans Ufer kamen
Von Wolf Biermann

Und als wir ans Ufer kamen
Und saßen noch lang im Kahn
Da war es, dass wir den Himmel
Am schönsten im Wasser sahn
Und durch den Birnbaum flogen
Paar Fischlein. Das Flugzeug schwamm
Quer durch den See und zerschellte
Sachte am Weidenstamm
- am Weidenstamm.

Was wird bloß aus unsern Träumen
In diesem zerrissenen Land
Die Wunden wollen nicht zugehn
Unter dem Dreckverband
Und was wird aus unsern Freunden
Ich möchte noch was aus dir, aus mir -
Ich möchte am liebsten weg sein
Und bleibe am liebsten hier

(Preußischer Ikarus. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1978)
© 2006 Deutschlandradio

URL: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/494509/


Ja, Pilli... :-)
"Ich möchte am liebsten weg sein
Und bleibe am liebsten hier"
:-)

Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/494509/


 dutchweepee antwortete am 27.11.06 (06:53):

@kropka - wie gesagt - gegen biermanns lyrik und sein texte hab ich nie das wort geführt, im gegenteil - ich unterschreibe das allermeiste.

jedoch wenn er die klampfe zur hand nimmt, ist das nicht mein ding.

da liegt mir doch eher die frühere nina hagen (bis 1997). danach hat sie sich wahrscheinlich ne handvoll LSD zuviel gegeben.

.


 Enigma antwortete am 27.11.06 (07:14):

@dutchweepee

Mit Sicherheit ist sie sehr esoterisch und "Ufo-Fachfrau".. :-))
Seit ihrer letzten CD denke ich aber auch, dass sie vom "Großen Commerzgeist" beseelt ist.
Aber wie auch immer - der Erfolg sei ihr gegönnt; und die Stimme ist nach wie vor super!


 kropka antwortete am 27.11.06 (07:40):

@dutch, ich habe dich richtig verstanden. mit diesen texten wollte ich nur zeigen, dass ich ihn noch immer,
(und nicht nur damals als ich noch in polen lebte), sehr achte und schätze und auch heute das beste zum geburtstag wünsche!


 Marina antwortete am 27.11.06 (14:21):

Ich möchte dem widersprechen, dass Nina Hagen nur noch "vom Großen Commerzgeist beseelt" ist. Sie hat sich schon des öfteren in Hilfsprojekten engagiert, u. a. mit der Länderkoordinatorin Afghanistan von amnesty international. Beide haben ein Frauen-Hilfsprojekt in Afghanistan, "Rawa", (Revolutionary Association of Women of Afghanistan) unterstüzt und Spenden dafür gesammelt. Sie hat auch schon andere caritative Projekte durchgezogen. Ich habe einen ZEIT-Artikel gefunden, in dem sie kurz angerissen werden (s. u.). Z.B. berichtet sie da u. a., dass sie Weihnachten mit Obdachlosen und Knastbrüdern verbringt.
Zitate: "Für den Heiligen Abend gründe ich mit Berliner Obdachlosen eine Familie, das organisieren Leute von der Straßenzeitung. So richtig mit Weihnachtsbaum und allem Drum und Dran. Ich bringe etwas zu essen, meine Gitarre und das Harmonium mit. Und vielleicht Cosma. Mein Sohn ist für die Feiertage in den USA bei seinem Papa.
Am Dienstag gehe ich in einen Knast und verbringe dort den ersten Weihnachtstag. Meine Freundin Corinna von der Kriminalpolizeit kennt ein Gefängnis, wo die schon lange auf meinen Besuch warten.
Der Sinn der Sache ist, dass wir hier auf Planeten Erde endlich begreifen, worum es geht: um Menschlichkeit."

Diese Äußerungen, dass sie auch Gutes tut und nicht nur für sich und ihr Wohlergehen sorgt, habe ich schon öfter über sie gelesen oder in Fernsehsendungen gehört, auch von ihrer Tochter Cosma in Interviews, die ab und zu von solchen Projekten, in denen sie sich gerade wieder engagiert, gesprochen hat. Ich glaube, dass man sie oft verkennt wegen ihres schrillen Auftretens. Auch Nina Hagen hat eben mehrere Seelen in ihrer Brust - wie die meisten von uns. :-)

Internet-Tipp: https://www.zeit.de/archiv/2001/52/200152_lebenshilfe_7_ta.xml?page=all


 Enigma antwortete am 27.11.06 (16:25):

Hallo Marina,

der "Große Commerzgeist" galt einzig und allein dem Inhalt ihrer letzten CD, die m.E. wesentlich gefälliger (und publikumswirksamer?) ist als andere CDs von ihr, die ich kenne.
Der Mensch Nina Hagen bleibt auch für mich glaubhaft und die von Dir beschriebenen Aktivitäten passen zu ihr. Das etwas schrille Outfit ist nur Beiwerk und beeinträchtigt nicht den menschlichen Kern.


 Marina antwortete am 27.11.06 (18:18):

Hallo Enigma,
bedenke, die Gute geht auf die 50 zu. Vielleicht hinterlässt das Alter auch bei ihr langsam Spuren. Oder die ständige Eso-Beschäftigung mit Engeln, Schamanen, Heilern und ähnlichem Hokuspokus stimmt die Seele irgendwann so sanft wie gleichermaßen friedlich und langweilig, dass der Biss etwas nachlässt und der Stil sich dem üblichen Pop-Einheitsgedudel anpasst. :-)


 kropka antwortete am 29.11.06 (07:31):

..."die Gute geht auf die 50 zu"..., noch zwanzig jahre, dann bekommt sie hier ein thread von mir :-))
und Wolf ist jetzt 70 geworden...

Ich suche Ruhe und finde Streit
Wie süchtig nach lebendig Leben
Zu kurz ist meine lange Zeit
Will alles haben, alles geben
Weil ich ein Freundefresser bin
Hab ich nach Heimat Hunger - immer!
Das ist der Tod, da will ich hin
Ankommen aber nie und nimmer…

Aus: Wolf Biermann, Heimat. Neue Gedichte
https://www.muenstergass.ch/blog/?p=1358


https://www.welt.de/data/2006/11/11/1105420.html?prx=1

Internet-Tipp: https://www.welt.de/data/2006/11/11/1105420.html?prx=1


 Elfenbein antwortete am 29.11.06 (22:15):

Danke, liebe Kropka!!

Das war ein guter Lese-Tipp! (Trotz WELT-Adresse!)

Biermann hat da Havemanns Lieblingswort, statt "Naivling", mitgeteilt. Absolut selten die Wortbildung! Und gut gewählt!
*
Hast Du noch mehr zu Biermann?


 Elfenbein antwortete am 06.02.07 (12:14):

Biermann soll nicht vergessen sein:

Über Biermann nachzulesen..:

"Wolf Biermann wird Ehrenbürger der Stadt Berlin."
Von Klaus Priesucha , 03.02.2007

"Ehre wem Ehre gebührt, jetzt endlich eine für Herrn Biermann!"

URL.: (mit Link zum SPIEGEL):

Internet-Tipp: https://www.linkezeitung.de/cms/content/view/2062/37/


 kropka antwortete am 06.02.07 (14:54):

6. Februar 2007, 13:41

Wolf Biermann wird Ehrenbürger von Berlin

«In der Tradition von Bertolt Brecht und Heinrich Heine»

Nach wochenlangem «Hängen und Würgen» und öffentlichen Streitereien hat sich der Berliner Senat dazu durchgerungen, dem «preussischen Ikarus» Wolf Biermann die Ehrenbürgerschaft zu verleihen.
Das Abgeordnetenhaus hatte in der vergangenen Woche mit grosser Mehrheit für die Würdigung gestimmt. In der Begründung des Antrags heisst es: «Wie kaum ein anderer hat sich Wolf Biermann mit seinen Gedichten und Liedern für Demokratie und Bürgerrechte stark gemacht.»

https://tagesschau.sf.tv/nachrichten/kultur
https://www.nzz.ch/2007/02/06/fe/newzzEXU9MF2L-12.html

Ach, da freut sich "kropka" sehr, Nina Hagen noch viel mehr ;-))

https://vids.myspace.com/index.cfm?fuseaction=vids.individual&videoid=916325270

Internet-Tipp: https://tagesschau.sf.tv/nachrichten/kultur


 Elfenbein antwortete am 07.02.07 (11:02):

Wolf Biermann: Bei Flut

Bei Flut
drückt die See
den Fluß in das Land
in Altona saß ich am Elbestrand
und sah, wie die Boje nach Osten hin zeigt
das Wasser läuft auf und steigt
verdrehte Welt!
das seh ich gerne
der Fluß, er fließt
zurück!
Die Wassermassen
der Elbe wollen
wieder nach Dresden
zurück
Das sah ich gern aber gelassen
und bleibe
*
Wer hier nachkuckt, findet als Überraschung eine Übersetzung. Die Adresse stammt von kropka!

Internet-Tipp: https://user.uni-frankfurt.de/~hradatz/POESIA_ALEMANYA.HTM#_1_17