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THEMA: Gedichte Kapitel 39
160 Antwort(en).
hl
begann die Diskussion am 08.11.06 (16:09) :
Ein neues Kapitel mit einem herzlichen Gruss an KNS!
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrtausendelang; und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke
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Enigma
antwortete am 08.11.06 (17:54):
Danke hl!
Begegnen wir Dir wieder mal?
Achim von Arnim Einerlei
Ihr Mund ist stets derselbe, Sein Kuß mir immer neu, Ihr Auge noch dasselbe, Sein freier Blick mir treu;
O du liebes Einerlei, Wie wird aus dir so mancherlei!
Achim von Arnim (1781-1831)
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eleisa
antwortete am 09.11.06 (13:51):
DER KENNER.
Ein Mensch sitzt stolz, programmbewehrt, in einem besseren Konzert. Fühlt sich als Kenner überlegen- Die anderen sind nichts dagegen. Musik in den Gehörgang rinnt, der Mensch lauscht kühn verklärt und sinnt. Kaum das den ersten Satz sie enden, rauscht er schon rasend mit den Händen und spricht vernehmliche und kluge Gedanken über eine Fuge Und seufzt dann,vor Begeisterung schwach: „Nein, wirklich himmlisch, dieser Bach!“ Sein Nachbar aber grinst abscheulich: „Sie haben das Programm von neulich!“ und sieh,woran er gar nicht dachte: Man spielt heut Abend Bruckners Achte. Und jäh,wie Simson seine Kraft, verliert der Mensch die Kennerschaft.
EUGEN ROTH
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Enigma
antwortete am 09.11.06 (17:11):
Und noch einmal Achim von Arnim:
Ich liebte sie, Verschlossen war sie, stille; Und ihrer Schönheit Fülle Versiegte nie. Der Blume gleich, Glaubt ich die Welt verstecket, Wo nie ein Ton erwecket, Ihr Herz wie reich. Du liebe Zeit, Da fängt sie an zu sprechen, Will mir das Herze brechen, Ach, wie sie schreit; Ich fühl mich arm, Nun sie sich reicher fühlet, Wie ist mein Herz erkühlet, Was einst so warm.
Achim von Arnim (1781-1831)
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hl
antwortete am 09.11.06 (17:56):
Bettina von Arnim
»Wer sich der Einsamkeit ergibt, Ach der ist bald allein; Ein jeder lebt, ein jeder liebt Und läßt ihn seiner Pein.«
Wer sich dem Weltgewühl ergibt, Der ist zwar nie allein. Doch was er lebt und was er liebt, Es wird wohl nimmer sein.
Nur wer der Muse hin sich gibt, Der weilet gern allein, Er ahnt, daß sie ihn wieder liebt, Von ihm geliebt will sein.
Sie kränzt den Becher und Altar, Vergöttlicht Lust und Pein. Was sie ihm gibt, es ist so wahr, Gewährt ein ewig Sein.
Es blühet hell in seiner Brust Der Lebensflamme Schein. Im Himmlischen ist ihm bewußt Das reine irdsche Sein.
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Enigma
antwortete am 09.11.06 (18:24):
Bettina von Arnim Der Knabe sprach mit Lust Der Knabe sprach mit Lust, Es saugt an meiner Brust Ein kleines Kindlein fein; Ei Knab, du bist betrogen, Oder hast selbst gelogen, Dies kann fürwahr nicht sein; Die Fraun alleine haben Die süßen Muttergaben, Zu ziehn den Amor groß; Denn daß in jungen Tagen Alle am Busen lagen Der Mutter in dem Schoß, Das zieht den Knaben groß.
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eleisa
antwortete am 09.11.06 (18:52):
Laß auch das Gras bedeuten O Herr,in deinem Wind Wenn nach dem Vesperläuten Die Felder ruhig sind.
Die Vögel in dem Laube Sind aus mit ihrem schrein Der Laute wie der Taube Schläft nun mit einem ein.
Mein Hals im Gras,dem blauen Fühlt kühler deine Erd Die Sterne sind in Haufen Zu mir zurückgekehrt.
BERTHOLT BRECHT
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Marina
antwortete am 10.11.06 (09:17):
Der Abgerissen Strick
Der abgerissene Strick kann wieder geknotet werden er hält wieder, aber er ist zerrissen. Vielleicht begegnen wir uns wieder, aber da, wo du mich verlassen hast triffst du mich nicht wieder.
Bertolt Brecht
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Enigma
antwortete am 10.11.06 (09:28):
Hallo Marina, dann lass`ich ihn auch noch mal zu Wort kommen, den Bert Brecht:
Bert Brecht Das Lied vom Anstreicher Hitler Der Anstreicher Hitler Sagte: Liebe Leute, laßt mich ran! Und er nahm einen Kübel frische Tünche Und strich das deutsche Haus neu an. Das ganze deutsche Haus neu an. Der Anstreicher Hitler Sagte: Diesen Neubau hat's im Nu! Und die Löcher und die Risse und die Sprünge Das strich er einfach alles zu. Die ganze Scheiße strich er zu. O Anstreicher Hitler Warum warst du kein Maurer? Dein Haus Wenn die Tünche in den Regen kommt Kommt der Dreck drunter wieder raus. Kommt das ganze Scheißhaus wieder raus. Der Anstreicher Hitler Hatte bis auf Farbe nichts studiert Und als man ihn nun eben ranließ Da hat er alles angeschmiert. Ganz Deutschland hat er angeschmiert.
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eleisa
antwortete am 10.11.06 (10:08):
Oh,Bertolt ohne h.
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kropka
antwortete am 10.11.06 (10:49):
Bertolt Brecht (gebürtig Eugen Berthold Friedrich Brecht; * 10. Februar 1898 in Augsburg; † 14. August 1956 in Berlin) https://de.wikipedia.org/wiki/Bertolt_Brecht Kein Problem liebe Eleisa, das ist der gleiche! Grüße alle hier und bis später, bis heute Abend.. In eile kropka Hier mein Lieblingsgedicht von B.B.:
Sonett Nr. 19
Nur eines möcht ich nicht: dass du mich fliehst. Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst. Denn wenn du taub wärst, bräucht ich, was du sagst Und wenn du stumm wärst, bräucht ich was du siehst
Und wenn du blind wärst, möcht ich dich doch sehn. Du bist mir beigesellt als meine Wacht: Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!
So gilt kein "Laß mich, denn ich bin verwundet!" So gilt kein "Irgendwo" und nur ein "Hier" Der Dienst wird nicht gestrichen, nur gestundet.
Du weißt es: wer gebraucht wird, ist nicht frei. Ich aber brauche dich, wie's immer sei Ich sage ich und könnt auch sagen wir.
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Bertolt_Brecht
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Medea.
antwortete am 10.11.06 (11:27):
Über die Heide
Über die Heide hallet mein Schritt; dumpf aus der Erde wandert es mit.
Herbst ist gekommen, Frühling ist weit - gab es denn einmal selige Zeit?
Brauende Nebel geisten umher; schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer.
Wär' ich hier nur nicht gegangen im Mai! Leben und Liebe - wie flog es vorbei!
Theodor Storm
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eleisa
antwortete am 10.11.06 (21:46):
Meiner Liebe Flammen
Ich hab dich geliebt und liebe dich noch! Und fiele die Welt zusammen, aus ihren Trümmern stiegen doch hervor meiner Liebe Flammen.
Heinrich Heine
Grüße in den Abend.
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Enigma
antwortete am 11.11.06 (07:32):
Aus gegebenem Anlass zum Auftakt nicht nur in München, sondern auch in Düsseldorf, Köln etc.: :-))
Busch, Wilhelm (1832-1908) Karneval
Auch uns, in Ehren sei's gesagt, Hat einst der Karneval behagt, Besonders und zu allermeist In einer Stadt, die München heißt. Wie reizend fand man dazumal Ein menschenwarmes Festlokal, Wie fleißig wurde über Nacht Das Glas gefüllt und leer gemacht, Und gingen wir im Schnee nach Haus, War grad die frühe Messe aus, Dann können gleich die frömmsten Frau'n Sich negativ an uns erbau'n. Die Zeit verging, das Alter kam, Wir wurden sittsam, wurden zahm. Nun sehn wir zwar noch ziemlich gern Die Sach' uns an, doch nur von fern (Ein Auge zu, Mundwinkel schief) Durchs umgekehrte Perspektiv.
Na dann: Alaaf und Helau....
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pilli
antwortete am 11.11.06 (08:19):
lach...Enigma,
richtig! "nicht nur in ..." :-)
...
„Die Kölner haben sich unter anderem von Goethe beeinflussen lassen“, sagt Manfred Ruppert. So hätten viele Beobachtungen, die der Dichter in seiner Italienischen Reise beschrieb, Eingang in die rheinische Karnevalstradition gefunden.
Den deutschen Karneval gibt es also nicht. Ebenso wenig wie die deutsche Fastnacht. Es ist wie mit vielen Dingen in einem Land, das von außen als Einheit wahrgenommen wird. Das aber auf den zweiten Blick aus sehr vielen sehr unterschiedlichen Einheiten besteht." (Ch. Hickmnn; entn. der u.a. seite des Goethe-Institut)
...
Johann Wolfgang von Goethe; Der Kölner Mummenschanz Fastnacht 1825:
Da das Alter, wie wir wissen, Nicht für Torheit helfen kann, Wär es ein gefundner Bissen Einem heitern alten Mann,
Daß am Rhein, dem vielbeschwommnen, Mummenschar sich zum Gefecht Rüstet gegen angekommnen Feind, zu sichern altes Recht.
Auch dem Weisen fügt behäglich Sich die Torheit wohl zur Hand, Und so ist es gar verträglich, Wenn er sich mit euch verband.
Selbst Erasmus ging den Spuren Der Moria scherzend nach, Ulrich Hutten mit Obskuren Derbe Lanzenkiele brach.
Löblich wird ein tolles Streben, Wenn es kurz ist und mit Sinn; Heiterkeit zum Erdeleben Sei dem flüchtigen Rausch Gewinn.
Häufet nur an diesem Tage Kluger Torheit Vollgewicht, Daß mit uns die Nachwelt sage: Jahre sind der Lieb und Pflicht.
...
:-) Alaaf und Helau!
Internet-Tipp: https://www.goethe.de/ges/rel/thm/de83905.htm
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Enigma
antwortete am 11.11.06 (08:28):
Jau, Jau, Alaaf und Helau... Dach´ich mir`s doch, pilli... ;-)) Bist Du schon halb unterwegs zum Kölner Auftakt??
Joachim Ringelnatz Leben wie Karneval
Jeder summt sein Sümmchen Oder brummt sein Brümmchen Wie ein Bär oder wie ein Bienchen, Wenn er ganz in sich Hindöst. – Aber öffentlich Zieht dann jeder, jede, Jedes sein Mienchen. – – – (Fällt mir plötzlich ein Gerede Ein, eines Arztes mit schizophrenen Fraun. Hielt der Arzt sie heimlich lieb am Zügel. Sagte eine: "Hängen Sie meinen Linken Lungenflügel An den Gartenzaun!") Jedes flucht sein Flüchlein, Wenn's nicht ging, wie's ihmnach gehen soll. Manches weint ein Tüchlein Oder scheißt ein Höslein voll. Das störend niedrige Geschmeiß Ist schwierig zu erreichen. Es bleibt Gesetz: Die Schnake weiß Dem Kuhschwanz auszuweichen.
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pilli
antwortete am 11.11.06 (10:23):
ja Enigma ich bin :-)
auf dem weg, gegen 11.00uhr, wie so oft und immer gerne :-),
das *samstag-familien-freunde-einkauf-käffchen-frühstück* zu geniessen und später dann, bei der fünfstündigen übertragung des WDR, werde ich dem besonderen tag die gebührende karnevalistische ehre erweisen. :-)
schade, datt datt sönnchen sich versteckt, den tausenden von jecken, die heute im schatten der hillijen Domtürme die saison-eröffnung feiern, himmlische strahlen zu senden! :-)
...
"Als ich eine Maske trug, mit der ich mich, mir selbst, verstellte, da konnte ich mich selbst auch nicht erkennen - das habe ich für mich geändert - jetzt bin ich - einfach ich - nicht mehr und auch nicht weniger, sondern einfach ich!" (Bruno O. Sörensen)"
:-)
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pilli
antwortete am 11.11.06 (10:37):
noch fix ein närrisches hörerlebnis von "onlinekunst.de" zu:
"Über Fasnet, Karneval, Fasching" :-)
mit hinweisen und bilddarstellungen.
:-)
Internet-Tipp: https://www.onlinekunst.de/karneval/index.html
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kropka
antwortete am 11.11.06 (11:03):
:-) Alaaf und Helau!
"Tiere sind die besseren Menschen", dachte der Sprachakrobat Roger Willemsen und widmete sich dem berühmten Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns.
... Hochverehrtes Publikum, Damen, Herren, ungelogen: Schön habt Ihr Euch angezogen. Vom Pinguin den schwarzen Frack, vom Goldfasan den Nagellack, die dritten Zähne von der Zecke, das Lipgloss von der Weinbergschnecke und manche ält're Dame wusch sich ihren Kopf Flamingo-Rouge. Das sieht zwar tierisch festlich aus und bringt Euch einigen Applaus, doch im Vergleich zum lieben Vieh seid Ihr nicht mehr als die Kopie und gegen uns're Fauna nur die schlechte Hälfte der Natur. Könnt Ihr auch wiehern, fauchen, bellen, Euch animalisch gut verstellen, könnt "Hase" Euch und "Mäuschen" nennen und wie die Schmusekater flennen, könnt wie ein Haifisch Zähne zeigen, wie die Amphibien ewig schweigen, könnt gar wie eine Hirschkuh laufen und "Homo sapiens" Euch taufen: Vergeblich! Aus! Und ganz egal, als Zoo seid Ihr viel zu banal, ... Aus: Volker Kriegel & Roger Willemsen Karneval der Tiere 3-8218-0947-7
https://www.eichborn.de/
Das Leben ist zu kurz für langweilige Bücher!
https://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,2086231,00.html
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Marina
antwortete am 11.11.06 (11:10):
Karneval
Alaaf, Hellau seid Ihr bereit, Willkommen zur Beklopptenzeit! Mer kenne des aus Akte X, doch Mulder rufe hilft da nix, des kommt durch Strahle aus dem All, und plötzlich dann ist Karneval.
Uff einen Schlach wern alle dämlich, denn das befiehlt das Datum nämlich. Es ist die Zeit der tollen Tage, so eine Art Idiotenplage, eine Verschwörung, blöd zu werden, die jährlich um sich greift auf Erden. E' wahre Ausgeburt der Hölle, und Ausgangspunkt davon ist Kölle.
Denn dort gibts nicht nur RTL, das Fernseh-Einheitsbrei-Kartell, sondern aach jede Menge Jecken, die sich auf Nasen Pappe stecken, in Teufelssekten sich gruppieren, danach zum Elferrat formieren, und dann muß selbst das döfste Schwein, dort auf Kommando fröhlich sein.
Auf einmal tun in allen Ländern, die Leute sich ganz schlimm verändern. Sie geh'n sich hemmungslos besaufe, und fremde Mensche Freibier kaufe, schmeiße sich Bonbons an de Schädel, betatsche Jungens und aach Mädel und tun eim jede den se sehen, ganz furschbar uff die Eier gehen.
Sie tun nur noch in Reime spreche und sind so witzisch, man könnt breche, bewege sich in Polonäsen, als trügen sie Gehirnprotesen, man möchte ihnen - im Vertrauen - am liebsten in die Fresse hauen.
Doch was soll man dagege mache? Soll man vielleicht noch drüber lache? Es hilft kein Schreie und kein Schimpfe, man kann sich net mal gegen impfe, die Macht der Doofen ist zu stark, als daß man sich zu wehrn vermag.
Am besten ist, man bleibt zu Haus, und sperrt den Wahnsinn einfach aus. Man schließt sich ein paar Tage ein, und läßt die Blöden blöde sein! Der Trick ist, daß man sich verpisst, bis widder Aschermittwoch ist.
Und steht ein Zombie vor der Tür, mit so nem Pappnasengeschwür, und sagt statt "Hallo" nur "Helau", dann dreh se um, die dumme Sau, und tritt ihr kräftig in den Arsch, und ruf dabei "Narrhalla-Marsch"
Helau!
11.11 Uhr? Hoffentlich haut das jetzt richtig hin mit der Zeit. Meine Uhr geht nämlich nicht exakt. :-)
Internet-Tipp: https://www.xxl-humor.net/witze-gedichte-014.php
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Marina
antwortete am 11.11.06 (11:13):
Mist, eine Minute zu früh. :-)
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kropka
antwortete am 11.11.06 (11:22):
mist, elf zu spät :O)))
https://www.lido-verlag.de/hoerp/mp3/3821852712.mp3 https://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/23/0,1872,2086231,00.html
Internet-Tipp: https://www.lido-verlag.de/hoerp/mp3/3821852712.mp3
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lola
antwortete am 14.11.06 (07:47):
Sprüche von den Arabern.
Wollte Gott die Ameise vernichten,
dann ließe er ihr Flügel wachsen.
Süßer als der Genuss der Rache
Ist der Genuss des Verzeihens.
Wer ein Gebrechen besitzt, ist ein Tyrann.
Demut ist eine der Fallen für Macht.
Was sie nicht wissen, befeinden die Menschen.
Mehr ist, was der Kluge vermutet,
als was der Unwissende weiß.
Der Mensch unterwirft sich der Güte.
Nehmt euch in acht vor denen, die euer Herz haßt.
Bemerkst du an jemandem eine schlechte Eigenschaft,
dann mache dich auf ihre Schwester gefasst.
Fehler sind die Ammen der Tugend.
Gruß von lola.
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Marina
antwortete am 14.11.06 (15:17):
Mensch - Du wirst alt
"Den Namen, nennen Sie den Namen!" Da magst Du im Vergangenen kramen, hast tausend Dinge griffbereit, die Dir bewußt aus ferner Zeit, Du hast sie alle aufgezählt, der Name nur, der Name fehlt. Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Von vier der Dinge drei sind nichtig, das vierte nur ist wirklich wichtig. Damit's im Hirne nicht verdämmert, hast Du's Dir gründlich eingehämmert! Drei fall'n Dir ein - oh welche Qual, das vierte fehlt, es ist fatal! Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Vom zweiten Stock steigst Du hinunter, trittst auf die Straße frisch und munter; doch plötzlich fragst Du dich verdrossen: "Hab' ich auch wirklich abgeschlossen?" Du könntest schwören viele Eide, steigst dennoch rauf, Dir selbst zum Leide. Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Zum Frühstück nimmst Du drei Tabletten, die sollen Dein Gedächtnis retten. Du fragst Dich plötzlich ganz beklommen - "Hab' ich sie eigentlich schon genommen" Ja, ist mein Denken denn noch dicht?" (und zweimal nehmen darf man nicht!) Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Und die Geschwätzigkeit senilis - den anderen leider oft zu viel ist. Zumal was gestern Du erzählt, auch heute im Gespräch nicht fehlt, und so, wie die Erfahrung lehrt, auch morgen brühwarm wiederkehrt! Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Brauchst Du 'mal etwas aus dem Schrank, der gut gefüllt ist - Gott sei Dank - kaum hast geöffnet Du die Tür, das fragst Du Dich "Was wollt' ich hier?" Verstört bist Du, daß in Sekunden das, was Du vorhast, ist entschwunden! Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Benutzt Du 'mal Dein Bügeleisen (anschließend gehst Du gleich auf Reisen) drei Wochen bangst Du, ungelogen - "Hab' ich den Stecker rausgezogen? Sitzt etwa der noch in derWand? Bin ich inzwischen abgebrannt??" Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Und fährst Du 'mal woanders hin, bewegst Du gleich in Deinem Sinn, Dein Sparbuch bestens zu verstecken, damit kein Dieb es kann entdecken. Brauchst Du dann Geld, hast Du indessen den stillen Ort total vergessen. "Ei Gott" denkst Du ganz starr vor Schreck, was soll ich tun, mein Geld ist weg!?" Da ruft es aus dem Hinterhalt: "Mensch, Du wirst alt!"
Maschinen kann man reparieren und ihr Getriebe sorgsam schmieren. Wenn 'mal Dein Fernseher kaputt, ein neuer Chip - schon ist es gut. Doch wenn der Kalk im Hirn sich dichtet, gibt's nichts mehr, was das Dunkel lichtet! Da fällt die düstre Stimme ein: "Mensch, find Dich drein!"
(Verf. unbekannt)
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Enigma
antwortete am 15.11.06 (11:27):
:-)))
Matthias Claudius Der Mensch Empfangen und genähret vom Weibe wunderbar, kömmt er und sieht und höret und nimmt des Trugs nicht wahr; gelüstet und begehret und bringt sein Tränlein dar; verachtet und verehret; hat Freude und Gefahr; glaubt, zweifelt, wähnt und lehret, hält nichts und alles wahr; erbauet und zerstöret und quält sich immerdar; schläft, wachet, wächst und zehret; trägt braun und graues Haar, und alles dieses währet, wenn's hoch kommt, achtzig Jahr. Dann legt er sich zu seinen Vätern nieder, und er kömmt nimmer wieder.
(1783)
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eleisa
antwortete am 17.11.06 (18:22):
Zur Abwechselung,ein Sinngedicht.
Überlass es der Zeit.
Erscheint dir etwas unerhört Bist du tiefsten Herzen`s empört Bäume nicht auf,versuchs nicht mit Streit Berühr es nicht überlass es der Zeit. Am ersten Tage wirst du feige dich schelten, am zweiten lässt du dein Schweigen schon gelten, am dritten hasst du`s überwunden alles ist wichtig nur auf Stunden. Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
Theodor Fontane
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Marina
antwortete am 20.11.06 (14:20):
Fantasie von übermorgen
Und als der nächste Krieg begann, da sagten die Frauen: Nein! Und schlossen Bruder, Sohn und Mann fest in der Wohnung ein.
Dann zogen sie, in jedem Land, wohl vor des Hauptmanns Haus und hielten Stöcke in der Hand und holten die Kerls heraus.
Sie legten jeden übers Knie, der diesen Krieg befahl: die Herren der Bank und Industrie, den Minister und General.
Da brach so mancher Stock entzwei. Und manches Großmaul schwieg. In allen Ländern gab's Geschrei, und nirgends gab es Krieg.
Die Frauen gingen dann wieder nach Haus, zum Bruder und Sohn und Mann, und sagten ihnen, der Krieg sei aus! Die Männer starrten zum Fenster hinaus und sahn die Frauen nicht an...
Erich Kästner:
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Enigma
antwortete am 21.11.06 (07:55):
Wo ist der Schnee vom vergangenen Jahr, Anna-Susanna? Weißt du noch, was damals Mode war, Anna-Susanna? Die Literatur trug man vorne gerafft, jede Woche gabs ein Genie. Und alles murmelte: "Faaabelhaft! Rein menschlich. . . irgendwie. . .!" Wo sind die Blumen vom letzten Lenz, Anna-Susanna? Die Betonung des kosmischen Bühnen-Akzents, Anna-Susanna? Das gebildete Publikum lief zuhauf mit der Kritiker-Artillerie. Und die Stücke führt kein Mensch mehr auf, rein menschlich irgendwie. Wo ist der Schnee vom vergangenenJahr, Anna-Susanna? Brecht wird sein, was Sudermann war, Anna-Susanna. Sie brüllen sich hoch, die Reklame schreit, das ist eine Industrie. Pro Mann einen Monat Unsterblichkeit - Anna-Susanna- rein menschlich irgendwie. Kurt Tucholsky
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Marina
antwortete am 22.11.06 (14:13):
Winterlied
Ich hab die ganze Nacht vertan Mit den alten Weibern am Küchenherd Ihre schönen Geschichten bis in die Früh Die waren nicht verkehrt.
Wir aßen schwarzes Brot mit Schmalz Und in die Nase ein Wein Und einen krebsrotfröhlichen Hals Beim Küchenfeuerschein
So saß ich bis in den Morgen hin Und hörte so viel, so viel Zu Haus lag meine junge Frau Allein und winterkühl
Wolf Biermann
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Elfenbein
antwortete am 22.11.06 (14:21):
Ein Beitrag zum Thema Kirchenschließungen, besonders in den Großstädten des Ruhrgebiets...?
Kirche und Wolkenkratzer
Es läuten die Glocken: Bim-bam-bim-bam; es sausen die Autos über den Damm; die Kirche reckt ihren Turm zum Himmel und macht Reklame mit ihrem Gebimmel. Sie wirbt für den christlichen Gedanken – aber drum herum die Häuser der Banken sind eine Etage höher.
Wenn zu New York die Börse kocht, dann beten die frommen Pfaffen: dass keiner werde eingelocht, dass sie alle Geld erraffen. Aber wie sie auch beten in brausendem Chor: die Banken ragen zum Himmel empor eine Etage höher.
Und es beten die Pfaffen nach alter Art gegen sündige Teufelsgedanken. Das Kirchenvermögen liegt wohlverwahrt nebenan, nebenan in den Banken. Wer regiert die Welt –? Hier kann man das sehn. Um alle Kirchen die Banken stehn eine Etage höher. *
"Theobald Tiger"; in: "Arbeiter Illustrierte Zeitung". 1930, Nr. 6. S.108; also: Kurt Tucholsky.
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Enigma
antwortete am 22.11.06 (18:50):
Der andre Mann
Du lernst ihn in einer Gesellschaft kennen. Er plaudert. Er ist zu dir nett. Er kann dir alle Tenniscracks nennen. Er sieht gut aus. Ohne Fett. Er tanzt ausgezeichnet. Du siehst ihn dir an ... Dann tritt zu euch beiden dein Mann. Und du vergleichst sie in deinem Gemüte. Dein Mann kommt nicht gut dabei weg. Wie er schon dasteht – du liebe Güte! Und hinten am Hals der Speck! Und du denkst bei dir so: »Eigentlich ... Der da wäre ein Mann für mich!« Ach, gnädige Frau! Hör auf einen wahren und guten alten Papa! Hättst du den Neuen: in ein, zwei Jahren ständest du ebenso da! Dann kennst du seine Nuancen beim Kosen; dann kennst du ihn in Unterhosen; dann wird er satt in deinem Besitze; dann kennst du alle seine Witze. Dann siehst du ihn in Freude und Zorn, von oben und unten, von hinten und vorn ... Glaub mir: wenn man uns näher kennt, gibt sich das mit dem happy end. Wir sind manchmal reizend, auf einer Feier ... und den Rest des Tages ganz wie Herr Meyer. Beurteil uns nie nach den besten Stunden. Und hast du einen Kerl gefunden, mit dem man einigermaßen auskommen kann: dann bleib bei dem eigenen Mann! Theobald Tiger Die Weltbühne, 21.10.1930, Nr. 43, S. 630, wieder in: Lerne Lachen.
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lola
antwortete am 23.11.06 (16:35):
Von: Léopold Sédar Senghor - Dichter -Staatsmann und Philosoph - bedeutender Vertreter afrikanischer Lyrik
Gesänge für Signare (Für Flöten)
Eine Hand aus Licht streichelte meine nächtlichen Lider Und dein Lächeln entstieg den Nebeln, die eintönig über meinem Kongo hingen. In der Frühe hallte mein Herz wider vom reinen Vogelsang Wie mein Blut einst den Rhythmus gab zu dem strahlenden Lied, das der Saft in den Zweigen meiner Arme sang. Sieh, die Blumen der Wildnis, den Stern in meinem Haar und das Stirnband des athletischen Hirten. Ich will mir die Flöte leihen,die den Herden den Rhythmus des Friedens bringt Und den ganzen Tag im Schatten deiner Wimpern bei der Quelle von Fimla sitzend Will ich treu das helle Brüllen deiner Herde weiden. Denn heute früh streichelte eine Hand aus Licht meine nächtlichen Lider Und den ganzen Tag hallte mein Herz wider vom reinen Gesang der Vögel.
Gruß von lola.
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lola
antwortete am 23.11.06 (20:58):
Der Zinnoberschlager
(Gedicht, das der hannoversche Dadaist Kurt Schwitters 1928 gedichtet hatte.)
Ach, wie ist die Welt so tinke, und so sauber und so blank, Denn sie trägt ne tinke Schminke, Und zig Kilomenter lang. Und die kleine Omama Macht jetzt immer hoppsassa, Stundenlang, stundenlang. Gott sei Dank! Denn in Kanada, in Amerika Hoppst die kleine Omama Immer rinn in den Zinnober, Immer knüppeldicke rinn, Hoppst sie unter, hoppst sie ober, Macht sie stets den dollsten Zinn. Aber wie kam in den Zinn In Amerika die kleine Omama? In Amerika die kleine Omama? Omama, Omama,
Der Dadaismus ist ein revolutionärer "Kunststil", der sich nach dem 1. Weltkrieg gegen das künstliche Edelgetue einiger "Kunstverständiger" stellt und das in absolut interessanter Art! Kurt Schwitters lebte von 1887 bis etwa 1945 und hatte auch Probleme mit Hitlers Auffassung von Kunst! Ob Ihr Spaß an diesem Gedicht habt?
fragt Euch die lola.
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lola
antwortete am 24.11.06 (09:09):
Und Noch ein Lied von Kurt Schwitters - weil es eins seiner bekanntesten ist!
An Anna Blume
O du, Geliebte meiner siebenundzwanzig Sinne, ich liebe dir! - Du deiner dich dir, ich dir, du mir. - Wir? Das gehört (beiläufig) nicht hierher. Wer bist du, ungezähltes Frauenzimmer? Du bist - - bist du? - Die Leute sagen, du wärest, - laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht. Du trägst den Hut auf deinen Füßen und wanderst auf die Hände, auf den Händen wanderst du. Hallo, deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt. Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe ich dir! - Du deiner dich dir, ich dir, du mir. - Wir? Das gehört (beiläufig) in die kalte Glut. Rote Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute? Preisfrage: 1.) Anna Blume hat ein Vogel. 2.) Anna Blume ist rot. 3.) Welche Farbe hat der Vogel? Blau ist die Farbe deines gelben Haares. Rot ist das Girren deines grünen Vogels. Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid, du liebes grünes Tier, ich liebe dir! - Du deiner dich dir, ich dir, du mir, - Wir? Das gehört (beiläufig) in die Glutenkiste. Anna Blume! Anna, a-n-n-a, ich träufle deinen Namen. Dein Name tropft wie weiches Rindertalg. Weißt du es, Anna, weißt du es schon? Man kann dich auch von hinten lesen, und du, du Herrlichste von allen, du bist von hinten wie von vorne:" a-n-n-a". Rindertalg träufelt streicheln über meinen Rücken. Anna Blume, du tropfes Tier,ich liee dir!
Kurt Schwitters 1919
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lola
antwortete am 24.11.06 (15:20):
Herbst
Der Herbst streut weiße Nebel aus, Es kann nicht immer Sommer sein! Der Abend lockt mit Lampenschein Mich aus der Kühle früh ins Haus
Bald stehen Baum und Garten leer, dann glüht nur noch der wilde Wein Ums Haus, und bald verglüht auch der, Es kann nicht immer Sommer sein!
Was mich zur Jugendzeit erfreut’, es hat den alten frohen Schein Nicht mehr – und freut mich nimmer heut – Es kann nicht immer Sommer sein!
O Liebe, wundersame Glut, Die durch der Jahre Lust und Mühn – Mir immer hat gebrannt im Blut – o Liebe kannst auch du verglühn?
Hermann Hesse
Gruß von Lola
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Enigma
antwortete am 25.11.06 (07:16):
Doch lola, ich habe auch Spaß an Schwitters.... :-)
Und auch an ihm hier:
Der Backfisch
Papa ist heute furchtbar aufgeschwemmt. Er blinzelt müde in die Morgenzeitung. Mama im Morgenrock und ungekämmt, Befaßt sich mit des Kaffees Zubereitung.
Dann spricht sie: Anton! Komm! Es wird bald Zeit! Du darfst mir das Büro nicht noch versäumen! - Ich sitz am Tisch in meinem Rosakleid Und will den ganzen Tag in Rosa träumen.
Sie sagen in der ersten Mädchenklasse manchmal unanständige Sachen. Ob Maria sich damit befasse? Der Primaner Hubert hat doch Rasse. Und sie lachen. Und wir heben unsre Kleider, zeigen unsre hübschen Beine. Manche möchten mit nervösen Fingern sich zum Scherz ihr Mieder lösen... Und ich weine...
Klabund
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Elfenbein
antwortete am 25.11.06 (09:50):
Klabund...? Jawohl, engima!
Klabund: Der Lehrer
Meist war er klein und kroch am Boden hin Wie eine Küchenschabe braun und eklig. Er stak in abgeschabten Loden drin Und stank nach Fusel und nach Schweiß unsäglich.
Doch manchmal wuchs er riesig in das Licht, Wuchs übern Kirchturm, schattete die Erde. Am Himmel brannte groß sein Angesicht, Damit die Schöpfung seines Glanzes werde.
Er schlug das Aug' auf wie das Testament (mich graust, Wenn ich dran denk'), pfiff wie im Rohr die Dommeln, Ließ donnern, blitzte, hob die Sonnenfaust Und ließ sie furchtbar auf uns niedertrommeln.
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hl
antwortete am 25.11.06 (09:52):
Späte Ringelblumen
So war es noch nie. Im späten Garten, unter kahlen Zweigen, ist schon längst verwelkt der rote Mohn.
Doch die Ringelblumen blühen noch einmal.
Und auf dem einzigen, dem güldenen Blatt knospen Worte weiter. Heute noch gehen sie auf.
Koloman Stumpfögger
in "Wenn Sonnenblumen die güldenen Zeiger drehen - Gedichte" 1. Auflage, Ravensburg: Oberschwäbische Verlagsanstalt 1996 ISBN-3-926891-16-5
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eleisa
antwortete am 25.11.06 (14:27):
Mich erfreuen immer wieder die heiteren Verse von „ Eugen Roth“.
Schlüpfrige Dinge
Ein Mensch,der auf der Straße ging, mit seinen Augen sich verfing in einem Laden drin ein Weib höchst schamlos zeigte seinen Leib, der nur aus Pappendeckel war, doch fleischlich in der Wirkung war. Von Hemd und Höschen zart umhüllt, das Blendwerk nur den Zweck erfüllt, zu schlagen eine breite Bresche in dem erlaubten Wunsch nach Wäsche. Und da dem Reinen alles rein, sah das der Mensch auch alsbald ein und ging mit einer grenzenlosen Hochachtung fort für Damenhosen.
LG an alle
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kropka
antwortete am 26.11.06 (21:02):
Wolf Biermann Das 66. Sonett
Müd müd von all dem schrei ich nach dem Schlaf im Tod Weil ich ja seh: Verdienst geht betteln hier im Staat Seh Nichtigkeit getrimmt auf Frohsinn in der Not Und reinster Glaube landet elend im Verrat
Und Ehre ist ein goldnes Wort, das nichts mehr gilt Und einer Jungfrau Tugend wird verkauft wie’n Schwein Und weil Vollkommenheit man einen Krüppel schilt Und weil die Kraft dahinkriecht auf dem Humpelbein
Gelehrte Narrn bestimmen, was als Weisheit gilt Und Kunst seh ich geknebelt von der Obrigkeit Und simple Wahrheit, die man simpel Einfalt schilt Und Güte, die in Ketten unterm Stiefel schreit
Von all dem müde, wär ich lieber tot, ließ ich In dieser Welt dabei mein Liebchen nicht im Stich
(Leseprobe aus: Das ist die feinste Liebeskunst, 40 Shakespeare Sonette, 2004, Kiepenheuer & Witsch)
Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/autoren/biermann.htm
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wanda
antwortete am 27.11.06 (07:19):
Traurige Tage
Lass rauschen, Lieb, lass rauschen, am Ende klappt die Tür, ich hör ein Mädchen sagen, es liegt doch nicht an dir.
Und einer kriegt den Wecker und jammert wie ein Hund, ich hör die Brandung gehen, hat doch gebrannt dein Mund.
Lass rauschen, Lieb, lass rauschen ein Fahrrad durch die Nacht, wo ist das rote Nachthemd, das hast du mitgebracht.
Denn einer will noch reden, vielleicht ging es zu schnell, ich hör die Autos rauschen, es wird schon wieder hell.
Die Liebe ist verheult und kaut am Morgen Toast, ich hör ein Mädchen schreien, ich will jetzt keinen Trost.
Dirk von Petersdorff
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lola
antwortete am 27.11.06 (11:21):
Aus: Lob des Schwein's
Das Menschenvolk verachtet dich vergebens; Der weise Epikur Verspricht uns ja das höchste Glück des Lebens, Wenn wir dir gleichen, nur.
Der stolze Mensch in seinem Hoheitstraume Vergaß schon ganz und gar Der Eichelkost, die unter einem Baume war.
Ja, die Gemeinschaft wäre ganz verschwunden, Die dich zu uns gesellt, Hätt' nicht ein grosser Heil'ger mit fünf Wunden Sie wieder hergestellt.
Und hält dich gleich das Volk, das durch sein Stinken Berühmt ist, nicht für rein, So weiht man doch um Ostern deine Schinken Für Christenmägen ein.
Und sind gleich deine groben Borsten nimmer Von Schmutz und Koth befreit, So danken wir doch diesen Borsten immer All' uns're Reinlichkeit.
Dein köstlich Fleisch nimmt ohne viel Beschwerde Beim schlecht'sten Futter zu: Der Mensch verschlingt den Fünftelsaft der Erde: Und nützt er so, wie du?
Sogar dein Speck kann uns in manchem Stücke Von grossem Nutzen sein: O würde doch so mancher, der vom Glücke Sich mästen läßt - ein Schwein!
[Blumauer: Sämmtliche Gedichte. (vgl. Blumauer-Sämtl. Ged., S. 129)]
Gruß von lola.
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lola
antwortete am 27.11.06 (20:46):
Textteil einer Freundin:
„Rapunzel hat sich für eine Kurzhaarfrisur entschieden, ich bin trotzdem zwei Tage unter ihrem Fenster geblieben. Das Warten hat sich nicht gelohnt, denn obwohl sie jetzt Parterre wohnt, sah sie irgendwie scheiße aus“
Lola
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lola
antwortete am 29.11.06 (21:15):
„eine kleine schokolade, vielleicht die dümmste auf der Welt, legte sich einmal in die Sonne - um ein bisschen Braun zu werden“
oder „von einer die sich auszog um mich das Fürchten zu lehren“
Gruß von lola!
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Enigma
antwortete am 30.11.06 (09:05):
Ja, was haben wir denn da? Was hast Du uns denn da hinterlassen, lola?
Hast Du Dich doch etwas übernommen? Hat es zum Gedicht nicht mehr so ganz gereicht? ;-))
Na, macht ja nichts.....
Ich versuche mal, mich auf Dich einzustellen und ein Gedicht einzustellen, dass Dir gefallen könnte. Man kann es über den Internet-Tipp auch in der Original-Sprache abrufen:
Edna St. Vincent Millay: Ich werd' Dich bald vergessen, teurer Schatz
Ich werd' Dich bald vergessen, teurer Schatz, drum nutz ihn bestens, Deinen kurzen Tag, Dein Monat, Deinen kurzen Halbjahrsplatz - eh ich vergessen, sterben, wegzieh'n mag und mit uns zwei'n ist's Schluß; denn dann, demnächst, wie schon gesagt, vergeß ich Dich - doch g'rade nun, wenn Du mit süßen Lügen um mich flehst, werd' ich den liebsten Schwur des Sträubens tun. Ich wünschte schon, daß Liebe länger wär' und Schwüre nicht so brüchig, wie sie sind - allein so ist's, and die Natur bisher hat nur ein Ringen ohne End bestimmt: Ob, was wir suchen, wir auch finden werden ist, biologisch, ganz egal auf Erden.
Internet-Tipp: https://myweb.dal.ca/waue/Trans/Millay-Forget.html
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Enigma
antwortete am 30.11.06 (09:11):
... sorry, Tippfehler. Es muss natürlich heißen:
..."ein Gedicht einzustellen, das Dir ......"
Vielleicht hab`ich mich ja auch schon übernommen mit dem Gedicht!? ;-)
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Marina
antwortete am 30.11.06 (14:45):
Enigma, du hast dich bestimmt übernommen mit dem Gedicht, so wird's wohl sein.:-) Nimm dir lieber ein Beispiel an lola, das habe ich jetzt auch getan, und um zu vermeiden, dass ich mich übernehme, hier ein kleines Gedichtlein: Mord und Totschlag
Denkt ans fünfte Gebot: Schlagt eure Zeit nicht tot!
Erich Kästner
:-))
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Medea.
antwortete am 01.12.06 (07:26):
Lacht durch das Fenster hell dir die Wintersonne fällt sie in dein Herz.
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Elfenbein
antwortete am 01.12.06 (12:18):
Mahnung an Moniteure von Adolf Glaßbrenner
Halte nicht zurück die Meinung! Aus dem Herzen in die Welt! Lass getrost in die Erscheinung Treten, was dir wohlgefällt. Strafe kühn das Geistig-Hohle!
Mach dich zu der Wahrheit Hort! Alles dient dem Staat zum Wohle, Und bei uns heißt die Parole: Licht und Luft dem freien Wort!
*
Eines der wenigen Glaßbrenner-Gedichte, die von der Zensur nicht verboten wurden, weil da keiner wusste, wie ein Akrostichon zu lesen ist.
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hl
antwortete am 01.12.06 (19:11):
Der Empfehlung Glaßbrenners wollen wir hier lieber nicht folgen.
Der Advent beginnt, die Zeit der Erwartung, Besinnung und Erinnerung:
Erinnerung
Und du wartest, erwartest das Eine, das dein Leben unendlich vermehrt; das Mächtige, Ungemeine, das Erwachen der Steine, Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer die Bände in Gold und Braun; und du denkst an durchfahrene Länder, an Bilder, an die Gewänder wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: das war es. Du erhebst dich, und vor dir steht eines vergangenen Jahres Angst und Gestalt und Gebet.
Rainer Maria Rilke in Buch der Bilder
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Enigma
antwortete am 02.12.06 (07:39):
@Elfenbein Du bist mir ja ein ganz Hintersinniger! aber ich mach`s wie hl und halte mich nicht an die Aufforderung "Halt`s Maul". ;-))
Jetzt stelle ich was ein von einer netten Frau, deren Homepage Ihr auch besuchen könnt - she. Internet-Tipp!
Und nett ist sie u.a. auch, weil sie mir erlaubt hat, das folgende Gedicht einzustellen. :-)
fragt sich wie
wieder klein sein alles wagen mit der alten unschuld der kindlichen kraft
durch die kurve fliegen alles riskieren mit der leichtigkeit die der glaube an festen boden unter den füßen macht fragt sich der dichter ohne land und neidet der eidechse den nachwachsenden schwanz
Anna Breitenbach Aus: Feuer. Land. Gedichte
Internet-Tipp: https://www.annabreitenbach.de/
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Enigma
antwortete am 02.12.06 (10:44):
@Elfenbein
Ich wünsche Satisfaktion für den Glaßbrenner durch Lösen (Ergänzen) eines Rätsels, das irgendwie mit Literatur, zumindest aber mit Wörtern, zu tun hat! ;-))
Es geht um ein Schling-Füllrätsel (ein abgebrochener Satz wird durch einen Schüttelreim sinnvoll ergänzt)... Los geht`s:
"Das Ende des Liebeskummers Ein Jüngling quälte sich mit Gedanken, ob er es wagen dürfe, sich der Geliebten zu erklären. Da hatte er einen schönen Traum; es war ihm, als neige sich deren holdes Angesicht über ihn und küsse ihn auf die Lippen. Darüber erwachte er und fühlte sich prophetisch aufgemuntert. So wurde ihm... dal dil dal dil - dal dil dal dil “
Entnommen dem Buch: Franz Brentano Rätsel - she. Internet-Tipp!
PS Es können natürlich auch andere ForistInnen mitraten. bzw. den Text wie beschrieben ergänzen. :-))
Internet-Tipp: https://www.aenigmatias.de/start.html
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Elfenbein
antwortete am 02.12.06 (15:33):
Enigma -
warum forderst Du Satisfaktion - für ein Glaßbrenner-Gedicht, das Gedanken- und Wort-Freiheit fordert - und nur den Zensoren ein Schnippchen schlagen konnte, weil sie die Aufforderung an sie nicht kapierten...? Wow - mit wem identifizierst Du dich da?
*
Soll dir Glaßbrenner den krypten Brentano aufmotzen?
Glaßbrenner auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin, Zeichnung von H. Scherenberg, um 1875. Aus: Alt-Berliner Weihnacht / hrsg. von Renate Steinchen. - Berlin : Argon Verlag, 1994, S. 2
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/A3zAoE34Z
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Enigma
antwortete am 02.12.06 (16:12):
Nein, so ist es nicht gemeint, sondern Satisfaktion i.S.v. Zufriedenstellung, weil Glaßbrenner im Grunde ja auch raten ließ.
Die "Satisfaktion" sollte auch mehr oder weniger ein Witz sein.
In Ordnung?
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Elfenbein
antwortete am 03.12.06 (09:56):
... war es Musenpost wie die für einen Pharao, der seiner Geliebte viel Kummer machte?
Oh, Pharao! Der trug ein Seidenhemd seiner Geliebten, statt eines Wamses. Ob bei Regen, bei Sonne, er war der schnieke Ramses! Der Leibarzt warnt ihn sehr, doch fand er kein Gehör. Als Pharao verschied, sprach er: "Wow, nu ham Se's!"
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Ramses, vertrocknet, im Grab, ohne Wams! (Vorsicht!)
Internet-Tipp: https://www.fam-reim.de/Ramses/Images/Ramses5.JPG
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hl
antwortete am 03.12.06 (10:59):
Seele des Lebens
Verfall, der weich das Laub umdüstert, Es wohnt im Wald sein weites Schweigen. Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen. Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.
Der Einsame wird bald entgleiten, Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden. Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden, Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.
Der blaue Fluß rinnt schön hinunter, Gewölke sich am Abend zeigen; Die Seele auch in engelhaftem Schweigen. Vergängliche Gebilde gehen unter.
Georg Trakl
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hl
antwortete am 03.12.06 (11:02):
:-)
Was sagt' der Herbst der Ros' ins Ohr
Was sagt' der Herbst der Ros' ins Ohr, daß sie die Munterkeit verlor? Er mahnt' sie an die Nichtigkeit der Treue, die der Lenz ihr schwor. Sie reißt entzwei den Schleier, den sie nahm, als er zur Braut sie kor; Und wie sie bleich vom Throne sinkt, erseufzt der Nachtigallen Chor. Wer brach entzwei das Lilienschwert? So blank geschliffen war's zuvor. Die Tulp' entfloh so eilig, daß den Turban sie am Weg verlor. Beschämt senkt der Jasmin sein Haupt, weil ihm der Ost die Locken schor. Es streut der Wind mit voller Hand von Bäumen Blättergold empor. Das dürre Laub schwirrt durch die Luft wie Fledermäus' aus Gräbertor. Das Totenlied der Schöpfung spielt der Herbstwind auf geknicktem Rohr. Die finstre Tanne trägt den Schnee wie weißen Bund ums Haupt ein Mohr. Der Berg nahm weißen Hermelin, weil ihm die nackte Schulter fror. O sieh des Jahrs Verwüstung an und hole frischen Wein hervor! Die Sonne sandt' uns, eh sie wich, den jungen Most ins Haus zuvor, Daß er uns leucht' an ihrer Statt, wann ihre Kraft dämpft Wolkenflor. Sieh, wie des Wintergreises Grimm des Frühlingskindes Hauch beschwor. Er weckt in Bechertönen ein' verzaubert' Nachtigallenchor, Und trunkne Blicke sich ergehn auf schöner Wangen Rosenflor. Du trink, und seufz' im Winter nicht; denn auch im Frühling seufzt ein Tor.
Friedrich Rückert Aus den Nachdichtungen zum Diwan des Hafis
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Marina
antwortete am 03.12.06 (13:07):
Das Lachen Höre oh Freund und Bruder: Wenn Du ein Kamel hast, so habe acht, es langsam zu führen, denn du musst an seine weichen Füsse denken, denen die harten Bergwege Schmerz bereiten, da sie an den weichen Wüstensand gewohnt sind. Wenn du ein Pferd hast, lasse dich leicht sein auf seinem Rücken, dass es dich wie eine Wolke fühle und daher fliege gleich dem Wind. Wenn du einen Gedanken hast, oh Freund und Bruder, so lasse ihn leise schreiten, mit des Kamels weichen Füssen, lasse ihn daherbrausen mit des edlen Pferdes heisser Hast und bleibe du selbst verborgen wie in einer Wolke. Wenn du aber in deinem Geiste eine wunderbare Lüge birgst, so mache aus ihr ein Gedicht oder ein Lachen oder beides, und reite schnell, sehr schnell - denn wer ein Lachen bringt mit dem Atem einer Lüge, bringt ein Geschenk.
Elsa Sophia von Kamphoevener
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Enigma
antwortete am 04.12.06 (08:29):
Marie von Ebner-Eschenbach
Sankt Peter und der Blaustrumpf Ein Weiblein klopft an's Himmelsthor, Sankt Peter öffnet, guckt hervor: - »Wer bist denn du?« - »Ein Strumpf, o Herr ...« Sie stockt, und milde mahnet er: »Mein Kind, erkläre dich genauer, Was für ein Strumpf?« »Vergieb - ein blauer.« Er aber grollt: »Man trifft die Sorte Nicht häufig hier an unsrer Pforte. Seid samt und sonders freie Geister, Der Teufel ist gar oft nicht dreister, Geh hin! er dürfte von dir wissen, Der liebe Herrgott kann dich missen.« - »Das glaub ich wohl - doch ich nicht Ihn, O Heilger, wolle noch verziehn!« Sie wagt es, sein Gewand zu fassen, Hat auf die Knie sich sinken lassen: »Du starker Hort, verstoß mich nicht, Laß blicken mich in's Angesicht Des Ewgen, den ich stets gesucht.« - »In welcher Weise, ward gebucht; Man strebt ihm nach, wie's vorgeschrieben, Du bist uns fern und fremd geblieben.« Das Weib blickt flehend zu ihm auf: »Wär dir bekannt mein Lebenslauf, Du wüßtest, daß in selgen Stunden Ich meinen Herrn und Gott gefunden.« Der Pförtner stutzt: »Allwo? - Sprich klar!« - »Daselbst, wo ich zu Hause war, (Mein Handwerk brachte das mit sich) Im Menschenherzen. Wunderlich War dort der Höchste wohl umgeben; Oft blieb von seines Lichtes Weben Ein glimmend Fünklein übrig nur Und führte doch auf Gottes Spur. Ob er sich nun auf dem Altare Den Frommen reicher offenbare - Das zu entscheiden ist dein Amt: Bin ich erlöst? bin ich verdammt?« Sankt Peter zu derselben Frist Etwas verlegen worden ist, Dacht eine gute Weile nach, Nahm endlich doch das Wort. Er sprach Und rückt dabei den Heilgenschein: »Besprich es drin - ich laß dich ein.«
:-)
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Marina
antwortete am 05.12.06 (12:07):
Immer wieder
Der Winter ging, der Sommer kam. Er bringt aufs neue wieder den vielbeliebten Wunderkram der Blumen und der Lieder.
Wie das so wechselt Jahr um Jahr, betracht ich fast mit Sorgen. Was lebte, starb, was ist, es war, und heute wird zu morgen.
Stets muß die Bildnerin Natur den alten Ton benützen in Haus und Garten, Wald und Flur zu ihren neuen Skizzen.
Wilhelm Busch
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Enigma
antwortete am 06.12.06 (17:22):
Ob du der alte Heine bist? Ich wüßt’ es nicht zu entscheiden; Doch sicher ist’s: Du bist immer neu – Das mag ich eben leiden.
Die Träne rollt dir noch vom Aug’, Und wie in früheren Zeiten; Du hast die alte Grazie, Und Kraft und Lust zu streiten.
Und wenn du über Deutschland schimpfst, So kommt’s dir aus dem Herzen; Ach, was wir lieben, das macht uns ja Die ungeheuersten Schmerzen
Eduard von Bauernfeld (13.1.1802 Wien – 9.8.1890 Wien)
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lola
antwortete am 10.12.06 (10:52):
ein muslimisches Liebesgedicht von einer Frau, die im 8.Jahrhundert in der irakischen Stadt Basra lebte. Aus der Welt der persönlichen Gottsuche und der Mystik in der Liebe - als Liebe Gottes zum Menschen und als Liebe des Menschen zu Gott -
" Auf zweifache Weise liebe ich Dich:in selbstischer Hingabe oder weil Du dessen wert bist. Selbstische Hingabe heißt, daß ich aufgehe im Gedenken an Dich, fern von allem außer Dir. (Liebe) aber, die Deiner wert ist, heißt, daß Du die Schleier hebst, so daß ich Dich schaue. Weder das eine noch das andere ist mein Verdienst; für beides gehört Dir aller Preis!"
Wiedergegeben von Josef van Ess: Islamische Perspektiven.
Gruß von lola.
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Elfenbein
antwortete am 10.12.06 (11:16):
Liebeslied (wie es bei zigeunerisch Lebenden beheimatet ist...)
Werd' ich einen Liebsten haben, Will ich dann ein Brünnlein graben; Kommt ein Fremder hier vorüber, Fließ' es trüb und immer trüber; Will er trinken, dann, o Quelle, Rasch versiege deine Welle; Will mein Liebster Wasser haben, Dann sollst du ihn köstlich laben, Dann verwandle, klare Quelle, Rasch in Wein sich deine Welle! * (Liebeslied der Zigeuner) *
Aus: Der Völker Liebesgarten
Internet-Tipp: https://www.deutsche-liebeslyrik.de/liebesgarten/liebesgarten.htm
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Enigma
antwortete am 10.12.06 (14:09):
Wenn ich dich frage
Ob du mal meine Hand halten würdest Nur so Nur so zum Spaß Nur so, damit es nicht so kalt ist Dem kleinen, dem Ring-, dem Mittel-, dem Zeige-, dem Daumenfinger Nur so, weil ich dann aufhöre zu fragen Sagst du sicher Nein Weil du das immer sagst Wenn ich dich frage Ob du mal meine Hand halten würdest Nur so Nur so zum Spaß Vor den anderen Vor den anderen Mädchen, den anderen Jungs, den anderen eben Wenn du mal meine Hand halten würdest Nur so Nur so zum Spaß Wäre das ja auch kein Spaß mehr Kein einfaches Warmhalten von Daumen-, Zeige-, Mittel-, Ring- und kleinem Finger Dann wäre das ja Das wäre dann ja einer Bitte entsprechen und das wäre Schlecht Schlecht wäre das Schlecht wäre das, dem Wunsch nachkommen, der Bitte entsprechen Ganz schlecht Vor den anderen, den anderen, den anderen eben Ich bin gar nicht mehr glücklich Nicht mehr glücklich mit dir, nicht mehr glücklich mit mir Ja, ganz unglücklich mit dir, ganz unglücklich mit mir Ganz schlecht Ganz schlecht und unglücklich bin ich Kein Spaß Ja, ich weiß Das ist kein Spaß mit kalten Fingern
Nora-Eugenie Gomringer
Aus: Sag doch mal was zur Nacht. Mit Audio-CD Erschienen bei: Voland & Quist - 03/200
Freundliche Erlaubnis der Autorin zum Einstellen hier liegt vor. Zur Homepage von Frau Gomringer - she. Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.noragomringer.de/
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kropka
antwortete am 12.12.06 (14:03):
Diesen Winter
als du kamst, und ich Mandarinenschalen verbrannte und dich fragte Wo bist du gewesen? als ich ein Badetuch um deine Schultern legte und sagte Ich will es nicht wissen als ich lächelte und die schwarze Schleife in deinem Haar löste als du sagtest Ich auch
Von Volker Sielaff
(Postkarte für Nofretete. Zu Klampen Verlag, Springe 2003)
© 2006 Deutschlandradio https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/
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Enigma
antwortete am 13.12.06 (11:10):
MYLADY mit dem blauen hut H.C. Artmann
MYLADY mit dem blauen hut, ich finde sie so äußerst chic, ihr angewandter silberblick, der fest auf meinem frischen frackhemd ruht, geht mir wie amors pfeil durchs blut.
die jazzband dudelt im savoy, man tanzt den english waltz, den fox, im whisky klirren kühl die rocks, ich hoff, madame, sie bleiben mir doch treu, klopf an das stuhlbein, toi, toi, toi!
sie rauben mir perfekt die ruh, wie klimpern ihre wimpern keck, madame, ich bin vor liebe weg, der ober drückt bereits ein auge zu, mir sinkt das herz bis in die schuh.
ich bin bekannt mit vielen fraun und mit den meisten kaum per sie, ein tête à tête, ein vis à vis, und mir ist auch schon nimmermehr zu traun, wenn sie aus schönen augen schaun.
jedoch vor ihnen bin ich scheu, pardon, ich staune über mich, das läuft mir förmlich gen den strich, mir ist das wirklich gar nicht einerlei, so sie und ich hier im savoy.
mylady mit dem blauen hut, wie kann denn sowas möglich sein, trotz curaçao, chartreuse und wein verlier ich plötzlich meinen ganzen mut vor ihrer blicke heißer glut. ;-)
1975 Residenz Verlag Salzburg Aus: Aus meiner Botanisiertrommel. Balladen und Naturgedichte she. auch Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.lyrikline.org/index.php?id=162&L=0&author=ha00&show=Poems&poemId=41&cHash=4947e7a57d
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kropka
antwortete am 13.12.06 (15:21):
;-)
was ich vor allem misse, astronom du, sternenarchitekt der silben, ist der klang deiner stimme
H. C. Artmann a tribute to ernst jandl
Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/
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kropka
antwortete am 13.12.06 (15:30):
Ich starb 6840 Meter über dem Meeresspiegel am vierten Mai im Jahr des Pferdes. Der Ort meines Todes lag am Fuß einer eisgepanzerten Felsnadel, in deren Windschatten ich die Nacht überlebt hatte. Die Lufttemperatur meiner Todesstunde betrug minus 30 Grad Celsius, und ich sah, wie die Feuchtigkeit meiner letzten Atemzüge kristallisierte und als Rauch in der Morgendämmerung zerstob. Ich fror nicht. Ich hatte keine Schmerzen. Das Pochen der Wunde an meiner linken Hand war seltsam taub. Durch die bodenlosen Abgründe zu meinen Füßen trieben Wolkenfäuste aus Südost. Der Grat, der von meiner Zuflucht weiter und weiter bis zur Pyramide des Gipfels emporführte, verlor sich in jagenden Eisfahnen, aber der Himmel über den höchsten Höhen blieb von einem so dunklen Blau, daß ich darin Sternbilder zu erkennen glaubte: den Bärenhüter, die Schlange, den Skorpion. Und die Sterne erloschen auch nicht, als über den Eisfahnen die Sonne aufging und mir die Augen schloß, sondern erschienen in meiner Blendung und noch im Rot meiner geschlossenen Lider als weiß pulsierende Funken. Selbst die Skalen des Höhenmessers, der mir irgendwann aus dem Klumpen meines Handschuhs gefallen und in die Wolken hinabgesprungen war, blieben wie eingebrannt in meine Netzhaut: Luftdruck, Meereshöhe, Celsiusgrade . . .
CHRISTOPH RANSMAYR
1 Auferstehung in Kham. Östliches Tibet, 21. Jahrhundert.
(Leseprobe: Der fliegende Berg, Roman, 2006, S. Fischer)
Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/
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Enigma
antwortete am 15.12.06 (11:14):
Das Ende vom Lied ... Ich säh Dich gern noch einmal, wie vor Jahren zum erstenmal. - Jetzt kann ich es nicht mehr. Ich säh Dich gern noch einmal wie vorher, als wir uns herrlich fremd und sonst nichts waren.
Ich hörte Dich gern noch einmal wieder fragen, wie jung ich sei ... was ich des abends tu - und später dann im kaumgeborenen "Du" mir jene tausend Worte Liebe sagen.
Ich würde mich so gerne wieder sehnen, Dich lange ansehn stumm und so verliebt - und wieder weinen, wenn Du mich betrübst, die viel zu oft geweinten dummen Tränen.
Das alles ist vorbei. .. Es ist zum Lachen! Bist Du ein anderer oder liegts an mir? Vielleicht kann keiner von uns zweien dafür. Man glaubt oft nicht, was ein paar Jahre machen.
Ich möchte wieder Deine Briefe lesen, die Worte, die man liebend nur versteht. Jedoch mir scheint, heut ist es schon zu spät. Wie unbarmherzig ist das Wort: "Gewesen!"
Mascha Kaléko
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kropka
antwortete am 16.12.06 (14:21):
Täglich zu singen
Ich danke Gott, und freue mich wie’s Kind zur Weihnachtsgabe, dass ich bin, bin! Und dass ich dich, schön menschlich Antlitz! habe.
Dass ich die Sonne, Berg und Meer, und Laub und Gras kann sehen, und abends unterm Sternenheer und lieben Monde gehen.
Und dass mir dann zumute ist, als wenn wir Kinder kamen, und sahen, was der heil’ge Christ Bescheret hatte, Amen!
Ich danke Gott mit Saitenspiel, dass ich kein König worden; ich wär geschmeichelt worden viel und wär vielleicht verdorben.
Auch bet ich ihn von Herzen an, dass ich auf dieser Erde nicht bin ein großer reicher Mann, und auch wohl keiner werde.
Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht, hat mancherlei Gefahren, und vielen hat’s das Herz verdreht, die weiland wacker waren.
Und all das Geld und all das Gut gewährt zwar viele Sachen; Gesundheit, Schlaf und guten Mut kann’s aber doch nicht machen.
Und die sind doch, bei Ja und Nein! ein rechter Lohn und Segen! Drum will ich mich nicht groß kastein des vielen Geldes wegen.
Gott gebe mir nur jeden Tag, soviel ich darf zum Leben. Er gibt’s dem Sperling auf dem Dach; wie sollt er’s mir nicht geben!
Matthias Claudius (1740-1815)
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Marina
antwortete am 16.12.06 (14:59):
Der Glanz der Weihnacht
Lichterschläuche, Lampen, Sterne, grell bestückt ist jeder Strauch. Immer bunter und recht gerne ziert man Häuser-Kanten auch.
Form und Farbe in der Klarheit scheiden den Geschmack durchaus, doch wie sieht die Wahrheit hinter den Fassaden aus?
Weihnachtsmann, stets rot, mit Schlitten. – Wer weiß noch, dass dieses Stück einer Werbung ist entglitten? Coca-Colas „Kunden-Glück“.
Nikolaus von Myra, heilig. – Ist er das, der alte Mann? Viel Geschenke bringt das Christkind. -?- Grenzen fließen dann und wann.
Bethlehem in diesen Tagen: Palästina / Heil’ges Land. – Niemand hier um nachzufragen, was man dort vor Zeiten fand?
Es war Christus, Kind und Sieger, Herrscher über Tod und Zeit! Und kein Festtagssinn-Verbieger wie wir Menschen weit und breit.
Darum lasst uns neu beginnen, wohl zu feiern den Advent: Ankunft, Weihnacht. Tief von innen. Licht ist da. – Am Firmament.
Ulrich-Georg Loth
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Enigma
antwortete am 18.12.06 (08:39):
Da sprach der Landrat unter Stöhnen: "Könnten Sie sich an meinen Körper gewöhnen?" Und es sagte ihm Frau Kaludrigkeit: "Vielleicht. Vielleicht. Mit der Zeit...mit der Zeit..." Und der Landrat begann allnächtlich im Schlafe Laut zu sprechen und wurde ihr Schklafe. Und er war ihr hörig und sah alle Zeit Frau Kaludrigkeit - Frau Kaludrigkeit!
Und obgleich der Landrat zum Zentrum gehörte, wars eine Schande, wie daß er röhrte; er schlich der Kaludrigkeit ums Haus... Die hieß so - und sah ganz anders aus: Ihre Mutter hatte es einst in Brasilien Mit einem Herrn der bessern Familien. Sie war ein Halbblut, ein Viertelblut: Nußbraun, kreolisch; es stand ihr sehr gut. Und der Landrat balzte: Wann ist es soweit? Frau Kaludrigkeit - Frau Kaludrigkeit!
Und eines Abends im Monat September War das Halbblut müde von seinem Gebember Und zog sich aus. Und sagte: "Ich bin..." Und legte sich herrlich nußbraun hin. Der Landrat dachte, ihn träfe der Schlag! Unvorbereitet fand ihn der Tag. Nie hätt er gehofft, es noch zu erreichen. Und er ging hin und tat desgleichen.
Pause
Sie lag auf den Armen und atmete kaum. Ihr Pyjama flammte, ein bunter Traum. Er glaubte, ihren Herzschlag zu spüren. Er wagte sie nicht mehr zu berühren... Er sann, der Landrat. Was war das, soeben? Sie hatte ihm alles und nichts gegeben. Und obgleich der Landrat vom Zentrum war, wurde ihm eines plötzlich klar: Er war nicht der Mann für dieses Wesen. Sie war ein Buch. Er konnt es nicht lesen. Was dann zwischen Liebenden vor sich geht, ist eine leere Formalität.
Und so lernte der Mann in Minutenfrist, daß nicht jede Erfüllung Erfüllung ist. Und belästigte nie mehr seit dieser Zeit Die schöne Frau Inez Kaludrigkeit.
Kurt Tucholsky
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kropka
antwortete am 18.12.06 (13:41):
https://www.rammstein-europe.com/main.php?sekce=lyrics&l=en
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Rammstein
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Elfenbein
antwortete am 18.12.06 (16:03):
@ Kropka! Bitte, nach welchen Kriterien oder Gefühlen stellst du hier "Ramm(el)stein" vor?? Wg. der Musik - wg. der Texte? Wg. der Lautstärke? Wg. der diffusen Metaphorik?
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hl
antwortete am 18.12.06 (16:16):
Lieder/Songs sind gesungene Gedichte und Rammstein singt sehr schöne Texte.
Leider muss das wohl wieder gelöscht werden, weil es sonst bösen Ärger wegen der Urheberrechte geben kann.
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Enigma
antwortete am 18.12.06 (19:39):
Die Lyrics von Rammstein gefallen mir auch meist, besser jedenfalls als die Musik (ja, ich weiß und akzeptiere, dass das persönlicher Geschmack ist). :-) Aber von ihm gefallen mir auch die Texte - she. Internet-Tipp!
Und - neben den Anmerkungen - auch noch ein Gedicht, und da bin ich ziemlich sicher, dass es hier LiebhaberInnen hat... :-)
Beeilt euch, ihr Stunden
Beeilt euch, ihr Stunden, die Liebste will kommen. Was trödelt, was schleppt ihr, was tut ihr euch schwer? Herunter da, Sonne, und Abschied genommen. Verstehst du nicht, Tag, man verlangt dich nicht mehr.
Mit seinen Droschken und Schwalben und Hunden Wird mir das ganze Leben zum Joch. Schluß mit Geschäften. Beeilt euch, ihr Stunden. Und wärt ihr Sekunden, ich haßte euch noch.
Ich kann nicht erwarten, den staunenden Schimmer In ihrem zärtlichen Auge zu sehn. Verschwindet, ihr Stunden, am besten für immer. Die Liebste will kommen, die Welt soll vergehn.
Peter Hacks Aus: Liebesgedichte
Internet-Tipp: https://www.riolyrics.de/song/id:93
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kropka
antwortete am 18.12.06 (20:27):
@ Elfenbein! Beides! Alles!: Musik und Texte! Und meine Gefühle auch! Immer. Ich finde Rammstein mindestens so aufregend, so gut wie Nina Hagen. "Enigma sprach" von der Liebe, ich auch. Hast übersehen? Manchmal passe ich mich auch thematisch an. Und... ist Franz Xaver Kroetz h i e r erlaubt? Erlaubst du es?? Diesen liebe ich auch! So sehr wie Handke! :-)
Zwei Drittel Lebens sind getan. Ich steh am letzten Bogen. Im besten Mannesalter bin ich Kind. Der Schrecken schreckt mich und das Dunkle macht mich blind. Ich lache unbegründet, weine schnell. Man soll mir Märchen sagen. Die tägliche Gemeinheit macht mich krank. Zwei Drittel Lebens sind getan. Ich steh am letzten Bogen. Ich bin dem Leben nicht gewachsen. Mein Beruf ist Kind.
Beruf Kind Von Franz Xaver Kroetz
© 2006 Deutschlandradio
Danke Enigma für Int.-Tipp.
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/572558/
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hl
antwortete am 18.12.06 (21:15):
Liebe Kropka, das hat nichts mit "erlaubt" zu tun sondern mit Urheberrecht. :-)
https://de.wikipedia.org/wiki/Urheberrecht
Wenn das nicht beachtet wird, könnte es sein (muss nicht), dass irgend ein Abmahnanwalt Forderungen an den Betreiber und Webmaster dieser Seite stellt.
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Urheberrecht
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kropka
antwortete am 18.12.06 (21:22):
ja, hl.
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kropka
antwortete am 19.12.06 (15:38):
"ich will nicht sein/ so wie ihr mich wollt"
der unerwünschte Von Ernst Jandl
ich geh ja schon er geht ja schon er ist ja schon fort er war garnicht hier er war ja überhaupt nicht hier aber hat nicht einer ich gesagt wer hat denn da ich gesagt ich hab ich gesagt da ist er ja immer noch ich geh ja schon
(poetische werke, Bd. 9, Luchterhand Literaturverlag, München 1997)
dradio.de
* Ich gehe nicht. ;-)) Grüße an alle mir liebgewonnenen Dichter und Denker! kropka.
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/569518/
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Marina
antwortete am 20.12.06 (10:12):
Berliner Moritat
Herr Jottfried Knaute war een Jungjeselle Un schwermte sehr for weiblichen Vakehr. Et jingen ville Mädchen ieba seine Schwelle, Un keenen Abend war de Wohnung leer. Un jleich uff allet Foljende zu weisen: Wat a am Abend mit sich heimjebracht, Bezoch a niemals nich aus feinsten Kreisen, Weil ihn det zu vill Mihe hett jemacht.
Un eenet Morjens fand man ihn im Bette, Wat eejentlich nich sondaba aschien, Wenn a nur noch normal jeatmet hette. So aba fand man bloß als Leiche ihn. Um seene Jurgel war een Strump jeschlungen. Een schwarza Damenstrump aus dinnem Flor. Denn war ihm noch wat in den Kopp jedrungen, Dem Dokta kam's wie eene Beilspur vor.
De Kostbarkeeten waren alle flitisch Un ooch da Wein, den a so jern jenoß, Denn noch det Jeld, woraus janz foljerichtich De Kommission uff eenen Raubmord schloß. Zum Jlick konnt de Portiöhsfrau sich besinnen, Det eene von de Damens Lola hieß, Un de Rescherschen konnten jleich bejinnen, Bis man ooch bald uff Lola Lemke stieß.
Da Lola half nich Reden un nich Schweijen. In ihre Stube stand da Kommisar Un ließ sich ihre janzen Strimpe zeijen, Un richtig fehlte eena zu een Paar.
Een schwarza Damenstrump aus dinnem Flore, Jleich dem, den man um Knautes Jurgel fand. Denn fand man ooch de andere Kabohre: Den Ring, de Uhr un sonst noch allahand.
Da Lude Lolas war da Blattern-Fritze. A jing in de Kaschemme dann vaschütt, Bis bald darauf in des Vahöres Hitze Ihm een Jeständnis aus dem Munde jlitt. Un tachs darauf saß a im jrinen Wagen Un fuhr mit Lola hin nach Mojabit. Wat sich denn weita allet zujetragen, Een jeda aus de neiste Zeitung sieht.
Leo Heller
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kropka
antwortete am 20.12.06 (11:56):
Jeden Tag ein neues Lied! Der tönende Adventskalender auf ZEIT online.. Z.B. war der 16.12.06 ein wundervoller Tag!... (Hören Sie "Wenn du willst" - und der Winterspaziergang durch Leipzigs graue Seitenstraßen wird zum glamourösen Abenteuer)... https://apollo.zeit.de/redirects/play_mm.php?to=https://medien.zeit.de/ medialinks/ak-brokdorff-wennduwillst.mov&height=280&width=400
Internet-Tipp: https://gewinnspiele.zeit.de/advent/popup.html
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kropka
antwortete am 20.12.06 (12:05):
es tut mir leid.. ein versehen! das gehört natürlich zur thema: advent advent..
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kropka
antwortete am 24.12.06 (08:38):
Zum 24. Dezember 1890
Noch einmal ein Weihnachtsfest. Immer kleiner wird der Rest, Aber nehm' ich so die Summe, Alles Grade, alles Krumme, Alles Falsche, alles Rechte, Alles Gute, alles Schlechte - Rechnet sich aus all dem Braus Doch ein richtig' Leben 'raus. Und dies können ist das Beste Wohl bei diesem Weihnachtsfeste.
Theodor Fontane (1819-1898)
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Enigma
antwortete am 28.12.06 (16:08):
Erfolg.
Herr Sensatore, Ihr Roman Bricht flott sich Bahn, Macht viel furore, Dieweil er so beweglich, So nervaufreglich, So bunt, so frei Und auch so Leih- Bibliotbeklich.
Zweiseitig.
Nach neben, wenn Vortheil riechend, Nach oben jederzeit kriechend, Nach unten grob und roh –: Manch' ein Beamter ist so; Auch ein Minister, Mitunter so ist er.
beides von: Friedrich Theodor Vischer ;-)
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Enigma
antwortete am 05.01.07 (20:17):
Das Geschehene schläft in mir Ich lege mir Ketten um geschenkte trojanische Sätze und die Sprache in die ich gekleidet war rannte der Katze nach über die Dächer ließ mich mit logistischen Sorgen allein Wohin mit diesen Erinnerungen an Gelesenes und Ungelesenes und was war eigentlich mit der Realität Ich hörte daß es im Dorf laut geworden war wegen all der Leute vom Film die etwas über den Regen machen wollten Ich nahm die Ketten ab überlegene fiese Geschenke und die Gedanken die sich verhakt hatten bekamen wieder frisch Luft Sämtliche Bücher begannen zu schnurren Die Wohnung stand plötzlich voll mit gepolsterten Körbchen Das war friedlich und ich fand auch die passende Frage dazu Möchtest du herkommen
Silke Scheuermann Aus: Der zärtlichste Punkt im All. Gedichte
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Silke_Scheuermann
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Enigma
antwortete am 09.01.07 (07:52):
Hallo kropka,
wie Du schon sagst, die beiden sind wunderbare Poeten, in deren HPs ich auch schon rumgelesen habe (sie haben beide eine im Netz).
Und nun komme ich mit einem, der auch eine besondere Art hat: :-)
Wunder der unsichtbaren Welt
Wein, der Lippen und Zunge blutig färbt, Dann deine halb geflüsterte Geschichte, Wie junge Hexen Einst in Nächten wie dieser Auf Ehemännern durch den Himmel ritten.
Die Sterne waren wie brennende Kerzen Allein auf der Wanderschaft, Und der neblige Wald Ein weiß fließendes Nachtgewand. Als steckte uns erst gestern, sagte ich, Der Alte Samiel in ein Bett aus toten Blättern.
Du wurdest zu einer schwarzen Katze, Und auf allen vieren lief ich dir nach In eine Kirche - oder war es ein Wohnzimmer, Wohin ein Hund uns jagte, Der, den wir im Dorf jetzt bellen hören.
Charles Simic Aus: Mein lautloses Gefolge. Gedichte
Einige Gedichte von Simic sind als Leseprobe beim Hanser-Verlag zu finden - she. Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://specials.hanser.de/lyrik-kabinett/3-446-20772-4/index.htm
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kropka
antwortete am 09.01.07 (10:28):
Danke Enigma,
In der ZEIT fand ich Simic Biografie: https://www.zeit.de/marktplatz/hanser/simic_biografie und einige Gedichte:
https://www.zeit.de/marktplatz/hanser/index
"Den Träumen" Gedicht hat mir sehr gut gefallen!
Den Träumen Ich wohne immer noch an sämtlichen alten Adressen, Trage selbst im Haus eine dunkle Brille ... Von Charles Simic
Ich wohne immer noch an sämtlichen alten Adressen, Trage selbst im Haus eine dunkle Brille, Teile mein Bett insgeheim Mit Phantomen, gehe nach Mitternacht In die Küche und kontrolliere den Wasserhahn. Ich komme zu spät zur Schule, und wenn ich dort bin, Scheint mich niemand zu erkennen. Ich sitze da, verstoßen, einsam und in mich gekehrt.
Diese kleinen Läden, wo ich meine bescheidenen Einkäufe mache, öffnen erst abends, Diese Hinterhofkinos in schäbigen Vierteln zeigen Immer noch unscharfe Filme von meinem Leben. Der Held, ständig voll extravaganter Hoffnungen, Verliert am Ende alles? – was es auch war – Geht dann hinaus in das kalte, ungläubige Licht Und wartet schmallippig am Ausgang.
Aus dem Englischen von Wiebke Meier
© Hanser Verlag 2006
https://www.zeit.de/marktplatz/hanser/index
auch sein Gedicht "Die heimliche Lehre" Psst, psst, psst, Sagt der Schnee Dem stillen Wald ... mag ich sehr gerne.
Ich lese, Simic war auch Gast beim Internationalen Literaturfestival 2001 in Berlin:
https://www.literaturfestival.com/bios1_1_6_642.html
Internet-Tipp: https://www.zeit.de/marktplatz/hanser/index
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Enigma
antwortete am 10.01.07 (08:11):
Ja, die gefallen mir auch beide sehr gut.
Petr Borkovec Die Couch
Als ich erfuhr, dass Jirí gestorben war (zwei Telegramme kamen aus Karlsbad, eines, er lebe nicht mehr, das zweite, man hätte ihn obduziert), setzte ich mich, ich weiß nicht wie, im Zimmer in den Fauteuil und starrte auf die Couch vor mir und sah, dass sie blau war, sah, dass sie evident blau war, und wiederholte für mich: Sie ist blau, blau, das sieht doch ein jeder – denn von dem Tag an, als wir sie hergebracht hatten, konnten wir uns nie über ihre Farbe einigen, Jirí sprach immer von einem eigenartigen Grün. Ich saß wie vor den Kopf geschlagen da in dem Zimmer und sagte in einem fort: Wie konntest du so blind sein, diese Couch ist doch von blauestem Blau, nein, das hättest du nicht tun dürfen, du hättest mir nicht sagen dürfen, dass sie grün ist. Dann hörte ich mich voll Entsetzen selber, und brach, als wäre ich erwacht, in schreckliches Weinen aus.
aus: Petr Borkovec: Feldarbeit. Gedichte. Zweisprachig. Aus dem Tschechischen von Christa Rothmeier. Wien: Edition Korrespondenzen 2001.
She. auch Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.radio.cz/de/artikel/39895
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kropka
antwortete am 12.01.07 (10:43):
Die Schneelast drückt gewaltig auf die Zweige des Essigbaums schau
Welche Schwerter liegen frei auf den Feldern wenn wir spazierengehn? Ich bin sicher Hand in Hand läßt sich alles tun Engelchen flieg
Engelchen stirb Dies ist nur eine Unterhaltung wenn wir spazierengehn über dies und jenes ich weiß und du jetzt auch Alles mögliche
ist vergangene Woche passiert Letztes Jahr bogen sich links am Waldrand die Bäume in Schneelast Wir haben unseren Standfestigkeitsnachweis
gebracht finde ich in den vergangenen geglückten Sommern Ich schaue immer in die Luft wenn du sagst
wir kommen wieder einmal sicher durch den Vollmond Laß uns einen Urlaub planen diesmal weiter in die Sonne noch näher hin
Das wäre doch fast schon als legten wir uns hier in der Junihitze miteinander lachend ins wilde Bett
in den Acker Ich sage Darling du sagst auch Darling Die Schwerter lächeln uns zu niemand hebt eines auf Ich behaupte wir werden zusammen alt
Silke Scheuermann
Aus: Der Tag an dem die Möwen zweistimmig sangen Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001 https://www.lyrikline.org/
Internet-Tipp: https://www.zeit.de/2007/03/L-Scheuermann?page=all
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Elfenbein
antwortete am 12.01.07 (19:06):
... wie aus einer anderen Welt. Ob aus der Kindheit des Autors?
Thomas Böhme:
NIEDRIGE HÄUSER sind es, in denen das Glück wohnt. Der Salzstreuer auf dem Tisch ist gefüllt. Licht brennt, und der Geruch von Pfeifentabak zieht durch die Räume. Der Wein hat Aroma und Farbe der heimischen Böden. An der Wand eine Spinne, nein zwei, und die Schutzheiligen wachen in ihren Nischen, in den Ställen rumort das Vieh. Der Wind, der vom Meer kommt, trägt die Namen längst vergessener Götter wieder an Land.
Flache Dächer, vom Rauch der Kamine geschwärzt, ein klappriger Lieferwagen lehnt an der Mauer. Das Radio bringt Nachrichten in einer fremden Sprache, nachdem die vertraute Musik plötzlich abbricht. Die Kinder schlafen jetzt, und die Liebenden warten, daß auch die Alten zu Bett gehn. Die Kerzen sind runtergebrannt. An den Fenstern klappern die Läden, die Treppe knarrt. Die Stiefel stehen neben der Tür. * (Thomas Böhme: Nachklang des Feuers. Druckhaus Galrev 2005; wegen des Abdrucks für ST habe ich angefragt.)
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Enigma
antwortete am 14.01.07 (21:13):
Es sei mir verziehen, wenn ich dieses Gedicht, das ich sehr schön finde, hier auf Englisch einsetze. Aber ich habe leider keine passende Übersetzung. Vielleicht hat die ja jemand??
A Game of Chess The Chair she sat in, like a burnished throne, Glowed on the marble, where the glass Held up by standards wrought with fruited vines From which a golden Cupidon peeped out (Another hid his eyes behind his wing) Doubled the flames of sevenbranched candelabra Reflecting light upon the table as The glitter of her jewels rose to meet it, From satin cases poured in rich profusion. In vials of ivory and colored glass, Unstoppered, lurked her strange synthetic perfumes, Unguent, powdered, or liquid--troubled, confused And drowned the sense in odors; stirred by the air That freshened from the window, these ascended In fattening the prolonged candle-flames, Stirring the pattern on the coffered ceiling. Huge sea-wood fed with copper Burned green and orange, framed by the coloured stone, In which sad light a carvèd dolphin swam. Above the antique mantle was displayed As though a window gave upon the sylvan scene The change of Philomel, by the barbarous king So rudely forced; yet there the nightingale Filled all the desert with inviolable voice And still she cried, and still the world pursues, "Jug Jug" to dirty ears. And other withered stumps of time Were told upon the walls; staring forms Leaned out, leaning, hushing the world enclosed. Footsteps shuffled on the stair. Under the firelight, under the brush, her hair Spread out in fiery points Glowed into words, then would be savagely still. 'My nerves are bad tonight. Yes, bad. Stay with me. 'Speak to me. Why do you never speak. Speak. 'What are you thinking of? What thinking? What? 'I never know what you are thinking. Think.' I think we are in rats' alley Where the dead men lost their bones. 'What is that noise?' The wind under the door. 'What is that noise now? What is the wind doing?' Nothing again nothing. 'Do 'You know nothing? Do you see nothing? Do you remember 'Nothing?' I remember Those are pearls that were his eyes. 'Are you alive, or not? Is there nothing in your head?' But that Shakespeherian Rag-- It's so elegant So intelligent 'What shall I do now? What shall I do?' 'I shall rush out as I am, and walk the street 'With my hair down, so. What shall we do tomorrow? 'What shall we ever do?' The hot water at ten. And, if it rains, a closed car at four. And we shall play a game of chess, Pressing lidless eyes and waiting for a knock upon the door. When Lil's husband got demobbed, I said--
Fortsetzung!
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Enigma
antwortete am 14.01.07 (21:17):
Fortsetzung! I didn't mince my words, I said to her myself, HURRY UP PLEASE IT'S TIME Now Albert's coming back, make yourself a bit smart. He'll want to know what you done with that money he gave you To get yourself some teeth. He did, I was there. You have them all out, Lil, and get a nice set, He said, I swear, I can't bear to look at you. And no more can't I, I said, and think of poor Albert. He's been in the army four years, he wants a good time. And if you don't give it him, there's others will, I said. Oh is there, she said. Something o' that, I said. Then I'll know who to thank, she said, and give me a straight look. HURRY UP PLEASE IT'S TIME If you don't like it you can get on with it, I said. Others can pick and choose if you can't. But if Albert makes off, it won't be for lack of telling. You ought to be ashamed, I said, to look so antique. (And her only thirty-one.) I can't help it, she said, pulling a long face, It's them pills I took, to bring it off, she said. (She's had five already, and nearly died of young George.) The chemist said it would be all right, but I've never been the same. You are a proper fool, I said. Well, if Albert won't leave you alone, there it is, I said. What you get married for if you don't want children? HURRY UP PLEASE IT'S TIME Well, that Sunday Albert was home, they had a hot gammon, And they asked me in to dinner, to get the beauty of it hot-- HURRY UP PLEASE IT'S TIME HURRY UP PLEASE IT'S TIME Goonight Bill. Goonight Lou. Goonight May. Goonight. Ta ta. Goonight. Goonight. Good night, ladies, good night, sweet ladies, good night, good night.
She.auch Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Das_w%C3%BCste_Land
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yankee
antwortete am 15.01.07 (15:22):
Mein Lieblingsgedicht in Englisch ist von Robert Frost aus dem Gedichtband "New Hampshire". Der Letzte Vers ist auch bekannt geworden durch den amer. Spielfilm "Telefon".
Stopping By Woods On A Snowy Evening
Whose woods these are I think I know. His house is in the village though; He will not see me stopping here To watch his woods fill up with snow.
My little horse must think it queer To stop without a farmhouse near Between the woods and frozen lake The darkest evening of the year.
He gives his harness bells a shake To ask if there is some mistake. The only other sound's the sweep Of easy wind and downy flake.
The woods are lovely, dark and deep. But I have promises to keep, And miles to go before I sleep, And miles to go before I sleep.
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Enigma
antwortete am 15.01.07 (15:47):
Ja, Yankee, woher bist Du denn wieder aufgetaucht?? Aber schön, dass Du wieder mal da bist. :-)
Und das Gedicht von Frost ist wirklich toll. In dem Film hat - glaube ich - Charles Bronson mitgespielt...
Dann hoffe ich, dass das folgende von Frost auch gefällt, diesmal mit Übersetzung:
Robert Frost: Acquainted With The Night I have been one acquainted with the night. I have walked out in rain—and back in rain. I have outwalked the furthest city light. I have looked down the saddest city lane. I have passed by the watchman on his beat And dropped my eyes, unwilling to explain. I have stood still and stopped the sound of feet When far away an interrupted cry Came over houses from another street, But not to call me back or say good-by; And further still at an unearthly height One luminary clock against the sky Proclaimed the time was neither wrong nor right. I have been one acquainted with the night.
Robert Frost: Mit der Nacht vertraut Bin einer, der vertraut ist mit der Nacht. Ich ging im Regen aus - im Regen heim. Ging weiter als die Stadt das Licht gebracht. Ich sah der Straßen längstes Traurigsein. Ich ging an des Gesetzes Aug' vorbei Und senkt' den Blick - da ließ er mich allein. Bin still gestanden, daß es stille sei Wenn über Straßen, über Häuser weh Im Winde flog ein abgeriss'ner Schrei: Kein 'Komm zurück!' für mich und kein 'Ade!'; Und, weiter noch, wie erdenfern erdacht Am Himmel ich das Licht der Turmuhr seh': Drauf Zeit, die richtig nicht, nicht falsch gemacht. Bin einer, der vertraut ist mit der Nacht.
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Elfenbein
antwortete am 15.01.07 (16:08):
Wer zu dem Frost-Gedicht eine Übertragung lesen will - hier im Forum:
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/archiv4/a449.html
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yankee
antwortete am 15.01.07 (16:12):
Hallo Enigma, ja diese Frostgedichte passen so schön zu diesem tristen nebligen Tag. Das "Mit der Nacht vertraut" ist auch wirklich so geschrieben als würde man es selbst miterleben. Muß jetzt leider wieder los. Tschüß
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kropka
antwortete am 17.01.07 (07:41):
Lyrikmail heute: D.H. Lawrence Puma
Ansteigend durch den Januarschnee, in den Lobo-Canyon, dunkel wachsen die Fichten, blau ist der Balsam, Wasser rauscht noch ungefroren, und der Pfad ist noch deutlich.
Menschen! Zwei Männer! Menschen: Das einzige Tier auf der Welt zum Fürchten!
Sie halten inne. Wir halten inne. Sie haben ein Gewehr. Wir haben kein Gewehr.
Dann gehn wir alle weiter, aufeinander zu.
Zwei Mexikaner, Fremde, heraustretend aus dem Dunkel, dem Schnee, dem tiefen Tal des Lobo. Was machen die hier auf diesem schwindenden Pfad?
Was schleppt der eine? Etwas Gelbes. Einen Hirsch?
Que tiene, amigo? Leon -
Er lächelt, dümmlich, als wär er bei etwas Unrechtem ertappt. Und wir lächeln albern, als wüßten wir's nicht. Er ist ganz freundlich und dunkelgesichtig.
Ein Puma ist es, eine lange, lange schlanke Katze, gelb wie eine Löwin. Tot.
Heut morgen habe er sie erwischt, sagt er einfältig lächelnd.
Emporgedreht ihr Gesicht, ihr rundes, leuchtendes Antlitz, strahlend wie Frost. Ihr rundes, fein geformtes Haupt, mit zwei toten Ohren und Streifen im glitzernden Frost ihres Gesichts, scharfe feine dunkle Strahlen, dunkle, scharfgezeichnete, feine Strahlen im glitzernden Frost ihres Gesichts. Wundervolle tote Augen.
Hermoso es!
Sie gehen ins Offene hinaus; wir gehen weiter ins Duster des Lobo. Und jenseits der Bäume fand ich das Lager der Löwin, ein Loch in den blutorangeglänzenden Felsen, die aufragen, eine kleine Höhle. Und Knochen und Zweige, und einen gefahrvollen Aufstieg.
So soll sie nimmermehr diesen Pfad hinan hechten, mit dem gelben Blitz eines weiten Satzes des Berglöwen! Und ihr leuchtendes streifiges Frostantlitz wird nimmermehr lauern, aus dem Dämmer der Höhle heraus, im blutorangenen Fels, über den Bäumen der dunklen Talmündung des Lobo!
Statt dessen blicke ich nun hinaus. Hinweg über die Trübnis der Wüste, gleich einem Traum, nimmer real: zum Schnee des Sangre-de-Cristo-Gebirges, dem Eis der Berge von Picoris, und schräg gegenüber, auf dem Schnee-Abhang, zu den grünen Bäumen, die reglos im Schnee stehn wie Spielzeug zur Weihnacht.
Und ich denke, in dieser leeren Welt ist für mich und für einen Berglöwen Platz. Und ich denke, wie leicht könnten wir in der Welt da draußen auf ein oder zwei Millionen Menschen verzichten, ohne sie je zu vermissen. Doch welch eine Lücke in der Welt: wenn das weiße Frostgesicht fehlt jenes schlanken gelben Pumas!
Lobo. deutsch: Wolfgang Schlüter --- (C) 2000 Weidle Verlag aus: Vögel, Blumen und wilde Tiere Gedichte von D.H. Lawrence Aus dem Englischen übersetzt von Wolfgang Schlüter Weidle Verlag, Bonn https://www.weidle-verlag.de https://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3931135462/lyrik-21
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Enigma
antwortete am 20.01.07 (07:58):
Eifersüchtig
Verzeih! Wenn ich dir wehgetan. Verzeih! Es war nicht meine Schuld: Dass ich da bei dem anderen saß Das hat der Zufall so gewollt. Und wenn ich auch mit ihm gesprochen Man muss doch höflich sein. Warum nicht mehr Vertrauen? Wieso gleich eifersüchtig werden? Du hast mich kaum bei ihm erblickt Da hab´ ich schon erkannt Du hast verletzt den Blick gewandt Und wollt´st unglücklich sein. Deine Augen waren tränenfeucht Die Wangen ärgerrot. – Wer weiß, wie hast du mich verwünscht In deiner Herzensnot. Ich habe all dem zugeseh´n Es hat mich traurig gestimmt, Doch schön warst du in deinem Leid So schön wie nie zuvor. Und wüsste ich, dass ich dein Herz Nicht allzu sehr verletzte: Ich tät es sehr viel öfter noch Weil ich dich gerne mag. Putty (Pierre-Ernest) Stein
Mehr zu "Putty" Stein she. Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.land.lu/html/dossiers/dossier_luxemburgensia/stein_311299.html
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Elfenbein
antwortete am 22.01.07 (15:20):
Als Ergänzug zu kropkas schönem Beitrag.
Ich erinnerte mich an ein Gedicht "Die Schlange" von Lawrence. Ich habe es aber nicht in Deutsch gefunden.
Deshalb: D.H. Lawrence: Snake
Internet-Tipp: https://www.thebeckoning.com/poetry/misc/dhlawrence1.html
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kns
antwortete am 23.01.07 (11:41):
bitte um ein Hilfe: von welchem Verfasser stammt die Halbzeile "... und der Jünglinmg errötend blicket zurück ... " Dank im voraus, kNs
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Elfenbein
antwortete am 23.01.07 (12:27):
Ich glaube, du meinst aus Schillers „Lied von der Glocke“:
"Da faßt ein namenloses Sehnen Des Jünglings Herz, er irrt allein, Aus seinen Augen brechen Tränen, Er flieht der Brüder wilden Reihn. Errötend folgt er ihren Spuren, (…)"
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kns
antwortete am 23.01.07 (17:27):
Liebes Elfenbein, herzlichen Dank für die Hilfe, kns
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Enigma
antwortete am 25.01.07 (08:43):
Kürzlich bin ich auf dieses Gedicht von Wordsworth gestoßen und habe es sehr schön gefunden:
My heart leaps up when I behold A rainbow in the sky: So was it when my life began; So is it now I am a man; So be it when I shall grow old, Or let me die! The Child is father of the Man; And I could wish my days to be Bound each to each by natural piety.
William Wordsworth (1770-1850)
Als ich nach einer Übersetzung suchte, fiel mir eine - wie ich finde - sehr schöne Seite im Internet auf. Es haben mich noch viele der Gedichte, die dort auf Englisch und in deutscher Übersetzung zu finden sind, begeistert, u.a. „we are seven“.
Interessant ist auch die dort zu findende „Notiz des Übersetzers“ (Dietrich H. Fischer), die beschreibt, wie er darauf gekommen ist, die Übersetzungen in Angriff zu nehmen!
Alles zu finden - she. Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.william-wordsworth.de/index.html
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Elfenbein
antwortete am 25.01.07 (09:41):
Eine geschützte Übertragung des Wordsworth-Poem - von Dietrich H. Fischer - findet sich auf der Website die enigma angab:
Internet-Tipp: /seniorentreff/de/zm1MXqJmT
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Elfenbein
antwortete am 25.01.07 (09:59):
Alterswunsch für mein Herz
(Nach Wordsworth's "My heart..")
Es hüpft das Herz mir, wenn ich ihn schau: den Regenbogen hoch im Himmelsblau!
So war’s als Kind von Anbeginn, so ist’s, da ich erwachsen bin.
So sei’s, wenn alt ich werd’ und grau und still; so auch, wenn Tod mich holen will.
Des Mannes Vater ist die Kindeslieb, und wär’s ein Wunsch, der mir verblieb:
Den Tagen sei, die ich mag darben, ein einig Band als Harmonie der Farben.
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Enigma
antwortete am 26.01.07 (08:01):
Eine Nachdichtung ohne Angabe des Verfassers? Ziehe ich daraus den richtigen Schluss? Auf jeden Fall danke! :-)
Johann Peter Uz (1720-1796)
Ein Traum
O Traum, der mich entzücket! Was hab ich nicht erblicket! Ich warf die müden Glieder In einem Thale nieder, Wo einen Teich, der silbern floß, Ein schattigtes Gebüsch umschloß.
Da sah ich durch die Sträuche Mein Mädchen bey dem Teiche. Das hatte sich, zum Baden, Der Kleider meist entladen, Bis auf ein untreu weiß Gewand, Das keinem Lüftgen widerstand.
Der freye Busen lachte, Den Jugend reizend machte. Mein Blick blieb sehnend stehen Bey diesen regen Höhen, Wo Zephyr unter Lilien blies Und sich die Wollust greifen ließ.
Sie fieng nun an, o Freuden! Sich vollends auszukleiden; Doch, ach! indems geschiehet, Erwach ich und sie fliehet. O schlief ich doch von neuem ein! Nun wird sie wohl im Wasser seyn.
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kropka
antwortete am 01.02.07 (08:29):
O Menschenangesicht: aus solcher Flut von immer Irrtum immer wieder tauchend, nichts, nur ein wenig Bleibens brauchend, trotz allem grüßend, gebend, beinah gut -. O Menschenangesicht aus solcher Flut. Und über Dir nur Züge, kein Gesicht aus Maßen, daß Du Dich dazu bezögest; und wenn Dus von den Bergen niederbögest: ------------------------------- Ach über Dir nur Züge kein Gesicht.
Aus: Die Gedichte 1910 bis 1922 (Wien, 10. Mai 1916)
https://www.rilke.de/
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Enigma
antwortete am 06.02.07 (09:06):
Tschau Goethe
Er stand an einer merkwürdigen gelben Wegkreuzung und flirtete intensiv mit dem Milch- mädchen aus Frankfurt.
Ich fuhr mit dem Fahrrad vorbei, klingelte auf dem Gepäckträger saß Arno Schmidt und rief Tschau Goethe dieser ging schleunig nach Hause, zog sich aus bis aufs geblümelte Nachthemd und schrieb weiter an seiner Welt- literatur
Beat Brechbühl
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Beat_Brechb%C3%BChl
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kropka
antwortete am 06.02.07 (15:12):
... Dann bleibe ich bei "Flut". Und beim Goethe! Einverstanden Enigma?
Die Flut der Leidenschaft...
»Die Flut der Leidenschaft, sie stürmt vergebens An's unbezwungne feste Land.« Sie wirft poetische Perlen an den Strand, Und das ist schon Gewinn des Lebens.
J.W. Goethe
West-östlicher Divan (1814-1836)
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Enigma
antwortete am 07.02.07 (17:43):
:-)) Ja kropka, einverstanden. Du bleibst bei Goethe und ich bleibe bei einem Gedicht über Goethe. o.k.?
Abenteuer mit Dichtung
Als ich Goethe ermunterte einzusteigen war er sofort dabei während wir fuhren wollte er alles ganz genau wissen ich ließ ihn mal Gas geben und er brüllte: „Ins Freie“ und trommelte auf das Amaturenbrett ich drehte das Radio voll auf er langte vorn herum brach den Scheibenwischer ab und dann rasten wir durch das Dorf über den Steg und in den Acker wo wir uns lachend und schreiend aus der Karre wälzten
Jürgen Theobaldy
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Theobaldy
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Enigma
antwortete am 08.02.07 (08:37):
Wallfahrt nach Sesenheim
Wo man rechts von der Haupt- straße abbiegt, verhält der große Vogel neben dem Wagen Schatten über den Scheiben wir hören die schweren lang anhaltenden Schläge er schraubt sich hoch jäh bricht er aus und davon -
Wir essen im berühmten Gast- hof am Platze im Nebenzimmer Verstreutes vom alten Genie neben der Scheune (bestens erhalten) der Pfarrhof
Später spazieren wir heiter am kleinen Gedenkhaus vorbei lächeln verständig uns an und schaun (wie auf Befehl) nach Straßburg hinüber
Karl Hotz
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Elfenbein
antwortete am 12.02.07 (05:52):
Johann Wolfgang von Goethe: Lied des Türmers
Zum Sehen geboren, Zum Schauen bestellt, Dem Turme geschworen, Gefällt mir die Welt. Ich blick in die Ferne, Ich seh in der Näh Den Mond und die Sterne, Den Wald und das Reh. So seh ich in allen Die ewige Zier, Und wie mir's gefallen, Gefall ich auch mir. Ihr glücklichen Augen, Was je ihr gesehn, Es sei, wie es wolle, Es war doch so schön!
* Interpretation:
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/590335
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kropka
antwortete am 15.02.07 (09:41):
Im dunklen Erdteil Afrika Von Joachim Ringelnatz
Im dunklen Erdteil Afrika Starb eine Ziehharmonika. Sie wurde mit Musik begraben. Am Grabe sassen zwanzig Raben. Der Rabe Num'ro einundzwanzig Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig Und gründete dort etwas später Ein Heim für kinderlose Väter. Und die Moral von der Geschicht? - Die weiss ich leider selber nicht.
https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/590347/
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/590347/
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Enigma
antwortete am 15.02.07 (10:53):
Dan Danila
DICHTERTREFFEN
Es wurden Hypothesen aufgestellt, Beweise erbracht, viele alte Traktate zitiert und nach hitzigen Erörterungen gelangte man zu folgender einstimmig angenommenen Definition: das Gedicht ist ein Atemhauch im kristallenem Flaschen, ein Komet mit hyperboräischer Bahn, das auf dem Mars verborgene Herbarium des Planeten, die Geheimsprache autistischer Kinder, eine feingemahlene Tanagrastatuette, der Kolophoniumgeist alter Geigen, ein weißer, ins Licht verliebter Maulwurf, die Wolke, die da Vinci inspirierte, eine Träne, in der Lastensegler Schiffbruch erleiden, der Monolog im Termitenhaufen, eine runenbedeckte Elfenbeinkugel, in den Augenwinkel geritztes Gleichnis, das Lächeln, das wir in der Kolonne durchschreiten, die Traurigkeit, die wir einzeln überstehn, eine Sammlung chronophager Texte, ein Prophet, der das Kräutlein Vergessen zuteilt, ein Kodifiziergerät mit verwischten Tasten, die Orchidee, die der Mann mit der Maske seziert, der Fakir im Schloss aus Pferdemist, ein fragender Schleier, ein körperloser, ein zittriger Brief unter bengalischem Feuer, ein Kaktus, der einmal im Saeculum blüht, der Traum, den wir stets vergessen, ein klarer See mit einer Nixe, erleichtert atmeten die Delegierten auf, unterzeichneten und wandten beglückt sich Bahnhöfen, Flugplätzen, Haltestellen der U- wie Straßenbahn, Taxen und Luftschiffen zu.
She. auch Internet-Tipp!
Das Treffen fand aber ofenbar nicht im ST statt. ;-))
Internet-Tipp: https://www.dan-danila.de/bio.html
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Enigma
antwortete am 15.02.07 (10:55):
..."offenbar..." Tippfehler!
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kropka
antwortete am 16.02.07 (07:32):
Sei Poet benütz die Sprache als ein Federbrett, spring einen Salto in die Alphabete, zieh jeden Satz wie eine Flagge hoch.
Sei Poet, nicht Schaf im Wolfspelz für ein Schattenspiel, nicht Winterkleid für all die dünnen Phrasen, die jedermann zu jedermann an jedem Tag erzählt, Dann kannst Du Gärtner der Träume sein, hurra! Und kannst Kalif von Bagdad sein, hurra! Mehr will ich nicht von dir, Mehr will ich nicht von dir,
Sei Poet, Den innern Erdteil sollst Du projizieren mit magischen Laternen und mit Spiegeln, die man für zwei Kometen überall erhält.
André Heller (geschrieben 1972)
https://www.geocities.com/Athens/Forum/9962/seipoet.html https://www.neon.de/kat/zeigeallesongszu/?id=35776
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Enigma
antwortete am 16.02.07 (11:46):
Linie 1
Ein adrett gekleideter grauer Pavian entstieg der U - Bahn am Kottbusser - Tor Er trat geradewegs auf mich zu und blickte mich mit freien Augen an So fragte ich ihn nach seinem Namen und ob seine Außergewöhnlichkeit nicht auffalle Er antwortete daß er schon viele Jahre in Berlin wohne und diese Strecke hundertmal am Tag führe er gehöre zu den Sehenden kenne viele Tricks und das Telefonbuch auswendig Ich prüfte ihn und fragte nach der Nummer des Menschen worauf er mich auf mich selbst verwies und mir zuflüsterte er sei eigentlich gar kein U- Bahn fahrender Pavian sondern nur ein Teil meiner Freiheit Es wurde ein guter Tag
Gerhard Mell
aus " abgezockt und zugenäht" Poems und Storys von nebenan und untendrunter
Internet-Tipp: https://www.wiesenburgverlag.de/belletristik/autoren/Mell.htm
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Enigma
antwortete am 19.02.07 (19:11):
Su lang mer noch am Lääve sin
Su lang mer noch am Lääve sin, am Laache, Kriesche, Danze sin, su lang - mer noch am Lääve sin. Mer sin wirklich offe, mer schwaade nit drömröm. Uns Hätze schlage allsamp im Rhythmus vun ner Tromm. Mer drieße jet op morje, denn hück do han mer Lauf. E schläch Jewisse un Sorje, jo, dat nemme mer in Kauf.
Su lang mer noch am Lääve sin, am Laache, Kriesche, Danze sin, su lang - mer noch am Lääve sin. Su lang mer noch am Lääve sin, am Laache, Kriesche, Danze sin, su lang - mer noch am Lääve sin.
Mer sin echt nit kleinlich, uns kütt et nit drop an op du gerade heute frisch bist oder klamm. Mer welle, dat in unsrer Stadt jeder glücklich weed. Et jit jet, dat mer üvverall op d´r Welt versteiht. Songtext Gruppe Brings
pilli, ich habe leider keine Übersetzung! :-((
Aber "Brings" gehört zu meinen Lieblingsgruppen, nicht nur "zur 5. Jahreszeit". :-))
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Enigma
antwortete am 19.02.07 (19:39):
....reinhören geht aber schon mal - she. Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.brings-fanclub.de/text.html
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kropka
antwortete am 19.02.07 (23:07):
Refrain (17x):
So lang wir noch am leben sind am lachen, weinen, tanzen sind so lang - wir noch am leben sind.
so lang wir noch am leben sind!!!!!
... noch mehr??.. aber da ist so ein hässliches Wort: "Mer drieße jet op morje".. ja ja.. das zweite.. :-(
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kropka
antwortete am 20.02.07 (11:29):
Halbamtlich, eigentlich viertelamtlich, sei noch mitgeteilt, daß farbiges Konfetti in den verehrlichen Apotheken nicht mehr als Kopfwehpulver verkauft werden darf, und deshalb rufe ich unter Tränen aus: "Nieder mit dem Aschermittwoch - nieder mit dem Karneval - Es lebe der 1. April!!!"
Aus KARL VALENTIN, der heuer (4. Juni) vor 125 Jahren zur Welt kam, ersten "Narrenrede" (1918/20)
https://www.muc.kobis.de/lernwerkstatt/schwerpunkte/valentin/valentin.htm
https://www.muenchen.de/Stadtleben/Specials/valentin125/186096/index.html
Ach, es ist doch schrecklich g’wiss Wenn der Mensch recht mager ist...
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Enigma
antwortete am 23.02.07 (08:41):
Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst
Soll i aus meim Hause raus? Soll i aus meim Hause nit raus? Einen Schritt raus? Lieber nit raus? Hausenitraus - Hauseraus Hauseritraus Hausenaus Rauserauserauserause ......
Christian Morgenstern
PS Der Unterschied zwischen der Hausschnecke und mir ist zumindest der, dass ich weiß, dass ich raussoll und rauswill. :-)
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kropka
antwortete am 26.02.07 (09:05):
baubo sbugi ninga gloffa
siwi faffa sbugi faffa olofa fafamo faufo halja finj
sirgi ninga banja sbugi halja hanja golja biddim
mâ mâ piaûpa mjâma
pawapa baungo sbugi ninga gloffalor
Hugo Ball
Katzen und Pfauen aus: Laut- und Klanggedichte
(Lyrikmail Nr. 1482 22.02.2007)
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yankee
antwortete am 26.02.07 (19:27):
Mit diesen Klang und Lautgedichten kann ich einfach nichts anfangen. Dafür reicht meine beschränkte Bildung einfach nicht aus. Deshalb streue ich mal wieder was klassisches ein :-)
Liebe
Was die Liebe kann begehren Liebe darf es frei gewähren
Was durch Liebe ward verschuldet gern durch Liebe wirds geduldet
Alles Fehlen alles irren Liebe weiß es zu entwirren
trägt mit seliger Gebährde alle Not und Schuld der Erde
am Geliebten jeden Flecken weiss Sie sorgsam zu verdecken
ja, Ihn völlig frei zu sprechen lächelnd teilt Sie sein Verbrechen.
Robert Prutz
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Enigma
antwortete am 27.02.07 (08:14):
Was du bist
Du bist nicht was du tun willst Du bist das was du tust
Du bist nicht was du sagst Du bist das was du tust
Du bist nicht was du denkst Du bist das was du tust
Du bist nicht einfach was du bist Du bist das wofür du dich entscheidest es zu tun.
Evelyne Weissenbach
Quelle: she. Internet-Tipp! Eingestellt mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
Internet-Tipp: https://lyricgallery.twoday.net/stories/2167766/
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yankee
antwortete am 27.02.07 (10:17):
Breite und Tiefe
Es glänzen viele in der Welt die wissen von allem zu sagen (besonders hier im ST :-)) und wo was reizet und wo gefällt man kann es bei ihnen erfragen man dächte, hört man sie reden laut sie hätten wirklich erobert die Braut
Doch gehn sie aus der Welt ganz still ihr Leben war verloren den wer etwas treffliches leisten will hätt gern etwas großes geboren drum sammle still und unerschlafft im kleinsten Punkt die höchste Kraft
Der Stamm erhebt sich in die Luft mit üppig prangenden Zweigen die Blätter glänzen und hauchen Duft doch können sie Früchte nicht zeugen der Kern allein im schmalsten Raum verbirgt den Stolz des Waldes, den Baum.
Friedrich Schiller
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yankee
antwortete am 27.02.07 (10:24):
Sorry, kleiner Fehler in der dritten Zeile.
und wo was reizet und wo was gefällt
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Elfenbein
antwortete am 27.02.07 (11:25):
heute im dradio.de - im Lyrischen Kalender; ein wichtiges politisches Gedicht, das als einfaches "Kinderlied" firmiert. (Einem Christian Klar müsst man das erklären könne; aber das würde sich wohl nicht interessieren, wenn man sein "Kampf-Manifest-chen" gelesen hat.)
Uljana Wolf: kinderlied
mein vater der kleine trompeter gab sein blut für unsre kehlen
singend führn wir ihn im schilde spielend schaufeln wir sein grab
mein wächter der kleine trompeter mit dem blech an seinen lippen
bläst uns wenn die herzen aus der deckung treten seinen marsch
(Uljana Wolf: kochanie ich habe brot gekauft. Gedichte. Kookbooks, Berlin 2005.)
* Nachzulesen, um es erfassen zu können:
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/595554
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Enigma
antwortete am 27.02.07 (14:21):
Rätsel Von Axel Sanjosé Es ist nicht blau, es ist nicht bunt, es ist nicht groß und auch nicht rund, es hat zehn Beine, keinen Kopf und in der Mitte nur ein Loch, es ist mal anders und mal so, steht oft vergeblich irgendwo, man sieht es aus der Ferne schlecht, im Winter ist es niemals echt, wir kennen's nicht aus der Natur, was ist es nur, was ist es nur?
Des Rätsels Lösung findet man über den Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/565632/
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kropka
antwortete am 01.03.07 (12:12):
Hallo Yankee, Bildung hin, Bildung her.. ob "beschränkt" ?.. Das würde ich niemals so bezeichnen. Ich habe im Regal ein schönes Reclam Büchlein ca. 400 Seiten: Poetische Sprachspiele - Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Es macht mir einfach Spaß diese Gedichte zu lesen, sie zu sehen auch! https://www.reclam.de/detail/978-3-15-018238-3
Und dass viele hier glänzen und von allem etwas zu sagen wissen.. finde ich gut, davon "profitiere" ich auch! Wünsche dir viel Freude und streue bitte mal wieder was klassisches hier ein :-)... Gruß kropka
Das große Lalula
Kroklokwafzi? Semememi! Seiokrontro -- prafriplo: Bifzi, bafzi; hulalemi: quasti basti bo... Lalu lalu lalu lalu la! Hontraruru miromente zasku zes rü rü? Entepente, leiolente klekwapufzi lü? Lalu lalu lalu lalu la! Simarar kos malzipempu silzuzankunkrei (;)! Marjomar dos: Quempu Lempu Siri Suri Sei []! Lalu lalu lalu lalu la!
Christian Morgenstern: Galgenlieder, Berlin 1905
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Lautpoesie
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kropka
antwortete am 01.03.07 (12:36):
Hier ein ganz anderes, (mein Lieblings-) Gedicht aus dem Film POEM. Danke Enigma für diese Erinnerung! Meine Freundin und ich sind damals 80 km gefahren um den Film in einem Studio-Kino sehen zu können...
https://www.poem-derfilm.de/index2.htm
Der Falter
Wenn der Falter fliegt, denkt er dann, sobald das Licht ihn trifft an Untergang? Oder fühlt er nur neuen Lebensmut? durchs Licht die Liebe und stürzt sich freudig in die Glut?
Wenn der Falter glüht, ist er dann seinem Traum ganz nah oder ist ihm bang? Verflucht er seine Leidenschaft und stemmt die Flügel gegens Licht mit allerletzter Kraft?
Wenn der Falter stirbt, fühlt er dann seines Herzens letzten Schlag und weiß er dann dass mit dem Licht sich sein ganzes Leben gelohnt?
Isabel Tuengerthal
Internet-Tipp: https://www.poem-derfilm.de/index2.htm
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yankee
antwortete am 01.03.07 (16:45):
Hallo kropka, da ja jede Bildung beschränkt ist habe ich mir nichts böses bei der Formulierung gedacht :-). Ich finde lediglich einfach keinen Draht zu den Laut und Klanggedichten. Da hab ich größte Schwierigkeiten schon beim lesen. Vielleicht kannst du mir mal erklären, was dich daran so fasziniert. Vielleicht fehlt mir einfach auch nur die nötige Kreativität. Das Faltergedicht gehört auch zu meinen Lieblingsgedichten. Dazu passt hier noch ein traurig romatisches von Gottfried Keller
Siehst du den Stern
Siehst du den Stern im fernsten blau der flimmernd fast erbleicht sein Licht braucht eine Ewigkeit bis es dein Aug erreicht.
Vielleicht vor tausend Jahren schon zu Asche stob der Stern und doch steht dort sein milder Schein noch immer still und fern.
Dem Wesen solchen Scheines gleicht er ist und ist doch nicht O Lieb, dein anmutvolles Sein wenn du gestorben bist.
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kropka
antwortete am 03.03.07 (18:27):
O Yankee, ist das traurig.. Zu traurig! Seine, (mir bekannte) Gedichte mag ich nicht besonders.. Ich habe mal ein anderes am 24.01.06 im Deutschlandradio gehört, hier für dich, bitte:
WINTERNACHT Von Gottfried Keller
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt, Still und blendend lag der weiße Schnee. Nicht ein Wölklein ging am Sternenzelt, Keine Welle schlug im starren See.
Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf, Bis sein Wipfel in dem Eis gefror; An den Ästen klomm die Nix' herauf, Schaute durch das grüne Eis empor.
Auf dem dünnen Glase stand ich da, Das die schwarze Tiefe von mir schied: Dicht ich unter meinen Füßen sah Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.
Mit ersticktem Jammer tastet' sie An der harten Decke her und hin, Ich vergeß' das dunkle Antlitz nie, Immer, immer liegt es mir im Sinn!
URL: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/454160/
"Vielleicht kannst du mir mal erklären, was dich daran so fasziniert" schreibst du. Nein, kann ich nicht. Das musst du fühlen, du aber fühlst die Sprache anders als ich weil.. vielleicht weil Deutsch deine Muttersprache ist?.. Nicht aber meine. Ich nehme gerne die Sprache "auseinander", versuche sehr genau zu verstehen.. (und verstehe oft falsch, z. B. das Wort "beschränkt" klingt für mich negativ) usw. Für mich ist auch Rhythmus, Melodie, ein Klang der Sprache sehr wichtig. Ein Gedicht ist für mich auch ein Wortspiel, es ist wie Musik.. Und wie hört sich das an? Aber bitte lies das du selbst und nicht diese schreckliche "Vorlesestimme", die nicht mal "kropka" richtig aussprechen kann ;-)
Liebeserklärung des Raben Ralf an die Räbin Louise Broxak
Tor! tor! tor! broxak!broxak! kokoloko? klokoko!
Serbo-serbo- broxak!broxak! kolkrekolu! krekloko?
Kar! Kar! Kar! broxak!broxak! Kalakaka! Kralkaka!
www.christian-morgenstern.de/
Ist es nicht köstlich? ;-)) Du sagst vermute ich: "Nein!"...
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/454160/
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kropka
antwortete am 03.03.07 (18:31):
Dann noch ein andres, "abgründig-komisch", auch Christian Morgenstern, auch dradio.de vom 2.03.07:
Das Fest des Wüstlings
Was stört so schrill die stille Nacht? Was sprüht der Lichter Lüstrepracht? Das ist das Fest des Wüstlings!
Was huscht und hascht und weint und lacht? Was cymbelt gell? Was flüstert sacht? Das ist das Fest des Wüstlings!
Die Pracht der Nacht ist jach entfacht! Die Tugend stirbt, das Laster lacht! Das ist das Fest des Wüstlings!
(zu flüstern)
© 2007 Deutschlandradio
URL: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/598526/
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/598526/
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kropka
antwortete am 03.03.07 (18:34):
Jetzt aber sehr, sehr ernst und sehr romantisch :-) hier mein Lieblingsgedicht des "grandiosen Komikers und Meisters der Groteske" Morgenstern:
Es ist Nacht, und mein Herz kommt zu dir, hält's nicht aus, hält's nicht aus mehr bei mir. Legt sich dir auf die Brust, wie ein Stein, sinkt hinein, zu dem deinen hinein.
Dort erst, dort erst kommt es zur Ruh, liegt am Grund seines ewigen Du.
Christian Morgenstern, 1908
Internet-Tipp: https://www.onlinekunst.de/liebesgedichte/liebe_morgenstern.html
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Enigma
antwortete am 07.03.07 (08:51):
Hartmut Kasper
BATMAN UND ICH
In der Nacht, nachdem ich im mittleren Regal von dreien mein Batman-Museum eingerichtet hatte, rechnete ich mich reich: Wenn jeder meiner Verwandten (und ich rechnete die entlegensten Tanten und den legendären Onkel dazu, der als Kellner über der Eisdiele hauste) nur einmal pro Monat käme und 50 Pfennig Eintritt bezahlte, spülte mir das 12 mal 13 mal 50 Pfennig gleich 78 Mark pro Jahr in die Museumskasse! Kämen sie wöchentlich, kämen sie täglich - Das ließ sich im Dunkeln schon gar nicht mehr rechnen! Ja, die Supermann & Batman-Hefte, die schwarze Maske von Robin und das Matchbox-Batmobil waren eine gute Investition. Natürlich kam niemand, und bis ich Bafög bekam, blieb ich arm. Die Maske von Robin habe ich übrigens immer noch, aber ich setze sie selten ein.
Internet-Tipp: https://www.dasgedicht.de/dg13_lyr.htm
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kropka
antwortete am 08.03.07 (07:27):
Danke Enigma! Viele schöne Gedichte.. Ich suchte mal im Internet (und fand nicht) eins von Joachim Fuhrmann, es hieß: Begegnung mit Sprache. Erinnre mich an die letzte Strophe:
tu das tu dies mach das mach dies lass das lass dies wie oft soll ich dir noch sagn wie oft soll ich dir noch erklärn kannst du nich hörn willst wohl nich dann wolln wir mal eine andre sprache sprechn
;-)
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Enigma
antwortete am 09.03.07 (08:17):
Danke kropka,
die Begegnung mit der Sprache hat mir gefallen.
Nun noch eine Begegnung: ;-))
Der Fall Strohmaus
Es lag die Maus im Stroh herum Und nuckelte am Strohrum rum Sie tat so gern am Strohrum nuckeln Und danach im Stroh rumkugeln Doch plötzlich war die mausetot Da kam Inspektor Pausenbrot Sah tot im Stroh die Maus noch prall Es war sein erster Strohmaus-Fall
Willy Astor Aus: Unverrichter der Dinge.Humor direkt vom Erzeuger
Homepage von Willy Astor - she. Internet-Tipp!
Internet-Tipp: https://www.willy-astor.de/
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yankee
antwortete am 09.03.07 (16:28):
Hier auch eine Begegnung
Begegnung
Das süße Lächeln starb dir im Gesicht, Und meine Lippen zuckten wie im Fieber; Doch schwiegen sie - auch grüßten wir uns nicht, Wir sahn uns an und gingen an uns vorüber.
Theodor Storm
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kropka
antwortete am 09.03.07 (16:56):
.. und hier noch eine!
Begegnung
Ich sah dich schon. Im Sonnenschein beim Roggenfeld am Wiesenrain stand wilder Mohn; die Kelche blühten blutrot breit, den Schoß voll blauer Dunkelheit, und jäh aus einer Knospe quoll ihr glühendes Seelchen, unruhvoll.
So sah ich Dich, du knospiges Kind, erglühn, gestern im Feld am stillen Fichtenhain, als im Vorübergehn mein Blick dich küßte; mit allen Adern schienst du aufzublühn, so scheu und rein, als ob ich um Verzeihung bitten müßte.
War's ein Erglühn? War's nur ein Widerschein? das Rot des roten Sommerkleids um dich? das Abendrot, das fern verglomm im Tann? War's ein Erglühn, das erste war es dann, das deine jungen Schläfen so beschlich; so bang, so schwer sahst du mich an, so fast voll Angst zurück nach mir, als du verschwandest sacht im dichten Gewühl der silbergrünen Fichten.
Doch meine Seele folgte dir, dein blautief Auge blieb in mir.
Ich sah dich schon, du flüchtendes Kind: heiß durch den Roggen strich der Wind und bebend neigte sich der Mohn. Ich hab eine rote Blüte verwehn, zwischen den Halmen zerflattem sehn, und habe den Blättern nachgeträumt; und immer ist mir noch, ich schaue in ihren Kelch, der glutumsäumt sich jäh vertieft ins Dunkle, Blaue...
Richard Dehmel
Internet-Tipp: https://www.onlinekunst.de/gedichte/mohn/
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Enigma
antwortete am 09.03.07 (17:39):
... und noch eine:
Heine, Heinrich Begegnung
Wohl unter der Linde erklingt die Musik, Da tanzen die Burschen und Mädel, Da tanzen zwei, die niemand kennt, Sie schaun so schlank und edel.
Sie schweben auf, sie schweben ab, In seltsam fremder Weise; Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt, Das Fräulein flüstert leise:
Mein schöner Junker, auf Eurem Hut Schwankt eine Neckenlilie, Die wächst nur tief in Meeresgrund Ihr stammt nicht aus Adams Familie.
Ihr seid der Wassermann, Ihr wollt Verlocken des Dorfes Schönen. Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick, An Euren fischgrätigen Zähnen.
Sie schweben auf, sie schweben ab, In seltsam fremder Weise, Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt, Der Junker flüstert leise:
Mein schönes Fräulein, sagt mir, warum So eiskalt Eure Hand ist? Sagt mir, warum so naß der Saum An Eurem weißen Gewand ist?
Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick An Eurem spöttischen Knickse Du bist kein irdisches Menschenkind Du bist mein Mühmchen, die Nixe.
Die Geigen verstummen, der Tanz ist aus, Es trennen sich höflich die beiden. Sie kennen sich leider viel zu gut, Suchen sich jetzt zu vermeiden.
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Elfenbein
antwortete am 11.03.07 (10:37):
... von einer Begegnung auf hoher See erzählt MLK:
Marie-Luise Kaschnitz: Niemand
Wer nirgends ist, ist niemand. Ich Auf dem soundsovielten Breitengrad Aber umgeben von nichts als Wasser und Luft Bin nicht mehr ich. Mein starkes Schiff Provence Ist wie jedes ein Fliegender Holländer. Kommt nur in Booten. Klettert über die Bordwand. Da trinken Herr Niemand Frau Niemand Da schlafen Herr Niemand Frau Niemand Kind Niemand sitzt auf dem Holzpferd Ich Niemand schreib in den Wind.
(M.L.K.: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Büttrich/Miller. Bd. 5. Frankfurt am Main 1985) *
Wer dazu bei radio.de nachlesen will:
Internet-Tipp: https://www.dradio.de/dlf/sendungen/lyrikkalender/600305
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Enigma
antwortete am 11.03.07 (11:05):
...und hier von einem Liebespaar auf dem Jahrmarkt. Ich finde beide Gedichte toll... wie fast alles von ihr!
Marie Luise Kaschnitz
Liebespaar auf dem Jahrmarkt
Der Himmel, das ist dein grünes Gesicht Und die aufgerissenen Augen darin Wir gehen nicht Du und ich Zur Wahrsagerin Wir wissen schon, was unser Schicksal ist Wir sitzen nicht unter dem Zelt Wo die Alten essen und trinken Essen und trinken sollen Die, nicht mehr lieben wollen Laß sie rufen und winken Auf den Tanzboden steigen wir nicht Und drehen uns Brust an Brust Unser Wein ist die Nachtluft Unsere Lust ist nirgends zu sein Unsern Tod haben wir voraus Wir nehmen ihn Hand in Hand Wir streifen die Spitze des Turms Und die Ränder der Wolkenwand Alles kommt zur Ruhe Wenn die Nacht vergeht Der Tatzelwurm und die träge Planetenbahn Nur die feurigen Arme heben Senken und drehen sich Der Himmel, das ist dein grünes Gesicht Wir sterben nicht Du und ich Fahr hin, hartes herrliches Leben -
Internet-Tipp: https://www.deutsche-liebeslyrik.de/kasch.htm
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kropka
antwortete am 11.03.07 (23:31):
Seither
Seither bedeutet Küssen eigentlich nur noch dich küssen also nur noch geküßt haben nicht mehr küssen nicht wirklich mehr küssen dürfen also vielleicht auch nicht wirklich mehr küssen können Aber eigentlich hat Küssen nicht nur Küssen bedeutet sondern auch bei dir sein
Und eigentlich bedeutet seither auch sein nichts als bei dir sein und atmen nichts als dich einatmen oder in dich hineinatmen also nichts als bei dir gewesen sein und bei dir geatmet haben also eigentlich nicht mehr atmen und nicht mehr sein
Erich Fried
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Enigma
antwortete am 14.03.07 (07:30):
Ali Abdollahi Zu ende Selbst wenn ihr zurückkehrtet, Das Buch umblättern würdet - rückwärts - Von Künftigem uns entferntet, Euer Gejohle Die Tage erfüllte, Und eure Stricke Meine Kehle küßten. Mein Traum führt mich Zur anderen Seite, Und das Buch lese ich Zu Ende.
Internet-Tipp: https://www.litlinks.it/ax/abdollahi_a.htm
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Elfenbein
antwortete am 14.03.07 (14:36):
Eva Zeller: Das Wörtlein Es soll auf unserm Erdenrund über dreitausend geschriebene und fast zweitausend nur gesprochene Sprachen geben Eine davon die Mutter- die Vater- die Unsersprache geschrieben gesprochen nicht zu vergessen gesungen darüberhinaus an verschiebbaren Perlen entlang geflüstert kaum daß man dabei die Lippen bewegt als habe man sich des alt- gewordenen Vokabulars zu schämen das sich nicht plaudern läßt
Selbst dem geringsten unter den Worten das sich klein gemacht hat zum Wörtlein hört man seine Herkunft noch an Das kann fällen das Wörtlein den altbösen Feind Der will uns um unsere Sprache bringen die tonlos gemurmelte und uns gar verschlingen Wir können ein Lied davon singen * Über Eva Zeller, die schon 83 Jahre wurde:
Internet-Tipp: https://de.wikipedia.org/wiki/Eva_Zeller
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kropka
antwortete am 14.03.07 (22:14):
Aber vielleicht Meine großen Worte werden mich nicht vor dem Tod schützen und meine kleinen Worte werden mich nicht vor dem Tod schützen überhaupt kein Wort und auch nicht das Schweigen zwischen den großen und kleinen Worten wird mich vor dem Tod schützen Aber vielleicht werden einige von diesen Worten und vielleicht besonders die kleineren oder auch nur das Schweigen zwischen den Worten einige vor dem Tod schützen wenn ich tot bin
Erich Fried
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kropka
antwortete am 21.03.07 (10:22):
Heute ist Tag der Lyrik
O Knute, o Knute! Die schwingen man tute, Machst Wirkung sehr gute Bei frevelndem Mute. Was dem Kinde die Rute, Ist dem Volke die Knute; Du stillest die Wute Rebellischem Blute. Das alles, das tute Die Knute, die Knute! Weshalb ich mich spute, In einer Minute Poetischer Glute Schrieb ich an die Knute Dies Gedichtchen, dies gute.
Johann Nestroy
Internet-Tipp: https://www.nestroy.at/
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Enigma
antwortete am 29.03.07 (08:51):
Simone Katrin Paul Wo sind die guten Vorsätze hin
dass sie hin sind vermut ich denn es geht von ihnen keine Rede mehr um so wie früher von Toten so offensichtlich wie rohe vom Gold verschwiegene, verdreckte Diamanten im Kimberlit wo sind die guten Vorsätze, ich frag nach denen und nach den schwachen, den längst gefassten den wieder aufgegebenen Katzengoldflimmersternzeichen auf graphitgrauer Treppe ich frag mich selbst wie ein Kind vor jedem neuen Jahr kaum spricht wer davon, dass ein Neues beginnt als wär's nicht der Rede mehr wert was wer mit ihm vorhat stattdessen gehen die Reden von Einsätzen im Zeichen des Mars und wie wild geworden von Tänzen ums neue Geld berichten die Medien allenfalls Neues vom Schnee dieses Winters und ich frag mich, wo die Vorsätze hin sind nicht nur die guten die aufgegebenen, die aus Schwäche gefassten die in die Mühlen der Zeit geratenen die erst zwischen den Schleifsteinen Ja und Nein ihre Kraft offenbaren all das Vorkommen der Sätze, die noch besagen, was Leben, und wenn's nicht das Rechte für Dich, wie es wird.
Internet-Tipp: https://www.lyrikwelt.de/autoren/paulsimone.htm
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kropka
antwortete am 03.04.07 (00:27):
EPILOG
Man muß nie verzweifeln, wenn etwas verloren geht, ein Mensch oder eine Freude oder ein Glück; es kommt alles noch herrlicher wieder. Was abfallen muß, fällt ab; was zu uns gehört, bleibt bei uns, denn es geht alles nach Gesetzen vor sich, die größer als unsere Einsicht sind und mit denen wir nur scheinbar im Widerspruch stehen. Man muß in sich selber leben und an das ganze Leben denken, an alle seine Millionen Möglichkeiten, Weiten und Zukünfte, denen gegenüber es nichts Vergangenes und Verlorenes gibt. –
Rainer Maria Rilke, Rom, 29. April 1904
Viele Grüße an alle Hunde, Katzen, Papageien etc. und besonders liebe an die G e s i c h t e r die ich nicht vergessen werde. Viel Freude, viel Glück, viel Erfolg wünscht kropka :-))
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Enigma
antwortete am 03.04.07 (08:36):
Nanu kropka, das klingt ja nach Abschied. Willst Du den nicht mit uns umziehen in den Neuen ST? Herzliche Grüße jedenfalls!
Der Kobold von Werner Bergengrün
Das Haus hab ich erbaut Vom Keller bis zum Dach. Wer hat den Kobold eingesetzt, Der unter der Treppe wohnt? Er trinkt von meinem Wein, Er nagt am Schinkenbein. Er steckt sich Zucker in den Sack, Er schmaust von meinem Rauchtabak, Macht allen Vorrat klein. Was tut er zum Vergelt? Er geigt um Mitternacht. Er gibt auf meine Kinder acht, Daß keins die Treppe fällt! Was tut er noch zum Dank? Er putzt das Mondhorn blank. Damit es silberrein In meine Fenster schein.
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Enigma
antwortete am 03.04.07 (08:38):
... "Willst Du denn nicht mit uns umziehen..." muss es natürlich heißen. :-)
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yankee
antwortete am 05.04.07 (18:27):
Damit es in Sachen Gedichte mal wieder weiter geht, hier noch aus meinem alternden Gedächtnis ein, wie ich finde, schönes Gedicht von Schiller.
Der Spruch des Konfuzius
Dreifach ist des Raumes Maß rastlos, fort, ohn Unterlass, strebt die Länge fort ins Weite endlos gießet sich die Breite grundlos senkt die Tiefe sich.
Dir als Bild sind Sie gegeben rastlos vorwärts musst du streben nie ermüdet stille stehn willst du die Vollendung sehen.
Musst ins Breite dich entfalten soll sich dir die Welt gestalten in die Tiefe musst du steigen soll sich dir das Wesen zeigen.
Nur Beharrung führ zum Ziel nur die Fülle führt zur Klarheit und im Abgrund wohnt die Wahrheit.
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kropka
antwortete am 05.04.07 (21:17):
Danke yankee (warum nennst du dich so?) für die Erinnerung an Schiller. Noch in der Schule in Polen vor vielen vielen Jahren war er mir viel "lieber" als Goethe, ich kann nicht sagen warum... Dann... noch ein "Spruch des Konfuzius 1795" und ein Gruß an dich!
Dreifach ist der Schritt der Zeit, Zögernd kommt die Zukunft hergezogen, Pfeilschnell ist das Jetzt entflogen, Ewig still steht die Vergangenheit.
Keine Ungeduld beflügelt Ihren Schritt, wenn sie verweilt. Keine Furcht, kein Zweifeln zügelt Ihren Lauf, wenn sie enteilt. Keine Reu, kein Zaubersegen Kann die stehende bewegen.
Möchtest du beglückt und weise Endigen des Lebens Reise, Nimm die zögernde zum Rat, Nicht zum Werkzeug deiner Tat. Wähle nicht die fliehende zum Freund, Nicht die bleibende zum Feind.
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kropka
antwortete am 10.04.07 (12:16):
Raum
Noch ist Raum für ein Gedicht Noch ist das Gedicht ein Raum wo man atmen kann Rose Ausländer
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kropka
antwortete am 10.04.07 (12:23):
entfremdung
wir treffen uns hinter der heimat im haus mit gebrochenem flügel
schenken uns fremde einer des andern findling
staub auf den lippen wortein wortaus
wir tragen meilensteine wohin
dein atem weht in andre richtung ich falle aus deinen pupillen ins dickicht
ich erkenne dich nicht
rose ausländer
bei 'milonga' gefunden https://milongablog.de/
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Karl
antwortete am 01.07.07 (21:10):
Thread kann wieder beschrieben werden. Fehler behoben. Entschuldigung.
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