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THEMA:   Frage an Tucholsky-Kenner

 13 Antwort(en).

Laudine begann die Diskussion am 12.09.06 (10:35) :

Liebe Tucholsky-Freunde, ich habe gesehen, dass Anfang des Jahres eine Diskussion zu Tucholsky hier im Forum geführt wurde, die aber leider bereits geschlossen ist. Ich suche dringend eine Literaturangabe zu einem Tucholsky-Zitat und kann sie einfach nicht finden! Das Zitat ist weitläufig bekannt: "Ich habe Erfolg, aber keine Wirkung.". Überall finde ich aber nur den Hinweis auf die Jahreszahl. Ich vermute, dass es in einem Brief erschienen ist, sitzte aber vor meinen Gesammelten Werken und kann es einfach nicht finden. Kann mir vielleicht jemand weiterhelfen? Ich wäre Ihnen sehr dankbar.
Beste Grüße
Claudia


 pilli antwortete am 12.09.06 (10:55):

gefunden habe ich das zitat bei den Rundbriefen der Kurt Tucholsky Gesellschaft und zitiere aus dem Rundbrief August 2003, den ich im link für dich einfüge:

...

"Wie kommt die Verfasserin ihrem Anliegen nach?
Sie wählt den chronologischen Zugang zu Autor und Werk in vier Kapiteln:

1. Vom Reich zur Weimarer Republik (1890-1918)
"Nicht mehr, noch nicht" (was auch der Titel des ganzen Buches ist)

2. Berlin (1919-1923)
"Der Feind steht rechts"

3. Paris (1924-1929)
"Hier bin ich Mensch - und nicht nur Zivilist"

4. Schweden (1930-1935)
"Ich habe Erfolg, aber keine Wirkung"

In diesen Kapiteln geht es nicht in erster Linie um biographische Fakten, sondern um die Schwerpunkte von Tucholskys literarischer und publizistischer Tätigkeit in diesen Lebensabschnitten, um fundierte Darstellung sowie politische und literarische Auseinandersetzung mit seinem Werk, das in seiner ganzen Breite sichtbar gemacht werden soll. Böhme-Kuby bringt eine Fülle von Zitaten, nicht nur die dem Tucholsky-Kenner altvertrauten, sondern auch viele erst aus neuesten Tucholsky-Forschungen und -Editionen zutage geförderten, was intensive Beschäftigung mit neuesten Veröffentlichungen zeigt."

...

vielleicht hilft es dir weiter?

:-)

Internet-Tipp: https://www.tucholsky-gesellschaft.de/Ktgesellschaft/Rundbrief/Rundbrief_0803.htm


 Laudine antwortete am 12.09.06 (11:56):

Hallo pilli,
vielen Dank für die schnelle Antwort. Den Beitrag auf der Seite der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft habe ich auch gefunden und hatte mich auch schon gefreut. Leider steht auch hier keine genaue Angabe, wann und vor allem wo dieser Satz gefallen ist. Aber vielen Dank für Deine Mühe.
Beste Grüße
Claudia


 Literaturfreund antwortete am 12.09.06 (14:00):

Ist es diese STelle...?

K.T.: Im Mai 1931 schrieb er an den Publizisten Franz Hammer:

„Das, worum mir manchmal so bange ist, ist die Wirkung meiner Arbeit. Hat sie eine? (Ich meine nicht den Erfolg; er läßt mich kalt.)
Aber mir erscheint es manchmal als so entsetzlich wirkungslos: da schreibt man und arbeitet man – und was ereignet sich nun realiter in der Verwaltung? Bekommt man diese üblen und verquälten, quälenden invertierten Anstaltsweiber fort? Gehen die Sadisten? Werden die Bürokraten entlassen (...)? Das bedrückt mich mitunter."

Kurt Tucholsky: Briefe. Auswahl 1913–1935. Berlin 1983, S. 255)

*
Ob K.T. den Gedanken nochmals anders formulierte, weiß ich nicht.
*

URL.: So was auf Pappe Gedrucktes gehört wohl zur Wirkung...?

Internet-Tipp: https://www.restauration-tucholsky.de/images/naviteil002.gif


 pilli antwortete am 12.09.06 (14:27):

jetzt habe ich mich festgebissen :-) und doch noch mal gesucht und siehe da; zumindest das "wann" könnte eingekreist werden:

...

»Ich habe Erfolg, aber keine Wirkung«, stellt Kurt Tucholsky bereits 1923 fest. Anfang der 20er Jahre schreibt er in der Hoffnung, daß sich nach dem Erlebnis der Zeitenwende, nach dem Fall der Monarchie und nach den Grausamkeiten des Krieges, nach der Revolution in dieser Republik etwas entwickeln wird, das er bejahen kann. Er glaubt sich im Einverständnis mit den »Massen« (was wäre Tucholsky ohne sein Publikum?) und schreibt gegen alles, was restaurativ gegen Frieden, Demokratie und Freiheit wirkt, er schreibt gegen Monarchie und Militarismus, gegen Klerus und Heuchelei, gegen eine korrupte Justiz und gegen den aufstrebenden Nationalsozialismus. Er schreibt und verläßt sich auf den Zauber des Wortes.

....

aber ein, erst letzte woche beim verlag *zweitausendeins* entdecktes und gekauftes buch blättre ich durch und lese quer; vielleicht entdecke ich noch hilfreiches?

es sind die "Biographischen Annäherungen - Kurt Tucholsky - von Michael Hepp"; erschienen 1999 bei Rowohlt.

aus dem Klappentext:

"Geldgierig? Opportunist? Drückeberger? Antisemit? Kurt Tucholskys Charakterbild schwankt in der Geschichte. In seiner profunden und durch bislang gesperrtes Material aufregenden Biographie korrigiert der Historike Michael hepp Urteile und Vorurteile über den meistgehaßten und meistgeliebten Publizisten der Weimarer Republik. Denn was wir bisher über Tuchos Perssönlichkeit wußten, ist nicht nur zuwenig, sondern in manchem auch falsch.

*Ein Meilenstein in der Tucholsky-Forschung* (Rheinischer Merkur)

Internet-Tipp: https://www.formundzweck.com/titel.php?2&3+100+ich_lieb


 Laudine antwortete am 12.09.06 (15:10):

Lieber Literaturfreund, liebe Pilli,
euer Einsatz ist wirklich klasse! Vielen Dank!
@Literaturfreund: Das ist nicht ganz das Zitat, das ich suche. Inhaltlich stimmt es zwar genau, aber zum Zitieren reicht es leider nicht.
@Pilli: Oje! Das wollte ich natürlich nicht ;-))) Die Annäherungen von Hepp sind sehr gut. Er war der Vorsitzende der Tucholsky-Gesellschaft und hat viele gute Beiträge veröffentlicht. Wenn wir es auch mit vereinten Kräften nicht finden sollten, zitiere ich "einfach" nach Hepp.
@alle: Ihr habt vielleicht schon gemerkt, dass ich nicht ganz zum Adressatenkreis dieses Forums gehöre. Ich bin Studentin und arbeite an meiner Magisterarbeit. Ich habe aber gelesen, dass schon mal ein Student um Hilfe gebeten hat und sehr herzlich empfangen wurde. Da habe ich mich einfach mal getraut. Ich hoffe, das ist in Ordnung. Außerdem ist es nicht einfach, Leute zu finden, die sich mit mir über dieses Thema austauschen können. Die Tucholsky-Gesellschaft hatte bis vor einiger Zeit zwar auch ein Forum, hat es aber für den öffentlichen Gebrauch nach einer Spamwelle geschlossen. Daher bin ich euch für eure Hilfe noch umso dankbarer.
Liebe Grüße
Claudia


 mart antwortete am 12.09.06 (15:21):

Bin kein Tucholsky-Kenner - aber wie pilli bereits oben schrieb, sollte dieses Zitat in einem Brief vorkommen.

Hier wäre der Band aus dem entsprechenden Zeitraum:


Briefe 1919-1924. Gesamtausgabe, Texte und Briefe
Hrsg. v. Antje Bonitz, Dirk Grathoff, Michael Hepp u. a.
Bd.17

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/92w7hNL2y


 Literaturfreund antwortete am 12.09.06 (21:06):

Ich bin erstaunt, wie oft K.T. über Erfolg und Wirkung als ästhetische oder politische Kriterien gesprochen hat.

Noch einige Angaben: Ignaz Wrobel: Alte Wandervögel. In: Die Weltbühne, 22.06.1926, Nr. 25, S. 966.

https://www.textlog.de/cgi-bin/search/proxy.cgi?terms=%26quot%3BErfolg%26quot%3B%20%26quot%3BWirkung%26quot%3B&url=http%3A%2F%2Fwww.textlog.de%2Ftucholsky-wandervoegel.html
*
„Das beste Wort über künstlerische Wirkung stammt von S. J. »Erfolg ist Mißverständnis«, sagte er.“
Peter Panter. In: Die Weltbühne, 01.10.1930, Nr. 40, S. 529.
*

URL.: Auf dieser Seite ist eine gute SUCH-Funktion, auch für K.-T.-Texte (aber nicht für Briefe):

Internet-Tipp: https://www.textlog.de/kurt-tucholsky.html


 Laudine antwortete am 13.09.06 (08:36):

@mart: das glaube ich auch. ich habe einen briefband hier und werde mich mal durchwühlen.
@literaturfreund: das ist tatsächlich so! nicht zuletzt er unstand, erfolg aber keine wirkung zu haben, hat ihn in tiefe krisen gestürzt. denn er hat prophezeit, "[...]daß das Land in seiner jetzigen, völlig unveränderten Geistesverfassung wieder in eine Katastrophe hineintaumeln wird, genau wie im Jahre 1914: dummstolz, ahnungslos, mit flatternden Idealen und einem in den Landesfarben angestrichenen Brett vor dem Kopf.“ Ignaz Wrobel: Gewehre auf Reisen. In: Die Weltbühne, 16.10.1924, Nr. 42.
aber die wenigsten rezipienten haben das derart ernst genommen, dass die tatsächlich aktiv geworden sind und etwas ändern wollten. sind ironie und satire doch nicht die richtigen waffen im kampf gegen das eigene volk, das seine republik nicht liebt und kaisertreue ewiggestrige, die der jungen republik schadeten, wo sie nur konnten?
gruß
claudia


 Literaturfreund antwortete am 13.09.06 (10:18):

"... im kampf gegen das eigene volk,..."

... diese Formulierung teile ich nicht; K.T. hat für Ideen, für Demokratie, Aufklärung, Kunst als ästhetischen Gewinn und für politische Rechte gekämpft, ja... - gegen "rechts“ oder „dumpf&dumm").

*

K.T. kannte ja das Risiko, nicht verstanden zu werden...:

"Roda Roda sagt: »Humor ist die Verdauung der Satten, Satire der Schrei der Hungrigen.« Das ist das Wesen der Satire, aber wie erreicht sie ihre großen Wirkungen, mit welchen Mitteln arbeitet sie? Ich möchte hier einige Ausführungen des Genossen Eduard Fuchs zitieren: Jede Kunst, sagt Eduard Fuchs, ist Karikatur, wenn man nämlich unter Karikatur Hinweglassung des Unwesentlichen und die dadurch notwendige Betonung des Wesentlichen versteht. In ganz besonderem Maße wendet die Satire die Karikatur als Mittel an. (…)"

(Aus: K.T.: "Die moderne politische Satire in der Literatur". In: Dresdner Volkszeitung. 14.05.1912, Nr. 110. - Text 38; in Bd. 1. KT: GTB. S. 51)

*

Dass humorvoll lustiges Geschwätz und anspruchvoll-ideelle, kritische Satire (.. mit der intentio ex negativo, als ästhetisch sozialisierte Aggression...) zweierlei sind, kann man sogar an einfachen oder olligen Beispielen hier im Forum nachlesen ("volkstümlich" wird solch ein provozierendes Denken wohl nie!);... s. "Albtraum":

Internet-Tipp: /seniorentreff/de/diskussion/threads/thread3079.php


 Laudine antwortete am 13.09.06 (10:43):

„[…] Ich resigniere. Ich kämpfe weiter, aber ich resigniere. Wir stehen hier fast ganz allein in Deutschland…Pathos tut nichts und Spott nicht und Tadel nicht und sachliche Kritik nicht. Sie wollen nichts hören.“ Ignaz Wrobel: Prozeß Marloh. In: Die Weltbühne, 18.12.1919, Nr. 52.
ich denke schon, dass er gegen die ignoranz und republikfeindlichkeit großer teile der bevölkerung gekämpft hat, um der idee der republik willen.
„[…] Ich weiß schon: man kann keinen überzeugen, der seine Überzeugung fest in sich trägt, er müßte sich ja dann nachher totschießen…das ist auch gar nicht der Zweck dieser geistigen Übungen. Aber ich kann mir da eine Art ersprießlicher Gegeneinanderarbeit denken, einen wirklichen Kampf, bei dem die Schilde aufeinan-derkrachen, daß die Funken stieben; man lernt den Gegner kennen, der Gegner lernt uns kennen, es ist wirklich eine Schlacht. Und nicht dieser Privatsieg vor einem Parkett der Eigenen.“
Peter Panter: Die Inseln. In: Die Weltbühne, 02.07.1929, Nr. 27.


 Laudine antwortete am 21.09.06 (09:43):

GEFUNDEN!!!
Endlich: bei Uwe Wiemann: Kurt Tucholsky und die Politisierung des Kabaretts ist auf Seite 30 die Quellenangabe zu finden. Und es ist: Brief an Hans Schönlank vom 10.1.1923. Das Zitat lautet korrekt: "Ich habe Erfolg. Aber ich habe keinerlei Wirkung."
Gruß Claudia


 pilli antwortete am 21.09.06 (10:26):

na bitte...

ich teile deine freude!

:-)


 Enigma antwortete am 22.09.06 (08:11):

Ich teile auch die Freude, denn ich habe auch nur das Zitat, aber nicht die Quelle gekannt. Und nun kenne ich die auch. :-)
@Laudine
Ich finde es sehr nett von Dir, dass Du uns auch das Ergebnis Deiner Recherchen mitgeteilt hast. Danke!